August Kunzek von Lichton

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August Kunzek, Lithografie von Josef Kriehuber, 1843

August Kunzek, ab 1862 Edler von Lichton (* 28. Jänner 1795 in Königsberg in Schlesien; † 31. März 1865 in Wien) war ein österreichischer Physiker, Mathematiker und Hochschullehrer.

Leben und Wirken

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Kunzek wurde als Sohn eines Landwirts geboren. Er besuchte die Stadtschule seines Geburtsortes Königsberg und das Gymnasium in Troppau. Vor der Aufnahme von Fachstudien belegte er von 1815 bis 1817 zwei „philosophische Jahreskurse“ an der Universität Olmütz, die er mit Auszeichnung abschloss. Anschließend absolvierte er zunächst ein vierjähriges Brotstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, bevor er sich der Mathematik und Physik zuwandte. Nach dem Erlangen der philosophischen Doktorwürde wurde er dort am 1. November 1822 als Adjunkt der Lehrkanzel für Mathematik und Physik angestellt.

Universität Lemberg

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Am 6. August 1824 erhielt er einen Ruf an die Universität Lemberg, wo er daraufhin 23 Jahre lang als ordentlicher Professor für Physik und angewandte Mathematik tätig war und hauptsächlich auf den Gebieten der Meteorologie, Astronomie und Optik forschte. In den Jahren 1832/33 war er zudem Rektor der Universität, ferner stand er 1827/28 und 1840/41 als Dekan der Philosophischen Fakultät vor.[1]

1838 unternahm er mit Andreas von Ettingshausen, Professor der Physik an der Universität Wien, und Marian Koller, dem Leiter der Sternwarte Kremsmünster, eine Forschungsreise nach Deutschland, Belgien, England und Frankreich, um sich mit bedeutenden Forschern wie Johann Gottfried Galle, John Herschel, Michael Faraday, George Biddell Airy, Siméon Denis Poisson, Alexander von Humboldt, Augustin-Louis Cauchy und Leopold von Buch auszutauschen.[2]

Kunzek als Wiener Professor, Lithografie von Adolf Dauthage, 1859

Kunzek erarbeitete gemeinsam mit dem Mathematiker Ignaz Lemoch (1802–1875) Entwürfe zur Organisation der Technischen Akademie Lemberg, die bei der Errichtung derselben 1844 vornehmlich zur Verwirklichung kamen;[3] seine Bewerbung als deren erster Direktor blieb jedoch vergeblich.[2] Als Mitglied der Lemberger Landwirtschafts-Gesellschaft setzte er sich für die Förderung der Agrikultur in Galizien ein. In Lemberg zählte er zu den herausragenden Persönlichkeiten der Universität[4] und erwarb sich den Ruf eines großen Wissenschaftsvermittlers,[5] indem er außerordentlich gut besuchte Vorlesungen sowie öffentlich zugängliche, sogenannte „populäre Vorträge“ für jedermann über Physik und Astronomie hielt[6] und das Physikalische Kabinett in einer wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Vollständigkeit erhielt, obwohl ihm sehr beschränkte Mittel zur Verfügung standen.

Universität Wien

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Am 9. Oktober 1847 wurde August Kunzek als Professor für Physik an die Universität Wien berufen, Aleksander Zawadzki (1798–1868) folgte ihm auf die Lemberger Lehrkanzel für Physik. Während der revolutionären Unruhen im März 1848 unterbrach er seine Lehrtätigkeit, neben der er auch Mitglied der Prüfungskommission für Lehramtskandidaten war. Ursprünglich war er als erster Direktor des 1850 gegründeten Physikalischen Instituts der Philosophischen Fakultät vorgesehen, doch wurde Christian Doppler mit der Leitung beauftragt. Dies hatte zur Folge, dass Kunzek das Physikalische Kabinett, welches zuvor in seiner Zuständigkeit lag, an Doppler abtreten musste.[7] Zu seinen Wiener Schülern gehörten unter anderem Ernst Mach,[8] Josef Stefan[9] und Ludwig Boltzmann[10].

1848 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannt, 1858 erhielt er das Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen. Zudem war er seit 1850 im beständigen Ausschuss der k.k. Landwirthschafts-Gesellschaft in Wien tätig.[11] Am 19. Dezember 1862 wurde er für seine Verdienste um Wissenschaft und Lehre mit dem Prädikat „Edler von Lichton“ in den erbländischen Adelsstand erhoben.

Kunzek starb im Alter von 70 Jahren an einer Lungenentzündung.[12] Er wurde auf dem Sankt Marxer Friedhof beigesetzt.

