Benutzer:Macika

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Sine ora et studio - so sollte "objektive" Wissenschaft dem Anspruch nach sein. Während in naturwissenschaftlichen Fächern diesem Anspruch scheinbar leichter genüge getan werden kann, ist dieses bei den Humanwissenschaften von jeher problematisch gewesen. Tatsächlich kann z.B. die Geschichtswissenschaft nie objektiv, das bedeutet gleichzeitig non-subjektiv, sein. Das, was wir als Geschichte verstehen, ist zum einen eine eigene Interpretation von historischen Materialien und zum anderen auch die Auseinandersetzung mit tradierten Ansichten und Auseinandersetzungen, die über diese Materialien vorherrschen. In der Geschichtsforschung wurden v.a. in den westlichen Ländern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Fortschritte in Richtung einer angemesseneren Sichtweise errungen. Doch gleichzeitig zeigt sich, dass auch die Art und Gegenstände der Forschung genauso der jeweiligen Herrschaftsordnung und politsch-sozial-finanziellen Richtung unterliegen, wie das z.B. bei der Kunst im Falle der Auftragsmalerei über Jahrhunderte der Fall gewesen ist. Eine persönliche und ideologische Färbung ist insofern nie gänzlich auszuschließen, wenn auch die ideologische Färbung heute eine verhältnismäßig "demokratische" zu sein scheint. Im Europa der Europäischen Union ist deswegen auch eine Zunahme von Forschungsmeinungen zu beobachten, die die friedliche Koexistenz europäischer Ethnien in den Vordergrund stellen oder zumindest von diesem "Zeitgeist" beeinflusst sind. Wie entkommt man dieser subjektiven, durch Sozialisierung erworbenen und allgegenwärtigen Brille? Überhaupt nicht. Es ist nicht möglich, denn in jeder Arbeit, jeder Interpretation sind die Erfahrungen, die Sozio- und Psychogenese des Autors, verwurzelt. Deswegen kann der höchste Anspruch sein, sich soweit wie möglich vom Forschungsobjekt zu distanzieren. Die Auseinandersetzung mit tradierten Sichtweisen bleibt. Vor allem die Forschungsliteratur der ehemaligen kommunistischen Staaten Europas prägte die von der Staatsführung verordnete Sichtweise in erheblichem Maße. So wurden Aspekte überbetont, andere, oftmals konträre Aussagen fallengelassen und marginalisiert. Wer meint, mit der Wende sei auch eine Umkehr in der Geschichtsforschung dieser Länder mit einhergegangen, der hat recht. Tatsächlich lässt sich eine Häufung angemessenerer, mit der eigenen Geschichtstradition brechenden und diese kritisierenden Werke bemerken. Die Forschungen unterliegen aber weiterhin den ideologischen Vorgaben des Geldgebers, zumeist dem des Staates (also der jeweiligen regierenden Gruppierung) oder der politischen Gruppierungen. All das ist üblich, und keinesfalls eine Ausnahmeerscheinung. Allerdings werden dieser Entwicklung zu einer angemesseneren Auffassung über die eigene Geschichte durch die nationalistischen Strömungen Europas Steine in den Weg gesetzt. Eine Konstante der menschlichen Existenz sind Schutz- und Trutzbündnisse. Die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und des Kollektivs wird in Abgrenzung zu anderen Gruppen erlangt. Besonders in Zeiten, in denen existenzielle Not unter vielen Mitgliedern einer Gesellschaft herrscht, ist der Aufbau eines gemeinsamen Gegenübers, oftmals Gegners, ein erfolgreicher Weg, um die symbolische Bindung zwischen Mitglieder dieser Gruppe bzw. Gesellschaft zu stärken. Die ökonomischen Probleme Ost- und Ostmitteleuropas, die Desillusionierung ist groß angesichts dessen, dass die völlig überzogenen Vorstellungen über wirtschaftliche und soziale Properität nicht erreicht worden sind. Stattdessen waren einige Gruppierungen der Gesellschaften "zur richtigen Zeit am richtigen Ort", was ihnen Reichtum und