Benutzer:Till Reckert/Thesen zur Mediennutzung bei Kindern

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Pädiatrische Empfehlungen für Eltern zum achtsamen Bildschirmmediengebrauch

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Kinder wachsen mit Bildschirmmedien auf, sie benutzen diese selbstverständlich zu ihrer Unterhaltung, zum Spielen und um zu kommunizieren. Neben den Chancen der Mediennutzung sehen wir Kinder- und Jugendärzte auch die Schattenseiten dieser Entwicklung: Spielen mit realen Dingen, Sprechen, Lesen, Künstlerisches, Bewegung im Freien, Schlafen und Schule werden häufig vernachlässigt. Die für die Förderung der von Kreativität wichtige Langeweile und Ruhe kommen oft zu kurz. Zudem bedeutet technische Versiertheit noch lange nicht Medienkompetenz. Wie man mit den eigenen Daten und denen anderer, mit Cybermobbing oder auch der Informationsflut im Netz umgeht, wissen Kinder meist nicht.

Wir Kinder- und Jugendärzte sind über diese Entwicklung besorgt. Deshalb empfehlen wir Eltern, Großeltern und andere Bezugspersonen, die Mediennutzung der ihnen anvertrauten Kinder zu begleiten. Die Empfehlungen, die wir auf der folgenden Seite zusammengestellt haben, basieren sowohl auf Erfahrungen aus unserer täglichen Arbeit, als auch auf wissenschaftlichen Daten.

Uns ist es daher vor allem wichtig, den Konsum von Bildschirmmedien (PC, Tablet, Spielekonsolen, Handy etc.) zu begrenzen und Kindern zu zeigen, welche Freude es macht mit allen Sinnen die reale Welt und das reale Miteinander mit Freunden zu erleben. Verankert in der Wirklichkeit können Kinder und Jugendliche später auch mit Medienwelten selbstbestimmter umgehen. Uns geht es also nicht um ein Verbot, sondern um den gesunden Umgang mit digitalen Medien. Dafür müssen Eltern ihre Kinder altersgerecht in die Medienwelten hinein begleiten, über Inhalt und Ausmaß der Mediennutzung ihrer Kinder informiert sein, darüber mit ihnen im Gespräch bleiben und auch steuern - von Anfang an.

Die folgenden Empfehlungen helfen dabei. Nicht alle Empfehlungen gelten dabei gleichermaßen für jedes Alter. Vielseitige Forschung belegt, wie sich kindliche Bildschirmmediennutzung ab welchem Alter auswirkt. Dennoch ist eine allgemein festlegende Empfehlung immer willkürlich und unter internationalen Experten kontrovers. Bei Fragen können sich Eltern auch an ihre Kinder- und Jugendärzte wenden.

Besonders wichtig: Je kleiner die Kinder sind, desto größer sollte der bildschirmfreie Raum in ihrem Leben sein. Bei Säuglingen und Kleinkindern sollten Bildschirmmedien nicht zum Einsatz kommen.

Selbst achtsam mit Bildschirmmedien umgehen

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Machen Sie sich bewusst: Sie sind Vorbild für Ihr Kind, es wird Sie nachahmen!

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Achten Sie auf Ihren eigenen Medienkonsum. Beobachten Sie, wie eine gelesene bzw. gehörte Geschichte oder ein Film unterschiedlich wirken. Beobachten Sie die Wirkung eines im Hintergrund laufenden Fernsehers. Wie wirkt ein in sein Smartphone vertiefter Mitmensch auf Sie, der sich für seine Umgebung nicht interessiert? Versetzen Sie sich dann in ein Kind, das die Welt erst noch kennenlernt. Ein Kind lernt die Welt aktiv handelnd kennen und es erfährt gleichzeitig sich selbst in dieser Welt. Es will seine Aufmerksamkeit und Erfahrungen mit anderen teilen, mit ihnen gemeinsam die direkte Umgebung kennen lernen. Dies gelingt Kindern nur dann befriedigend, wenn Erwachsene in Anwesenheit Ihrer Kinder ungeteilt präsent sind im Hier- und Jetzt und am besten etwas für Kinder nachvollziehbares und sinnvolles tun. Darum:

Verwenden Sie technische Geräte zielorientiert und nicht aus Langeweile.

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Wenn man sich bewusst wird, dass Kinder an Erwachsene gerichtete Medieninhalte auch dann wahrnehmen, wenn sie eigentlich gerade mit anderem beschäftigt sind, wird man einen im Hintergrund laufenden Fernseher abstellen. Die Selbstbeschäftigung von Kindern wird dann nachgewiesenermaßen konzentrierter und bei Bedarf besser von Erwachsenen unterstützt. Dies verbessert die Konzentrationsfähigkeit und Durchhaltefähigkeit der Kinder später. Schalten Sie den Fernseher ab, wenn niemand hinschaut und schauen Sie Erwachsenenprogramme nur dann, wenn diese sie wirklich interessieren und wenn keine Kinder anwesend sind. Wichtig ist, dass Sie als Eltern in Gegenwart Ihrer Kinder wirklich anwesend sind und nicht selber abgelenkt durch Fernseher oder Ihr eigenes Smartphone.

Kleine Kinder lernen durch spielerische Handlungen die Dinge in der Welt und grundlegende Wirklichkeitskonzepte kennen.[1] Schon wenn sie ganz klein sind, üben sie im Spiel gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren und ihre Ziele zu erreichen.[2] Läuft ein Fernseher im Hintergrund (für Erwachsene), spielen sie unkonzentrierter und unterbrechen ihr Spiel schneller, auch wenn sie scheinbar ein an Erwachsene gerichtetes Programm nur wenig beachten.[3] Auch die Erwachsenen wenden sich in Anwesenheit von Bildschirmmedien ihren Kindern weniger zu und teilen ihre Aufmerksamkeit weniger.[4] Beides ist nachteilig für die weitere Entwicklung der kindlichen Sprache sowie seiner kognitiven und praktischen Fähigkeiten.[5] Ähnlich ist es mit dem elterlichen Smartphonegebrauch in Anwesenheit ihrer Kinder: Dieser erzeugt eine abwesende, nur noch körperliche Teilpräsenz seitens der Eltern, wodurch die Qualität der Eltern-Kind-Interaktionen abnimmt, was schließlich die Eltern selber stresst,[6] und mit Verhaltensproblemen der Kinder einhergeht.[7]

Wenn Eltern viel fernsehen, tun es auch ihre Kinder und üben so früh innere und äußere Passivität.[8] Auch die Interaktivität von Smartphones oder Tablets ist immer eine Interaktivität zweiter Klasse, verglichen mit der Interaktivität, die Welt und Mitmenschen bieten.[9]

Essen Sie ohne Bildschirmmedien und nutzen Sie Bildschirmmedien ohne zu essen.

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Bildschirmmedien absorbieren Aufmerksamkeit. Wird gleichzeitig gegessen, ist das Gefühl für Hunger und Sattheit nicht so präsent und das Essen wird unachtsamer. Die Kultur gemeinsamer Mahlzeiten wirkt langfristig prägend für einen gesunden Lebensstil. Nutzen Sie diese Chance voll aus; ohne Bildschirmmedien.

Wer abgelenkt vor dem Bildschirm isst, hat ein schlechteres Sattheitsempfinden und wird so eher adipös.[10][11][12][13] Ein gesunder Lebensstil wird im Kindesalter früh angelegt und dann lange beibehalten. Hierzu verhelfen familiäre Rituale wie gemeinsame künstlerische und körperliche Aktivitäten. Gemeinsame Mahlzeiten in der Familie führen zu einer gesünderen Nahrungsauswahl und wirken adipositaspräventiv.[14] Diese guten und gemeinschaftsstiftenden Gewohnheiten werden durch gleichzeitig genutzte Bildschirme in ihrer positiven Wirkung abgeschwächt.

