Benutzer:Hebels
Benutzer Hebels ist seit Oktober 2015 bei Wikipedia aktiv.
Ich bin 1967 in Lehrte geboren und lebe seitdem nahezu ununterbrochen in Ahlten / Han.
Als Absolvent der Universität Hannover interessiere ich mich nicht nur für die dort erworbenen Kenntnisse im Bereich der Elektrotechnik, sondern bin an vielen Themen interessiert und Wikipedia ist die bevorzugte Quelle auf der Suche nach Antworten auf meine Fragen!
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mehr und mehr mit der Geschichte, Traditionen und Eigenheiten meiner Heimat: Ahlten, Hannover, die Region, Niedersachsen ...
Besonders die Sprache unserer Urahnen (Plattdeutsch) in Südniedersachsen (Ostfälisch) und im Raum Hannover (Calenberger Platt) haben es mir angetan. Mein Lieblingsspruch:
Eck hebbe süss nems an'n Mase 'eklaiet as meck sülmst! Die Kürze und Klarheit der Aussage prägt den gesamten Norden unserer Republik!
Tradition Hausschlachtung in Ahlten:
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Hauschlachtung war sicher über jahrhunderte eine Tradition, die in allen Dörfern in Deutschland zu finden ist. Sicher können auch noch viele davon berichten, dennoch tue ich das einmal für mich an dieser Stelle: Das Haus meiner Eltern & Großeltern war seinerzeit voll auf das Konzept der weitestgehenden Selbstversorgung angelegt. Gemüsegarten, Hühnerstall und natürlich der Stall zum Füttern von 2 Schweinen, direkt daneben das Plumpsklo! Der Stall musste schon früh einem Anbau mit großem Wohnuimmer etc. weichen, geblieben ist aber noch lange die Waschküche im Keller, ein Raum mit einem Holzherd und natürlich den Kessel, ebenfalls Holzbefeuert. Also alles bereit für das jährliche Schlachten!
Vorbereitung:
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am Tag vorher musste das Geschirr besorgt werden, also ging es mit dem Bollerwagen (so nennt man bei uns einen großen Handwagen, die haben wirklich lärm gemacht mit den Eisenringen an den Holzrädern) in die "Siedlung" zu XXX um alles notwendige zu besorgen, Trog, Bottiche Kellen etc., so etwas hatten wir nicht im Haus. Dann wurde natürlich alles an seinen Ort gebracht, damit es am nächsten Tag zeitig losgehen konnte! Und es ging sehr früh los, so um 5, und da musste schon reichlich kochendes Wasser im Kessel sein, das wurde gebraucht!
das Schlachten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ich nenne ihn mal Heiner, er ist heute (Jan. 2020) über 90 Jahre alt und die Legende der Schlachter im Ort. Im Sommer hat er, wie könnte es anders sein, als Dachdecker gearbeitet! Heiner kam also morgens um 5 Uhr, denn da ging es los, das Schwein wurde vom Bauern in einer Kiste, die am Vorderlader des Treckers hing, auf den Hof gebracht. Es wurde abgeladen, mit einem Strick am Hinterbein an einen Pfahl gebunden, beruhigt, und dann nahm das Schicksal mit dem Bolzenschussgerät seinen Lauf.
Meine Oma war dann die jenige, die den wichtigsten Job hatte: das Blut musste mit der Hand in einer Schale gerührt werden, damit es nicht gerann. Nachdem das Herz des Schweins nicht mehr schlug, musste manuell weitergepumpt werden, schließlich muss das Blut aus dem Körper möglichst vollständig heraus. Das auf der Seite liegende Schwein bekam somit eine Art Herzmassage, indem das obere, vordere Bein wie bei einer Schwengelpumpe auf- und abwärts bewegt wurde.
Anschließend ging es in den Trog und das schwein wurde mit fast noch kochendem Wasser übergossen. Das war notwendig, denn es ging dem Tier nun an den "Pelz". Mein Vater, mein Onkel (man teilte sich das Schwein) und Heiner nahmen die "Glocken" zur Hand. Das waren kekelförmige, stabile Eisenglocken, mit denen die Borsten abgeschabt wurden, das Tier wurde somit sauber rasiert. Ohne das vorherige "abbrühen" wären die Borsten wohl zu hart gewesen. An der Oberseite der Glocken saßen krallenförmige Stahlhaken. Mit diesen Haken konnte man hinter die Nägel an den Pfoten einhaken und diese mit einem Ruck abziehen.
