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Sympoiesis Sympoiesis (altgriechisch: συμ sym = „zusammen, miteinander“ und ποιεῖν poiein = „erschaffen“, „hervorbringen“, „gestalten“). Das Konzept der Sympoiesis oder Sympoiese geht auf die Theorie der Autopoiese der chilenischen Neurobilogen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela und die ihr zugrundeliegende Theorie der emergenten Selbstorganisation zurück. Es beschreibt das gleichzeitige wechselseitige wie wechselwirksame bzw. rekursive Einander-hervorbringen lebender Entitäten oder Systeme – ausgehend von der einzelnen biologischen Zelle, über Vielzeller bis hin zu komplexen beweglichen Organismen und Lebewesen wie Säugetiere und Menschen sowie zwischen diesen und ihren spezifischen biosphärischen Milieus.
Der hauptsächliche Unterschied zwischen Autopoiese und Sympoiese besteht in der Bestimmung autopoietischer Entitäten, sich ständig autonom, d.h. aus sich selbst heraus, zu entfalten, zu gestalten und zu erhalten, während sympoietische Entitäten permanent dabei sind, sich selbst und etwas, auf das sie sich beziehen, gleichzeitig mit-zu-entfalten, mit-zu- gestalten und mit-zu-erhalten. Diesem Grundzug der Sympoiesis korrelieren Begrifflichkeiten wie „Symbiosis“ (Margulis, 1998), „Symbiogenese“ (Haraway, 2018), „dialogisch-dialektisches Grundmuster sympoietischer Praxis“ (Aurer, 2004) oder „Resonanzbeziehung“ (Rosa, 2019). Die qualitative Aufhebung des Konzepts der Autopoiesis oder Autopoiese in das das Konzept der Sympoiesis oder Sympoiese ereignete sich 1998 auf zwei unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten zeitgleich und unabhängig voneinander: in der Biologie durch M. Beth Dempster, Kanada (1998, 2000) und in der Bildungswissenschaft durch Hans Raimund Aurer, Deutschland (1998, 2000). Bis zur Veröffentlichung von „Lernen ist intensives Leben – Umrisse einer Bildung, die von den Menschen ausgeht und für ein Dasein befähigt, das Zukunft hat“ (Aurer, 2011, 2. Aufl. 2019) und „Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän“ (Haraway, 2018), war der Begriff der Sympoiese der wissenschaftlichen Öffentlichkeit so gut wie unbekannt geblieben.
Inhaltsverzeichnis
1 Biologie
2 Soziologie
3 Bildende Kunst
4 Bildung
5 Literatur
Biologie Die amerikanische Biologin, Wissenschaftstheoretikerin und Geschlechterforscherin Donna J. Haraway war 1998 auf die Masterarbeit der kanadischen Umweltforscherin M. Beth Dempster gestoßen, die den Begriff Sympoiesis für „kollektiv produzierende Systeme“ gebildet hat, „die über keine selbst definierten räumlichen oder zeitlichen Begrenzungen verfügen“ und bei denen „Information und Kontrolle … auf die Komponenten verteilt (sind)“; solche Systeme „sind evolutiv und haben das Potenzial zu überraschenden Veränderungen“; demgegenüber seien autopoietische Systeme „selbst produzierende“, autonome Einheiten, „mit selbst definierten räumlichen oder zeitlichen Begrenzungen, die die Tendenz haben, zentral kontrolliert zu werden sowie homöostatisch und vorhersehbar zu sein“ (Dempster zit.n. Haraway, Quelle). Ausgehend von den Forschungen der amerikanischen Biologin Lynn Margulis, die in ihrem Buch „Symbiotic Planet. A New Look at Evolution“ (1998) die symbiotische Idee einer „Intimität mit dem Fremden“ dem biologischen Konzept einer konkurrenzbasierten Entwicklungsdynamik entgegensetzt, verwendet Haraway den von Dempster 1998 eingeführten Begriff der Sympoiesis, um zu verdeutlichen, dass jedes Machen, Hervorbringen, Gestalten stets aus einer Dynamik heterogener sympoietischer Konstellationen hervorgeht. Sympoiesis ereignet sich für sie in lebendigen Vorgängen von „Mit-Werden“ (engl. becoming with), „nicht auf eine Akteur_in, die mehr oder weniger rational handelt und auch nicht auf einen festgelegten systemischen Differenzierungsmodus“ (Haraway, 2008, S. 3):
„Sympoiesis ist ein einfaches Wort. Es heißt „mit-machen“. Nichts macht sich selbst. … Sympoiesis ist deshalb ein passender Begriff für komplexe, dynamische, responsive, situierte, historisch spezifische Systeme. … Sympoiesis umfasst Autopoiesis, erlaubt ihre Entfaltung und erweitert sie.“ (Haraway, 2018, S. 85)
Soziologie Die Bedeutung der Autopoiese für die Sozialwissenschaften wird in Wikipedia ausführlich dargestellt und kommentiert. Insbesondere ihre spezifische Adaption durch die Systemtheorie bei Niklas Luhmann.