Ferner machen generell lange Bildschirmzeiten körperlich inaktiver und führen so zu Adipositas.[15][16] Insbesondere im Vorschulalter kann Adipositas behandelt und ihr vorgebeugt werden, wenn man Bildschirmzeiten senkt.[17] Dies gilt insbesondere für das Fernsehen, in dem zumeist für ungesunde Nahrungsmittel und Getränke geworben wird,[14] was Geschmacksvorlieben früh und nachhaltig prägt,[18] was für Eltern deutlich spürbar ist.[19]

Ermöglichen Sie gesunden Schlaf: Bildschirmfreie Einschlafrituale und bildschirmfreie Schlafräume sind dafür notwendig.

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Bildschirmmediennutzung in der letzten Stunde vor dem Schlaf sowie ihre Erreichbarkeit im Schlafzimmer vermindern die Schlafqualität und -dauer im Gegensatz zum (Vor-)Lesen eines gedruckten Buches. Selbstverständlich gehört auch kein Bildschirmmediengerät in das Kinderzimmer. Das Handy sollte daher auch nicht als Wecker verwendet werden.

Guter Schlaf ist entscheidend für eine gesunde physische und psychische Entwicklung. Schlafprobleme nehmen zu. Die Tagesmüdigkeit wird mehr, Leistungsfähigkeit, Lernvermögen und Aufmerksamkeitsspanne nehmen ab. Psychiatrische Probleme, Immunschwächen, Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 nehmen zu. Guter Schlaf ist daher ein zentrales Public Health Thema insbesondere in der Kinder- und Jugendmedizin und zunehmend relevant für die täglichen Praxis.[20] Bildschirmmedien sind einer von mehreren vermeidbaren Faktoren für willkürlich herbeigeführten Schlafmangel und Schlafprobleme[21] auch schon bei Vorschulkindern[22] und Säuglingen.[23] Es bleibt weiter wichtig, hier innerhalb der Familie aufzuklären und zu regulieren: Später sind viele Kinder und Jugendliche auch nachts standby online; ihr Schlaf wird dann durch Nachrichten und so weiter unterbrochen. Schon mit der Erreichbarkeit von Endgeräten zur Schlafenszeit (auch unabhängig vom tatsächlichen Bildschirmmedienkonsum) nimmt die Schlafqualität ab.[24][25] Dieser Effekt ist umso stärker, wenn Bildschirmmedien in der letzten Stunde vor dem Schlaf aktiv genutzt werden.[26] Problematische Bildschirmnutzung insbesondere abends kann reduziert werden, wenn man das Smartphone nicht als Wecker oder Uhr benutzt.[27] Daher empfehlen wir, (u.a. bei Vorsorgeuntersuchungen) nach Schlafqualität und Tagesmüdigkeit zu fragen und bei geklagter Müdigkeit auch die mögliche Rolle von Bildschirmmedien anzusprechen.

Bildschirmmedien nicht als Erziehungshelfer einsetzen

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Nutzen Sie Bildschirmmedien nicht zur Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung.

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Überlassen Sie Ihre Kinder nicht dem Fernsehen, dem Tablet oder Ihrem Handy, nur weil sie selber Zeit für etwas anderes brauchen oder es anderweitig beruhigen wollen. Sanktionieren sie unliebsames Verhalten nicht mit Bildschirmmedienentzug, es sei denn dieses Verhalten steht im direkt verstehbaren Zusammenhang damit. Auch mit Bildschirmmediennutzung zu belohnen ist problematisch, denn beides gewöhnt Sie und ihre Kinder an eine funktional problematische Bedeutung von Bildschirmmedien in Ihrem Leben. Seien Sie auch wachsam, wenn ihr Kind oder Sie selber realweltliche Stress- bzw. Misserfolgserlebnisse durch Mediennutzung kompensieren oder realweltliche Sozialkontakte durch virtuelle Kontakten ersetzen. Wenn Medienverhalten einmal suchtartig wird, erkennt man das unter anderem daran, dass die Mediennutzung ein sonst nicht mehr gelingendes Leben gerade noch erträglich macht, dabei aber selber verhindert, dass das Leben wieder gelingt. Vermeiden Sie es, ihr Kind an solche Muster früh zu gewöhnen.

Es ist verführerisch, insbesondere bei eigenem elterlichen Streß, Bildschirmmedien zur Beruhigung von Kindern einzusetzen.[6][28]

Dennoch ist dies nicht empfohlen, denn man übt so früh eine Rolle von Bildschirmmedien im Leben der Kinder ein, die funktionell problematisch ist und späteren Verhaltenssuchtmustern gleicht.[29] Und sind kleine Kinder einmal daran gewöhnt, dass man Langeweile auf Knopfdruck ausschalten kann ohne selber auf eigene Beschäftigungsideen kommen zu müssen, dann werden sie in Zukunft mehr quengeln.[30] Dabei nützt es erfahrungsgemäß langfristig wenig, Ihnen Beschäftigungsalternativen vorzuschlagen, die sie oft weniger spannend finden als Bildschirmmedienkonsum.[31] Vielmehr beschreiben nichtfernsehende Familien zumeist, wie sie den Kindern ein Umfeld schaffen, das ihnen Raum für eigenes Spiel und eigene Ideen gibt, die ihnen dann von geduldigen und beobachtenden Erwachsenen auch zugetraut werden.[32] Grundsätzlich wirkt es kurzfristig gut, wenn man in der Erziehung belohnt und straft, also mit extrinsischer Motivation arbeitet. Aber langfristig stumpfen diese erzieherischen Mittel ab und vorher werden die intrinsische Motivation, Selbstwirksamkeitserfahrungen und die Eigenmotivation langfristig geschwächt. In Ihrem neuesten sehr alltagspraktischen medienpädagogischen Elternratgeber beschreiben Paula Bleckmann und Ingo Leipner, wie es auch anders gehen kann.[33]

Vorfahrt für Wirklichkeit und aktives Leben

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Ermöglichen Sie sich und Ihren Kindern reale Erfahrung mit anderen Menschen und allen Sinnen.

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Bildschirmmedienerfahrungen werden nur über das Sehen und Hören vermittelt. Doch auch diese beiden Sinne werden viel ungenauer und flacher angesprochen. Bildschirmmedien eignen sich daher nicht einmal dazu, die Fähigkeiten des hinsehens und hinhörens frühkindlich optimal auszubilden. Riechen, Schmecken und Wärmewahrnehmungen sind ausgeschlossen. Wenn wir sitzend auf den Bildschirm blicken, haben unsere Körperwahrnehmungen (Eigenbewegung, Tastsinn, Gleichgewicht) nichts mit der dort abgebildeten Situation zu tun: Mediennutzer werden tendenziell zu bewegungslosen Kopfmenschen. Wenn Kinder, die sich noch in die Wirklichkeit einleben, viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, verarmt und verfälscht dies ihre ersten Wirklichkeits- und Selbstwirksamkeitserfahrungen. Erst wenn sie diese gemacht haben, können die Informationen durch das Medium bereichernd sein. Bildschirmvermittelte Lerninhalte sind bequemer vermittelbar, verankern sich aber oberflächlicher als sinnlich weitaus realistischere und komplexere Welterfahrungen, vor allem, wenn letztere mit Hilfe eigenen Handelns erworben wurden. Insbesondere kleine Kinder brauchen die ganzheitliche und körperliche Auseinandersetzung mit der vollen Wirklichkeit, um sich zu körperlicher und psychischer Gesundheit hin entwickeln zu können. Auch die feinen sozialen Fähigkeiten übten wir ab dem frühesten Säuglingsalter nur im direkten Miteinander. Darauf gründet die Empathie.

