Ali Schariati

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Ali Schariati (1972)

Ali Schariati (persisch على شريعتى, DMG ‘Alī-ye Šarī‘atī [æˈliː ʃæriːæˈtiː]; in englischer Schreibweise Shari’ati; * 24. November 1933 im iranischen Dorf Kahak bei Mazinan unweit der Stadt Sabzevar in der Provinz Chorasan; † 19. Juni 1977 in Southampton, England) war ein iranischer Revolutionär und Religionssoziologe.

Ali Schariati war der Sohn des Religionslehrers Aqa Mohammad Taqi Schari’ati und stammte aus einer Gelehrtenfamilie.[1] Er studierte zunächst an der Pädagogischen Hochschule Maschhad bis zum Abschluss als B.A. Nach der Abdankung Reza Schahs gründete sein Vater 1944 ein Zentrum für die Verbreitung der Islamischen Wahrheit. Vater und Sohn beteiligten sich aktiv an den politischen Diskussionen ihrer Zeit und wurden Mitglied einer Gruppe, die sich Bewegung der Gott ergebenen Sozialisten nannte. Der Cheftheoretiker dieser Gruppe, Abolqassem Schakibnia, behauptete, dass es der Prophet Mohammed gewesen sei, der den Sozialismus erfunden und noch in seiner Zeit auf der arabischen Halbinsel eingeführt hätte.[2]

Als junger politischer Aktivist

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Nach Abschluss seiner Schulausbildung wurde Ali Schariati Lehrer in einem Dorf in der Nähe von Maschhad. In der Zeit, in der Mohammad Mossadegh Premierminister war, unterstützte er aktiv die Nationale Front. In dieser Zeit beendete Ali Schariati die Übersetzung eines Textes mit dem Titel Abu-Zar, einer Veröffentlichung von Abd-al-Hamid Dschowdat-al Sahar. Abu Zar und seine revolutionäre Version des Islam sollten Ali Schariatis weiteres Denken entscheiden beeinflussen.

Ab Dezember 1950 veröffentlichte Abolqassem Schakibnia mehrere Artikel Schariatis, die auf das Vaset-Konzept (zu arab. al-wasaṭiyya, vgl. im Koran: A nation justly balanced) anspielten, den gleichnishaft benutzten mathematischen Zentralwert (Median) einbrachten und „Die Median-Schule des Islam“ (Maktabe Vasete Islam) titelten. Einem dieser Artikel war eine Karte beigefügt, die die Länder von Nordafrika über Saudi-Arabien, die Türkei, Iran, Pakistan, die südlichen Republiken der Sowjetunion und Afghanistan zeigte, und die er den Medianischen Block nannte. In der Zeit des Kalten Krieges sollten die Länder des Medianischen Blocks einen „Dritten Weg“ eröffnen (Na Sharghi Na Gharbi: „Neither East, nor West“; „Weder Ost noch West“), der vom Islam geprägt ist, und der weniger materialistisch als der Kapitalismus oder der Kommunismus, sondern mehr auf Erlösung und ein erfülltes Seelenleben ausgerichtet zu sein beanspruchte. Schariatis „Weder Ost noch West“ wurde später, wenn auch variiert, von Chomeinis Revolution aufgegriffen: Na Sharqi Na Gharbi Jomhuri-ye Eslami: „Weder Ost noch West [sondern eine] Islamische Republik“.[3]

Ab November 1954 veröffentlichte die Zeitung Khorasan zehn Wochen lang auf ihrer ersten Seite eine Artikelserie, die den Titel Die Median-Schule des Islam trug. Dieses Mal hieß der Verfasser Ali Schariati. Eine ähnliche Karte wie in den Veröffentlichungen Schakibnias wurde auch als Teil dieser Artikelserie abgedruckt, doch dieses Mal lautete der Autor Ali Schariati, ohne die zuvor erschienenen Veröffentlichungen von Abolqassem Schakibnia zu erwähnen. Die Artikelserie machte Ali Schariati auf einen Schlag bekannt. Die Idee, dass der Islam einen Dritten Weg, quasi ein alternatives gesellschaftliches Modell gegenüber dem kruden Materialismus des Kommunismus und der schnöden Gier des Kapitalismus aufzeigen konnte, schien zu verlockend zu sein. Der Islam, der immer als rückständig und rückwärtsgewandt gegolten hatte, war mit den Schriften Schariatis plötzlich in der Moderne angekommen.

Ali Schariati mit seiner Frau Poran Schariat Razavi (1965)

1955 schrieb sich Ali Schariati in die 1949 gegründete Ferdousī-Universität Maschhad ein. Sein Vater und die konservative Geistlichkeit von Maschhad waren zwar gegen die Eröffnung einer Universität, auf der männliche und weibliche Studenten in demselben Hörsaal saßen, aber Ali Schariati ließ sich davon nicht abhalten. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer studierte Schariati Iranische Literatur. Nach Abschluss seines Studiums erhielt Schariati ein Stipendium für ein Studium im Ausland. Im Mai 1959 kam er in Paris an und begann sein Studium an der Sorbonne in Soziologie und Islamischer Geschichte, das er mit einer Promotion beendete. In Paris nahm er aktiv an den intellektuellen Debatten über Marx und Freud, Bergson, Sartre und Camus sowie zum Kolonialismus und Imperialismus während der „algerischen Revolution“ teil. Seine sich um den Kampf der Ideen, den politischen Kampf und um ein neues Erziehungskonzept drehenden Schriften hatten großen Einfluss auf die jungen Intellektuellen des Iran und führten viele der fundamentalistischen Bewegung zu. Zurück im Iran versuchte Ali Schariati 1964 zunächst an der Universität Teheran eine Anstellung zu bekommen, wurde aber abgelehnt. Er wurde 1965 an die Universität von Maschhad als Assistenzprofessor für Geschichte berufen.