finanziell-soziale, oftmals damit eingehend politische Macht gab. Die Zahl dieser "Nutznießer" der wirtschaftlichen Transformation ist im Verhältnis zu den Verlieren, die den Verlust von wirtschaftlicher Sicherheit, relativem Wohlstand und staatlicher Ordnung am stärksten getroffen hat, sehr gering. Die neue finanziell-politische Elite, die nicht selten auch aus wichtigen und prominenten Mitglieder der ehemaligen kommunistischen Führungsschicht besteht, erweist sich dabei als durch und durch kapitalistisch. Ähnlich wie bei mittelalterlichen Staaten, ist der Merkantilismus, also der immer größere Aufbau des eigenen Vermögens, wichtigster Angelpunkt ihrer finanziellen und politischen Interessen. Wie fast weltweit, scheinen die globalen Unternehmer weniger vom Wohl der Mitarbeiter beeinflusst zu sein als vom persönlichen Gewinn und der Steigerung der eigenen Macht und des eigenen Wohlstands, obwohl im relativem Verhältnis zur Gesamtbevölkerung dieses zur Existenz- und Wohlstandsniveau-Sicherung nicht mehr vonnöten wäre. Die Verbitterung über diesen "Raubtierkapitalismus", das Gefühl als persönlicher Verlierer der gesellschaftlichen Veränderungen dazustehen und die jahrzehntelange Unterdrückung nationaler Symbole und Äußerungen im kommunistischen System verstärkt den Zulauf zu nationalistischen Gruppierungen und Strömungen. Diese suggerieren die Wiederherstellung eines angenommenen gesellschaftlichen Zustandes, der in der Wirklichkeit nie existiert hat: Starke Nationalstaaten, bedeutende nationale Symbole, Sicherheit, gesellschaftlicher Zusammenhang und wirtschaftliche Prosperität wird propagiert. Zur Festigung und zum Ausbau der eigenen Bewegung wird ein Gegner, "Sündenböcke", stilisiert. Diese werden, da oftmals traditionell verankert, aus bereits mit Ressentiments belegten Bevölkerungsgruppen bzw. benachbarten Völkern herangezogen. Die latente Befremdlichkeit des Menschen, das Sträuben gegen ein andersartiges Gegenüber, das in gewissem Grade in jedem Menschen universell vorhanden da sozialisiert ist, wird zur Triebfeder politischer Strömungen, von deren ideologische Werten versucht wird, sie mit oftmals mehr oder weniger vermeintlich wissenschaftlichen Methoden in den etablierten Humanwissenschaften einzuschleusen. Das Ergebnis ist eine Anbiederung bestimmter akademischer Figuren, bzw. das Betreiben einer pseudoakademischen und peseudowissenschaftlichen Außenseiterforschung, die für sich das Recht auf Deutungshoheit und Vertretung einer "Wahrheit", also der ideologischen Werte, reklamiert. Nährboden und diesem Sinne Tradition für diese nationalistischen Strömungen gibt es in Ost- und Ostmitteluropa zur Genüge. Die bunte ethnische Diversität scheint stets stärker betont worden zu sein als die gemeinsamen kulturellen (und genetischen!) Grundzüge, die besonders in Abgrenzung zu West-, Nord- und Südeuropa ins Auge fallen. Entscheidungen, die im Zuge der stark nationalistisch geprägten Regierungen in den Großmächten dieser Gebiete in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefällt wurden, haben auf staatlicher und nationaler Ebene den Nährboden für eine Vielzahl nationaler und ethnischer Konflikte geliefert. Machtpolitische Entscheidungen, Grenzziehungen bzw. die Nicht-Anerkennungen staatlicher und kultureller Autonomien prägten diese Zeit. Die massive Assimilisierungspolitik z.B. der ungarischen Regierungen in Österreich-Ungarn verschlechterten das Verhältnis zu den "Minderheitennationalitäten", die tatsächlich aber die Mehrheit bildeten und störten das Verhältnis der verschieden ethnischen Gruppierungen auf Mikroebene, in den Dörfern und Gemeinden. Dort funktionierte das Zusammenleben relativ reibungslos, ethnische Toleranz und Vielseitigkeit wurden