Eine phänomenologische (Selbst-)Beobachtung der eigenen Wahrnehmungen in der Welt und am eigenen Leib zeigt, wie unterschiedlich ein direkter oder ein (bildschirm-)medienvermittelter Weltkontakt wirkt.[34],[35] In der Kindheit entwickelt sich der eigene Leib und das Nervensystem in diesem Leib an diesen Erfahrungen und wird so zu einem fähigen Werkzeug für das Handeln und Erkennen. Bei dieser Entwicklung gilt insbesondere auch im Nervensystem der Grundsatz: „Use it or loose it“. Es ist wichtig, zu Erlernendes mit allen Sinnen und sinnvoll handelnd gut in der körperlichen Erfahrung zu verankern (embodied cognition),[36] wie Heinrich Pestalozzi (1746-1827) übereinstimmend mit gegenwärtiger Hirnforschung schon sagte: Er propagierte das ganzheitliche „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“, was insbesondere im Vor- und Grundschulalter wichtig ist.[35],[31]

Wischen über eine taktil immer gleiche Oberfläche und Tippen sind primitive und bequeme Handbewegungen, die nicht nur Säuglinge sondern sogar Hauskatzen schnell gelernt haben und bei entsprechender App-Programmierung attraktiv finden.[37] Die für das Erlernen weiterer Kulturtechniken wichtige Übung der Handmotorik wird so vernachlässigt. Grundschülern mit weniger geübter Handmotorik fällt das Schreiben schon motorisch schwerer. Ändert man das Lernziel dann von der Handschrift auf das Maschineschreiben, so entwickelt sich auch die Lesekompetenz schlechter, da nur die Handschrift motorisch sinnvoll mit den zu schreibenden und dann zu lesenden Buchstaben zusammenhängt.[38],[39] Auch die Verkörperung des Zahlenbewusstseins in der Fingermotorik konnte man bis in das Erwachsenenalter hinein nachweisen.[40] Wie das Körpergefühl mit zunehmendem Fernsehkonsum in der Vorschulzeit abnimmt, zeigen die Menschbilder von einzuschulenden Kindern.[41] Je mehr Zeit Kinder und Jugendliche Bildschirmen widmen, desto weniger Bindung haben sie zu Eltern und Freunden,[42] und je weniger Empathie sie in ihrer Kindheit entwickeln, desto eher neigen sie später zu einem pathologischen Internetgebrauch.[43]

Sprechen Sie mit Ihrem Kind und hören Sie ihm aufmerksam zu.

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Kinder lernen sprechen, wenn Mitmenschen zuhören und antworten. Von Geburt an. Sie wollen mit Ihnen gemeinsam die Welt erleben und sich darüber austauschen. Zusammen mit dem sprechen lernen sie denken. Und sie lernen es nur zusammen mit anderen Menschen innerhalb der Situationen, in denen sie interagieren. Sie lernen es nicht von Apparaten, die nur so klingen, als ob sie sprechen würden. Wenn Kinder sprachlich in ihrem Alltag nicht gut gefördert werden, weil nur wenig mit ihnen interagiert wird, so ist dies ein Hindernis auf ihrem weiteren Lebensweg.

Während des Spracherwerbes muss das Kind lernen, drei sprachliche Ebenen wahrzunehmen, aufeinander zu beziehen und zu erzeugen: Erstens die für sich genommen zunächst bedeutungslosen (aber lautmalerisch wichtigen) Sprachlaute, zweitens die Bedeutung von Wörtern und Sätzen und drittens den auszutauschenden gedanklichen Inhalt hinter den Wort- und Satzbedeutungen. Diese drei Ebenen treten sprachlich immer zusammen auf, können nicht auseinander abgeleitet werden, sind aber unter bestimmten Bedingungen voneinander trennbar: Der gedankliche Inhalt sollte bei einer sprachlichen Übersetzung in eine andere Sprache möglichst gleich bleiben, während die richtigen neuen Wörter und Sätze in der neuen Sprache gefunden werden müssen. Die Sprachlaute der ersten Ebene können durch Gesten oder geschriebene Zeichen ersetzt werden. Gestik und Mimik kann sogar Bedeutungen vermitteln, die nicht direkt mit Wörtern in Verbindung stehen. Beim Sprechen wird eine (nicht-zeitliche und nicht-räumliche) Sinnstruktur in eine zeichenhafte Zeitstruktur von Wörtern und Sätzen hineingestaltet, indem (räumlich auftretende) Sprachlaute kontinuierlich nach sprachlichen Gesetzen in der Zeit verwandelt werden.[44] Nur Menschen können Sprachen und deren entwicklungsoffene Grammatiken gemäß ihrer evolutionär entstandenen Bedürfnisse ausbilden, denn sie entwickeln gleichzeitig einen Geist, der verstehen und verstanden werden will und der mit Metarepräsentationen verschachtelt denken lernen kann, um mental durch die Zeit zu reisen. Mentale Zeitreisen in die Vergangenheit (erinnerte Erfahrung) und Zukunft (phantasierte Pläne) und die Fähigkeit zur mitmenschlichen Kommunikation darüber sind zwei zusammenhängende und wesentliche Unterschiede zwischen Mensch und Tier. Typisch menschliches Verhalten und die menschheitliche Kulturentwicklung basieren darauf.[45]

Erfolgreiches zuhören und verstehen geht mit einem Mitvollzug dieser drei Ebenen einher, wie sich anhand synchroner Hirnaktivierungen der Hörzentren, Sprachzentren, und frontaler Hirnbereiche bei Sprecher und Hörer zeigen ließ. Interessanterweise war das Verstehen am besten, wenn die Hirnaktivierungsmuster im frontalen Bereich des Hörers antizipierend zu denen des Sprechers abliefen, während die Hörzentren des Hörers gleichzeitig mit dem Sprecher und die Sprachzentren leicht nachfolgend aktiviert waren.[46],[47] Man versteht also dann am besten, wenn man gelernt hat, innerlich eigenaktiv und antizipierend das hervor zu bringen, was der Sprecher im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation gleich sagen könnte, um dies dann mit dem tatsächlich wahrnehmbar Gesagten abzugleichen.[48] Dieses intersubjektive Koppeln der Hirnaktivitäten und das damit einhergehende Verstehen gelingt in einem Face-to-Face-Dialog besser als in einem Monolog. Es gelingt noch weniger gut, wenn das Gesicht des Gesprächspartners nicht sichtbar ist (Back-to-Back-Dialog oder -Monolog).[49]

Damit ist klar, dass es nicht ohne Folgen bleiben kann, wenn ein (auch im Hintergrund) laufender Fernseher messbar die kindlichen Sprachäußerungen und die Dialoge zwischen Erwachsenen und Kindern vermindert.[50] Gute Sprach- und Denkfähigkeiten sind eine Vorläuferfähigkeit für den souveränen Umgang mit Medien, seien es auf Papier gedruckte Texte oder elektronische Medien. Beides wird ursprünglich nicht optimal mit Medien erlernt, sondern auf den Umgang mit ihnen angewendet. Medien verhelfen insbesondere kleinen Kindern nur dann zum Spracherwerb, wenn sie ein Vehikel für direkte mitmenschliche Kommunikation sind (das gemeinsame Anschauen eines Bilderbuches erlaubt dabei viel mehr direkte Kommunikation als das gemeinsame Anschauen eines Filmes).[31]

Ermöglichen Sie Ihrem Kind, kreativ zu werden, indem Sie ihm weniger vorgeben.

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Die kindliche Phantasie ist zunächst angewiesen auf vielseitige Sinneswahrnehmungen und Erlebnisse. Dann aber löst das Kind das Wahrgenommene und Erlebte aus den ursprünglichen Zusammenhängen und lässt in einem eigenschöpferischen Prozess etwas Neues entstehen. Kinder schaffen mit der Kraft ihrer Phantasie täglich neue Welten. Einfache, natürliche und unterschiedlich verwendbare Spielsachen unterstützen sie dabei. Kinder üben so eine zukünftige Kernkompetenz. Ein gutes Kinderspielzeug bestehe daher zu 90% aus Kind und zu 10% aus Zeug. Bildschirmmedien sind das Gegenteil davon: Schon eine erzählte Geschichte regt dazu an, dass sich Kinder individuelle innere Bilder machen während die selbe Geschichte als Film einheitliche äußere Bilder in die kindliche Vorstellungswelt transplantiert.

