Benutzer:TK-lion/drafts/Goldsboro
Beim Nuklearunfall bei Goldsboro am 24. Januar 1961 verlor eine Boeing B-52G während ihres Absturzes zwei Wasserstoffbomben in Goldsboro. Als die Desintegration des Bomber nach dem Absprung von sechs Mitgliedern der Besatzung in etwa 9000 Fuß Höhe (2.700 m) begann, gerieten beide Bomben nacheinander in einen seperaten Fall. Bei einem Notabwurf wären die Sequenzer zur Zündung der Bomben nicht aktviert worden. Nachweislich liefen beide Timer jedoch während des Falls. Bei beiden Bomben versagten durch relativ einfache konstruktive Mängel einige Sicherheitseinrichtungen. Inwieweit eine Nuklearkatastrophe drohte, wird bis heute kontrovers diskutiert. In dem durch die AEC autorisiertem Abschlussbericht wurde der Standpunkt vertreten, dass zu keiner Zeit eine spontane nukleare Zündung möglich war. Insbeondere die Redundanz in der komplexen Sicherheitstechnik verhinderte bei beiden Bomben deren Detonation.
Sicherheitseinrichtungen bei den Mark 39 mod 2
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufbau und Wirkungsweise der Sicherheitsfeatures bei den Mark 39 mod 2 Thermonuklearsprengköpfen sind ausführlich in der Analyse des Unfalls durch die zuständige US-Atomenergiekommission beschrieben.[1] Als wichtigste und zeitlich letzte wirksame Sicherung vor einer unbeabsichtigten Einleitung der Detonation von Thermonuklearbomben Mark 39 mod 2 (3,8 MT) dienen die nicht geschlossenen Kontakte zwischen den 32 konventionellen Hochenergie-Implosionsladungen zur Zündung der ersten Stufe und der während des Fallens dazu aufzuladenden Hochspannungsbatterie. Diese Funktion war in einer von der Besatzung fern zu steuernden, als elektromagnetischem Drehschalter ausgeführten Einheit (MC-722) realisiert, die ihren Status am Gerät auch optisch deutlich unterscheidbar mit A (Armed: Scharf) bzw. S (Save: Gesichert) anzeigte. Zu einer Zündung der Implosionsladungen und in der Folge dann der ersten (Fissions-) und zweiten (Fusions-) Stufe musste sich dieser Drehschalter zwingend in der Stellung "Armed" befinden und dabei sämtliche Kontakte für alle 32 Implosionsladungen geschlossen haben.
Vor der Einleitung der Zündung musste eine mindestens 42s andauernde Sequenz durchlaufen werden, deren Ablauf durch einen Timer gesteuert wird. Unter anderem wird dabei in einem zweistufigen Prozess eine Hochspannungsbatterie geladen, mit der die 32 Implosionsladungen zur Zündung der ersten Stufe mit einer individuellen Synchronisation (heute in einer für jede der Implosionsladungen individuell zeitlich "verstimmten" Abfolge) zur Detonation gebracht werden. Die erste Stufe bestand/besteht aus 239Pu bzw. einem preiswerterem 239Pu/235U-Gemisch. Damit die erste nukleare Stufe die zur Zündung der zweiten (thermonuklearen) Stufe notwendige Energiedichte erreicht, muss unmittelbar vor deren Zündung in die erste Stufe noch eine Boosterladung eines Tritium-Deuteriumgemisches injiziert werden.
Sobald eine Bombe den Bombenschacht verlassen hatte und die Scharfschaltstangen eingefahren waren, würden sie den MC-845 Bisch-Generator auslösen. Dabei handelte es sich um einen Einzelimpulsgenerator, der die gesamte Zündsequenz startete. Der Bisch-Generator sendet ein Startsignal an den Niederspannungs-Thermobatteriesatz MC-640 sowie an den Timer MC-543. Der Timer begann herunterzuzählen. Außerdem würde eine herausziehbare Ventilbaugruppe ausgelöst, die eine Referenzkammer im Differenzdruckschalter MC-832 abdichtet, einem barometrischen Zünder zur Erkennung der Bombenhöhe, der für die Einstellung der Luftdetonation verwendet wird.
Nachdem die Waffe die erforderliche vertikale Distanz zurückgelegt hatte, schloss der Differenzdruckschalter MC 832 die Kontakte des Druckschalters, wodurch der Batteriestrom zu dem Sicherheitsschalter MC-772 freigeschaltet wird. Befindet sich dieser in der Stellung Armed wird der Strom zum Hochspannungs-Safing-System MC-788 weitergeleitet, das durch den kontinuierlichen Strom scharfgeschaltet wird. Bei Erhalt dieses Stroms würde der MC-788 dann die (noch nicht aufgeladene) Hochspannungs-Thermobatterie mit der X-Einheit verbinden, dem elektrischen Gerät, das ein Hochspannungssignal an die in der „Primäreinheit“ verwendeten Zünder liefert. Nachdem der Zeitschaltkreis seinen Countdown von 42 Sekunden abgeschlossen hatte, gab er die Lieferung des Startstroms an den Hochspannungs-Thermobatteriesatz MC-641 frei. Dadurch würde innerhalb von ein bis zwei Sekunden die volle Spannung von 2500 V erzeugt, die direkt an den Auslösekreis und über das Hochspannungsschutzsystem MC-788 an die Kondensatorbank der X-Unit angelegt würde. Sobald die Bombe auf dem Boden aufschlug, schloss ein Druckschalter an der Spitze der Bombe, wodurch die X-Einheit ihre Kondensatoren entladen und damit die Hochenergieexplosivladungen der „Initialstufe“ der Waffe zünden würde.
Die Bomben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beide Bomben lösten sich von der führungslosen Maschine noch in der Luft.
Bombe 1 (am Fallschirm)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die erste aufgefundene Bombe (s/n 359934) fiel aus dem separierten hinteren Rumpfteil in etwa 9000 Fuß Höhe (ca. 2.700 m). Sie ging am Fallschirm nieder. Bei ihr waren die bei einem scharfen Abwurf von der Besatzung per Seilzug zu entfernenden Sicherungssplinte gezogen und der Timer/Sequenzer, der bei einem scharfen Abwurf der Besatzung im Bomber genug Zeit einräumen sollte, sich zu entfernen, hatte komplett heruntergezählt. Der vorletzte Schritt vor der finalen Zündung -das Aufladen der Hochspannungsquelle für die 32-teilige Implosionsladung- war absolviert worden. Diese Bombe wäre zur Detonation gekommen, wenn der von der Besatzung aktiv zu schärfende elektromechanische Sicherungschalter, der den Hochspannungskreis zur Energieabgabe an die Implosionsladung schliessen muss, sich in der Stellung A befunden hätte. Diese Aktivierung hat im Ernstfall nominell mit einer 24V-Schaltung aus dem Cockpit durch zwei Besatzungsmitglieder unabhängig voneinander zu geschehen. Manuell ist hingegen nur die Deaktivierung aus der Stellung A auf die Stellung S mittels eines Spezialschlüssels möglich, eine rein mechanische bzw. manuelle Schärfung ist nicht möglich. Bei der Bergung wurde dieser Drehschalter in der Stellung S vorgefunden. Auch die Boosterladung für die erste Stufe war nicht in diese injiziert worden. Obwohl der Aufschlagzünder ausgelöst hatte, blieb dies durch den nicht geschlossenen Zündkreis als Sicherung wirkungslos. Damit hatte dieses Hauptsicherheitsfeature wie vorgesehen, wenn auch als ultima ratio, eine unbeabsichtigte Detonation der Mark 32 verhindert. Die Bombe wurde insgesamt nur leicht beschädigt.
Bombe 2 (Freifall)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die zweite Bombe (s/n 434909) löste sich erst zwischen 5000 und 2000 Fuß Höhe (1500 bzw. 610 m) vom trudelnd niedergehenden Hauptwrack aus dem vorderen Bombenschacht. Sie verblieb während des Falls mindestens teilweise in ihrem Gerüst. Auch bei ihr waren die Sicherungssplinte gezogen. Aus nicht geklärten Gründen öffnete sich der Schirm trotz Aktivierungssignal nicht. Der Sequenzer arbeite für ca. 12s bis 15s währends des Falls bis zum Aufprall, ohne die Sicherheitszeit von 42 s voll heruntergezählt zu haben. Die Bombe zerlegte sich während des Eindringens in den morastigen Boden. Als die Bergungskräfte bis zum Servicemodul der Bombe in etwa 6 m Tiefe vorgedrungen waren, stellten sie zu ihrem Entsetzen fest, dass die optische Anzeige des primären elektromechanischen Sicherungskreises auf A gewechselt hatte. Der Aufschlagszünder hatte gefeuert. Da aber der Timer beim Aufprall vor Ablauf der Sicherungszeit zerstört wurde, waren wesentliche Teile der Zündsequenz noch nicht abgearbeitet. Im Gegensatz zur ersten Bombe waren bei dieser Bombe die Hochspannungsbatterien nicht aufgeladen worden. Wie bei der ersten Bombe war auch hier die Injektion der Boosterladung für die erste Stufe nicht erfolgt. Spätere Analysen durch Techniker zeigten, dass die Stellung des primären Sicherungskreises zwar A anzeigte, der Hochspannungskreis jedoch durch den Drehschalter nicht geschlossen worden war. Zwar hatte durch den Aufprall die Anzeige des Hauptwahlschalters von S auf A gewechselt, die Kontaktfinger der Schaltung befanden sich jedoch ordnungsgemäß in der Position Save. Die Aufladung der Hochspannungsbatterie war zu keinem Zeitpunkt initiiert worden. Im Abschlussbericht wurde festgehalten, dass sich keiner der Kontakte zu irgendeinem Zeitpunkt in der Stellung Armed befunden hatte. Auch hier hätte damit das Hauptsicherheitsfeature selbst bei vollem Ablauf der Sequenz letztlich eine Detonation verhindert. Da der Timer jedoch ohnehin nicht komplett abgelaufen war, wodurch die Hochspannungsbatterie zur Zündung der Implosionsladungen nicht aufgeladen wurde, war eine Zündung als thermonukleare Waffe absolut unmöglich. Die erste Stufe der Bombe war beim Aufprall stark beschädigt worden, die konventionelle Implosionsladung war zerborsten und wurde in mehreren Fragmenten geborgen. Das Containment der mit hochangereichertem 235U versehenen Nuklearladung der ersten Stufe hatte standgehalten, die erste Stufe konnte komplett geborgen werden. Es hatte sich kein Spaltmaterial im Boden oder in der Umwelt verteilt. Die zweite Stufe konnte nicht vollständig geborgen werden, da sich jedoch ihre Ladung aus stabilen Isotopen (6Li, 7Li und 2D) zusammensetzte, war eine radioaktive Kontamination ausgeschlossen.
Bergung und mögliche Umweltbelastung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die erste Bombe war nur leicht beschädigt. Sie wurde relativ problemlos vollständig geborgen und abtransportiert.
Die zweite Bombe war mit etwa 700 bis 900 km·h-1 aufgeschlagen und tief in den morastigen Untergrund eingedrungen. Die zweite Stufe der zweiten Mark 39 konnte nicht geborgen werden. Aber auch hier verblieben nach der Bergung keine radioaktiven Bestandteile der Bombe im Boden bzw. es wurde auch keine Radioaktivität in die Umwelt freigesetzt. Die enthaltene Fusionsladung bestand aus einem Lithiumdeuteridgemisch ( 6LiD und 7LiD ). Alle drei Isotope (6Li, 7Li und 2H = 2D) sind stabil und daher nicht radioaktiv. Somit bestand nach der Bergung der Primärstufen beider Bomben weder Gefahr einer radioaktiven Kontamination der Umwelt, noch einer späterhin gemäß des Atomwaffensperrvertrags von 1968 zu verhindernden Proliferation, da die in den Bombenresten verbliebenen stabilen Isotope nicht unter das Proliferationsverbot fallen und unkompliziert herzustellende chemische Produkte sind.