An der Hoseiniye-Erschād

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Mitte der sechziger Jahre hatte der Kreis der Geistlichen um den Ajatollah Chomeini, wie Mahmud Taleghani, Morteza Motahhari und Mohammad Beheschti, die Idee, einen neuen Typ von Moschee, die Hoseiniye-Erschād, zu entwickeln, um die iranische Mittelschicht anzusprechen. In diesem neuen Typus von Moschee saß man nicht auf dem Boden, sondern auf Stühlen und der Prediger stand vor einem Rednerpult und saß nicht auf einer erhöhten Kanzel. Ali Schariati wurde 1965 als Vortragsredner eingeladen und stieg bald zum Starredner der Institution auf, der die immer zahlreicher werdenden Hörer in seinen Bann schlug. Ali Schariati erhob in seinen Reden den Weg des schiitischen Märtyrers „zum einzigen Weg, der zur Wahrheit und Gerechtigkeit führt“, und er forderte seine Zuhörer auf, „die Tyrannen zu töten oder zu sterben“.[4]

Ali Schariati entwickelte die Theorie, dass es zwei Arten des Islams gebe, den „reinen und authentischen“ Islam von Ali und den „korrumpierten Islam“ der Safawiden, der herrschenden Klasse, der nichts als Unterdrückung und Ausbeutung mit sich gebracht hätte. Mit dieser Theorie stellte sich Schariati gegen die Geistlichkeit, die sich mehr und mehr von Schariati distanzierte und Fatwas gegen ihn aussprach. Er wurde beschuldigt, den Wahabismus zu lehren oder vom schiitischen Glauben abgefallen zu sein.

Haft, Ausreise nach England und Tod

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Wegen der aufrührerischen Reden Schariatis wurde die Hoseiniye-Erschād im November 1972 geschlossen.[5] Schariati selbst wurde im September 1973 verhaftet. Im März 1975 wurde er wieder aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er in mehreren Tageszeitungen Artikel veröffentlicht hatte, in denen er den Marxismus kritisiert und die Regentschaft von Mohammad Reza Schah gelobt hatte.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis war Ali Schariati ein gebrochener Mann. Er behauptete zwar, er hätte mit der Veröffentlichung der regimefreundlichen Artikel nur den SAVAK täuschen wollen, um seine Freilassung zu erreichen, doch sein Ruf bei der Geistlichkeit und der politischen Opposition war ruiniert. Schariati verfiel in tiefe Depression, legte sich einen neuen Nachnamen zu, Mazinani, gewählt nach dem Dorf, in dem er geboren worden war, und verließ den Iran am 16. Mai 1977, um in London ein neues Leben zu beginnen.[4] Doch dazu kam es nicht mehr. Ali Mazinani Schariati starb am 19. Juni 1977 an einem Herzinfarkt.[6] Der Tod Schariatis, der von der Opposition im Iran als SAVAK-Mord ausgegeben wurde, heizte die Stimmung gegen Mohammad Reza Schah weiter an. Schariati wurde nach seinem Tod zum Märtyrer stilisiert und damit Teil eines Kultes, den er zu Lebzeiten gepredigt hatte.

Unter seinen zahlreichen – wie bei politischen Pamphleten üblich, vielenorts ohne Impressum erschienenen – persischsprachigen Publikationen gibt die in zahlreichen Editionen verbreitete Programmschrift Hadsch (auch Hajj) eine gute Einführung in seine Theorie. Die Schariati-Stiftung (Shariati Foundation) in Teheran gab zahlreiche Studien heraus. Besonders der Soziologie widmet sich seine Schrift On the Sociology of Islam (hgg. von Hamid Algar, Berkeley, Mizan Press, 1979). Auf Deutsch erschienen einige seiner Schriften in der von der Presse- und Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Bonn herausgegebenen Reihe Islamische Renaissance.

  • Silvia Kaweh: Ali Schariati interkulturell gelesen. Bautz, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-199-5
  • Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University, New York 2008, ISBN 978-0-8156-0907-0, S. 359–366.
  • Abdol Reza Navah: Der Gegensatz „islamisch-westlich“ im Menschenbild zeitgenössischer schiitischer Beiträge im Iran, unter besonderer Berücksichtigung von Motahhari und Schariati. Phil. Diss. Universität Kiel 1987
  • Ali Rahnema: An Islamic Utopian. A Political Biography of Ali Shariʿati. London 1998, ISBN 1-86064-118-0
  • Suzan Stutz: Islam und Moderne. Ein Abriss über die innermuslimische Diskussion im 20. Jahrhundert. KIT Scientific Publ., Karlsruhe 2013 (zugl. Diss. phil. KIT, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften 2012) ISBN 3-86644-995-X, S. 133–193. (partiell lesbar im Online-Buchhandel. Vollständig lesbar auf dem Server des KIT als .pdf, erreichbar auch über den Server der DNB)

Einzelnachweise

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  1. Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University 2008, S. 360.
  2. Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University 2008, S. 361.
  3. persisch نه شرقى نه غربى ـ جمهورى اسلامى
  4. a b Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University 2008, S. 366.
  5. Vgl. Rahnema 324.
  6. Ali Rahnema: An Islamic Utopian. I.B. Tauris, 2000, ISBN 978-1-86064-552-5, S. 368. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche