al-Dschamāʿa al-islāmiyya
Die Gamaa Islamija (ägyptisch-arabisch für الجماعة الإسلامية al-Dschamāʿa al-islāmiyya, DMG al-ǧamāʿa al-islāmiyya ‚Die Islamische Vereinigung‘) ist eine militante ägyptische Islamistenbewegung. Sie wird von der ägyptischen Regierung als terroristische Vereinigung angesehen und ist von den USA als Foreign Terrorist Organization gelistet.[1] Auch der Rat der Europäischen Union führt die Organisation auf seiner Liste zur Bekämpfung von Terrorismus.[2]
Ihr Ziel ist der Umsturz der ägyptischen Regierung zugunsten einer islamischen Republik.[3][4] Die Aufbau- und Entwicklungspartei, die mit der salafistischen Partei des Lichts im Islamischen Block koaliert, gilt als der politische Arm der Organisation.
Spiritueller Führer war der 2017 verstorbene blinde Kleriker Umar Abd ar-Rahman. Er wurde 1993 für den Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York angeklagt, dann aber zu lebenslanger Haft wegen Anschlägen auf Gebäude der Vereinten Nationen und des FBI verurteilt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gruppe entstand in den 1970er Jahren aus der spontanen Bildung von islamischen Gemeinschaften, die auf lokaler Ebene gegründet wurden. Die Organisationen wurden vom ägyptischen Staat unter Sadat als politisches Gegengewicht zu den arabischen Sozialisten unterstützt. In den oberägyptischen Gouvernements Asyut und Aswan erfolgten direkte finanzielle Zuwendungen durch den örtlichen Gouverneur. Die Gemeinschaften bestanden zunächst aus Studienzirkeln, welche ihre Aktivitäten auf soziale Wohltätigkeit und die Bildung von Jugendorganisationen ausdehnten. Aus den dezentralen Organisationen erwuchs schließlich die islamische Gemeinschaft. 1977 erreichte die Organisation durch erfolgreiche Kandidaturen innerhalb der Studentenvertretungen erstmals überregionalen Einfluss. Das Gedankengut der Organisation lehnte sich an islamische Gelehrte des Mittelalters wie Ibn Taymiyya oder Ibn Kathir an. Aber auch einflussreiche Schriften der Muslimbruderschaft fanden Einzug in den Kanon der Organisation. So war Sayyid Qutbs Buch Meilensteine während der 80er-Jahre Standardlektüre bei der Kaderausbildung. Bei der Organisation tat sich Abdullah as-Samawi als eine der Leitfiguren hervor. Spiritueller Führer der Dschama wurde Umar Abd ar-Rahman.[5]
Die Organisation begann ab Mitte der 70er Jahre sich die politischen Ideen der Muslimbruderschaft zu eigen zu machen. Insbesondere der oberägyptische Teil der Organisation versuchte durch Gewalt und Zwang ausgehend von ihrer Massenorganisation in der Gesellschaft Konzepte des islamischen Rechts durchzusetzen. So führten Aktivisten gruppenweise Kampagnen gegen Alkohol und die Mischung der Geschlechter durch. Ebenso wurden koptische Christen belästigt und ihnen Geld als Kopfsteuer abgepresst. Dabei wurden mehrere Goldschmiede ausgeraubt und ermordet. Ebenso kam es zu Übergriffen gegenüber Muslimen die an volksislamischen Bräuchen wie Heiligenverehrung teilnahmen. 1977 kam es im Rahmen von Revolten über Nahrungsmittelknappheit zu Gewaltakten gegen Staatsorgane durch die Dschamaa. 1979 verbündete sich die Dschamaa organisatorisch mit der Gruppe Tanzim al Dschihad. Dabei fungierte Tanzim al Dschihad als bewaffnete Kaderorganisation, welche durch die Ermordung Sadats einen Aufstand durch die islamischen Gemeinschaften auslösen sollte. Ziel war der Sturz der ägyptischen Regierung und die Errichtung einer islamischen Republik. 1981 gelang Tanzim al-Dschihad die Ermordung von Anwar al Sadat. Dem folgte zwei Tage später ein von der Dschamaa angeführter Aufstand in Asyut. Der Aufstand wurde von den ägyptischen Sicherheitsbehörden niedergeschlagen.[6]
Am 8. Juni 1992 wurde der ägyptische Autor Faradsch Fauda von der Dschamāʿa al-islāmiyya erschossen,[7] und am 17. November 1997 verübten Mitglieder der Dschamāʿa al-islāmiyya einen Anschlag auf ausländische Touristen in Luxor, bei dem 62 Menschen starben und dessen Auswirkungen einen Teil der Gruppe zu einer Waffenstillstandserklärung[8] veranlassten, die der Führer Umar Abd ar-Rahman jedoch ablehnte.