täglich gelebt; natürlich sollen ethnische Zwiste und Auseinandersetzungen nicht komplett ausgeklammert werden. Die oktroyierten und strategisch begründeten Entscheidungen der Mächtigen störte dieses Zusammenleben nachhaltig. Die Umstrukturierung des gesamten ost- und ostmitteleuropäischen Raumes 1919/20 löste Minderheiten auf, damit neue entstehen konnten. Die Konflikte zwischen ethnischen Gruppen blieben aber vor allem auf Staatsebene weiterhin bestehen und existieren bis heute weiter. Im Karpatenbecken (schon diese Bezeichnung assoziiert zugegebenermaßen eine ethnisch ungarische, d.h. magyarische räumliche Vorstellung, die an das historische Königreich Ungarns und dem autochthonen Siedlungsgebieten der Magyaren angelehnt ist) sind die Magyaren besonders auf Staatsebene in Konflikte mit den anderen Nationen, die in ihrem multiethnischen Staat bis 1918/20 lebten, gekommen. Nach den Grenzveränderungen durch den Friedensvertrag von Trianon 1920 wurden viele ethnische Ungarn Minderheiten in den Nationalstaaten, die ihren früheren Minoritäten "gehörten". Der Minderheitenkonflikt blieb, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Revanchismus auf der einen Seite und Revisionismus auf der anderen waren die stärksten Phänomene dieses ethnischen Streits in der Zwischenkriegszeit. Die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs, sowohl Massenmorde und sonstige schwerwiegende Verbrechen auf beiden Seiten, Zwangsvertreibungen und Grenzrevisionen verschlechterten das Verhältnis weiterhin. Als Ostmitteleuropa unter kommunistische Herrschaft geriet, wurden diese ethnischen Konflikte auf Staatsebene mehr oder weniger "gelöst", sei es durch Enteignungen und/oder Assimilierungen. Die unter kommunistischen Vorzeichen durchgeführte nationale Assimilierung von Minderheiten und Unterdrückung der Minderheitensprachen und -kulturen sollte nach der Wende Material für weitere Konflikte bieten. Die z.T. jungen Nationalstaaten Ost- und Ostmitteleuropas sind psychologisch noch in der Identitätsfindung, denn der Kommunismus unterdrückte konsequent nationale, ja selbst patriotische Bewegungen zugunsten eines propagierten "Internationalismus". Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Desillusionierung großer Bevölkerungsteile begünstigen heute nationalistische Strömungen, die bestehende Ressentiments aufgreifen und diese instrumentalisieren. In den westlichen Medien entsteht bisweilen der Eindruck, ganze Bevölkerungsschichten würden rechtsextrem werden. Da Medien unsere Wahrnehmung beeinflussen und sie soziale Prozesse subjektiv, sogar absolut unrepräsentativ wiedergeben, entsteht dadurch in westlichen Staaten der Eindruck, dass nationale Konflikte lichterloh brennen und die nationalistische Gerüchteküche kocht. Tatsächlich handelt es sich immer noch um "geistige Minderheiten" in diesen Gesellschaften. Die Meinung von Durchschnittsmenschen als Maßstab für Aussagen über den augenblicklichen politisch-sozialen Zustand in einem Land heranzuziehen, ist gefährlich und zuhöchst subjektiv. Wegen ihrer unangemessenen, nicht-distanzierten und politisch und ideologischen engagierten Grundeinstellung sind Streitschriften von Wissenschaftlern des rechtsextremen Spektrums abzulehnen. Die in letzter Zeit häufigere Medienpräsenz solcher Randpositionen suggeriert, dass diese (pseudo-)wissenschaftlichen Thesen und Ansichten gesellschaftlich weit verbreitet und anerkannt wären. Dies ist unter der akademischen Elite nicht der Fall und sollte in Gesamtbevölkerung vermieden werden. Deswegen ein Aufruf an alle Wissenschaftler, deren Ziel die Betrachtung der Vergangenheit und Gegenwart in einer angemessenen Sichtweise ist: Tretet auf gegen einseitige und nationalistische Polemiker!