Eigenschöpferisches, kindliches Spiel gedeiht in einer sicheren Umgebung, die nicht die Fähigkeit von Kindern unterläuft, spontan zu denken und zu handeln. Dies geschähe, wenn man Kinder dauernd mit Reizen und Handlungsaufforderungen überflutet. Kinder erlangen dann kein Gefühl für ihre eigene Fähigkeit, unabhängig Probleme zu lösen und den Dingen um sich herum Bedeutungen zu verleihen. Alles zu präformierte Spielzeug kann hierbei hinderlich sein. Vergleichbar präformiert sind die Helden eines Filmes verglichen mit den Helden, die man sich vorstellt, wenn man einer erzählten Geschichte gelauscht hat. Dies wirkt sich auch auf das nachfolgende Spiel aus, welches an situationsgerechter Variabilität, Innigkeit und damit Qualität verliert. Wenn Kinder mit einem Spielzeug spielen, das eine Figur aus einer Fernsehserie darstellt, spielen sie unkreativ, vor allem direkt nach dem Fernsehen.[31] Erwachsene mit kreativen Fähigkeiten haben sich als Kinder häufiger selbstorganisiert spielend in selbstgeschaffene Welten hineinphantasiert[51] und ihre Kreativität im freien Rollenspiel geübt.[52] Wenn Erwachsene das kindliche Spiel begleiten, sprechen sie und die Kinder mehr miteinander, wenn sie traditionelles, einfaches Spielzeug benutzen und nicht elektronisches Spielzeug.[53]

Vermeiden Sie Bildschirmmedien bei unter Dreijährigen.

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Kinder müssen bis zum Schulalter vorrangig lernen, die Welt als Wirklichkeit wahrzunehmen und ihren Leib als Instrument zu gebrauchen: Sie lernen gehen, handeln, sprechen und denken. Das Gehirn differenziert sich in der ersten Kindheit aus abhängig von kindlichen Handlungen. Es entwickelt sich daher nur dann gesund, wenn Kinder vielseitig und eigenaktiv tätig sein können. Technik nimmt dem Menschen tendenziell eigene innere und äußere Aktivität ab. Daher brauchen kleine Kinder in einer technisierten Welt geschützte Ermöglichungsräume, in denen sie ihre Primärerfahrungen mit der realen Welt und real anwesenden Mitmenschen machen können bevor entsprechende mediale Erfahrungen hinzukommen, damit sie sich leiblich ungestört und gesund entwickeln können. Man kann dies nicht lehren. Aber es ist möglich, Situationen zu schaffen, in denen es unmöglich wird, dies nicht zu lernen. Bildschirmfreiheit ist für Kleinkinder eine der Bedingungen hierfür. Je kleiner Kinder sind, desto mehr gilt dies. Daher empfehlen Kinder- und Jugendärzte, Kleinkinder keinen Bildschirmmedien auszusetzen. Auch nach dem dritten Geburtstag sind Bildschirme nicht für eine Entwicklungsförderung erforderlich. Eine bildschirmfreie Umgebung ist kindgerecht, solange dies ungezwungen zu dem kindlichen Umfeld passt.

Seit 1999 warnt die American Academy of Pediatrics offiziell davor, Bildschirmmedien als Babysitter zu verwenden oder Kleinkinder überhaupt Bildschirmen auszusetzen.[54] 2011 wurde dies anhand aktuellerer Forschungsergebnisse erneut bekräftigt und dabei auch die Hintergrundbildschirmmedienexposition einbezogen, die kindliches Spiel und Entwicklung hemmt.[55] Ein Mitglied des Gremiums fragte 2014, ob man interaktive Touchscreenmedien nicht anders bewerten müsse als das Fernsehen, da diese den Kindern selbstwirksames Lernen vermitteln könnten.[56] Ein anderes Mitglied betonte demgegenüber, dass die Interaktivität der realen Welt insbesondere für kleine Kinder Bildschirmmedien überlegen ist und diese Tatsache immer besser wissenschaftlich nachgewiesen sei.[9] 2016 wurden die Empfehlungen erneut bekräftigt und weiter ausdifferenziert.[57] Das Thema "Screentimereduction" bei Kindern und Jugendlichen wurde 2010 sogar in die nationalen Gesundheitsziele der U.S.A. bis 2020 aufgenommen, leider aber bisher weitgehend verfehlt.[58] 2017 veröffentlichte die Arbeitsgruppe Schlafmedizin und Schlafforschung der östereichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ein Konsenspapier mit acht Empfehlungen zur Regulierung von Bildschirmzeiten im Kindes- und Jugendalter; auch dort wurde u. a. gefordert, Kleinkinder keinen Bildschirmen auszusetzen, die Zeit danach zu begrenzen, sie nicht damit allein zu lassen und Kinderzimmer bildschirmfrei zu lassen.[59]. In die gleiche Richtung gehen die Empfehlungen der Initiative "Schau hin!",[60] des Deutschen Jugendinstitutes,[61] der Erziehungsberatungsstellen in Deutschland[62] und der Schweiz.[63] Auch im Europaparlament wurden schon die medizinischen und psychologischen Argumente vorgetragen, die für verringerte Bildschirmzeiten bei Vorschulkindern sprechen.[64]

Begründet werden diese Empfehlungen neben grundsätzlichen entwicklungspsychologischen und -neurobiologischen Überlegungen mit Längsschnittstudien, die zeigen, dass (früh-)kindlicher Bildschirmmedienkonsum zeitabhängig und inhaltsabhängig die weitere kindliche Entwicklung in vielen Bereichen verschlechtert.[65][66][67][68][69]

Sorgen Sie in der Freizeit für mehr Bewegungszeit als Bildschirmzeit.

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Bewegung hält gesund und glücklich. Am besten sind für Kinder und Jugendliche mindestens 60-90 Minuten mittlere bis starke körperliche Aktivität täglich. Menschen, die sich viel bewegen, fällt dies leichter; bewegt man sich nicht, wird man träge und zusätzlich steigt langfristig das Risiko für Fettsucht und andere gesundheitliche Folgeprobleme. Aber auch die Alltagsbewegung ist wichtig, also die Zeiten, in denen man nicht sitzt. Und Vorsicht: Während Bildschirmzeiten sitzt man besonders gebannt und bewegungslos.

Deutsche Experten bewerteten 2003 den Bewegungsmangel nach Unfällen als das drittgrößte Gesundheitsrisiko für Kinder, während deutsche Eltern dieses Risiko vergleichsweise am meisten unterschätzten.[70] Die WHO identifizierte den Bewegungsmangel 2010 generell als das viertgrößte Gesundheitsrisiko weltweit (nach Bluthochdruck, Rauchen und hoher Blutglukose) und empfahl für Kinder und Jugendliche von 5-17 Jahren täglich eine Stunde oder mehr moderate bis kräftige körperliche Bewegung an sieben Tagen in der Woche. Sie schloss Spiel, Sport, eigene Fortbewegung anstatt Transport usw. im schulischen und familiären Kontext ein.[71] Für Deutschland fanden Experten 2013 darauf und auf weiterer internationaler Literatur aufbauend einen interdisziplinären Konsens zur Förderung der körperlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen. Sie forderten mindestens 90min tägliche Bewegungszeit für Kinder und Jugendliche und zusätzlich eine Begrenzung der sitzenden Bildschirmzeit auf 0min bei unter Dreijährigen, unter 30min für 3-6-Jährige und max 60min für 7-12-Jährige.[72] Denn zunehmend wird erkannt, dass ein überwiegend sitzender Lebensstil insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ein von (zeitlich begrenzter) körperlicher Aktivität unabhängiger Risikofaktor für die körperliche und seelische Gesundheit ist.[73] Bildschirmzeiten gehen dabei bei Kindern objektiv messbar mit weniger körperlicher Bewegung einher als alle anderen sitzenden Tätigkeiten.[74]

Erste Filmerfahrungen begleiten

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Begleiten Sie Filmerfahrungen ihres Kindes: Unterbrechen Sie anfangs bei Rückfragen, sprechen Sie mit Kindern über Gesehenes.

