Benutzer Diskussion:Egonist/Bekennende Kirche in Schleswig-Holstein

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Die Geschichte der Bekennenden Kirche Schleswig-Holsteins wird in jüngerer Zeit auf Wikipedia umfangreich von http://www.pkgodzik.de/index.php?id=348 offenbar in Abstimmung mit der Geschichtswerkstatt Bekennende Kirche SH http://www.geschichte-bk-sh.de/ bearbeitet. Die Darstellungen erwecken den Eindruck, als werde vorrangig beabsichtigt, die Akteure der Bekennenden Kirche und konkret Bischof Wilhelm Halfmann in ein positives Licht zu stellen und insbesondere ihren Antisemitismus zu relativieren. Vor allem hier hat die Darstellung auf Wikipedia gravierende Lücken und Schwächen. Folgende Sachverhalte wären zur Einordnung hilfreich: 1. Vorgeschichte: Bereits 1925 bekannte sich die schleswig-holsteinische Landessynode in einer Erklärung einstimmig zum völkischen Antisemitismus: „Die Landessynode erkennt die Berechtigung und den Wert aller Bestrebungen an, die darauf hinzielen, das eigene Volkstum zu stärken und vor zersetzendem jüdischen Einfluss zu bewahren.“ (S. Stephan Linck „Aufschrei eines gequälten und geknechteten Volkes“. Antisemitismus und völkisches Denken in der ev.-luth. Landeskirche Schleswig-Holstein zur Zeit der Weimarer Republik, in: Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte 52/53 (2012), S. 5-15, hier: S. 12.) Das Zitat wurde bereits in der Ausstellung „Kirche, Christen, Juden in Nordelbien 1933-1945“ verwendet (online bei der DNB http://dnb.oia-dwa.de:2401/show.aspx?GUID=3e19bb3e-8b70-e811-a386-d4ae528b7600&PARENT=4178dde0-ac6f-e811-a386-d4ae528b7600 .) 2. NS-Zeit: Die Gründung der „Not- und Arbeitsgemeinschaft schleswig-holsteinischer Pastoren“ als Vorläuferin der Bekennenden Kirche wird benannt. Unerwähnt bleibt aber, dass diese Gruppe entstand, weil man sich nicht dem Pfarrernotbund anschließen wollte, da dieser den „Arierparagraf“ für Pastoren als bekenntniswidrig verurteilte. S. Klauspeter Reumann, Der Kirchenkampf in Schleswig-Holstein 1933 bis 1945, in: Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte: Bd. 6.1, Kirche zwischen Selbstbehaup-tung und Fremdbestimmung. Neumünster 1998 (Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Reihe 1, Bd. 31), S. 111-473, hier: S. 167-168. Es wird in einem Abschnitt „Tapferes Verhalten einzelner“ Theologen gewürdigt. Nicht erwähnt wird die Entlassung von Pastoren aufgrund ihrer jüdischen Herkunft bzw. der jüdischen Herkunft der Ehefrau: Walter Auerbach, Bernhard Bothmann, Fritz Leiser und Max Behrmann. Zu allen Entlassungsvorgängen schwieg die Bekennende Kirche Schleswig-Holsteins. S. u.a. Stephan Linck, Neue Anfänge? Der Umgang der evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum. Die Landeskirchen in Nordelbien. Band 1: 1945-1965, Kiel 2013, S. 66-69 oder auch Hartmut Ludwig, Eberhard Röhm (Hrsg.), Evangelisch getauft – als >Juden< verfolgt. Theologen jüdischer Herkunft in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 2014. 