Benutzer:Astrofratz/entwürfe/Ninlil
Ninlil (𒀭𒎏𒆤 DNIN.LÍL; Herrin der frischen Brise) war eine mesopotamische Göttin, die als Ehefrau von [Enlil] galt. In dieser Funktion teilt sie viele Funktionen mit Enlil, insbesondere die Verantwortung für die Verkündung von Schicksalen. Ninlil gilt als Mutter mehrerer wichtiger Gottheiten, darunter Nergal, der Gott der Unterwelt, Nanna, der Mondgott, und Ninurta, der Kriegergott. Ihre Verehrung war besonders in den Städten Nippur und Tummal verbreitet, wo zahlreiche Tempel und Schreine gefunden wurden, die ihr gewidmet waren.
Im ersten Jahrtausend v. Chr. wurde Ninlil auch in der Stadt Ḫursaĝkalamma bei Kiŝ verehrt, wo sie zusammen mit der Göttin Bizilla, die als ihr Sukkal galt, in Erscheinung trat.
Schon früh zeichnet sich eine Identifikation von Ninlil mit der Göttin Sud von Ŝuruppak ab. Ein Mythos erklärt die Wandlung von Sud zu Ninlil durch die Heirat mit Enlil.
In syrischen Städten wie Mari, Emar und Ugarit wurde Ninlil mit der lokalen Göttin Shalash, die als Gattin des Dagan galt, gleichgesetzt. Diese Analogie findet sich auch in der hurritischen Religion, wo Shalash als Gattin von Kumarbi, als eine weitere Göttin mit ähnlichen Eigenschaften, angesehen wurde. Trotz dieser Assoziationen ist Ninlil auch als eigenständige Gottheit in hurritischen Texten bezeugt, wo sie möglicherweise als göttliche Zeugin von Verträgen fungierte.
Im neuassyrischen Reich erfuhr Ninlil eine Umdeutung zur Gattin des obersten assyrischen Gottes Aŝŝur. In dieser Rolle entwickelte sie sich zu Mullissu, die wiederum mit verschiedenen anderen Gottheiten des assyrischen Pantheons, wie Šerua oder lokalen Formen von Iŝtar aus Städten wie Ninive, identifiziert wurde. Ninlils Bedeutung und ihre vielfältigen Verbindungen zu anderen Gottheiten und Kulturen verdeutlichen ihren zentralen Platz im mesopotamischen Glaubenssystem und ihre Rolle in der religiösen Praxis der damaligen Zeit.
Name
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während des größten Teils des dritten Jahrtausends v. Chr. wurde der Name Ninlil mit dem sumerischen Keilschriftzeichen LÍL (KID[1]) geschrieben, der Name Enlil mit dem identisch ausgesprochenen É[2]. Ab der Ur-III-Periode wurde in beiden Fällen LÍL verwendet. Die Ursachen für diese Gleichheit der Namen ist unbekannt[3]. Die Aussprache Ninlil wird durch eine phonetische Glosse bestätigt, die den Namen syllabisch als ni-in-lil wiedergibt[4]. Die Bedeutung des zweiten Elements des Namens ist nicht sicher, obwohl ein später erklärender Text den Namen Ninlil als GAŠAN za-qí-qí, "Herrin der Brise", übersetzt, was mit Enlils Name als "Herr Wind" übereinstimmt[5].
Eine abweichende akkadische Form des Namens war Mullilu, in neuassyrischen Quellen als Mullissu, in aramäischen Texten als mlš und in mandäischen als mwlyt geschrieben. Diese Form des Namens war auch griechischen Autoren wie Herodot (der ihn als "Mylitta" transkribierte) und Ktesias bekannt. Es ist möglich, dass sich der Name ursprünglich als weibliches Äquivalent von Enlils dialektischem emesalischem Namen Mullil (abgeleitet von Umum-lil, wobei umun die emesalische Form von en ist) entwickelt hat. Die Namen Mullil und Mullissu könnten auch mit dem akkadischen Wort elēlu in Verbindung gebracht werden, sodass sie als "er, der reinigt" bzw. "sie, die reinigt" verstanden werden könnten[6].
Laut der Götterliste An = Anum war ein alternativer Name von Ninlil Sud, geschrieben dSU.KUR.RU[7]. Dieser bezog sich ursprünglich auf die Schutzgottheit Shuruppak, die mit Ninlil synkretisiert wurde. Jeremiah Peterson schlägt vor, dass die sumerische Schreibweise des Namens Sud als akkadisches Substantiv missverstanden wurde, und zwar auf der Grundlage einer einzigen Abschrift der Götterliste von Nippur, in der eine Gottheit namens dsu-kur-ru-um vorkommt[8]. Eine andere Interpretation wurde von Manfred Krebernik vorgeschlagen, dieser argumentiert, dass der Eintrag keinen Bezug zu Sud hat und ein vergöttlichtes Kultsymbol darstellt, nämlich eine Lanze (akkadisch: šukurrum)[9]. Die vergöttlichte Lanze ist an anderer Stelle in Verbindung mit dem Gott Wer bezeugt[10].