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Die Inhalte von Bildschirmmedien haben oft zusätzlich problematische Seiten für kleine Kinder. Darum empfehlen Experten, die sich mit Kindesentwicklung beschäftigen, Bildschirmmedien in den ersten Jahren zu vermeiden und erst später achtsam einzuführen. Dabei spricht aus entwicklungspädiatrischer Sicht grundsätzlich nichts gegen ein Zögern auch über das Kleinkindalter hinaus, wenn dies in die Familie passt. Falls Bildschirme eingeführt werden, ist folgendes wichtig: Die erste Ausnahmen könnte das Betrachten von Fotoalben oder Familienvideos sein und die Videotelefonie mit Verwandten. Filme sollten Kinder immer nur zusammen mit Erwachsenen sehen, diese sollten unterbrechbar sein (DVD oder Timeshiftrecorder), damit Kinder sofort Rückfragen stellen können. Sie sollten werbefrei und den Erwachsenen prinzipiell bekannt sein. Wichtig sind langsame Bildschnitte und eine gute Geschichte. Gewalt, auch in Form von "lustigen" Comics (wie z.B. Tom und Jerry) empfiehlt sich nicht. Bildschirmmedien sollten nicht dazu dienen, kleine Kinder "zu beschäftigen" oder "ruhig zu stellen", wenn sie sich sonst nicht selber beschäftigen können. Selbstverständlich gehören Bildschirme nicht in die Kinderzimmer von Vorschulkindern und Fernbedienungen nicht in Kinderhand.


Wählen Sie ruhige, altersgerechte Fernsehsendungen ohne Gewalt aus; überlassen Sie die Fernbedienung nicht Ihren Kindern.

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Machen Sie den Werbeblock zur Pause; schalten Sie den Ton aus.

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Kontrollierte Bildschirmmediennutzung in altersentsprechenden Grenzen

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Stellen Sie klare Regeln auf und begrenzen Sie die Bildschirmmediennutzungszeit vor dem Einschalten.

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Halten Sie Altersbeschränkungen für Computerspiele, Filme und soziale Medien ein.

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Besprechen Sie mit ihrem Kind klare Regeln für die Nutzung des Smartphones, zum Beispiel mithilfe eines Handynutzungsvertrages.

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Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind die Handyregeln der Schule einhält.

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Aufklärung und Internet

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Sorgen Sie für eine sexuelle Aufklärung Ihres Kindes bevor es sich diese aus dem Internet holt.

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Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Datenschutz, Gewalt, Pornographie, Glücksspiel; beginnen Sie damit, bevor Sie ihm einen eigenen Internetzugang ermöglichen.

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Lassen Sie sich auch von Ihrem Kind zeigen und erklären, was es im Internet interessiert.

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Ohne elektronische Nabelschnur

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Erlauben Sie sich und Ihrem Kind, auch unerreichbar zu sein.

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Bestärken Sie Ihr Kind, unabhängig vom Smartphone zu bleiben.

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Unterstützen Sie Kommunikation ohne elektronische Geräte.

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Wenn Ihr Kind das reale Leben vernachlässigt: Suchen Sie professionelle Hilfe.

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Pathologischer Internetgebrauch kann Verhaltenssuchtkriterien auf klinisch relevante Art erfüllen. Entscheidend ist hierbei nicht die Zeit, die jemand online verbringt, sondern die Beweggründe und Auswirkungen des Online-Verhaltens. So kann es z.B. zu Entzugserscheinungen kommen, das Internet wird genutzt, um Problemen im realen Leben aus dem Weg zu gehen, die dann immer gravierender werden etc.. Wie bei allen manifesten Suchterkrankungen gibt es in der Regel weitere psychische Erkrankungen oder Gefährdungen (als Ursache und/oder als Folge), die durch diese hinzukommende Verhaltenssucht verkompliziert werden. Jede Art von süchtigem Verhalten Erwachsener beeinträchtigt das Wohlergehen und die Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder.

Die "Expertengruppe Verhaltenssüchte" der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) beschrieb süchtiges Verhalten als auf klinisch relevante Art einschränkend für das Individuum und begründete 2013, warum im zukünftigen ICD-11 ein Kapitel für Verhaltenssüchte vorgesehen sein sollte, unter anderem in Verbindung mit Internetnutzung.[75] Im selben Jahr wurden erstmals substanzungebundene Suchterkrankungen in den DSM-5 aufgenommen; darunter die Computerspielsucht als Forschungsdiagnose.[76]

Die Auswertung einer deutschlandweiten repräsentativen Telefonbefragung unter 15.024 Personen im Alter von 14-64 Jahren im Zeitraum von 12/2009 bis 2/2011 ergab eine Internetabhängigkeitsprävalenz von 1,5%.[77] Ca. 21 Monate später wurden 196 der (auch grenzwertig) auffälligen Personen aus der PINTA-Stichprobe ausführlich nachbefragt: Die Prävalenzzahlen bestätigten sich. Internetabhängige hatten höhere Nutzungszeiten und häufig weitere psychische Erkrankungen (affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen, ADHS und erhöhte Impulsivität). Im Alltag fehlten sie häufiger bei der Arbeit, konnten schlechter enge Beziehungen eingehen, hatten ein schlechteres Sozialleben und waren bei normalen Aktivitäten deutlich eingeschränkt (vergleichbar mit Depressiven oder Drogenabhängigen), was nicht von der Art der pathologischen Internetnutzung abhing.[78]

Neben anderen diagnostischen Werkzeugen wurde für Deutschland die Computerspielabhängigkeitsskala (CSAS) entwickelt: Sie erfasst im Selbst- und/oder Fremdbericht anhand von 18 Fragen die 9 im DSM-5 beschlossenen Kriterien einer Computerspielabhängigkeit (gedankliche Vereinnahmung, Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, verhaltensbezogene Einengung, Fortsetzung des Spielens trotz psychosozialer Probleme, Verheimlichen, dysfunktionale Gefühlsregulation, Gefährdungen/Verluste). Wenn 5 oder mehr dieser Kriterien erfüllt sind, kann man verdachtsdiagnostisch von einer Computerspielsucht nach DSM-5 sprechen. Das zeitliche Ausmaß des Computerspielens wird auch abgefragt, geht aber nicht in die Verdachtsdiagnose ein.[79] Ein aktuelles Review mit 27 Studien unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus verschiedenen Ländern kam auf eine Prävalenz von durchschnittlich 4,7%.[80]

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Weitere Hintergründe

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Die Informations- und Medientechnologie beschleunigt und revolutioniert die Abläufe beim arbeiten, lernen und im sozialen. Sie ist dabei auch eine Herausforderung für menschliches Selbst- und Weltverständnis. Wer sie verantwortlich zu nutzen weiß, wird sein Leben mit den damit verbundenen Chancen eher gestalten und Risiken und Nebenwirkungen schneller vermeiden lernen. Er wird die ihn umgebende Technik seinen eigenen menschlichen Bedürfnissen anpassen und sich nicht umgekehrt von ihr treiben lassen. Wie werden wir uns gesellschaftlich dabei gegenseitig helfen?

