Batteriewechselstation
Eine Batteriewechselstation ermöglicht es Elektrofahrzeugen, eine leere Antriebsbatterie gegen eine volle auszutauschen, anstatt das Fahrzeug an einer Ladestation aufzuladen. Der Wechsel ist innerhalb weniger Minuten möglich und bietet dem Fahrer einen Zeitvorteil gegenüber dem Aufladen. Ein Batteriewechselsystem setzt standardisierte Bauformen, Anschlüsse und eine entsprechend genormte Aufnahme an den Fahrzeugen voraus. Batteriewechselsysteme sind vor allem aus dem industriellen Bereich bei Flurförderfahrzeugen wie Gabelstaplern bekannt, finden aber bei Elektromotorrollern und PKW zunehmende Verbreitung.
Spezielle Ladestationen sind insbesondere bei Elektromotorrollern eine Maßnahme zur Eindämmung von Brandgefahren, da sich viele Akkubrände beim Aufladen der Batterien ereigneten.
Komponenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Norm DIN IEC/TS 62840-1 werden die Komponenten und Funktionen einer Batteriewechselstation benannt:[1]
- Austausch von Batteriepaketen
- Lagerung von Batteriepaketen
- Laden und Kühlen von Batteriepaketen
- Prüfung, Instandhaltung und Sicherheitsmanagement von Batteriepaketen
Geschichte von PKW-Lösungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erster Anbieter einer solchen Lösung für PKW war das 2007 gegründete Unternehmen Better Place, die das Akkutausch-Konzept in Israel und Dänemark realisierte, bis es infolge mangelnder Rentabilität 2013 Insolvenz anmeldete. Auch beim Tesla Model S war ein Batteriewechsel vorgesehen und in Erprobung.[2][3] Die Lösung wurde vor allem umgesetzt, um Umweltauflagen der CARB zu erfüllen und Fördermöglichkeiten in den USA zu nutzen.[4] Im Juni 2015 berichtete Musk über ein schwaches Kundeninteresse und meinte, dass ein Weiterverfolgen des Konzepts unwahrscheinlich sei.[5][6] Ende 2016 wurde die Prototyp-Batteriewechselstation geschlossen und berichtet, dass ein Akkuwechsel dort im Durchschnitt 7 Minuten gedauert habe und unter menschlicher Mitwirkung erfolgte.[7]
Während der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking wurde für die rund 60 Elektrobusse eine Batteriewechselstation betrieben, in der den Bussen die leeren Akkus entnommen und aufgeladene wieder eingeschoben wurden. Diese Station hatte einen Stromanschluss von mehreren 100 kW. Weitere große Feldversuche gab es 2010 bei der Expo 2010 in Shanghai und den Asienspielen 2010.[8] Mit der Akkuwechsel-Technologie wird jedoch nur ein kleiner Teil der 400.000 Elektrobusse betrieben, die 2018 weltweit im Einsatz waren. In China sind es einige wenige Großstädte, in denen Busse mit dieser Technik eingesetzt werden.[8]
Von dem BAIC-Tochterunternehmen BJEV wird dies in Beijing für Taxis propagiert; dabei soll der Wechselvorgang drei Minuten dauern.[9] Seit 2018 wird von BJEV ein PKW mit der Option angeboten, mit einer monatlichen Pauschale einen unbeschränkten Batterietausch nutzen zu können,[10] wodurch der Anschaffungspreis unter den eines Verbrennerfahrzeugs fallen kann.[8] Beide Unternehmen arbeiten mit Aulton zusammen,[11] einem 2016 gegründeten Unternehmen, das die Akkuwechsel-Patente und -Technologie bündelt.[8] Im September 2019 nahm die INFRAMobility-Dianba GmbH in Berlin am Westhafen die erste europäische Aulton-Wechselstation in Betrieb.[12]
Der chinesische Elektroautohersteller Nio begann 2018, ein Netz von Batteriewechselstationen in China aufzubauen.[13] Das Netz umfasste im Januar 2021 170[14] und im Dezember 2022 1.294 Stationen.[15] In Europa bestanden im Dezember 2022 zehn Batteriewechselstationen: je drei in Norwegen und den Niederlanden und je zwei in Schweden und Deutschland. Bis Ende 2023 sollte deren Zahl europaweit auf 120 steigen.[15] Ende April 2024 gab es in Deutschland 15 Stationen (siehe Nio-Artikel), weitere sind im Bau.[16] Zur Beschleunigung des Ausbaus sollen bis zu 20 Schnellladeparks des EnBW-HyperNetz auch den Akkuwechsel anbieten.[17]
Der nordamerikanische Hersteller Ample bietet vollautomatische Batteriewechselstationen an und baut zunächst in Madrid seit Dezember 2023 ein Netz von Wechselstationen für den Fiat 500 auf.[18][19]
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Proprietäre Lösungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die bisherigen Batteriewechselsysteme für PKWs sind proprietäre Lösungen. Eine herstellerübergreifende Nutzung ist nicht möglich.
