Aithiopiká

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Die Aithiopika in einer Handschrift aus dem Besitz von Kardinal Bessarion, die zu den ältesten Textzeugen zählt. Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, Gr.  410, fol.  94v (12./13. Jahrhundert)

Die Aithiopika (altgriechisch Αἰθιοπικά Aithiopiká) oder Die Abenteuer der schönen Chariklea ist ein antiker griechischer Roman, der zehn Bücher umfasst. Erzählt werden die Abenteuer des Liebespaares Chariklea und Theagenes. Das Werk stammt von Heliodorus aus Emesa. Es wird aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen in die Mitte oder die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts datiert.[1]

Der Autor der Aithiopika nennt sich Heliodoros aus Emesa. Zeitlich wird er ohne genauere Datierung im 3. oder 4. Jahrhundert eingeordnet. Er selbst bezeichnet sich als Sohn des Theodosios Heliodoros und als Nachkomme des Helios. Seine Bekanntheit basiert auf seinem Roman.[2]

Das Werk ist in zehn Bücher eingeteilt. Die Vorgeschichte wird in den ersten 5 Büchern durch Retrospektiven analytisch aufgedeckt. Der Ausgangspunkt der Handlung wird im 6. Buch eingeholt; ab diesem Buch wird die Handlung stringent ohne chronologische Brüche in der erzählten Zeit wiedergegeben.

Chariklea, Priesterin der Artemis im Tempel von Delphi und Ziehtochter des Charikles, lernt bei den Pythischen Spielen den jungen thessalischen Edelmann Theagenes kennen. Sie verliebt sich augenblicklich in diesen, weiß jedoch nicht mit ihren Gefühlen umzugehen. Erst durch Zureden des Kalasiris, eines Vertrauten Charikles’ und seinerseits ehemaligen Priesters von Memphis, finden die beiden zueinander und offenbaren sich ihre Liebe. Auf den Vorschlag des Kalasiris hin entscheiden sich Chariklea und Theagenes dazu, aus Delphi zu fliehen, um eine gemeinsame Zukunft verwirklichen zu können, da Chariklea eigentlich schon einem anderen Werber versprochen wurde. Mit diesem Entschluss beginnt für die beiden Protagonisten und ihren Reisebegleiter Kalasiris eine Odyssee durch den Mittelmeerraum. Zunächst gelangen sie auf die Insel Zakynthos, auf der sie ihre Schiffsreise unterbrechen, um zu überwintern. Chariklea und Theagenes müssen notgedrungen die Insel vor dem Frühling verlassen, da ein Seeräuber, betört von Charikleas Schönheit, diese begehrt. Sie werden verfolgt und auf hoher See überfallen. Der Seeräuber bringt die Protagonisten sowie Kalasiris auf seinem Schiff nach Ägypten in das Nildelta. Sie werden aus der Gewalt der Seeräuber befreit und gelangen in die Gefangenschaft weiterer Räuber. Die Reisenden verlieren sich und werden verschleppt, treffen sich jedoch nach weiteren Hindernissen in Memphis wieder. Die Frau des Statthalters von Memphis, Arsake, begehrt Theagenes und möchte daher Chariklea beseitigen. Da die beiden sich nicht Arsakes Wünschen beugen, sind sie zahlreichen Intrigen und den Machtspielen der Arsake ausgesetzt.

Oroondates, der Statthalter von Memphis, erhält Kunde über das abtrünnige Treiben seiner Frau und befiehlt daraufhin, Theagenes und Chariklea zu sich auf den Kriegsschauplatz in Ägypten kommen zu lassen. Sie werden jedoch, bevor sie dort eintreffen, von einem äthiopischen Stamm aufgegriffen und zu ihrem König Hydaspes geführt. Dieser beschließt, dass sie zum Menschenopfer für seine heimatlichen Götter, als Dank für seinen Sieg im Kriege, bestimmt seien. Chariklea und Theagenes werden in die äthiopische Hauptstadt Meroë geführt. Bevor die Opferhandlung vollzogen wird, stellt sich heraus, dass Chariklea die Tochter des äthiopischen Königspaares ist. Das Opfer wird nach einigen Diskussionen und Zwischenfällen ausgesetzt. Chariklea und Theagenes sind letztlich als Liebespaar in Meroë vereint.

Heute bezeichnet man die Aithiopika als antiken Roman. Diese Literaturgattung entstand in der Epoche des Hellenismus zwischen 336 v. Chr. und 30 v. Chr. Sie zählte zur Unterhaltungslektüre für ein eher breites Publikum und erfreute sich großer Popularität. Erzählt wird eine fiktive Geschichte über verschiedene Personen, die ihrem vorherbestimmten Schicksal folgen. Die zentralen Themen des Romans sind Liebe – Trennung und Wiedervereinigung samt Happy End –,[3] Abenteuer und Gewalt,[4] Reisen und Kulturkontakte,[5] das Schicksal,[6] Religion und Mythos[7] sowie die weibliche Schönheit.[8]

