HR-Klasse A

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HR-Klasse A
„Castle Class“
ÉTAT 230-321–230-370
SNCF 3-230 D
HR 26 Brahan Castle ETAT 230-321
HR 26 Brahan Castle
ETAT 230-321
HR 26 Brahan Castle
ETAT 230-321
Anzahl: HR: 19
ÉTAT: 50
Hersteller: Dübs and Company
North British Locomotive Company
Baujahr(e): 1900–1917
Ausmusterung: 1930–1947
Bauart: 2’C n2
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Kuppelachsradstand: 4343 mm
4420 mm*
Dienstmasse mit Tender: 104 t
107 t*
Treibraddurchmesser: 1752 mm
1829 mm*
Laufraddurchmesser: 990 mm
Zylinderanzahl: 2
Zylinderdurchmesser: 495 mm
Kolbenhub: 660 mm
Rostfläche: 2,46 m²
Verdampfungsheizfläche: 191,7 m²
* Maße der drei 1917 gebauten Exemplare
Quellen:[1][2][3]

Die Schlepptenderlokomotiven der Klasse A der Highland Railway (HR) mit der Achsfolge 2’C (Ten-Wheeler) wurden 1900 von Peter Drummond, dem damaligen Chefingenieur bzw. Locomotive Superintendent der Highland Railway, konstruiert. Bis 1917 entstanden bei den schottischen Lokomotivherstellern Dübs und North British neben den 19 Maschinen für die HR weitere 50 Exemplare für die Französische Staatsbahn. Eine leicht abgewandelte Version wurde in sechs Exemplaren nach Portugal geliefert und von dort einige Jahre später an eine spanische Bahngesellschaft verkauft. Die letzten Lokomotiven der Klasse blieben bis 1947 im Dienst.

Schottische Lokomotiven

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Eine alte Postkarte zeigt die Farbgebung der Lokomotiven
Nr. 59, eine der drei 1917 gebauten Maschinen mit dreiachsigem Tender

Bereits seit einiger Zeit hatte die HR Planungen für die Beschaffung neuer Expresszuglokomotiven verfolgt, da diese auf ihrer wichtigsten Strecke, der steigungsreichen Highland Main Line, aufgrund der zunehmenden Nachfrage inzwischen oft von zwei 2’B-Lokomotiven bespannt werden mussten. Da die Highland Railway zu Beginn des 20. Jahrhunderts in finanziellen Schwierigkeiten steckte, stellte sie die Planung zunächst zurück, musste sich aber nach Inbetriebnahme der Abkürzungsstrecke der Highland Main Line zwischen Aviemore und Inverness, die ebenfalls betrieblich anspruchsvoll war, doch zur Beschaffung neuer Lokomotiven entschließen.[4] Die Leistungen der ab 1894 für den Güterverkehr gebauten Ten-Wheelern der Klasse I vor zusätzlichen Personenzügen in der Sommersaison hatten den Nutzen des Einsatzes größerer Lokomotiven gezeigt. Die von Peter Drummond entworfenen Lokomotiven wurden auch als Castle Class bezeichnet, da sie die Namen verschiedener schottischer Burgen (englisch Castle) erhielten. 1901 führte die HR ein Bezeichnungssystem für ihre bislang lediglich mit Nummern versehenen Lokomotiven ein und bezeichnete die Lokomotiven als Class A. Aus finanziellen Gründen konnten die neuen, vor allem für den schweren Express- und Personenzugverkehr vorgesehenen Lokomotiven nur in kleineren Losen im Abstand mehrerer Jahre beschafft werden.[4] Die ersten zehn wurden bis 1902 von Dübs and Company gebaut, alle weiteren Exemplare von der North British Locomotive Company, in der Dübs & Co. 1903 aufgegangen waren.[5] Sie galten zur Zeit der ersten Lieferungen als die größten Lokomotiven ihrer Achsfolge in Großbritannien.[6]