Wappen der Edlen von Lichton[13]

Mit seiner Ehefrau Franziska Birschberger hatte Kunzek eine Tochter namens Amalia, die 1826 einjährig verstarb,[14] und den Sohn Julius[15] (um 1828–1885)[16], der als Bankier unter anderem Direktor der Anglo-Österreichischen Bank war und 1877 in den Ritterstand erhoben wurde.[13]

Blasonierung: In Blau ein goldener rothbezungter Löwe, in der rechten Vorderpranke einen silbernen goldengefaßten Himmelsglobus tragend und von drei goldenen Sternen, zweien oben und einem unten, begleitet. Auf dem Schilde ruht ein gekrönter Turnierhelm. Die Krone des Helms trägt einen offenen blauen Adlerflug, welcher jederseits mit einem goldenen Sterne belegt ist und einen dritten einschließt. Die Helmdecken sind zu beiden Seiten blau mit Gold unterlegt.[17]

Schriftstellerisches Werk

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Kunzek war auch als Fachschriftsteller tätig, verfasste Lehrbücher und Zeitschriftenaufsätze. In seinem Werk Die Lehre vom Lichte nach dem neuesten Zustande der Wissenschaft (1836) erklärt er die zeitgenössischen Vorstellungen vom Wesen des Lichtes und zeigt die Widersprüche der Äthertheorie auf.[18] Richtete er sich zuerst noch vorwiegend an wissenschaftliche Kreise, so war sein weiteres Schaffen maßgeblich von dem Ansinnen bestimmt, seine Wissenschaft einem größeren Publikum zugänglich zu machen, was seinerzeit in der deutschsprachigen Sachliteratur ungewöhnlich war.[19] Mindestens zwei von Kunzeks Werken wurden ins Polnische übersetzt; einer seiner Nachfolger auf der Lehrkanzel für Physik in Lemberg, Tomasz Stanecki (1826–1891), übersetzte sein Lehrbuch der Experimental-Physik (1851).[20][1]

Die Bibliothek der Brünner Abtei St. Thomas ist im Besitz eines von Gregor Mendel mittels Randnotizen und Markierungen kommentierten Exemplars von Kunzeks Lehrbuch der Meteorologie (1850), einem wichtigen Lehrwerk über die Taxonomie der Wolken und die Erforschung der Atmosphäre mit den Mitteln der Mathematik.[21][22] Dieses bot unter anderem Franz Weiling Anlass zu Erwägungen, ob Mendel in seiner Wiener Studienzeit Kunzeks meteorologische Vorlesungen besucht haben könnte.[23] Der Inhalt der handschriftlichen Notizen Mendels in Kunzeks Lehrbuch legt nahe, dass Mendel diese vermutlich in den Jahren 1851 oder 1852 während seines Wiener Studiums angefertigt hat.[22] Sein Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begründung (1853) wurde vom k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht zum Unterrichtsgebrauch an Oberrealschulen empfohlen.[24]

Schriften (Auswahl)

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  • Die Lehre vom Lichte nach dem neuesten Zustande der Wissenschaft. Zunächst für das Bedürfniß gebildeter Stände. Millikowski, Lemberg 1836, doi:10.3931/e-rara-62487.
  • Leichtfaßliche Vorlesungen über Astronomie für jene, welchen es an mathematischen Vorkenntnissen fehlt. Ignaz Klang, Wien 1842 (google.de).
  • Lehrbuch der Meteorologie. 2. Auflage. Braumüller, Wien 1850 (google.de – 1. Aufl. u.d.T.: Leichtfaßliche Darstellung der Meteorologie, 1847).
  • Lehrbuch der Experimental-Physik. Zum Gebrauche in Gymnasien und Realschulen, so wie zum Selbstunterrichte. Braumüller, Wien 1851 (onb.ac.at).
  • Lehrbuch der Physik mit mathematischer Begründung. Zum Gebrauche in den höheren Schulen und zum Selbstunterrichte. Braumüller, Wien 1853 (dmg-lib.org).
  • Studien aus der höheren Physik. Braumüller, Wien 1856 (digitale-sammlungen.de).