Die Dschama al-islamiya konnte Anfang der 90er-Jahre im Slumvorort Imbaba bei Kairo eine starke Präsenz aufbauen. Hierbei verdrängte sie sowohl staatliche Institutionen und traditionelle Machtstrukturen und übernahm die Kontrolle auf den Straßen des rund eine Million Einwohner zählenden Siedlungsgebiets. Im November 1992 gab der örtliche Anführer der Gruppe ein Reutersinterview, bei dem er die Nachbarschaft als erfolgreiches Modell der Machtübernahme und Implementierung der Scharia darstellte. Der ägyptische Staat beorderte im Dezember desselben Jahres rund 14.000 Soldaten nach Imbaba und nahm über 5.000 Inhaftierungen vor. Durch eine Kombination aus Repression und Investitionen brachte die Regierung diese Bastion der Islamisten wieder unter staatliche Kontrolle.[9]
2002 begannen die inhaftierten Führer eine Reihe von Büchern zu veröffentlichen, in denen die ideologischen Konzepte, insbesondere zur Gewaltausübung, einer Revision unterzogen wurden.[10][11] Der Dschamāʿa al-islāmiyya-Rechtsanwalt, De-facto-Sprecher und frühere Mitgefangene Muntasir az-Zayat[12][13] war an einem internen und externen Gedankenaustausch sowie Verhandlungen beteiligt, die 2003 und 2006 zu Gefängnisentlassungen führten. Insgesamt sollen es über die Jahre 16.000 Freilassungen gewesen sein, unter anderen auch von al-Dschihad und Nadschih Ibrahim.[14] Mitte 2006 erklärte Aiman az-Zawahiri in einem Video, die Dschamāʿa al-islāmiyya habe sich mit den Funktionären Muhammad al-Hukaima, Rifāʿī Taha und Muhammad Schauqi Islambuli, dem jüngeren Bruder des Sadat-Attentäters Chalid Islambuli, al-Qaida angeschlossen.[15][16] Eine Verbindung der Dschamāʿa al-islāmiyya mit al-Qaida wurde hingegen von Abd al-Achir Hamad und Nadschih Ibrahim dementiert.[17][18]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Amr Hamzawy, Sarah Grebowski: From Violence to Moderation. Al-Jama'a al-Islamiya and al-Jihad. (PDF; 291 kB) Carnegie Papers, Carnegie Endowment for International Peace, April 2010.
- Peter Heine: Terror in Allahs Namen. Extremistische Kräfte im Islam. Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-05240-7, S. 124–132 (Der Glaube der Dschihâdisten), insbesondere S. 131 f., und S. 137–140 (Von den Gama´at islamiyya zu Bin Laden).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website ( vom 30. Dezember 2014 im Internet Archive)
- Franz Schurmann: Can an Ex-Assassin Bring Peace to Egypt? In: Salam Worldwide. Band 1, Nr. 12, 2003.
- Arab governments crack down on dissent. In: Economist. 25. Oktober 2001.