Die Maschinen übernahmen zunächst vor allem die schweren Express- und Personenzüge auf der Highland Main Line.[1] Nach Auslieferung wurden die ersten sechs Lokomotiven alle in Perth stationiert, von dort machte jede Maschine fünf Hin- und Rückfahrten nach Inverness pro Woche.[4] 1910 führten die HR und die benachbarte North British Railway (NBR) auf dem Abschnitt über den Pass of Drumochter Vergleichsfahrten zwischen einer Maschine der Klasse A und einer 2’B-Expresszuglokomotive der Klasse K der NBR durch, bei denen die Lokomotive 146 Skibo Castle allerdings relativ schlecht abschnitt. Die NBR verzichtete danach auf die ursprünglich geplante Beschaffung eigener Ten-Wheeler. Die Castles waren dennoch in der Lage, die wesentlichen Anforderungen zu erfüllen und konnten Züge mit bis zu 200 t ohne Vorspannlokomotive über den Pass of Drumochter und den auf der Abkürzungsstrecke liegenden Slochd Summit befördern. Auf Gefällestrecken erreichten sie mit solchen Zügen bis zu 70 mph (etwa 112 km/h) und konnten auf den schwierigsten Steigungsabschnitten eine Geschwindigkeit von 25 mph (ca. 40 km/h) halten.[7]

Ab 1913 kamen die Maschinen auch vor Personenzügen auf der Far North Line zum Einsatz, nachdem eine Versuchsfahrt mit Lokomotive 143 Gordon Castle von Inverness nach Wick vor einem 260 t schweren Zug im Mai dieses Jahres erfolgreich verlaufen war. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs übernahmen die Castles auch die Beförderung der kriegswichtigen Personenzüge nach Thurso und Wick, mit denen Offiziere und Mannschaften der in Scapa Flow stationierten Grand Fleet befördert wurden. Ab 1917 verkehrten die nach Admiral John Jellicoe, dem Befehlshaber der Flotte, umgangssprachlich als „Jellicoe Express“ bezeichneten Naval Specials mit einer Fahrtzeit von 21,5 Stunden zwischen London Euston und Thurso. Sie wurden mit Lokwechsel in Inverness von den Lokomotiven der Klasse A in etwas über 10 Stunden über die Strecken der Highland Railway befördert.[8]

Die insgesamt 19 Maschinen kamen 1923 beim Inkrafttreten des Railways Act 1921 zur London, Midland and Scottish Railway (LMS). Ihr Einsatzgebiet blieb zunächst weitgehend gleich, die meisten Maschinen blieben in den Depots von Perth und Inverness. Einzelne Maschinen waren zeitweise auch in Aviemore, Forres, Helmsdale und Wick stationiert. Ab 1930 begann die LMS mit der Ausmusterung einzelner Maschinen. Einige Exemplare kamen 1936 auf die heute zur West Highland Line gehörende, frühere Strecke der Caledonian Railway nach Oban, wo sie Züge zwischen Oban und Glasgow sowie bis nach Dundee bespannten. Stationiert wurden sie dafür im Glasgower Depot Balornock. Bis 1939 waren bereits zehn Maschinen ausgemustert worden, der Zweite Weltkrieg verzögerte jedoch diesen Prozess. 1945 waren noch Maschinen aus allen Lieferlosen vorhanden. 1947 wurde mit der in Aviemore stationierten Lokomotive 14690 Dalcross Castle die letzte Maschine ausgemustert und wenige Wochen später in Inverness verschrottet. Sie hatte in ihrer Dienstzeit insgesamt 925.290 Meilen (rund 1,49 Mio. Kilometer) zurückgelegt.[8]

Entsprechend dem damaligen Stand der Technik wurden die Castles als Nassdampflokomotiven ausgeführt und erhielten einen Blechrahmen mit Außenzylindern.[6] Nachdem die HR mit Kolbenschiebern bei den zuvor beschafften Maschinen der HR-Klasse B (Loch Class) schlechte Erfahrungen gemacht hatte, bekamen die Zylinder wieder Flachschieber. Die vier 1902 gelieferten Maschinen erhielten Westinghouse-Bremsen, um mit dieser Bremse ausgestattete Züge südlich benachbarter Bahngesellschaften übernehmen zu können. 1912 erprobte die HR bei der Lokomotive 141 Ballindalloch Castle einen Rauchkammer-Überhitzer des Herstellers Phoenix, der sich aber nicht bewährte und bald wieder ausgebaut wurde. Die für den Überhitzer verlängerte Rauchkammer behielt die Lokomotive noch bis 1917.[4]