3. Nachkrieg: Zwar wird kritisch Wilhelm Halfmanns Einsatz für verurteilte Kriegsverbrecher benannt, unerwähnt bleibt, dass Halfmann die Leitung der landeskirchlichen Pressearbeit zwei ehemaligen Angehörigen des Sicherheitsdienstes der SS übertrug: Erst Prof. Dr. Hans-Joachim Beyer ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Joachim_Beyer S. Linck, Neue Anfänge? Bd. 1, S. 128-139), dann Wolfgang Baader (ebd., insb. S. 285-287). Der latente Antisemitismus beider erklärt bspw. den angedeuteten Konflikt zwischen Wilhelm Halfmann und Pastor Johann Haar. Ein antisemitischer Übergriff auf Haar am 9.11.1959 war der Auslöser der geschilderten Kontroverse um Halfmanns Schrift „Die Kirche und der Jude“ 1960. Der ehemalige SD-Mann Wolfgang Baader verhinderte als kirchlicher Pressechef, dass über diesen Vorfall berichtet wurde. Erst nach Einstellung der Ermittlungen gab Baader eine Presserklärung heraus (datiert auf den 20. April!) mit der Information: „Pastor Johann Haar –Pellworm - ist Vierteljude und Sozialdemokrat.“ S. Linck, Neue Anfänge? Bd. 1, S. 216-221, hier: S. 221. 4. Die Kontroverse um Halfmanns Schrift 1960 und seine erfolgte Distanzierung wird beschrieben. Nicht erwähnt wird, dass er nach Ende der Kontroverse in einem Privat-brief gegenüber dem emeritierten Missionsdirektor Detlef Bracker ausdrücklich seine antisemitischen Denkmuster bestätigte: „Was Sie in Ihrem ‚offenen Wort’ als sozusagen christliche Selbstverständlichkeiten ansprechen: ‚Abscheu’ und ‚feindlicher Hass’ seitens der Juden, vor allem das ‚Verstockungsgericht’, weiter die ‚Gefahr des jüdi-schen Volkes’ für das deutsche, die ‚antichristliche Beeinflussung’ der deutschen Ar-beiter durch jüdischen Einfluss – das sind alles Dinge, die Sie heute in der Öffentlichkeit nicht sagen können, ohne dass ein fürchterliches Geschrei erhoben wird. Denn das gilt heute als Ausdruck von uraltem christlichen Antisemitismus und schwerer historischer Schuld der Kirche. Dabei sind alle diese Urteile richtig, in der Bibel gegründet, in der Kirchengeschichte und volksgeschichtlich bestätigt; ich stimme Ihnen voll zu. Aber es gibt Zeiten, wo man auch Dinge, die wahr sind, nicht sagen kann, ohne die Gefahr verhängnisvollster Missverständnisse heraufzubeschwören.“ Zitiert bei Linck, Neue Anfänge?, Bd. 1, S. 228. 5. Prägende Gestalt der Kieler Theologischen Fakultät nach 1945 war der ehemalige Na-tionalsozialist und Mitarbeiter am Eisenacher „Entjudungsinstitut“, Martin Redeker https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Redeker . Seine fehlende Entlassung war der Grund, dass die BK-Theologen Kurt Dietrich Schmidt https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Dietrich_Schmidt und Volkmar Herntrich https://de.wikipedia.org/wiki/Volkmar_Herntrich nach 1945 nicht an die Kieler Uni-versität zurückkehrten. Redeker, dem der Landesbruderrat der BK 1947 noch Be-kenntniswidrigkeit vorgeworfen hatte, und der 1955 aufgrund antisemitischer Äuße-rungen auf das Rektorenamt der Uni Kiel verzichten musste, war zugleich ab 1954 Landtagsabgeordneter. 1958 setzte sich Halfmann in einem Schreiben an den Minis-terpräsidenten für Redekers Wiederwahl ein. Sowohl die Spannungen innerhalb der BK-Theologen nach 1945 als auch das enge Beziehungsgeflecht zwischen Kirchenlei-tung und Theologischer Fakultät sollten dargestellt werden, zumal es die Kieler Theo-logische Fakultät jahrzehntelang mied, sich kritisch mit der eigenen NS-Vergangenheit und antisemitischen Traditionen zu beschäftigen.