Kinder und Jugendliche wachsen in diese gesellschaftlichen Entwicklungen herein während sie sich selber entwickeln. Kleine Kinder suchen im aufrechten Gang ein labiles und daher eigenaktiv zu haltendes Gleichgewicht mit der Welt. Sie erschaffen spielend Szenarien mit ihren freien Händen, die ihr ihr immer komplexeres geistiges Innenleben repräsentieren und weiterbilden. Kinder tauschen sich ständig mit anderen Menschen darüber aus, schon bevor sie sprechen. Sie entwickeln geteilte Aufmerksamkeit und eine Einfühlung in das Innenleben ihres Gegenübers und gießen dies schließlich in die Sprache ihrer Umgebung, deren Regeln sie erfassen. Erwachsen werdend lernen sie langsam, ihre Pläne verantwortungsvoll zu verfolgen auch wenn dies am Widerstand der Welt mühsam ist und sie dafür direkte Bedürfnisse zurückstellen müssen. Dabei lernt der Mensch nur das, was er tut; ungenutzte Anlagen verkümmern. Und in der Regel tut der Mensch zuerst etwas und reflektiert und versteht es evt. nachher. Der sich entwickelnde Mensch braucht anregende Räume, in denen er lernen kann: Erst durch Nachahmung, dann durch Erfahrung und schließlich durch Einsicht.

Zunehmend übersteigt eine durch elektronische Bildschirmmedien vermittelte Welt- und Menschenbegegnung schon rein zeitlich viele andere Bereiche kindlichen und jugendlichen Lernens: Nach Elternauskunft nutzen zwei- bis dreijährige Kinder in Deutschland durchschnittlich (!) ca. 52 Minuten täglich Bildschirmmedien, vier- bis fünfjährige Kinder ca. 86 Minuten,[1] und sechs- bis 13-jährige Kinder ca. 185 Minuten,[2] Nicht erfragt wurden die Zeiten der Hintergrundexposition (im Wohnzimmer dauernd laufender Fernseher, mit Bildschirmmedien in Anwesenheit der Kinder beschäftigte Eltern). Nach Selbsteinschätzung nutzten Jugendliche 2016 das Internet doppelt so lange wie noch 2006, nämlich wochentäglich 142 Minuten (12-13-Jährige) bis 235 Minuten (16-17-Jährige), und zwar zu 41% für Kommunikation, 29% für Unterhaltung, 19% für Spiele und zu 10% für Informationssuche. Jugendliche sehen 105 Minuten täglich fern, zumeist über den klassischen Fernseher; der größere Teil dieser Zeit kommt also noch als Bildschirmzeit zu der Internetzeit dazu.[3] Elterliche Haltungen zur Medienerziehung sind dabei deutlich milieuabhängig.[4]

Vor allem in benachteiligten Milieus sind Kinder überdurchschnittlich viel Bildschirmmedien ausgesetzt, die sie entweder von eigenem vertieftem Tun ablenken oder ihre Aufmerksamkeit für sich einnehmen. Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen üben weniger, ihre verschiedenen Sinneskanäle und ihre Motorik an der Wirklichkeit zu koordinieren, die Aufmerksamkeit auf selbstgewählte Ziele zu richten, eigene innere Bilder zu entwickeln, mit anderen im freien Spiel zu kooperieren und trotz realer Widerstände in der Welt willentlich durch eigene intelligente Lösungen Ziele zu erreichen. Darunter leiden Bildungschancen und Gesundheit nachhaltig, wie für das Fernsehen unter anderem in langen Längsschnittstudien gezeigt werden konnte.[5][6]

Die nachwachsende Generation wird in einer Welt leben, in der sich Medienwelten weiter zwischen Mensch und Welt schieben und Mensch und Maschine weiter zusammenrücken.[7] Sie muss genau hierfür stark gemacht werden.[8] Dies gelingt aus kinder- und jugendärztlicher Sicht dann, wenn sie in früher Kindheit viele primäre Welt- und mitmenschliche Erfahrung machen dürfen ("High touch first") und dann auf dieser Basis altersgerecht in die Chancen der medial und digital vermittelten Welterkenntnis und Kommunikation hineingeführt werden ("High tech later").[9]

Hierzu muss in den Familien und Bildungseinrichtungen ein achtsamer Umgang mit Bildschirmmedien geübt werden. Auch auf diesem Feld regen Kinder Erwachsene zur Selbsterziehung an, wenn sich diese ihrer Vorbildrolle bewusst werden und selbstkritisch ihre eigenen Gewohnheiten reflektieren. Kinder- und Jugendärzte sind in Praxis und Klinik immer wieder damit konfrontiert, Entwicklungsprobleme zu beurteilen und zu vermeidbaren Ursachen zu beraten. Übermäßiger Bildschirmmedienkonsums ist ein vermeidbares Entwicklungshindernis für Kinder neben anderen. Die Neufassung der Kinderrichtliniemacht dies seit 2017 zum Beratungsthema ab der U7a mit drei Jahren.[10]

Technische Entwicklungen der letzten 300 Jahre

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Das Befreiungspotential technischer Entwicklungen

Die Chancen und zugleich die möglichen Risiken der technischen Entwicklungen der letzten 300 Jahre liegen in ihrem Befreiungspotential:

  1. Kraftmaschinen werden seit dem 18. Jahrhundert in großem Stil entwickelt: Sie befreien von öder, anstrengender, vielleicht sogar gesundheitsschädlicher körperlicher Arbeit. Das gesundheitliche Risiko dabei liegt in der resultierenden Bewegungsarmut. Dies ist allgemeingesellschaftliches Wissen in der Gegenwart und Ziel gesundheits- und bildungspolitischer Bemühungen. Ironischerweise sind „Kraftmaschinen“ in Fitnessstudios ein Gegenbild hierzu.
  2. Die Vervielfältigung von Bild- und Tonmedien und ihre Übertragung in Foto, Film und Telefon seit dem 19. und 20. Jahrhundert befreit davon, immer zum Originalkunstwerk oder Kommunikationspartner hingehen zu müssen, also echt dabei sein zu müssen, wenn man interagieren will. Zeitlich vergängliche Kunstwerke (Musik, Theater, freie Rede) müssen zudem nicht immer wieder neu aufgeführt werden, wenn andere sie genießen wollen. Sie sind bereits inflationär in medialer Kopie vorhanden. Eine Nebenwirkung davon ist, dass viel weniger Kunst aktiv produziert werden muss als passiv konsumiert werden kann. Gleichzeitig sind konservierte mediale Kunstangebote zwar äußerlich oft perfekt aber innerlich weniger vollsinnlich und authentisch erfahrbar. Dies gilt auch für die zwischenmenschliche Kommunikation, die über dazwischengeschaltete Medien zunehmend entsinnlicht wird.
  3. Die Digitaltechnik und das Internet im 20./21. Jahrhundert beschleunigt diese Entwicklungen, da sie Medienherstellung und –verbreitung um ein vielfaches vereinfacht und Kraftmaschinen als Roboter eigenflexibler einsatzfähig macht. Als neue Dimension befreit sie den Menschen zudem von mühsamer denkender Logik- und Gedächtnisarbeit, die nur mit innerlich fokussierter Aufmerksamkeit möglich ist, und die bisher auch dann aufrechterhalten werden musste, wenn der Denk- und Erinnerungsgegenstand vorübergehend uninteressant war.[7][11]

Die Gefahr von allem kann sein, dass Menschen entsprechende Fähigkeiten nicht mehr in dem Maße ausbilden, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Denn der Mensch lernt (sein Gehirn bildend) durch das, was er begeistert tut. Was er nicht tut, lernt er nicht.[12] Die wesentlichen Fragen für die Zukunft werden also sein: Wie werden die Menschen mit diesen Befreiungen umgehen? Werden sie - von erzwungener Aktivität befreit - eigenaktiv ihre Zeit gestalten wollen oder neigen sie zu mehr passivem Konsum der überbordenden Angebote der Unterhaltungsindustrie ohne anders zu können und zu wollen? Zu was müssen Menschen also zunächst befähigt werden, damit diese Technologien ihnen später dienen ohne sie in Abhängigkeit zu führen? Werden diese Technologien den Menschen nur von etwas oder auch zu etwas befreien, so wie frühere körperliche Arbeit heute durch Sport ersetzt werden kann und muss? Wie wird sich alles auf die Gesundheit von Mensch und Gesellschaft auswirken?[7]