Die Lokomotiven waren mit sogenannten „Water cart“-Tendern ausgerüstet, die statt der üblichen drei Achsen mit zweiachsigen Drehgestellen mit Innenrahmen und -lagern ausgerüstet waren und dadurch einen entsprechend größeren Wasservorrat mitführen konnten. Diese Tenderbauart wurde von Dugald Drummond, dem Bruder von Peter Drummond, konstruiert, der seinerzeit Chefingenieur bei der London and South Western Railway war, wo dieser Typ ab 1897 eingesetzt wurde.[9] Die aufgrund der Innenrahmen offen zu sehenden Räder gaben diesen Tendern ihr unverwechselbares Aussehen.

Die vier 1913 von NBL gebauten Exemplare erhielten geringfügige Modifikationen. Äußerlich sichtbar waren die etwas verlängerten Rauchkammern und der leicht vergrößerte Schornstein. Weitere kleinteilige Änderungen waren bspw. dickere Bodenringe für die Feuerbüchse und verstärkte Treibstangenlager. Überlegungen zur Ausrüstung mit Überhitzern nach dem Patent von Wilhelm Schmidt wurden jedoch verworfen.[10] Bei den drei 1917 gebauten Exemplaren gab es größere Abweichungen. Christopher Cumming, der neue Chefingenieur der HR, verwendete etwas größere Treibräder, wodurch sich auch der Radstand vergrößerte. Er ließ auch wieder dreiachsige Tender bauen, die aber trotzdem sogar etwas mehr Wasser mitführen konnten.[2]

Ab 1916 ließ die Highland Railway die ältesten Maschinen schrittweise mit neuen Kesseln ausstatten, da die bisherigen durch die kriegsbedingt schlechte Unterhaltung verschlissen waren. In der Folgezeit erhielten fast alle Maschinen neue Kessel, teils erst zur Zeit der LMS.[8] Die LMS versah sie auch mit neuen Schornsteinen.[11] Zwei Maschinen erhielten 1926 neue, leicht veränderte Kessel, einzelne Maschinen bekamen bei der LMS abweichende Bauteile anderer Vorgängergesellschaften, so etwa Rauchkammertüren nach Bauart der Midland Railway oder einen verkürzten Schornstein, möglicherweise aufgrund von Mangel an Ersatzteilen.[8]

Hersteller Werks-
nummer
geliefert HR-Nr. Name LMS-Nr. ausgemustert
Dübs & Co. 3848 1900 140 Taymouth Castle 14675 1939
Dübs & Co. 3849 1900 141 Ballindalloch Castle 14676 1937
Dübs & Co. 3850 1900 142 Dunrobin Castle 14677 1939
Dübs & Co. 3851 1900 143 Gordon Castle 14678 1946
Dübs & Co. 3852 1900 144 Blair Castle 14679 1936
Dübs & Co. 3853 1900 145 Murthly Castle 14680 1930
Dübs & Co. 4244 1902 146 Skibo Castle 14681 1946
Dübs & Co. 4245 1902 147 Beaufort Castle 14682 1943
Dübs & Co. 4246 1902 148 Cawdor Castle 14683 1937
Dübs & Co. 4247 1902 149 Duncraig Castle 14684 1940
NBL 19011 1910 30 Dunvegan Castle 14685 1945
NBL 19012 1911 35 Urquhart Castle 14686 1946
NBL 20160 1913 26 Brahan Castle 14687 1935
NBL 20161 1913 27 Thurso Castle 14688 1935
NBL 20162 1913 28 Cluny Castle 14689 1944
NBL 20163 1913 43 Dalcross Castle 14690 1947
NBL 21459 1917 50 Brodie Castle 14691 1938
NBL 21460 1917 58 Darnaway Castle 14692 1946
NBL 21461 1917 59 Foulis Castle 14693 1935
Quellen:[5][3][12]