Zum Ausschluss „nichtarischer“ Christen und meiner „bösen Verleumdung“ Halfmanns (die in den drei Artikeln benannt wird): In den Wikipedia-Artikeln wird der Ausschluss der sog. „nichtarischen Christen“ 1942 aus der Landeskirche thematisiert und eine Äußerung von mir im NDR als üble Verleumdung Halfmanns charakterisiert. Zum Vorgang: 1941/42 schloss eine Minderzahl der evangelischen Landeskirchen, darunter die Schleswig-Holsteinische, ihre Mitglieder aus, die jüdischer Herkunft waren. Der Wikipedia-Autor übernimmt für den in Schleswig-Holstein vollzogenen Ausschluss der Christinnen und Christen jüdischer Herkunft den von Halfmann verwendeten Begriff einer „Sonderregelung“. Die „Sonderregelung“ bestand einzig darin, dass der von der Landeskirche aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassene Pastor Walter Auerbach namentlich genannt wurde als möglicher Seelsorger für die aus der Kirche Ausgeschlossenen. Der Selbstrechtfertigungsschrift Christian Kinders (der den Ausschluss als Kirchenamtspräsident verfügt hatte) und einer von Wilhelm Halfmann am 1.2.1947 unterschriebenen Erklärung zufolge geschah dies mit Billigung der schleswig-holsteinischen Bekennenden Kirche. Nachdem der Historiker Klauspeter Reumann ein Schriftstück des Bruderratsvorsitzenden Hans Treplin öffentlich machte, habe ich meine Darstellung dahingehend revidiert, dass mit der Erklärung Halfmanns lediglich seine Billigung des Ausschlusses der Christen jüdischer Herkunft belegt ist. S. Linck, Neue Anfänge? Bd 2, S. 62-63. Meine Äußerung im Fernsehbeitrag ließ den Eindruck zu, Wilhelm Halfmann habe 1942 seine Billigung schriftlich gegeben. Richtig ist, dass er 1947 in einem von ihm unterschriebenen Schriftstück bestätigte, den Vorgang gebilligt zu haben. Zur Einordnung: Im Februar 1942 wurden Christinnen und Christen aus der schleswig-holsteinischen Landeskirche ausgeschlossen einzig, weil sie jüdischer Herkunft waren. Dieser Sachverhalt ändert sich nicht dadurch, dass ihnen mitgeteilt wurde, sie könnten sich von einem aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassenen Pastors seelsorgerlich betreuen lassen. Mit diesem Ausschluss ging die schleswig-holsteinische Landeskirche den Weg einer Minderzahl radikal antisemitischer Landeskirchen. Dieser Vorgang ist bemerkenswert, weil er vollzogen wurde, nachdem die ohnehin entrechteten Gemeindeglieder jüdischer Herkunft mit einem Judenstern öffentlich stigmatisiert wurden und nachdem ihre Deportationen „in den Osten“ begonnen hatten und nachdem (nicht nur) Wilhelm Halfmann erfahren hatte, dass dort Massenmorde an Juden begonnen hatten. Ein derartiger Vorgang darf nicht relativiert werden. Und dies sollte auch nicht auf Wikipedia geschehen. Stephan Linck, 15.6.2020 (nicht signierter Beitrag von 2A02:8108:500:4B6:2829:6021:59F6:6496 (Diskussion) 11:41, 15. Jun. 2020 (CEST))Beantworten

Der Vorgang des Ausschlusses aus der Landeskirche als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wird m.E. nicht richtig verstanden. Das Behalten der Getauften jüdischen Ursprungs hätte damals für die Landeskirche den Verlust der Körperschaftsrechte nach sich gezogen. Das wollte der Jurist Kinder verhindern und ermöglichte den Getauften jüdischen Ursprungs einen freikirchlichen Status. Eine Heldentat ist das nicht, aber ein Kompromiss, der die Geltung der Taufe nicht anrührt. Das Ausscheiden aus einer Landeskirche mit Körperschaftsrechten und Übergang in eine Freikirche ohne Körperschaftsrechte tangiert die Geltung der Taufe nicht. Gegenteilige Behauptungen sind falsch. Dass eine andere Verteidigung der zum Tragen eines Judensterns gezwungenen Mitbürger angemessen gewesen wäre, ist eine andere Frage. Das Versagen an dieser Stelle hat ja auch nach dem Krieg zu den jeweiligen Schulderklärungen geführt, nicht deutlicher für die Juden eingetreten zu sein. Reinhart Staats äußerste sich dazu 2004 mit einer Bemerkung zu Hans Asmussen: "Nicht der deutsche moralische Perfektionismus mit seinen rhetorischen Superlativen, sondern die ehrlichen Komparative Asmussens verdienen unseren Respekt." (Staats: Protestanten in der deutschen Geschichte, 2004, S. 72) --Egonist (Diskussion) 08:56, 11. Apr. 2022 (CEST)Beantworten