Bevorratung und Aufladung der Batterien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Begrenzender Faktor bei Wechselstationen ist die Ladezeit im Vergleich zur Tauschzeit. Einen Akku in wenigen Minuten tauschen zu können setzt voraus, dass jederzeit für alle eintreffenden Kunden ein voll geladener Akku vorhanden ist und an der Tauschstation bereitsteht. Es müssen also bei einer angenommenen Ladezeit von 2 Stunden und einer Tauschzeit von 5 Minuten an jeder Tauschbühne 12 Akkus pro Stunde bereitstehen und insgesamt 24 Akkus an der Ladestation hängen. Eine Wechselstation mit 5 Tauschbühnen muss also gleichzeitig 120 Akkus laden bzw. vorhalten, um eine effiziente Nutzung auch zu Spitzenzeiten gewährleisten zu können. In diesem Beispiel muss die Anschlussleistung der Wechselstation 5 Megawatt betragen.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Batteriewechselsysteme für Elektrofahrzeuge. Teil 1: Allgemeines und Leitfaden. Ankündigungstext zu DIN IEC/TS 62840-1. In: vde-verlag.de. August 2017, abgerufen am 6. November 2019.
- ↑ FocusOnline, 24. Juni 2013: Voller Akku in 90 Sekunden. Aufgerufen am 7. Dezember 2015.
- ↑ AutoBild, 22. Dezember 2014: Tauschen statt Tanken. Aufgerufen am 7. Dezember 2015.
- ↑ Roman Domes: Tesla stößt an seine Grenzen. Zeit Online, 9. Januar 2015, aufgerufen am 7. Dezember 2015.
- ↑ Benjamin Zhang: Tesla's battery-swapping plan has a mere shadow of the promise it once showed. In: Business Insider. 27. Juni 2015, abgerufen am 17. August 2019 (englisch).
- ↑ Musk: Tesla "unlikely" to pursue battery swapping stations. In: roadandtrack.com. 10. Juni 2015, abgerufen am 28. Juni 2023.
- ↑ Steven Loveday: Tesla Battery Swap Location Shut Down For Now. In: insideevs.com. 9. November 2016, abgerufen am 2. November 2019 (englisch).
- ↑ a b c d Electric Vehicle of the Future. Ontec Energy Limited, abgerufen am 4. November 2019.
- ↑ BAIC BJEV Announces “Optimus Prime Plan” Combining Battery Swapping, Energy Storage, and Solar Models. In: en.cnesa.org. China Energy Storage Alliance, 11. Dezember 2017, abgerufen am 4. November 2019.
- ↑ Nora Manthey: China: Beijing Electric Vehicle bets on battery-swap. In: electrive.com. 8. Juli 2018, abgerufen am 3. November 2019.
- ↑ Battery swapping key to low-cost electric vehicles. ( vom 4. November 2019 im Internet Archive) SOUTH CHINA MORNING POST, 24. Juni 2018. Abgerufen am 4. November 2019.
- ↑ twitter.com
- ↑ Nio completes first battery swapping route. electrive.com, 20. Januar 2019. Abgerufen am 17. August 2019.
- ↑ NIO stellt Batteriewechsel-Station 2.0 vor – hebt Akku-Tausch aufs nächste Level. In: Elektroauto-News.net. 11. Januar 2021, abgerufen am 24. August 2021.
- ↑ a b Schaal, Sebastian: Nio eröffnet zehnte Batteriewechsel-Station in Europa. In: electrive.net. 3. Januar 2023, abgerufen am 7. April 2022.
- ↑ Sebastian Henßler: Nio baut Infrastruktur in Deutschland 2023 weiter aus. In: elektroauto-news.net. 17. Januar 2023, abgerufen am 22. April 2023 (englisch).
- ↑ Jochen Knecht, Sandro Vitale, Thomas Harloff: Nio Power Swap Stations in Europa : Mehr Batteriewechsel-Stationen in Deutschland. In: auto-motor-und-sport.de. 13. Dezember 2022, abgerufen am 21. April 2023.
- ↑ Johannes Winterhagen: Fiat 500 mit Wechselakku : Komme gleich wieder. In: faz.net. 21. Dezember 2023, abgerufen am 19. Februar 2024.
- ↑ Andrew Hawkins: Stellantis makes a big bet on EV battery swapping in new deal with Ample In: The Verge, 7. Dezember 2023 (englisch).