Französische Lokomotiven

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ETAT 230-324 um 1930

Die Französische Staatsbahn (Chemins de fer de l’État, abgekürzt ETAT) bestellte 1911 bei der North British Locomotive Company 50 Lokomotiven dieser Baureihe. Es waren fast baugleiche Maschinen mit minimalen Anpassungen. Am auffälligsten waren die am Hinterkessel befindlichen saugenden Speisewasserpumpen. Zahlreiche Details ließen Fachleuten sofort den britischen Ursprung dieser Lokomotiven erkennen. Auch die Größe der Lokomotiven, die durch das kleinere britische Lichtraumprofil zierlicher als vergleichbare französische Lokomotiven wirkten, fiel sofort auf. Bei der ETAT trugen die Lokomotiven die Nummern 230-321 bis 230-370.[13] Sie wurden aufgrund ihrer im Vergleich mit anderen Ten-Wheelern der ETAT geringeren Leistung bald vorwiegend in nachrangigen Diensten verwendet, so etwa vor Bauzügen. Ab 1933 begann die ETAT mit der Ausmusterung der Maschinen, die meisten wurden noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs verschrottet.[4]

1938 waren bei der Gründung der Société nationale des chemins de fer français (SNCF) noch die Lokomotiven Nr. 323, 341 und 365 vorhanden, die bis 1941 als Reserveloks und Ersatzteillager dienten. Sie wurden als Reihe 3-230 D klassifiziert.[13]

Lokomotiven in Portugal und Spanien

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Erhaltene Lokomotive im Museum in Madrid

1907 baute NBL für die Caminhos de Ferro Portugueses da Beira Alta sechs Lokomotiven die ebenfalls auf der Castle Class basierten, aber doch größere Unterschiede aufwiesen, als die französischen Maschinen. Diese Exemplare waren zudem für die Iberische Breitspur mit 1668 mm gebaut. Später wurden die Lokomotiven an die spanische Ferrocarriles de Medina del Campo a Zamora y de Orense a Vigo verkauft und letztendlich kamen sie zur RENFE als Baureihe 230.2059–230.2064. Ein Exemplar ist erhalten und steht heute im Eisenbahnmuseum in Madrid.[14]

Commons: Highland Railway Castle Class – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: État 230.321 - 370 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b New ten-wheeld Locomotives, Highland Railway. In: The Locomotive Magazine Carriage and Wagon Review. Locomotive Publishing Company, London 15. Juli 1900, S. 107 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b New ten-wheeld Express Locomotives, Highland Railway. In: The Locomotive Magazine Carriage and Wagon Review. Locomotive Publishing Company, London 15. September 1917, S. 173 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b Wes Barris: Highland 4-6-0 Locomotives in Great_Britain. In: SteamLocomotive.com. Abgerufen am 13. Oktober 2024 (englisch).
  4. a b c d e C. P. Atkins: The Scottish 4-6-0 Classes. Hrsg.: Ian Allan. 1976, ISBN 0-7110-0700-4, S. 16 (englisch).
  5. a b Hugh Aymer Vallance: The Highland Railway. Hrsg.: Pan Books. 1971, ISBN 978-0-330-02720-5, S. 136–141 (englisch).
  6. a b Class A / Castle. In: www.steamlocomotive.com. Wes Barris, abgerufen am 18. Oktober 2024 (englisch).
  7. C. P. Atkins: The Scottish 4-6-0 Classes. Hrsg.: Ian Allan. 1976, ISBN 0-7110-0700-4, S. 17 (englisch).
  8. a b c d C. P. Atkins: The Scottish 4-6-0 Classes. Hrsg.: Ian Allan. 1976, ISBN 0-7110-0700-4, S. 20 (englisch).
  9. Charles Fryer: Experiments with Steam: Landmarks in Unusual British Locomotive Design, 1846–1959. Hrsg.: Haynes Publishing Group. 1990, ISBN 978-1-85260-269-7, S. 77 (englisch).
  10. C. P. Atkins: The Scottish 4-6-0 Classes. Hrsg.: Ian Allan. 1976, ISBN 0-7110-0700-4, S. 18 (englisch).
  11. Casey Jones: The Highland Railway ‘Castle’ Class. In: John D’s First Railway & Canal Blog. Abgerufen am 13. Oktober 2024 (englisch).
  12. Dave Woodcock: Class hr castle 4-6-0. Abgerufen am 13. Oktober 2024 (englisch).
  13. a b Les 230 du réseau de l'Etat. Abgerufen am 13. Oktober 2024 (französisch).
  14. Wes Barris: Beira Alta 4-6-0 Locomotives in Portugal. In: SteamLocomotive.com. Abgerufen am 13. Oktober 2024 (englisch).