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ „Gama'a al-Islamiyya“ (IG) in U.S. Department of State, April 30, 2007: Terrorist Organizations ( vom 5. Mai 2007 im Internet Archive)
- ↑ Gemeinsamer Standpunkt 2009/468/GASP des Rates vom 15. Juni 2009 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2009/67/GASP
- ↑ Sheikh Rifa'ey Ahmad Taha, an official from Jama'a Islamia States: „The Islamic State in Egypt is Approaching“ ( vom 23. Februar 2001 im Internet Archive) 18th issue of Nida'ul Islam magazine, April – May 1997
- ↑ Dr. Omar Abdul Rahman to Nida'ul Islam: „Muslims Should Continue to Call to Allah and Struggle Relentlessly For His sake“ ( vom 19. April 2001 im Internet Archive) 16th issue of Nida'ul Islam magazine (islam.org.au), December – January 1996–1997.
- ↑ Roel Meijer: Commanding Right and Forbidding Wrong as a Principle of Social Action – The Case of the Egyptian al-Jama'a al-Islamiyya in Roel Meijer (Hrsg.) : Global Salafism – Islam's New Religious Movement, New York, 2009, S. 191–196
- ↑ Roel Meijer: Commanding Right and Forbidding Wrong as a Principle of Social Action – The Case of the Egyptian al-Jama'a al-Islamiyya in Roel Meijer (Hrsg.) : Global Salafism – Islam's New Religious Movement, New York, 2009, S. 196–200
- ↑ What Does the Gama’a Islamiyya Want?: An Interview with Tal’at Fu’ad Qasim Middle East Report No. 198, 1996, S. 40
- ↑ „Setting limits to violence?“ ( vom 2. Juni 2002 im Internet Archive) By Ahmed Moussa, Al-Ahram Weekly Online 6-12. August 1998
- ↑ Gilles Kepel : Jihad – The Trail of Political Islam. 4. Auflage, New York, 2006, 2016, S. 290–292
- ↑ „A matter of time“ ( vom 7. September 2008 im Internet Archive) Al-Ahram 1-7. August 2002
- ↑ Excerpts from the latest book in the „Revisions“ series, titled „Islam and the Laws of War“ (Al-Islam wa-tahdhib al-hurub), authored by Issam Al-Din Darablah, published by Al-Sharq Al-Awsat between August 27 and September 4 , 2006, translated by Memri Special Dispatch Series – No. 1301 27. September 2006
- ↑ The Insider – Montasser Al-Zayat’s book gives an insider’s view of Islamist groups that will surely cause a stir ( vom 10. Februar 2005 im Internet Archive) Egypt Today, February 2005 on the book The Road To Al-Qaeda: The Story Of Bin Laden’s Right-hand Man Montasser al-Zayyat, Pluto Press, 2004, ISBN 978-0-7453-2175-2
- ↑ Montasser Al-Zayat Walks a Legal Tightrope. Summer Said, Arab News CAIRO, 2. März 2005
- ↑ „Rise and fall of Egypt militant Islamist groups“ ( vom 27. September 2007 im Internet Archive) Kuwait Times, 10. Juli 2007
- ↑ „EIG’s Muhammed al-Hakaima Continues to Incite Jihad“ ( vom 16. Oktober 2006 im Internet Archive) By Chris Zambelis, Jamestown Foundation Terrorism Focus Vol. 3 Issue 39 (October, 10 2006)
- ↑ „Al-Qaeda wins converts from Egyptian group“ Daily Star Lebanon about the Zawahiri/Hukaymah video, 7. August 2006
- ↑ Dr. Najih Ibrahim of the Egyptian Islamic Group Talks to Asharq Al-Awsat by Abduh Zaynah, Asharq al-Awsat 14. August 2006
- ↑ https://archive.today/2007.04.22-184606/http://www.dailystaregypt.com/printerfriendly.aspx?ArticleID=2540