Benutzer:Karsten11/Besteuerung von Termingeschäften

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Diese Seite ist Teil des Benutzernamensraums von Karsten11 und kein fester Artikelbestandteil der deutschsprachigen Wikipedia.

Die Termingeschäfte werden in Deutschland gemäß der einschlägigen Vorschriften im EStG besteuert. Die Vorschriften zur Besteuerung von Termingeschäften sind einem häufigen Wandel unterzogen und politisch umstritten.

Grundsätzliches

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Termingeschäfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts sind nicht allein Termingeschäfte im ökonomischen Sinne, sondern Derivate verschiedener Art. Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung sind zum einen Geldflüsse wie eine Stillhalterprämie, sowie realisierte oder nicht realisierte Gewinne/Verluste aus Wertveränderungen. Ökonomisch werden Derivate vielfach in Kombinationen eingesetzt, z.B. zum Hedging von bestehen Positionen. Hier kann die Besteuerung entweder auf Ebene des einzelnen Derivates oder dem ökonomisch zusammengehörenden Paktes an Geschäften ansetzen. Daneben ist steuerlich von Bedeutung, ob die Derivate im Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen gehalten werden.

Gesetzestext - Ablauf der Verkundung und Grundlegende Bedenken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Besteuerung von Termingeschäften über den “§20 Abs. 6 Satz 5" des EStG wurde erstmalig im Dezember 2019[1] und schließlich mit minimalen Änderungen im Dezember 2020[2] von der Großen Koalition im Bundestag beschlossen, bevor sie schließlich am 1. Januar 2021 in Kraft trat.[3]

Zwischen der Erstveröffentlichung in Dezember 2019 und der endgültigen Fassung von Dezember 2020, beantragte der Bundesrat mit den Empfehlungen 503/1/20[4] im September 2020 auf Seite 19 die Streichung der Absätze 5 und 6 des § 20. Der Bundesrat kritisierte auf den Seiten 21 und 22 die Steuerliche Auswirkungen (siehe unten) und auch, dass "§20 Abs. 6 Satz 5" kein Instrument gegen Marktspekulation ist, ein Verstoß gegen das Nettoprinzip der Besteuerung des Einkommens ist und bestehende Urteile der höchsten Gerichte missachtet.

Die Bundesregierung hatte mit Drucksache 19/23551[5] für das Jahressteuergesetz die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung veröffentlicht. Auf Seite 53 wurde die Prüfung des Vorschlages des Bundesrates durch die Bundesregierung verkündet, blieb jedoch unberücksichtigt.

Es wird von einigen Quellen in der Fachliteratur[6] als verfassungswidrig angesehen, mit einem ersten derartigen Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 2023.[7][8] Ge­gen den Be­schluss hat die Fi­nanz­ver­wal­tung Be­schwerde ein­ge­legt, über die der BFH im Wege des vorläufi­gen Rechts­schut­zes zu be­fin­den hat (Az. VIII B 113/23)[9]

Der erste Entwurf von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" erschien im Kurzprotokoll der öffentlichen Anhörung vom 11. November 2019[10] auf den Seiten 24 und 25. Die Begründung für “§20 Abs. 6 Satz 5” lautet wie folgt:

"Termingeschäfte sind durch ihre begrenzte Laufzeit und durch Hebeleffekte in wesentlichem Umfang spekulativ. Es können einerseits hohe Gewinne und andererseits der Totalverlust der Anlage eintreten. Diese Effekte treten bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß auf. Verluste aus Termingeschäften werden deshalb in einem besonderen Verlustverrechnungskreis berücksichtigt, um das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen zu begrenzen. Die Berücksichtigung der Verluste wird nicht generell versagt. Die Verlustnutzung wird zeitlich gestreckt und die Verluste veranlagungsübergreifend berücksichtigt."

Einschränkungen von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG"

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gesetzestext von “§20 Abs. 6 Satz 5 EStG” führt explizit folgende Einschränkungen ein:

  • Verluste aus dem Handel mit Termingeschäften können nur bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR mit Gewinnen verrechnet werden.
  • Verluste können auf die folgenden Jahre vorgetragen werden, jedoch nur bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR pro Jahr.
  • Verluste aus dem Handel mit Termingeschäften können nur mit Gewinnen aus dem Handel mit Termingeschäften verrechnet werden.

Die betroffene Palette an Termingeschäften wurde vom Bundesministerium der Finanzen in einem Schreiben vom 3. Juni 2021[11] definiert. Offene Börsentermingeschäfte, Optionen auf Futures und CFDs als Termingeschäfte wurden für die Anwendung von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" kategorisiert, privat emittierte Zertifikate und Optionsscheine wurden ausgeschlossen.

Steuerliche Auswirkungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgenden Auswirkungen vom "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" wurden bereits im September 2020 vom Bundesrat mit den Empfehlungen 503/1/20[4] identifiziert.

  • Unbegrenzte Besteuerung von Gewinnen
  • Steuern auf Verluste
  • Unwiederbringliche Verluste, die jedes Jahr wachsen
  • Verbot der Absicherung von Aktienportfolios

Zusätzlich:

  • Steuerverursachte Privatinsolvenz,[12] die möglich ist, weil ein effektiver Steuersatz über 100% direkte Steuern auf Privatvermögen erheben, und da der effektive Steuersatz unbegrenzt ist, wird Privatvermögen ohne Grenzen besteuert.

Beispiel - Auswirkung für den effektiven Steuersatz

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl der Steuersatz für Kapitaleinkünfte 25% beträgt, führt die Verlustverrechnungsbeschränkung von 20.000 EUR gemäß "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" zu erhöhten effektiven Steuersätzen.