Eine Zündung von Fusionsstufen in thermonuklearen Waffen kann nur mittels einer primären Kernspaltungsstufe erfolgen. Dieses wurde durch die Sicherheitsfeature verhindert, wobei entgegen der öffentlichen Wahrnehmung die 1. Bombe einer Detonation wesentlich näher kam, die nur noch durch den Drehschalter blockiert wurde, als die spektakuläre Darstellung zu Schäden und Problemen bei der Bergung der 2. Bombe vermuten läßt.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nicht zu verantworten ist die Installation von Einrichtungen zum Entfernen essentieller Sicherungselemete, die unabhängig von der bewussten Handlung der Besatzung ausgelöst werden können. Nur dadurch wurde bei beiden Bomben die Zündsequenz aktiviert. Zwar erhöht jegliche vom Status "Armed" unabhänige autonome Aktivierung von Teilprozessen zur Vorbereitung oder Auslösung der Zündung das Risiko einer unbeabsichtigten Detonation, insbesondere verhindert bzw. erschwert aber die Auslösung der Hochspannungsakkus gleichzeitig die mißbräuchliche Nutzung der nicht gezündeten Waffenteile. So war bei den beiden Mark 39 trotz des geöffneten "Hauptschalters" die Ingangsetzung des Timers nicht blockiert, welcher dann trotz Stellung "Save" die Aktivierung der Niederspannungsbatterien und insbesondere der zur Zündung essentiellen Hochspannungsbatterien auslösen konnte. Sollten diese Prozesse nur bei Stellung "Armed" aktivierbar sein, wäre bei einem Notabwurf per Fallschirm bzw. Verlust der Waffen eine mißbräuchliche Nutzung durch Dritte nicht auszuschließen. Explizite Informationen darüber, ob und inwieweit bei einem versehentlichen Fehlabwurf im Modus "Save" die Unbrauchbarmachung wesentlicher Elemente wie Implosions-, Primär- und Sekundärladung gewährleistet oder überhaupt vorgesehen ist, sind nicht verfügbar. Bei späteren Unfällen von B-52G in Spanien 1966 und auf Grönland 1968 zeigte es sich, dass aus verunfallten Nuklearwaffen erhebliche Mengen an radioaktiven Materialien in die Umwelt freigesetzt werden können. Besondere Aufmerksamkeit in den USA erregt der Zwischenfall bei Goldsboro vorallem, weil bei einer Kontamination oder gar Detonation zivile US-Bürger und US-Staatsgebiet betroffen gewesen wären. Die mit weitaus schwerwiegenderen Folgen ablaufenden Unfälle von Palomares und Thule erfahren bis heute in den USA eine weitaus geringere Rezeption.
Notabwurf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei einem Notabwurf sollte sichergestellt werden, dass
- die Bomben möglichst unbeschädigt an Fallschirmen niedergehen
- diese nicht versehentlich detonieren, wozu
- die SicherungsPins in ihren Buchsen zu verbleiben haben
- der elektromechanische Hauptwahlschalter sich in Position "Save" befindet
- eine mißbräuchliche Nutzung durch einen gezielte Störung wichtiger Bestandteile sicher verhindert wird
Weder darf von der konventionellen Implosionsladung eine Gefahr ausgehen und Kontaminationen seitens der Nuklearladung müssen zuverlässig verhindert werden.
- ↑ de Montmollin, JM; Hoagland, WR: Analysis of the Safety Aspects of the MK 39 MOD 2 Bombs Involved in B52G Crash Near Greensboro, North Carolina (SCDR 81-61). (pdf) In: National Security Archive at George Washington University. Sandia Corporation, Februar 1961 (englisch, Direktlink).