Anschließend wurde das Schwein zerlegt und die Hälften zum abkühlen auf dem Hof aufgehängt. Die Därme wurden gereinigt und das Fleisch für die Wurst in den Kessel zum Kochen gegeben. Und während das Fleisch kochte, ist Heiner zur 2ten Schlachtung weitergezogen. Er wird dann zum "Wurstmachen" wiederkommen.
das "Wurstmachen"
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wurstsorten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Knappwurst (Knappwost)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es ist in jedem Fall eine Spezialität der Region Hannover und ggf. auch darüber hinaus. Verbände ordnen diese Wurst als Kochmettwurst ein, das entspricht allerdings in keinem Fall meiner Auffassung einer Mettwurst! Vielleicht sollte man sie besser als Grützwurst beschreiben, einer oldenburger Pinkel oder unserer Bregenwurst (wie sie die Hannoveraner kennen) kommt das auch nicht nahe. Auch ist es kein "Knipp" oder "Calenberger Pfannenschlag", obwohl meine Oma auch diese Wurst aus der Dose "in die Pfanne gehauen" und zu Kartoffeln als Mittagessen serviert hat. Herstellung nach "Art von Heiner": Es kommt sehr fettiges Fleisch bzw. Speck (Bauchfleisch, Backe) zum Einsatz, das vorher zusammen mit dem anderen Fleisch im Kessel ca. 2 Stunden gekocht wurde. Dieses wird zusammen mit Zwiebeln (gut 20%, die hälfte vorher gekocht, die andere Hälfte roh) und zuvor in der Fleischbrühe gekochten Haferflocken (andere verwenden wohl auch Buchweizen) durch den Wolf gegeben. Gewürze: Pfeffer, Salz, Majoran und wohl auch Thymian. Anschließend wurde soviel Brühe zugegeben, bis die Konsistenz genehm war - eine Knappwurst sollte nach Ansicht der Liebhaber auch kalt noch streichfähig sein! Teile dieses "frischen Knapps" werden zum direkten Verzehr am Abend und den folgenden Tagen in Schalen abgefüllt, auch die Nachbarn und Bekante bekamen davon ein Schälchen. Darüber hinaus wird sie im Darm und in Dosen abgefüllt und anschließend (zusammen mit den anderen Würsten) erneut im Kessel gegart, sie durfte nicht kochen, sie wäre geplatzt.
"Wost ist nicht Wost" (Wurst ist nicht Wurst) - die Hafegrütze nimmt das Fett und die Brühe auf und die Wurst konnte damit mehr oder weniger beliebig gestreckt werden! Vermutlich wurden so auch verschiedene Qualitäten hergestellt, und so steht in einem kleinen Büchlein, das "Ahltsche Vertelljen" (Ahltener Erzählungen) heißt:
„Emmi, niu gah man noch mal hen un hale wecke von der annern Knappwost. Düsse Dainstenwost wolle eck nich tauen Abendbroe hebben.“ „Emmi, nun geh‘ man noch mal hin und hole welche von der anderen Knappwurst. Diese Dienstenwurst (Wurst für die Bediensteten auf den Höfen, Knechte, Mägde..) wollte ich nicht zum Abendbrot haben“.
Leberwurst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine typische, feine Leberwurst (bezüglich der Konsistenz) vom Schwein. Abgefüllt in Därme und Dosen.
Mettwurst (gekocht), Mett mit Schnauze
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sowohl die gekochte Mettwurst sowie das "Mett mit Schnauze" wird ausschließlich in Dosen eingekocht. Bei der gekochten Mettwurst wird schlicht gewürztes, rohes Mett (wir würden "nach thüringer Art" sagen) in Dosen gefüllt. Das "Mett mit Schnauze" ist ähnlich, hier werden, wie es der Name verrät" Anteile der Schnauze hinzugegeben. Es war wohl ein traditioneller Spaß, die Nase des Schweins (wir nannte sie Steckdose) als Ganzes oben in eine Dose zu legen - das Überraschungsei in der Hausschlachterei.
Mürbebraten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Offenbar eine sehr lokale, hannöversche Spezialität mit einem irreführenden Namen, denn es ist kein Braten, es ist eine Kochmettwurst die ausschließlich in Dosen abgefüllt wird. Die mir nicht bekannten Zutaten und Gewürze (Heiner hatte diverse unbeschriftete Dosen mit Gewürzen und Gewürzmischungen dabei) geben dieser Wurst einen eigenen Geschmack. Leider ist diese Wurst aus den Läden verschwunden und somit wohl "ausgestorben".