Der Frage nach der Bedeutung der Sympoiese für den aktuellen Diskurs einer post-anthropozentrischen Soziologie geht ein Aufsatz der Soziologin Katharina Hoppe nach, die das Autopoiese-Konzept von Luhmann mit dem erweiterten Sympoiese-Verständnis Haraway´s vergleicht (https://docplayer.org/213704799-autopoietische-systeme-und-sympoietische-gefuege.html).
Hier wird noch an der Erarbeitung der Schnittstelle zu Hartmut Rosa „Resonanztheorie – Weltbeziehungen“ gearbeitet.
Bildende Kunst
Der Kunst- und Bildungswissenschaftler Hans Raimund Aurer erforschte 1996 bis 2001 Leben und Werk des deutschen Künstlers Joseph Beuys (Aurer, 2004, 2021).
Die dabei zutage getretene Rekursivität von Werkschaffen und Biographie dieses Künstlers veranlasste Aurer, diese dichte, ineinander greifende und miteinander verwobene wechselseitige Durchdringung von Persönlichkeitsentwicklung und Kunsthandeln zu untersuchen. Dabei habe sich gezeigt, dass die frühen Schaffensphasen des Künstlers (50er und 60er Jahre) überwiegend autopoietisch, die aus diesen hervorgegangenen späteren und bedeutenderen Phasen (70er und bis zu seinem Tod 1986) mehr und mehr sympoietisch geprägt waren (Aurer, 2021).
„Solange Autopoiesis nicht selbstgenügsames ‚selbermachen/sich-selbermachen‘ meint, sondern von der Gewichtung verschiedener Aspekte systemischer Komplexität handelt“, argumentiert Haraway, „besteht zwischen Autopoiesis und Sympoiesis ein produktives Reibungsverhältnis, oder auch: ein Verhältnis der generativen Umarmung, nicht eines der Opposition“ (Haraway 2018, S.88)
Ein solches, sich aneinander reibendes Verhältnis von autopoietischen und sympoietischen Hervorbringungsprozessen ist nach Aurer charakteristisch für Beuys und seine die traditionelle Kunst erweiternde Kunstpraxis. Ihr sei es darum gegangen, die Menschen herauszufordern, ihre „Wahrnehmungsfähigkeit für die … elementaren ökologischen, ökonomischen und politischen Lebenszusammenhänge“ auszubilden und dadurch zu lernen, „sich selbst als einen aktiven Teil von und in ihnen wahrzunehmen und zu begreifen, sein personales, ich-perspektivisches Bewusstsein auf diese Höhe zu transformieren: „die Evolution fortzusetzen”, denn diese sei, so Beuys, „inzwischen in Umfang und Qualität von unserer Lebensform und -weise bestimmt – dem Anthropozän, dessen Ökonomie dabei ist, die Biosphäre der Erde zu zerstören.“ Beuys habe sich im „sympoietischen“ Hervorbringungsprozess seiner Kunst als Künstlerpersönlichkeit selbst hervorgebracht, indem er sich in das durch sie eröffnete widerspruchsvolle Spannungsfeld zwischen Mensch und Welt, Individuum und Gesellschaft, Kunst und Politik, Kultur und Ökonomie, Ökonomie und Ökologie selbst hineingestaltet habe. Dies mache seine Kunst nicht nur zu einer Kunst der Sympoiese von Künstler und Werk, sondern zu einer Kunst der Sympoiese von Künstler/Mensch/Gesellschaft auf der einen und Welt/Natur/Planet auf der anderen Seite (Aurer, 1998 u. 2004). Beispielhaft hierfür seien vor allem die Installationen des Künstlers, allen voran die Großinstallation „7000 Eichen“ (1984). (Aurer, https://kunst-religion.de/kuenstler-des-monats-joseph-beuys/).
In ihrem Artikel „Sympoiesis. Vom Klima zur Achtsamkeit, von der Katastrophe zur Vernetzung“ im Kunstforum International (2021) führt dessen Autorin, Judith Elisabeth Weiss, mit Rückgriff auf Margulis und Haraway eine ganze Reihe vergleichbarer künstlerischer Ansätze auf, für die sie die Kunst von Joseph Beuys, zitiert durch sein Werk „Erdtelephon (1967), als paradigmatisch ausweist. (https://www.kunstforum.de/artikel/sympoiesis/)
Bildung
Ist in Arbeit.
Literatur Ist in Arbeit.