Bernhard Rössner

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Bernhard Rössner (* 15. Oktober 1946 in München; auch Bernd Rößner) ist ein ehemaliges Mitglied der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF).[1][2][3][4] Er wird der zweiten Generation zugerechnet, war 1975 an der Geiselnahme von Stockholm beteiligt und wurde 1977 unter anderem wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 1994 wurde er begnadigt.

Bis 1974 absolvierte Bernhard Rössner eine Ausbildung im Frankfurter Bühnenstudio Heidi Höpfner für Pantomime, Improvisation und Etüden. Er brach diese Ausbildung ab. Im April 1973 nahm Rössner gemeinsam mit den späteren RAF-Mitgliedern Karl-Heinz Dellwo, Christine Dümlein, Wolfgang Beer und Christa Eckes an der Besetzung des Hauses Ekhofstraße 39 in Hamburg teil. Die Besetzung, die sich als Protest gegen Mietwucher und Gebäudeabriss mit der Forderung nach sozialem Wohnraum verstand, wurde auch von Susanne Albrecht unterstützt, die später mit Rössner, Karl-Heinz Dellwo und Christine Dümlein für kurze Zeit zusammenwohnte.[5] Am 23. Mai 1973 wurde die Besetzung von der Polizei gewaltsam beendet und Rössner zusammen mit anderen Besetzern kurzzeitig inhaftiert. Es bildete sich ein Komitee zur Unterstützung der Festgenommenen. Ein Teil der Angehörigen dieses Komitees schloss sich 1974 dem Hamburger Komitee gegen die Folter an den politischen Gefangenen in der BRD an, darunter auch Bernd Rössner.[6] Am 13. September 1974 begann der dritte Hungerstreik von RAF-Gefangenen, der bis zum 5. Februar 1975 andauerte. Nach dem Tod des am Hungerstreik beteiligten Holger Meins am 9. November 1974 setzten sich Rössner und Dellwo vom Komitee ab und gingen in die Illegalität.[7]

Am 24. April 1975 war Rössner zusammen mit Dellwo an der Geiselnahme von Stockholm beteiligt. Rössner wurde später verdächtigt, dabei zwei Geiseln, den Wirtschaftsattaché Heinz Hillegaart und den Militärattaché Oberstleutnant Andreas von Mirbach, ermordet zu haben. Die Geiselnahme endete mit der Explosion einer von den Geiselnehmern angebrachten Sprengladung, deren Ursache ungeklärt blieb und die das Gebäude in Brand setzte.

Rössner wurde verhaftet und kurze Zeit später an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Am 20. Juli 1977 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft. Im sogenannten Deutschen Herbst versuchte die RAF, Rössner und andere Gefangene durch die Schleyer-Entführung freizupressen. Rössner blieb in Haft. Er nahm an mehreren Hungerstreiks teil. Während seiner Haftzeit erkrankte Rössner lebensgefährlich. Seine Haftbedingungen bis in die 1990er-Jahre bezeichneten er und seine Anwälte als Isolation. Der zehnte Hungerstreik von 47 RAF-Gefangenen vom 1. Februar bis zum 12. Mai 1989 war unter anderem mit der Forderung verbunden, Bernd Rössner zu entlassen, weil die gesundheitliche „Wiederherstellung […] unter Gefängnisbedingungen ausgeschlossen ist.“[8] Im Herbst 1992 wurde dem schwerkranken Rössner von der damaligen Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger 18 Monate Strafaufschub gewährt. Im Frühling 1994 wurde er vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker begnadigt. In einem ZDF-Interview sprach Rössner 2007 von einem Krieg, in dem es eben Opfer gebe. Von seinen Taten distanzierte er sich nicht.[9]

  • Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex. Hoffmann & Campe, Hamburg 2005, ISBN 3-455-09516-X.
  • Dokumentation zu den Haftbedingungen der Gefangenen aus der RAF und aus dem Widerstand. März 1985. Herausgegeben von den Anwältinnen und Anwälten Dieter Adler, Elard Biskamp u. a. Eigenverlag, Hannover 1985.
  • Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus. Edition Hamburg, Hamburg 2006, ISBN 3-936096-65-1.
  • Butz Peters: RAF – Terrorismus in Deutschland. Droemer Knaur, München 1993, ISBN 3-426-80019-5.
  • Butz Peters: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF. Argon-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-87024-673-1.
  • Tobias Wunschik: Baader-Meinhofs Kinder. Die zweite Generation der RAF. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, ISBN 3-531-13088-9

Einzelnachweise

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  1. Hintergrund: Noch fünf zu lebenslang verurteilte RAF-Terroristen in Haft. In: n-tv.de. 26. Februar 2002, abgerufen am 10. Februar 2024.
  2. Die RAF erweist den inhaftierten Terroristen einen schlechten Dienst: Warten auf einen Brief. In: Die Zeit. Nr. 14, 1993 (zeit.de).
  3. Nikolaus von Festenberg und Paul Lersch: Wenn die Hände sprechen. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1999 (online).
  4. Mindestens 27 Terroristen kamen vorzeitig frei (Memento vom 3. Juli 2015 im Internet Archive)
  5. Klaus Fitschen: Die Politisierung des Protestantismus: Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland während der 1960er und 70er Jahre, Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, S. 78 [1]
  6. Tobias Wunschik: Baader-Meinhofs Kinder. Die zweite Generation der RAF. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, ISBN 3-531-13088-9, S. 212
  7. Tobias Wunschik: Baader-Meinhofs Kinder. Die zweite Generation der RAF. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, ISBN 3-531-13088-9, S. 209
  8. Hungerstreikerklärung für die Gefangenen aus der RAF von Helmut Pohl am 1. Februar 1989, zit. n. Butz Peters: RAF – Terrorismus in Deutschland. Droemer Knaur, München 1993, ISBN 3-426-80019-5, S. 374
  9. Bernhard Rössner in einem Interview mit dem ZDF, ausgestrahlt in ZDF-History, RAF, Folge 3 am 27. Mai 2007