Bregenwurst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Kochmetturstsorte. Es war allerdings keine Bregen- bzw. Brägenwurst, wie man sie heute gern zu Grünkohl ist. Diese Bregenwurst wird in Dosen gefüllt und hat natürlich das Gehirn, den Bregen als Zutat. Dieses ist heute verboten, diese Dosenwurst ohne Hirn bekommt man als hannöversche Spezialität aber noch beim Schlachter oder im Supermarkt.
Sülze
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine klassische Schweinesülze, die bereits in den 80ern des letzten Jahrhunderts in Plastikdärmen (wie es auch heute noch zu finden ist) abgefüllt wurde, aber auch in Dosen. Beim langsamen Erkalten wurden die Würste immer einmal wieder "massiert" um eine gleichmäßige Konsistenz zu erzielen.
Rotwurst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine klassische Blutwurst (dieser Begriff ist allerdings unüblich) in einer eher rustikalen Variante. Es kommen keine "feinen" Zutaten wie z.B. Zunge hinein. Stattdessen werden Speckwürfel geschnitten und hinzugegeben - diese Würfel nannte man "Kinkeln". Diese Wurst wurde in Dosen und in den Mastdarm des Schweins gefüllt. Die im Darm abgefüllte Wurst nannten wir auch "Piepwurst".
Mettwurst (klassisch luftgetrocknet)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ich habe noch erlebt, dass versucht wurde, auch eine klassische, lufgetrocknete Mettwurst herzustellen. Schön fest musste die Wurstmasse in den Darm gestopft werden, es durfte keine Luft eingeschlossen werden. Dieses wurde aber später eingestellt, denn die Würste verdarben in dem viel zu warmen Keller. Einst kalt und wohl auch mit einer gewissen Luftfeuchtigkalt, konnten die Würste trocknen und reifen. Nachdem die Ölheizung im Keller installiert war, war damit Schluss!
die Dosen müssen zu und es ist Brühe übrig
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Dosen sind gefüllt, allerdings noch nicht verschlossen, die nötige Ausrüstung dafür hatte nur "Frau Kunschert". Dort mussten die Dosen hin, um mit dem entsprechenden deckel verschlossen zu werden. Die Dosen waren bereits vor dem Schlachten bei ihr, um den Rand abzuschneiden. Dosen wurden zu der zeit nämlich nicht in den Müll gegeben, sie wurden über Jahre wiederverwendet und schrumpften somit auch von Jahr zu Jahr. Erst wenn ein Dose wirklich zu klein war, wurde sie durch eine neue Dose ersetzt! Die verschlossenen Dosen wurden dann zusammen mit den fertigen Würsten erneut im Kessel gekocht, wie bereits beschrieben, durften die Würste nicht richtig kochen, lediglich garen. Dieses über das Feuer unter dem Kessel zu regulieren, war sicher nicht ganz einfach. Zudem wurden die Würste im Kessel ab und zu "gestreichelt". Dieses bedeutet, die an der Oberfläche schwimmenden Würste mit einer großen, flachen Kelle immer wieder zu drehen und leicht unterzutauchen. Als letztes wurden dann die Unmengen an "Wurstebrühe" in große Aluminiumkannen gefüllt, auf den "Bollerwagen" geladen und ich durfte sie dann an Nachbarn und Bekannte verteilen. Am Abend freute sich dann jeder auf die Frische Wurst, das Knapp, Stekfleisch (geckochte Schweinebacke, in ca. 5 mm dicke scheiben geschnitten) und das frische Mett! Es war nicht zwingend nötig, das Mett am gleichen Tag zu verbrauchen. Wenn man es offen in den Kühlschrank stellte, konnte es ohne Problem noch am Folgetag verzehrt werden, nur abdecken durfte man es eben nicht!
Es war eine schöne Zeit, die es so nicht mehr geben wird! Handgemacht, ohne Schnickschnack, ohne Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und sonstiges Zeug, was nicht zwingend in Lebensmittel gehört. Einmal abgesehen davon, dass die Mettwürste irgendwann nicht mehr gerieten, ist nie etwas umgekommen! Guten Appetit!
da kommt nichts um ...
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn man ein Schwein schlachtet, ein Tier für den Verzehr tötet, dann hat es auch einen gewissen Respekt verdient! Heute sucht man sich nur das Beste heraus, vom Schwein am liebsten das Filet, ohne Fett, ohne haut, ohne Knochen ... und was passiert mit dem Rest? Nun, einiges bekommt man ja in Würsten untergebracht und man sollte wohl dem ein- oder anderen besser nicht erzählen, was heute in der Industrie passiert. Ich wusste, was mit dem Schwein passiert! Es wurde schlicht alles verwertet und auch gegessen. Hier die Ausnahmen: Augen, Geschlechtsteile und der After! Fragen?