Familie und Beziehungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ninlil war die Ehefrau von Enlil, und ihre Verbindung wurde bereits in frühdynastischen Quellen aus Abu Salabikh und Ur dokumentiert. Spätere Götterlisten wie die Weidner-, Nippur-, Isin- und Mari-Götterlisten sowie der altbabylonische An = Anum vorläufer und das An = Anum selbst, bestätigen ihre Beziehung[11]. In verschiedenen Texten wird Enlil als "Verführer ihres Herzens" bezeichnet. In religiösen Texten treten sie teils als Einheit auf und einige Priester hatten beide Bezeichnungen, als Priester des Enlil und Priester der Ninlil. Obwohl diese Priesterklassen strikt unterschieden wurden[12].
Der Mythos „Enlil und Sud“ beschreibt Ninlil als Tochter der Schriftgöttin Nisaba und Haya, während im Mythos „Enlil und Ninlil“ ihre Mutter als Nunbaršegunu, die mit Nisaba gleichgesetzt wurde, nennt[13]. Als ein bedeutender Hinweis auf diese Verwandtschaft kann die Erwähnung der Stadt Eresch (Abu Salabikh), Nisabas Hauptkultzentrum, in dem Mythos „Enmerkar und En-suhgir-ana“ als „geliebte Stadt von Ninlil“ gesehen werden[14]. Es ist jedoch unklar, ob Ninlil dort einen eigenen Tempel hatte[15].
Als Enlils Ehefrau wurde Ninlil oft als Mutter von Ninurta dargestellt, obwohl auch andere Göttinnen diesen Status hatten (Nintur, Ninhursag or Dingirmah)[16]. Sie gilt zudem als Mutter von Nergal[17] und dem Mondgott Nanna[18], was sie zur Großmutter von Inanna / Ischtar und Utu / Schamasch macht.
Im Mythos „Enlil und Ninlil“ erscheinen Nanna, Meslamtaea (Nergal), Enbilulu (Gott der Bewässerung) und Ninazu als gemeinsame Kinder. Wobei Letzterer normalerweise als Sohn der Ereŝkigal und des Gugalanna gesehen wird. Laut Frans Wiggermann könnte Ninlils Beziehung zu Ninazu auf Nergals wachsenden Einfluss zurückzuführen sein[19].
Ninlils Sukkal (begleitende Gottheit) war die Göttin Bizilla, die als „Stern des Überflusses“ bezeichnet wird[20][21].
Zu Ninlils weiteren Dienern zählten der Thronträger Nanibgal, ursprünglich ein Synonym für Nisaba[22], ein Schutzgeist namens Lu-Ninlilla sowie der Berater Guduga[23]. In einer Hymne aus der Regierungszeit Bur-Suens wird Asalluhi als Türhüter Ninlils erwähnt[24].
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Julia M. Asher-Greve, Joan G. Westenholz: Goddesses in Context: On Divine Powers, Roles, Relationships and Gender in Mesopotamian Textual and Visual Sources. Academic Press Fribourg, 2013, ISBN 978-3-7278-1738-0 (uzh.ch [PDF]).
Andrew R. George: House most high: the temples of ancient Mesopotamia.
Manfred Krebernik: Ninlil". In: Reallexikon der Assyriologie (in German. 1998.
Manfred Krebernik: Šukurru(m)". In: Reallexikon der Assyriologie (in German. 2013.
Gilbert J.P. McEwan: Nanibgal". In: Reallexikon der Assyriologie. 1998.
Jeremiah Peterson: God lists from Old Babylonian Nippur in the University Museum, Philadelphia.
Jeremiah Peterson: Christopher Metcalf: Sumerian Literary Texts in the Schøyen Collection, Volume 1: Literary Sources on Old Babylonian Religion. In: review)". Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie. Band 111, Nr. 1, 2020, DOI:10.1515/za-2020-0025.(?!).
Xianhua Wang: The metamorphosis of Enlil in early Mesopotamia. Münster.
Frans A.M. Wiggermann: Nergal A. In: Philological", Reallexikon der Assyriologie. 1998.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Krebernik 1998, S. S. 452
- ↑ Wang 2011, S. S 14-15
- ↑ Wang 2011, S. S. 89-90
- ↑ Krebernik 1998, S. S 453
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 459
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 453
- ↑ Asher-Greve; Westenholz 2013, S. S. 80; Krebernik 1998, S. S. 454
- ↑ Peterson 2009, S. S. 72
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 455
- ↑ Krebernik 2013, S. S. 455
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 454
- ↑ Asher-Greve; Westenholz 2013, S. S. 83
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 456
- ↑ Asher-Greve; Westenholz 2013, S. S. 69
- ↑ Krebernik 1998, S. S. 458
- ↑ Asher-Greve; Westenholz 2013, S. S. 87f
- ↑ Wiggermann 1998, S. S. 219
- ↑ Wang 2011, S. S. 83
- ↑ Wiggermann 1998, S. S. 330
- ↑ George 1993, S. S. 54
- ↑ Asher-Greve; Westenholz 2013, S. S. 112
- ↑ McEwan 1998, S. S. 151
- ↑ Krebernik 1998
- ↑ Peterson 2020, S. S. 125