Der Gerichtsbeschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz legt die Zahlen des Steuerbescheids offen, was die Berechnung des effektiven Steuersatzes ermöglicht, um die Auswirkungen von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" für den effektiven Steuersatz numerisch zu erfassen.

Gewinn = 250.631 EUR
Verlust = 227.289 EUR
Realer-Nettogewinn = Gewinn - Verlust = 250.631 - 227.280 = 23.342 EUR

Verlustverrechnungsbeschränkung = 20.000 EUR
Steuerbescheid-Verlust = Minimum(Verlust, Verlustverrechnungsbeschränkung)
Steuerbescheid-Verlust = Minimum(227.289, 20.000) = 20.000 EUR
Steuerbescheid-Nettogewinn = Gewinn - Steuerbescheid-Verlust
Steuerbescheid-Nettogewinn = 250.631 - 20.000 = 230.631 EUR

Effektiver-Steuersatz = 25% * (Steuerbescheid-Nettogewinn / Realer-Nettogewinn)
Effektiver-Steuersatz = 25% * (230.631 / 23.342)
Effektiver-Steuersatz = 25% * 9,88
Effektiver-Steuersatz = 247%

Die Presse berichtete, zum Beispiel in der FAZ[13], über einen effektiven Steuersatz von 256%, da der Steuerbetrag aus Kapitaleinkünften 59.860 EUR betrug und folgendermaßen berechnet wurde: 59.860 / 23.342 = 2.56 = 256%. Diese Berechnung berücksichtigt nicht nur die Auswirkungen von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG", sondern auch Extras wie den Solidaritätszuschlag.

Positionen der Parteien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lothar Binding, SPD „Obmann“ im Finanzausschuss des Bundestages in 2019, hat die Gesetztänderung im "Der Zertifikateberater"[14] im März 2020 und auch in mehreren Antworten auf seinem abgeordnetenwatch.de Profil [15] verteidigt.

Aktuell ist der SPD „Obmann“ im Finanzausschuss Michael Schrodi, der im Juli 2023 eine öffentliche Erklärung auf „abgeordnetenwatch.de“ abgab, als er eine Frage bezüglich "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" beantwortete, die von einem betroffenen Steuerzahler gestellt wurde.[16] „Wir halten die geltende Regelung für verfassungskonform und für sehr wohl an den Interessen der Allgemeinheit ausgerichtet.“

Die Partei ist seit 2021 in der Regierung und für das Bundesministerium der Finanzen zuständig. Florian Toncar, derzeit Staatssekretär, lehnte die Regelung im Finanzausschuss 2019 ab und äußerte im „Der Zertifikateberater“ im März 2020 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Im „Zukunftfinanzierungsgesetz“ schlug die FDP in der ersten Fassung die Abschaffung von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" vor. Dieser Vorschlag wurde jedoch in späteren Entwürfen entfernt. Florian Toncar erklärte öffentlich, warum in einer Antwort auf abgeordnetenwatch.de[17]: „Aufgrund des Widerspruchs aus anderen Ministerien findet sich diese Maßnahme aber zunächst nicht im Gesetzentwurf.“

Ursprünglich stimmte die CDU/CSU der Einführung von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG" im Finanzausschuss zu.

Die CDU/CSU fordert inzwischen die Streichung von "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG". Der letzte Versuch erfolgte im November 2023, als sie im Rahmen des „Zukunftfinanzierungsgesetzes“ einen Antrag stellte, um „§ 20 Abs 6. Satz. 5 und Satz 6 EStG“ zu streichen.[18] Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Buzer.de - §20 Abs. 6 Satz 5 EStG - Änderungen 21. Dezember 2019.
  2. Buzer.de - §20 Abs. 6 Satz 5 EStG - Änderungen 29. Dezember 2020.
  3. Bundesministerium der Justiz (Federal Ministry of Justice): Gesetze im Internet - Einkommensteuergesetz (EStG) § 20.
  4. a b Bundesrat - Empfehlungen 503/1/20 - Seiten 19, 21, 22.
  5. Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020.
  6. Tobias Unger Diploma Arbeit über die "§20 Abs. 6 Satz 5 EStG".
  7. Verlustverrechnung bei Termingeschäften - Gericht äußert Zweifel an Verfassungsmäßigkeit! Abgerufen am 19. März 2024: „„Die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 führt zur Ungleichbehandlung, für die nach vorläufiger Prüfung ein sachlicher Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt““
  8. juris GmbH: Landesrecht Rheinland-Pfalz. In: Landesrecht Rheinland-Pfalz. Abgerufen am 19. März 2024.
  9. Jetzt entscheidet der Bundesfinanzhof über Steuern auf Termingeschäfte.
  10. Finanzauscshuss - Erster Entwurf mit Zielen der Bindingsteuer.
  11. BMF - Schreiben 2021-06-03 Datev.
  12. Dr. jur. Sascha Besau: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Steuerrecht.
  13. Frankfurter Allgemeine - Martin Hock: Hoffnung für Anleger in der Falle.
  14. Tobias Kramer: Der Zertifikateberater - Interview mit Lothar Binding - 2020-03.
  15. abgeordnetenwatch.de - Profil - Lothar Binding.
  16. abgeordnetenwatch.de - Michael Schrodi - Verlustverrechnung von Termingeschäften: Stimmen die Gesetzeswirkungen mit den Zielen der SPD so vollständig überein, dass Sie keinen Änderungsbedarf sehen? - 2023-07-18.
  17. abgeordnetenwatch.de - Florian Toncar - Widerspruch aus anderen Ministerien.
  18. CDU/CSU Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU (Zukunftsfinanzierungsgesetz).

[[Kategorie:Steuer- und Abgabenrecht (Deutschland)]]