Benutzer:Eddi Bühler/DE:RnR
DE: RnR (eine Art Inhaltsverzeichnis, das nicht ohne Exzerpte auskommt) Gang der Erörterung; Themen, Thesen, zitierte Literatur ---
Teil I Kapitel 1 (Seite 9-17)
S. 9: Besuch in Muizon. Die Eltern waren dorthin gezogen, als E. sie nicht mehr besuchte. Die Karikatur einer Zersiedelung, zwischen der Route du Champagne und "einem Industriegebiet in den Vororten von Reims" gelegen. - 10 - (Zitat Claude Simon, Jardin - des Plantes: Region mit Sonderstatus"). - E konnte diese Reise erst unternehmen, als der Vater "weg war" (von der Mutter in einer Alzheimer-Klinik untergebracht). - 11 - Der Besuch bei der Mutter ist "der Beginn einer Aussöhnung mit ihr", genauer, "einer Aussöhnung mit mir selbst, mit einem ganzen Teil meines Selbst, den ich verweigert, verworfen, verneint hatte." ... "Es entstand wieder eine Bindung zwischen uns. Etwas stellte sich wieder her in mir." E erkennt, wie schwer es für die Mutter gewesen war, mit seiner Abwendung zu leben. "Aber wie war es für mich gewesen?" E zitiert "das Freudsche Schema der Melancholie", die "aus einer nichtverwundenen Trauer über die ausgeschlagenen Möglichkeiten und abgewiesenen Identifikationen entsteht". Er überlegt, ob nicht "die Soziologie mit ihrem Vokabular eine bessere Beschreibung ...leistet" - 12 - Die Rückkehr in ein Herkunftmilieu bedeutet "ein Wiedersehen mit einem ebenso konservierten wie negierten Selbst". Ins Bewusstsein tritt "das Unbehagen, zwei verschiedenen Welten anzugehören". "Eine Melancholie, die aus einem gespaltenen Habitus erwächst." Diese Gefühle arbeiten ins uns, "tief in unserem Selbst verkorchen". "Kann man ein solches Unbehagen jemals überwinden? Kann man der Melancholie entkommen?". Die Gefühle der Mutter für den Vater seien Abscheu und Hass gewesen. Dennoch besuchte sie ihn täglich im Heim. E's Angst, er könne selbst Alzheimer bekommen. - 15 - "eine eigentümliche Art, diese Trauer zu empfinden. Mein Wille, den Verstorbenen und auch mich selbst, den Weiterlebenden, zu verstehen, überwog die Traurigkeit." ... "war die Verbindung zu meinem Vater für mich rein biologisch-juristisch." E vergleicht sich mit Roland Barthes (Tagebuch der Trauer), bei dem übermächtige Verzweiflung, "unüberwindlicher, wesensverändernder Schmerz" überwog. - 16 - "Genau wie Barthes könnte ich nicht sagen, dass ich in Trauer war"... " Aber ich empfand auch nicht diesen Kummer, der nicht weichen will" "Was dann? Eher eine Irritation, hervorgerufen von einer Reihe von Fragen, in denen das Persönliche vom Politischen nicht zu trennen ist. Fragen über soziale Schicksale, über die Teilung der Gesellschaft in Klassen,über den determinierenden Einfluss der sozialen Welt auf die Subjektkonstitution, über individuellen Psychologien und die Beziehungen zwischen Individuen." (damit skiziiert E zugleich sein Programm für dieses Buch, wie es scheint) - 17 - (nach der Beerdigung des Vaters, an der E nicht teilnimmt:) Die Mutter holt alte Bilder hervor. "es ist immer wieder bestürzend ... wie sehr die fotografische Erinnerung jeden Einzelnen, indem sie ihn ... an seine Klassenherkunft erinnert, in seiner sozialen Vergangenheit verankert."
Kapitel 2 (S. 19-26) Kapitel 2 , S. 19-26
- 19 - Thema: Soziale Scham. Es war E leichter gefallen, über sexualle Scham zu schreiben als über soziale Scham. - 20 - Das Coming Out aus dem sexuellen "Schrank" fiel zusammen mit dem Eintritt in den "sozialen Schrank". (DE bezieht sich auf seine Schrift Réflexion sur la question gay) - 21 - E wollte in seinen früheren Schriften eine Anthropologie der Scham errichten, mit der sich "eine Theorie der Herrschaft und des Widerstandes, der sozialen Unterwerfung und Subjektivierung konstruieren lässt. Er habe die von Jean Genet, Jouhandeau und anderen erarbeiteten Theoreme zur sexuellen Inferiorisierung "mit Ansätzen verknüpft, die Bourdieu zur sozialen sowie Fanon, Baldwin und Chamoiseau zur rassischen oder kolonialen Inferiorisierung entwickelt haben." - 22 - Sein Ansatz liege darin, den Begriff Bourdieus des Habitus auf die Sexualität zu übertragen. (E bezieht sich auf sein Vorwort zur englischen Ausgabe der Réflexions) Trotz der Notwendigkeit, den sexuellen und den sozialen Habitus zusammenzudenken, hatten seine Bücher "die sexuelle, nicht die soziale Subjektivierung" zum Thema. "Meine gesamte theoretische Arbeit ... hatte sich auf die Annahme gegründet, dass der totale Bruch mit meiner Familie wegen meiner Homosexualität erfolgt sei, wegen der eingefleischten Homophobie meines Vaters und des Milieus, in dem ich groß geworden bin. Aber war es nicht genau diese Annahme, die mich ... dem Gedanken ausweichen ließ, dass ich ebenso mit meinem Milieu als sozialer Klasse gebrochen hatte?" - 23 -E war ein Austeiger, ein "sozialer Überläufer", "gewissermaßen klassenflüchtig". Aber: "manche Klassenreflexe blieben einfach". - 24 - Wenn er sich abschätzigen Urteilen ( über die AK) angeschlossen hatte, "breitete sich ein dumpfes schlechtes Gewissen in mir aus". (E. bezieht sich in diesem Kontext aufu Paul Nizan, Das Leben des Antoine B.) Aber: "Obwohl ich den Kämpfen des Volkes immer nahestand ... muss ich gestehen, dass ich für das real existierende Arbeitermilieu in meinem tiefsten Innern vor allem Ablehnung empfand." Der direkte Kontakt zu den Angehörigen dieser Klasse "wurde mir zunehmend unerträglich". - 25 - Bei Besuchen der Eltern "überkam mich ein schwer zu beschreibendes Schamgefühl" gegenüber ihren Verhaltensweisen, Sprechweisen, Sorgen und Nöten, gegenüber "Aussagen, die in jeder einzelnen Unterhaltung einen primären, zwanghaften und eigentlich anlasslosen Rassismus zutage förderten." E zitiert Annie Erneaux und die von ihr beschriebene "Klassendistanz" zu ihren Eltern. Das "verstörende Gefühl, ein einem Ort zugleich zu Hause und fremd zu sein." Ein Spagat, der ihm mit den Jahren so gut wie unmöglich geworden sei. - 26 - "Ich legte mir auch eine bestimmte Vergangenheit, Kindheit und Jugend zurecht. Ein schwules Kind sei ich gewesen, ein schwuler Heranwachsender, kein Arbeiterkind."