Nekrologe

Lexikonartikel

Commons: August Kunzek von Lichton – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b Oleh Petruk (Hrsg.): Leopolis scientifica: exact sciences in Lviv until the middle of the 20th century. Pidstryhach-Institut für angewandte Probleme der Mechanik und Mathematik, Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Lwiw 2021, ISBN 978-966-02-9644-2, S. 243–245 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b Reinhard Folk, Yurij Holovatch: Crossing borders in the 19th century and now – two examples of weaving a scientific network. In: Condensed Matter Physics. Band 23, Nr. 2, 2020, ISSN 2224-9079, doi:10.5488/CMP.23.23001 (Artikelnummer 23001).
  3. Věk národních obrození a průmyslového rozvoje. Botschaft der Tschechischen Republik in Kiew, 20. Dezember 2012, abgerufen am 18. Februar 2024 (tschechisch).
  4. Die Universitäts-Feierlichkeit am 30sten Jänner 1848. In: Lemberger Zeitung, 2. Februar 1848, S. 107–108 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/lez
  5. Andrij Rovenchak, Olena Kiktyeva: Physics at the University of Lviv since the 17th century until the second world war: Addenda to the bibliography. In: Studia Historiae Scientiarum. Band 15, 2016, ISSN 2543-702X, S. 54–55, doi:10.4467/23921749SHS.16.004.6147.
  6. E. Rr.: August Kunzek Edler v. Lichton. In: Österreichische Wochenschrift für Wissenschaft und Kunst. Band 5, 1865, S. 728.
  7. Karl Josef Westritschnig: Josef STEFAN 1835-1893. Kärntner Physikpionier – Lehrer – Mensch. disserta Verlag, Hamburg 2016, ISBN 978-3-95935-278-9, S. 148–149.
  8. Otto Blüh: Ernst Mach – His Life as a Teacher and Thinker. In: Robert S. Cohen, Raymond J. Seeger (Hrsg.): Ernst Mach: Physicist and Philosopher (= Boston Studies in the Philosophy of Science. Band 6). Springer, Dordrecht 1970, S. 3, doi:10.1007/978-94-017-1462-4_1.
  9. Walter HöflechnerStefan, Josef. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 106 (Digitalisat).
  10. Ilse Maria Fasol-Boltzmann: Ludwig Boltzmann. In: Ilse Maria Fasol-Boltzmann, Gerhard Ludwig Fasol (Hrsg.): Ludwig Boltzmann (1844–1906). Zum hundertsten Todestag. Springer, Wien 2006, S. 3, doi:10.1007/978-3-211-47311-5_1.
  11. Landwirthschaftliche Nachricht. In: Wiener Zeitung, 13. Juni 1850, S. 1810 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  12. Verzeichniß der Verstorbenen in Wien. Vom 3. April. In: Beilage des Fremden-Blattes, 4. April 1865, S. 10 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/fdb
  13. a b Kunzek, August, Dr., Professor der Physik an der Wiener Universität, Adelsstand, „Edler von Lichton“ und Ritterstand. Signatur: AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 492.15. Österreichisches Staatsarchiv, abgerufen am 18. Februar 2024.
  14. Verstorbene Christen in Lemberg am 5. Juni. In: Lemberger Zeitung, 14. Juni 1826, S. 346 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/lez
  15. Eintragung der Eheschließung von Julius Kunzek und Maria Anna Theresia Zimmer am 27. Juli 1856 im Trauungsregister der römisch-katholischen Pfarrei Hüttelsdorf für die Jahre 1834 bis 1861 (Nr. 171 – ancestryinstitution.com [abgerufen am 22. Februar 2024]).
  16. Zulassung von Julius Kunzek, Privatstudent der Rechte an der Universität Lemberg, zu den Prüfungen aus bürgerlichem Recht sowie aus Handels- und Wechselrecht. Signatur: J VDIR 2.876. In: Archivinformationssystem der Universität Wien. Abgerufen am 18. Februar 2024.
  17. Wurzbach: Kunzek Edler von Lichton, August. In: Biographisches Lexikon. 13. Theil. Wien 1865, S. 392 (Digitalisat).
  18. Jan Seidler, Irena Seidlerová: Zur Entstehungsgeschichte des Dopplerschen Prinzips. In: Centaurus. Band 35, 1992, S. 294, doi:10.1111/j.1600-0498.1992.tb00701.x.
  19. Krist: August Kunzek, Edler von Lichton. In: Archiv der Mathematik und Physik. Band 43, 1865, Literarischer Bericht CLXXII, S. 3.
  20. Tomasz Stanecki: Fizyka doświadczalna dla użytku niższych klas szkół średnich. Karola Wilda, Lwiw 1876, OCLC 823757866.
  21. Martin Kemp: Science in culture. In: Nature. Band 417, 2002, S. 490, doi:10.1038/417490a.
  22. a b Michael Mielewczik, Michal Simunek, Uwe Hoßfeld: On a possible dating of Mendel’s notes and knowledge on meteorology. In: Folia Mendeliana. Band 59, Nr. 2, 2023, S. 19–21 (researchgate.net).
  23. Franz Weiling: J. G. Mendels Wiener Studienaufenthalt 1851–1853. In: Sudhoffs Archiv. Band 51, Nr. 3, 1967, S. 260–266, JSTOR:20775603.
  24. Tagesneuigkeiten. In: Die Presse, 7. September 1853, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr