Kaliumantimonyltartrat

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Strukturformel
Struktur von Kaliumantimonyltartrat
Allgemeines
Name Kaliumantimonyltartrat
Andere Namen
  • Brechweinstein
  • Kaliumantimon(III)-oxidtartrat
  • Antimonylkaliumtartrat
  • Antimonium tartaricum
  • Tartarus stibiatus
  • Tartarus emeticus
Summenformel K2Sb2C8H4O12· 3 H2O
Kurzbeschreibung

farblose, süßlich schmeckende Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 608-190-2
ECHA-InfoCard 100.116.333
PubChem 16682736
ChemSpider 17214979
DrugBank DB15587
Wikidata Q423129
Eigenschaften
Molare Masse 667,85 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

2,6 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

100 °C (Wasserabgabe)[2]

Löslichkeit
  • mäßig in Wasser (55 g·l−1)[2]
  • nahezu unlöslich in Ethanol[1]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302+332​‐​411
P: 273[2]
MAK

nicht festgelegt, da krebserzeugend[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Kaliumantimonyltartrat, auch Brechweinstein (und kurz Tartrat bzw. Tartarus, früher auch Stibium-Kalium-tartaricum, genannt), ist eine gesundheitsschädliche, namentlich brechreizerregend wirkende chemische Verbindung. Sie wird durch Sättigen von gereinigtem Weinstein mit Antimonoxid erhalten und bildet farblose, durchsichtige, glänzende Kristalle, die an der Luft bald undurchsichtig und weiß werden. Es ist ein Salz der Weinsäure.

Im 16. Jahrhundert stellte Paracelsus durch Kalzination von mit Weinsteinlösung versetztem Antimonoxid Brechweinstein her und setzte diesen als Ätzmittel und als Wundtrank bei Geschwüren ein.[4] Entsprechende Synthesevorschrift finden sich auch in späterer Literatur wieder. Aufgrund der ehemals hohen Bedeutung in der Pharmazie beschäftigten sich eine ganze Reihe von Chemikern mit der Analyse des Brechweinsteins, darunter Rudolph Brandes, Thenard, Barruel, Drappiez und Carl Christoph Göbel.[5]

500 mg Brechweinstein

Kaliumantimonyltartrat wurde früher in Dosen von 20–30 mg als Brechmittel verabreicht, das ca. 10 min nach Einnahme Übelkeit und Erbrechen hervorruft. Im Verdauungstrakt stimuliert es enterochromaffine Zellen zur Sekretion von Serotonin, das wiederum über 5-Hydroxytryptamin-Typ-3-Rezeptoren Erbrechen induziert.[6]

Eine bekannte Arznei war ein auf Basis von Kaliumantimonyltartrat (früher als Tartarus stibiatus[7] bezeichnet) zubereiteter Brechwein (aqua benedicta rulandi oder „Rulandswasser“ nach Martin Ruland dem Älteren), der sich bis ins 19. Jahrhundert in Arzneibüchern fand.[8][9]

In der Textil- und Leder-Industrie wird Brechweinstein als Beizmittel gebraucht.

Wegen seiner Giftigkeit sollte Brechweinstein nicht mehr in der Humanmedizin verwendet werden. Eine Einzeldosis von 200 bis 1200 mg kann bei Erwachsenen tödlich sein, weshalb die Substanz nach GHS neu eingestuft[10] werden sollte. Die Giftigkeit beruht vor allem auf der Freisetzung von Antimon. Dieses erzeugt ähnliche toxische Symptome wie Arsen. Es bindet an Thiol-Gruppen von Enzymen und inaktiviert sie. Besonders betroffen ist die Pyruvat-Dehydrogenase, was zu einer Störung der ATP-Produktion führt. Besonders betroffen sind der Magen-Darmtrakt, die Leber[11], die Nieren, das Herz[12] und das Nervensystem. Vergiftungen kommen vor, weil Brechweinstein in manchen Entwicklungsländern noch immer bei Alkoholikern zur Brechreizauslösung oder zur Bekämpfung tropischer Parasiten verwendet wird.[13]

Einzelnachweise

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  1. a b Eintrag zu Brechweinstein. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 22. Dezember 2014.
  2. a b c d e f Eintrag zu Kaliumantimonyltartrat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 1. Februar 2016. (JavaScript erforderlich)
  3. Nicht explizit in Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) gelistet, fällt aber mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Gruppeneintrag antimony compounds, with the exception of the tetroxide (Sb2O4), pentoxide (Sb2O5), trisulphide (Sb2S3), pentasulphide (Sb2S5) and those specified elsewhere in this Annex im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Friedrich Dobler: Die chemische Fundierung der Heilkunde durch Theophrastus Paracelsus: Experimentelle Überprüfung seiner Antimonpräparate. In: Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Neue Folge, 10, 1957, S. 76–86, hier: S. 84.
  5. R. Brandes, C. Wardenburg: Ueber die Zusammensetzung des Brechweinsteins. In: Annalen der Pharmacie. Band 2, Nr. 1, 1832, S. 71–84, doi:10.1002/jlac.18320020108.
  6. Wendy Macías Konstantopoulos, Michele Burns Ewald, Daniel S. Pratt: Case 22-2012: A 34-Year-Old Man with Intractable Vomiting after Ingestion of an Unknown Substance. In: New England Journal of Medicine. Band 367, 2012, S. 259–268.
  7. Axel W. Bauer: Therapeutik, Therapiemethoden. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1388–1393; hier: S. 1389.
  8. Robley Dunglison: Medical lexicon: A Dictionary of Medical Science. Blanchard & Lea, Philadelphia 1856, S. 906 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Louis Posner: Handbuch der klinischen Arzneimittellehre. Hirschwald, Berlin 1866, S. 517 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. GESTIS-Stoffdatenbank. Abgerufen am 27. November 2022.
  11. G J Zhang, Z Ye: Cardiac dysfunction and toxic hepatitis from a single injection of superhigh dose of potassium antimony tartrate mistaken for glucose solution. In: Zhonghua Nei Ke Zazhi. Band 10, 1962, S. 535–536.
  12. S Sundar, J D Berman, P M Rainey, N K Agrawal, R Srivastava: A cluster of cases of severe cardiotoxicity among kala-azar patients treated with a high-osmolarity lot of sodium antimony gluconate. In: The American Journal of Tropical Medicine and Hygiene. Band 59, Nr. 1, 1. Juli 1998, S. 139–143, doi:10.4269/ajtmh.1998.59.139.
  13. Wendy Macías Konstantopoulos, Michele Burns Ewald, Daniel S. Pratt: Case 22-2012: A 34-Year-Old Man with Intractable Vomiting after Ingestion of an Unknown Substance. In: New England Journal of Medicine. Band 367, Nr. 3, 19. Juli 2012, S. 259–268, doi:10.1056/NEJMcpc1111580.