Abformung

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Abformung oder auch Abformen ist die Nachbildung körperlicher Gegenstände mit Hilfe von flüssigen, aber bald erstarrenden Substanzen (Abguss) oder formbaren festen Materialien (Abdruck). Abformung gehört nach DIN 8580 Fertigungsverfahren zu der Gruppe der Urform-Verfahren.

Abguss der Bauinschrift aus dem Kastell Böhming bei Kipfenberg, Bayern

Abformung dient der Reproduktion von Originalen, etwa in der Archäologie und Restaurierung, zur Herstellung von Kunstwerken aus einer Urform, dem Modell im Kunstguss, dem Kopieren von Originalen, in der Kriminalistik zur Spurensicherung und in der Medizin beispielsweise zur Herstellung von Zahnersatz.

Der erste Abguss oder Abdruck des Gegenstands ergibt die Matrize, und erst wenn man von dieser wieder einen Abguss nimmt, erhält man einen Körper, welcher dem Original (völlig) gleicht.

Erstellung der Form

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Für die Erstellung der Form gibt es sehr unterschiedliche Techniken:

  • Darf das Original zerstört werden (verlorene Form) und ist dieses verbrennbar, so befestigt man es in einem Gießkasten auf ein kegelförmiges Stück (etwa Holz oder Wachs), das später den Gusstrichter bildet, fixiert es mit starken Drähten – oder gewachsten Schnüren, die später Entlüftungskanäle bilden –, und füllt den Kasten mit einer erstarrenden Masse (Gips, Silikon). Nach dem Aushärten glüht man das Stück, um das Original und allfällig auch Trichter und Fixierung zu zerstören, entascht und gießt in erwünschtem Verfahren.
  • Von Gegenständen, die nicht zerstört werden dürfen, kann man eine Kopie in Wachs ausführen und diese verlieren lassen.
  • Im Allgemeinen stellt man aber mehrteilige Matrizen her, indem man Hinterschneidungen vermeidet oder eine hinreichend elastische Formmasse benutzt. Zusammengefügt ergeben die einzelnen Teile eine brauchbare Matrize, wenn vorher mittels Passermarken für eine exakte und stabile Passung gesorgt wurde. In diesem Fall zeigt der Abguss feine Unreinheiten an den Stellen, wo die Teile der Matrize zusammenstießen (Gussnaht), die umso schwächer sind, je sorgfältiger die Matrizen angefertigt wurden.
  • In der Medizin muss der Abformprozess physiologisch verträglich sein.

Bis um 1900 benutzte man zu Abgüssen am häufigsten gebrannten Gips (s. a. Gipsabdruck), Ton, feinen Sand oder Tripel (besonders für die Metallgießerei), Glas, Schwefel, Siegellack, Alaun, Salpeter, Metalllegierungen, Guttapercha, Wachs, Schellack, Brotkrume, Leim- und Hausenblasenlösung, Metallfolie, Seidenpapier und ähnliche. Die moderne Medizinaltechnik kennt Silikone, Alginat, Agar, Polyether und Polysulfid, die flexible Abdruckformen ermöglichen.[1] In der Bildhauerei wird z. B. Polyester-Urethan-Kautschuk oder Latex verwendet.[2]

Kopie und Original

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Auf einer Werkbank stehen drei Versionen eines Frauentorsos mit abgewandtem Kopf. Die hinterste, leicht unscharf, ist schwarz und eine Naht ist zu sehen. Der mittlere ist rotbraun, der vordere ist grau und ist mit Näglen gespickt, steht auf einem trichterförmigen Sockel und ist links und rechts von Zusatzstangen (den ehemaligen Zuleitungsrohren) umgeben. Ein Mann in grauem Pulli hält diesen letzten Torso mit beiden Händen.
Wachsmodell, Tonmodell und unbearbeiteter Bronzeabguss eines antiken Torsos

Beim Kunstguss entfernt man die Gussnähte und den Ansatz des Gusstrichters oder lässt sie je nach künstlerischer Absicht stehen, um jede Möglichkeit der Beschädigung auszuschließen oder die Entstehung des Werks mit einfließen zu lassen (Werkspur) – genauso bei der Abformung wertvoller Originale, um die Reproduktion vom Original zu unterscheiden und den Abformungsprozess zu dokumentieren. Entfernen der Gussnähte hieße hier, den Abguss in die Nähe einer Fälschung zu bringen. Weniger bedeutend ist diese Frage allerdings bei Abgüssen allgemein bekannter Kunstwerke, da hier selbst ein gutgläubiger Interessent nicht davon ausgehen kann, ihm werde das Original angeboten.

Einen besonderen Stellenwert erhalten Abformungen, wenn das zugrunde liegende Original später beschädigt oder zerstört wurde, die Abformung also noch den ursprünglichen Zustand überliefert oder gar einziges erhaltenes Abbild eines verlorenen Objektes ist.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sehr viele Gipsabgüsse von Kunstwerken für Museen und Privatpersonen hergestellt. So besaß das Germanische Nationalmuseum damals mehr Abgüsse als Originalskulpturen. Keineswegs darf man jedoch davon ausgehen, dass derartige Abgüsse immer das Original 1:1 abbilden; so konnte Röding anhand der Hildesheimer Chorschranken zeigen, dass durchaus starke Abweichungen vorkommen konnten, wenn sich ein komplexes Werk so „besser“ in den Museumskontext einfügen ließ.[3]

Das Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in München verfügt heute wieder über eine der größten Sammlungen von Abgüssen antiker Kunstwerke. Mit rund 2000 Gipsabgüssen gehört das Museum zu den vier größten Abguss-Sammlungen Deutschlands.

Das Knauf-Museum Iphofen besitzt mit über 200 Gipsabgüssen ebenfalls eine große Sammlung an Abgüssen bedeutender Objekte aus verschiedenen Kulturen.[4]

  • G. Spur, Th. Stöferle: Handbuch der Fertigungstechnik. Band 1 Urformen. Carl Hanser Verlag, München Wien 1981

Einzelnachweise

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  1. Abformwerkstoffe. In: flexikon.doccheck.com. DocCheck, abgerufen am 18. April 2021.
  2. Abformen mit Silikon, PUR-Kautschuk, Latex oder Alginat. In: bildhau.de. Bildhau KG, Köln, abgerufen am 18. April 2021.
  3. Christine Rödling, Die museale Inszenierung der Hildesheimer Chorschranke. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2000, S. 145–157.
  4. Startseite – Knauf-Museum Iphofen. Abgerufen am 5. Juli 2024.