Bildungsziele werden an die Frage angepasst, wie sich die Chancen der sich rasant entwickelnden Medienwelten nutzen lassen, indem ihre oft unreflektierte Freizeitnutzung ergänzt wird durch ihre Nutzung in reflektierenden Kontexten der Bildungseinrichtungen. Es geht hierbei um ein "Learn to use" genauso wie um ein "Use to learn".[13],[14] Aus kinder- und jugendärztlicher Sicht erscheint es dabei wichtig, Bildungsmethoden und -ziele sowie gesundheitliche Prävention und Salutogenese immer zusammen zu denken und dies für die Altersstufen deutlich zu differenzieren. Hier beobachten wir inhaltliche und methodische Differenzen beteiligter Fachdisziplinen zum Nachteil der nachwachsenden Generation.[15][16][17] Aus kinder- und jugendärztlicher Sicht fordern wir eine seriöse Technikfolgenabschätzung, bevor Bildungsprozesse für alle Altersstufen so umgestaltet werden, dass sie deutlich verstärkt über digital arbeitende Bildschirmmedien stattfinden sollen. Hierbei müssen die langfristigen Folgen für die Entwicklung und Gesundheit der Kinder Jugendlichen mitbedacht werden ebenso wie Wechselwirkungen auf das Medienverhalten in der Freizeit.

Phänomenologie der Medien und ihrer Beziehung zum Menschen

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Der Mensch in der Medienlandschaft: Die Ebene der materiellen Grundlage, der Form und der Medienfunktion in Beziehung zum Menschen.

Wenn der Mensch Medien produziert, rezipiert oder medienvermittelt kommuniziert löst er im und für das primäre Erleben natürliche (räumliche, zeitliche und sinnliche) Zusammenhänge auf und bringt sie in künstliche bzw. künstlerische neue Zusammenhänge.[11] Wir müssen den Zusammenhang der so entstehenden Medienwelten mit der natürlichen Welt eigenaktiv immer wieder neu herstellen, soll unser salutogenetisch bedeutsames Kohärenzgefühl wachsen. Dies gelingt nur in dem Maße, in dem wir uns (insbesondere frühkindlich) in der realen Welt denkend, fühlend und handelnd verwurzelt haben. Die nachwachsende Generation wird in einer Welt leben, in der Mensch und Maschine weiter zusammenrücken und sich Medienwelten weiter zwischen Mensch und Welt schieben.[7] Sie muss genau hierfür stark gemacht werden.[8]

Medienmündigkeit und Medienkompetenz

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Kartonmodell des Medienmündigkeitsturmes nach Paula Bleckmann.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beschreibt als Ziel: „Digitale Bildung vermittelt Schlüsselkompetenzen für das selbstbestimmte Handeln in der digital geprägten Welt und schafft die Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe“[13]. Sie beschreibt das klassische bildungspolitische Ziel, zur Mündigkeit zu befähigen, angewendet auf den Umgang mit der digital geprägten Kultur, zu der vor allem auch digital verarbeitete Medien gehören. „Medienmündigkeit“ ist gegenüber "Medienkompetenz" ein ganzheitlicherer Begriff: Er bezeichnet menschliche Kompetenz nicht nur mit, sondern auch gegenüber Medien.[11] Diese ist eine zwingende Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln in einer digital geprägten Welt.

Paula Bleckmann führte diesen Begriff in die breitere deutsche medienpädagogische Debatte ein. Sie betonte dabei, dass Mündigkeit auch immer etwas mit Persönlichkeitsreife zu tun hat. Dieser Aspekt von Mündigkeit kann nicht äußerlich trainiert oder willkürlich beschleunigt werden. Vielmehr verdient das Kind in entwickelten Gesellschaften angemessenen Schutz und eine mitmenschliche Umgebung, in der es Mündigkeit durch Nachahmung, Erfahrung und Einsicht nach eigenem Entwicklungsvermögen zunehmend lernen kann. Die deutsche Kinder- und Jugendärzteschaft empfindet den Begriff der Medienmündigkeit auch als hilfreich für die Primärprophylaxe dysregulierten Mediengebrauchs (und damit einer Reihe weiterer gut erforschter gesundheitlicher Folgeprobleme).[11] Aus der täglichen Erfahrung in der Sprechstunde und der Kenntnis der entwicklungspsychologischen Literatur weiß sie, dass gerade im frühkindlichen Bereich grundlegende Bildung auf gesunde Art abseits von Medienexposition stattfindet und widerspricht somit schon dem programmatischen Namen des bildungspolitisch einflußreichen Zusammenschlusses deutscher Medienpädagogen unter dem Label: "Keine Bildung ohne Medien!"[18] Sie sieht demgegenüber in dem Medienmündigkeitsturm von Paula Bleckmann[8] ein geeignetes Modell anthropologisch, entwicklungspsychologisch sowie epidemiologisch abgesicherter Medienpädagogik, die sich der erforschten Folgen des eigenen gesellschaftlichen Handelns für die nachwachsende Generation bewußt ist.[8][9] Paula Bleckmann entwickelte als medienpädagogisches Entwicklungsmodell einen „Turm der Medienmündigkeit“ mit fünf aufeinander aufbauenden und ineinandergreifenden Etagen:

  1. Sensomotorische Integration,
  2. Kommunikationsfähigkeiten,
  3. Medienproduktion,
  4. Medienrezeption,
  5. kritische Medienbewertung.

Auf dem Weg zum Ziel: Indirekte und direkte Medienpädagogik

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Wenn die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln in der digital geprägten Welt das Ziel medienpädagogischen Handelns sein soll, dann sind zwei verschiedene Wege dorthin denkbar:

  1. „Früh übt sich, wer ein Medienmeister werden will“. Dieser Grundgedanke geht oft auch davon aus, dass eine früh im Kindesalter angelegte Medienkompetenz zukünftig immer mehr darüber bestimmen wird, wie kompetent wir das allgemeine kulturelle Leben meistern werden. Lebenskompetenz in einer digital geprägten Welt entstehe immer mehr durch eine das Leben befruchtende Medienkompetenz. Ein frühes Benutzen von (digitalen) Medien („Use to learn“) in Bildungsprozessen bereits ab dem Kindergartenalter und spätestens in der Grundschulzeit wird hierbei propagiert, die Forschung fragt, in welchem Rahmen und wie begleitet dies am sinnvollsten sein könnte. Dies ist der Standpunkt vieler Medienexperten (z. B.[18],[4] und der ihnen folgenden Bildungspolitik (z.B.[14]). Dieser Standpunkt gilt als fortschrittlich und mutig die Chancen ergreifend, die die neuen technologischen Entwicklungen bieten.
  2. Wenn man anders herum Medienkompetenz als eine auf Medien angewandte, allgemeine Lebenskompetenz ansieht, dann muss man sich fragen, wie Lebenskompetenz in den verschiedenen Entwicklungsaltern eines Kindes erworben wird und wann und warum der Umgang mit digitalen Medien dabei förderlich oder wann und warum er (noch) hinderlich ist. Ein rechtzeitiges mediales „Learn to use“ auf der Grundlage allgemeiner, im realen Leben erworbener Lebenskompetenz wäre hier die medienpädagogische Forderung, wobei die Frage bleibt, ob es für direkte Medienpädagogik auch ein „zu früh“ gibt. Diese mehr hinterfragende, vor allem für die Kindergarten- und Grundschulzeit entschleunigende Grundhaltung in der gegenwärtigen Bildungsdebatte wird eher von Experten aus praktischer Pädagogik, Entwicklungspsychologie und Medizin vertreten, z.B.[15][8][19][20] Sie betonen, dass für eine sinnvolle Mediennutzung Vorläuferfähigkeiten ausgebildet sein müssen, was auch an bestimmte Altersstufen gebunden ist und vorher durch (zeitlich teilweise ausufernden) Medienkonsum eher verhindert wird.[8][7] Dieser Standpunkt wird in der medienpädagogischen Fachdebatte oft als rückwärts gewandte Bewahrpädagogik diffamiert (welches insbesondere in Deutschland ausgeprägt sei und unsere Konkurrenzfähigkeit aufgrund mangelnder Medienkompetenz der nachwachsenden Generation koste).