Stil des Romans

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Aithiopika ist der längste der fünf ganz überlieferten griechischen Romane. Das Werk weist eine „komplizierte Kompositionstechnik“[9] auf, die sich hier deutlich komplexer als in den anderen Romanen gestaltet. Wie ein Epos beginnt dieser Roman als einziger mitten in dem spannenden Geschehen.[10] Retrospektiv wird der bisherige Handlungsverlauf durch Erzählungen verschiedener Personen in das Geschehen eingeflochten. Gegen Ende des fünften Buches wird der Ausgangspunkt der Handlung erreicht. Ab diesem Punkt ist der Handlungsstrang chronologisch aufgebaut. Als zentrales Stilmerkmal ist die Authentizität von Emotion und Sentimentalität – vor allem der Protagonistin Chariklea – herauszustellen.[11] Generell zeichnet sich das Werk durch häufige Perspektivenwechsel und verschiedene Erzähler aus.

  • Heliodori Aethiopicorum libri 10. Collatione mss. Bibliothecae Palatinae et aliorum, emendati et multis in locis aucti. Hieronymus Commelinus, Heidelberg 1596.
  • Hēliodōru Aithiopikōn Biblia Deka. Hrsg. von Adamantios Korais. Eberart, Paris 1804, 2 Bde.
  • Heliodori Aethiopicorum libri decem. Hrsg. von Christoph Wilhelm Mitscherlich. Griechisch und Latein. Zwei Bände. Typographia Societatis Bipontinae, Straßburg 1798.
  • Heliodori Aethiopicorum libri X. Hrsg. von Immanuel Bekker. Teubner, Leipzig 1855.
  • Guillelmus Adrianus Hirschig: Erotici scriptores. Didot, Paris 1856.
  • Heliodori Aethiopica. Hrsg. von Aristide Colonna. Typis Regiae Officinae Polygraphicae, Rom 1938. 2 Bde.
  • Héliodore: Les Éthiopiques (Théagène et Chariclée), hrsg. von Robert M. Rattenbury und Thomas W. Lumb, übers. von Jean Maillon, 2. Auflage Paris 1960 (1. Auflage 1935).
  • Aethiopica historia. Übersetzung von Johannes Zschorn. Straßburg 1559. Nachdruck: Lang, Bern u. a. 1984, ISBN 3-261-03177-8.
  • Theagenes und Charikleia. Ein Roman aus dem Griechischen des Heliodores. Übersetzt von Karl Wilhelm Göttling. Andrea, Frankfurt a. M. 1822.
  • Heliodor's zehn Bücher Aetheopischer Geschichte. Aus dem Griechischen übersetzt von Friedrich Jacobs. Verlag der J. C. Metzler'schen Buchhandlung, Stuttgart 1837.
  • Heliodorus: Aethiopische Geschichten. Aus dem Griechischen übersetzt von Theodor Fischer. 2 Bde. Hoffmann, Stuttgart 1867–1868.
  • Heliodor: Die äthiopischen Abenteuer von Theagenes und Charikleia. Übersetzung von Horst Gasse. Reclam, Stuttgart 1972, ISBN 3-15-009384-8.
  • Heliodoros: Die Abenteuer der schönen Chariklea. Übersetzung von Rudolf Reymer (1950). Artemis & Winkler, München 2001 (Bibliothek der Alten Welt), ISBN 3-7608-4087-6. Mit einem Nachwort von Niklas Holzberg.
  • Heliodor: Aithiopikà. Übersetzung von Rudolf Reymer, Zürich 1950. In: Bernhard Kytzler (Hrsg.): Im Reiche des Eros. Sämtliche Liebes- und Abenteuerromane der Antike. Albatros, Düsseldorf 2001, Bd. 1, S. 224–512.
  • John William Birchall: Heliodoros Aithiopika I: A Commentary with Prolegomena. Dissertation, University of London 1996 (Online).
  • Tomas Hägg: The Novel in Antiquity. Basil Blackwell, Oxford 1983.
  • Tomas Hägg: Eros und Tyche. Der Roman in der antiken Welt (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Band 36). Philipp von Zabern, Mainz 1987.
  • Massimo Fusillo: Heliodoros 8. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 5, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01475-4, Sp. 288–291.
  • Martin Antonius Menze: Heliodors „klassische“ Ekphrase. Die literarische Visualität der „Aithiopika“ im Vergleich mit ihren Vorläufern bei Homer und Herodot sowie ihrer Rezeption bei Miguel de Cervantes. Aschendorff Verlag, Münster 2017, ISBN 978-3-402-14457-2.

Einzelnachweise

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  1. Kytzler: Im Reiche des Eros, S. 224.
  2. Vgl. Fusillo: Heliodoros, DNP online.
  3. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 152 f.
  4. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 148.
  5. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 148.
  6. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 148.
  7. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 140.
  8. Vgl. Kytzler: Im Reiche des Eros, 153.
  9. Kytzler: Im Reiche des Eros, 74
  10. Vgl. Hägg: The novel in antiquity, S. 54.
  11. Vgl. Hägg: Eros und Tyche, 153.