Welche Haltung zu besseren Ergebnissen führt für Bildung, Gesundheit und Konkurrenzfähigkeit der nachwachsenden Generation ist für das Fernsehen unter anderem durch ausreichend lange Längsschnittstudien empirisch geklärt.[5][6] Die digitalen Medientechnologien sind zu neu, als dass schon genügend lange Längsschnittstudien abgeschlossen sein könnten; aber auch angesichts dieser Technologien spricht gegenwärtig aus kinder- und jugendärztlicher Sicht mehr für den zweiten Weg.

Medienpädagogischer Bildungskonsens in der Gesellschaft?

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Zu diesen Fragen der Medienbalance in der Kindergarten und Grundschulzeit besteht bisher kein gesellschaftlicher Konsens. Daher schreibt die Kultusministerkonferenz in ihrem aktuellen Strategiepapier zu diesem Thema: „Es ist ein gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit des Erwerbs geeigneter ‚Kompetenzen in der digitalen Welt’ anzustreben, damit Eltern dies in der Schule nicht nur akzeptieren, sondern auch aktiv unterstützen, da es kein Elternrecht als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Befugnissen wie Lehr- und Bildungsplänen gibt.“[14]. Glaubt man einer repräsentativen Umfrage beauftragt durch die Telekomstiftung unter Eltern von Grundschul- und Kindergartenkindern, Grundschullehrkräften und Erzieherinnen und Erziehern, dann ist es gesellschaftlicher Konsens, dass digitale Medien im Kindergartenalltag den Kindern eher schaden, während dies für die Grundschulzeit ambivalent beurteilt wird unter Eltern und Lehrkräften.[21] Von Medienpädagogen wird oft eingewandt, dass diese Ambivalenz von einer Ängstlichkeit vor allem Neuen herkomme, vor der die damit verbundenen Chancen verblassen würden. Diese (typisch deutsche) Ängstlichkeit werde mit populärwissenschaftlichen medienkritischen Bestsellern (v. a.[19] aber sicherlich auch[8]) unangemessen geschürt[22], ohne dass konstruktiv dazu beigetragen werde, wie man mit den bestehenden Herausforderungen umgehen könne.

Literatur zu Hintergründe

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  1. Feierabend S, Plankenhorn T, Rathgeb T (2015): miniKIM 2014: Basisuntersuchung zum Medienumgang 2-5-Jähriger. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Stuttgart.
  2. Feierabend S, Plankenhorn T, Rathgeb T (2017): KIM-Studie 2016 - Basisuntersuchung zum Medienumgang 6-13 Jähriger. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Stuttgart
  3. Feierabend S, Plankenhorn T, Rathgeb T (2016): JIM-Studie 2016: Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19 Jähriger in Deutschland. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Stuttgart
  4. a b Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) (2015): DIVSI U9-Studie: Kinder in der digitalen Welt., Hamburg.
  5. a b Hancox RJ, Milne BJ, Poulton R (2004): Association between child and adolescent television viewing and adult health: a longitudinal birth cohort study. Lancet 364:257–262. doi:10.1016/S0140-6736(04)16675-0, PMID 15262103.
  6. a b Hancox RJ, Milne BJ, Poulton R (2005): Association of television viewing during childhood with poor educational achievement. Arch Pediatr Adolesc Med 159:614–618. doi:10.1001/archpedi.159.7.614 PMID 15996992.
  7. a b c d e Hübner E (2015): Medien und Pädagogik: Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien. 1. Aufl. DRUCKtuell, Stuttgart. ISBN 978-3-944911-16-8.
  8. a b c d e f g Bleckmann P (2012): Medienmündig: Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen. Klett-Cotta, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-608-94626-0
  9. a b Bleckmann P (2015): Medienmündig statt mediensüchtig werden - Strukturen und Begriffe im interdisziplinären Handlungsfeld Medienprävention. In: Möller C (Hrsg.): Internet- und Computersucht: Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern, 2. Aufl. Kohlhammer W., GmbH, Stuttgart, S 257–275. ISBN 978-3-17-023985-2.
  10. Gemeinsamer Bundesausschuss (2017): Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern (Kinder-Richtlinie).
  11. a b c d Reckert T (2016): Medienmündigkeit: Ein Leitbegriff für die Primärprävention. Der Kinder- und Jugendarzt 47(9):608-13
  12. Hüther G (2015): Der Einfluss der Medien- und Computernutzung auf die Entwicklung des kindlichen und jugendlichen Gehirns. In: Möller C (Hrsg.): Internet- und Computersucht: Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern, 2. Aufl. Kohlhammer W., GmbH, Stuttgart, S 29–40. ISBN 978-3-17-023985-2
  13. a b Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016): Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft. Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Berlin.
  14. a b c Kultusministerkonferenz (2016): Bildung in der digitalen Welt: Strategie der Kultusministerkonferenz. Berlin.
  15. a b Bitzer E-M, Mößle T, Bleckmann P (2014): Prävention problematischer und suchtartiger Bildschirmmediennutzung: Eine deutschlandweite Befragung von Praxiseinrichtungen und Experten. KFN, Hannover 2014.
  16. Kommer S (2014): Call for Papers zur Frühjahrstagung 2015 der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Sektion Medienpädagogik: Spannungsfelder und blinde Flecken. Medienpädagogik zwischen Emanzipationsanspruch und Diskursvermeidung. Aachen.
  17. Bleckmann P, Jukschat N (2017): Warum Computerspielen trotzdem gut ist - Neutralisierungsstrategien von Computerspielabhängigen und sozialwissenschaftlichen Forschern. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 27:210–225. doi:10.21240/mpaed/27/2017.04.08.X.
  18. a b Keine Bildung ohne Medien! (2009): Medienpädagogisches Manifest.
  19. a b Spitzer M (2014): Digitale Demenz. Droemer TB, München 2014. ISBN 978-3-426-30056-5
  20. Spitzer M (2015): Cyberkrank!: Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit ruiniert. München: Droemer HC. ISBN 978-3-426-27608-2
  21. Institut für Demoskopie Allensbach (2014): Digitale Medienbildung in Grundschule und Kindergarten - Ergebnisse einer Befragung von Eltern, Lehrkräften an Grundschulen und Erzieher(inne)n im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung. Institut für Demoskopie Allensbach.
  22. Keine Bildung ohne Medien! (2012): Pressemitteilung: Medienpädagogisch fundierte Debatten statt Populismus. Keine Bildung ohne Medien! 2012.

Forschungsbedarf zu Bildschirmmedien

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Wir fordern prospektiv-längsschnittlich und breit angelegte Studien zu den Auswirkungen digitaler Bildschirmmedien auf Kinder und Jugendliche. Es werden von der öffentlichen Hand derzeit Milliardenbeträge ausgegeben, um die Pädagogik zu digitalisieren und den Bildschirmmedienkonsum so indirekt zu fördern. Wissenschaftliche Evaluationen zeitigen oft kleinere positive Effekte, als man sich vorher von ihnen versprach und dafür nicht selten "überraschende" negative Effekte, an die man bei Einführung gar nicht dachte.

Weitere Literaturvorschläge

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