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Britische Unterhauswahl Januar 1910

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1906Unterhauswahl
Januar 1910
Dez 1910
(in %)[1]
 %
50
40
30
20
10
0
46,8
43,5
7,0
1,2
1,5
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1906
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   4
   2
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  −6
+3,4
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+2,2
+0,6
−0,8
40
274
71
13
272
40 274 71 13 272 
Insgesamt 670 Sitze

Die britische Unterhauswahl im Januar 1910 fand vom 15. Januar bis 10. Februar 1910 statt.[2] Gewählt wurden die 670 Abgeordneten des Unterhauses (House of Commons). Die Wahl fand auf dem Höhepunkt eines Verfassungskonflikts zwischen Unter- und Oberhaus statt.

Die vorangegangene Unterhauswahl 1906 hatte zu einem eindeutigen Wahlsieg der Liberalen geführt. Premierminister Henry Campbell-Bannerman, der kurz zuvor ins Amt gelangt war, nahm mit seiner Regierung ein umfangreiches Programm in Angriff, das den Umbau des Vereinigten Königreichs in einen Sozialstaat und den Umbau des Britischen Empires in ein Commonwealth einleitete. 1908 wurde der 8-Stunden-Arbeitstag für Bergarbeiter und eine allgemeine Rentenversicherung eingeführt.[3][4] Die Regierung wurde in ihren Gesetzgebungsvorhaben im Unterhaus überwiegend auch von den irischen Home Rulern (Irish Parliamentary Party und All-for-Ireland League) sowie den verschiedenen Labour-Abgeordneten unterstützt, jedoch stieß sie auf konstante Opposition im Oberhaus, in dem die Konservativen eine solide Mehrheit hatten.

David Lloyd George (links) und Winston Churchill (damals Partei­gänger der Liberalen und Unter­staats­sekretär für die Kolonien) im Jahr 1907

1908 übernahm Schatzkanzler Herbert Henry Asquith den Vorsitz der Liberalen und das Amt des Premierministers vom erkrankten Henry Campbell-Bannerman. Nachfolger im Amt des Schatzkanzlers wurde David Lloyd George. Im Jahr 1909 stand die Regierung vor großen finanzpolitischen Herausforderungen. Der Bau von Schlachtschiffen im Flottenwettrüsten mit dem Deutschen Reich erforderte Mehrausgaben von 15 Millionen Pfund. Der neue Schatzkanzler nutzte die finanzielle Zwangslage um einen grundlegenden Umbau des Steuersystems vorzunehmen. Das 1909 von ihm vorgelegte people’s budget („Volksbudget“) sah eine gestaffelte Einkommenssteuer und zahlreiche neue „Luxussteuern“, beispielsweise auf Automobile, vor. Beides belastete ganz überwiegend die Wohlhabenden. Am 4. November 1909 wurde der Budgetentwurf mit 379 gegen 149 Stimmen im Unterhaus angenommen. Das Oberhaus lehnte den Gesetzesentwurf am 30. November 1909 in zweiter Lesung mit 350 zu 75 Stimmen ab. Dies stellte eine neue Situation dar, da seit dem Jahr 1860, in dem zum ersten Mal ein Gesamt-Budget vorgelegt worden war, der unausgesprochene Grundsatz gegolten hatte, dass das Oberhaus die Beschlüsse des Unterhauses in diesem Punkt nicht in Frage stellen würde. Auf Initiative von Premierminister Asquith reagierte das Unterhaus mit einer Entschließung, die mit 349 zu 142 Stimmen am 2. Dezember 1909 angenommen wurde und in der die Handlung des Oberhauses als Verfassungsbruch und Usurpation bezeichnet wurde.[5][6] Im Dezember 1909 bat Premierminister Asquith daraufhin König Edward VII. um Auflösung des Parlaments und Neuwahlen wurden ausgeschrieben.

Wahlsystem und Parteien

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Gewählt wurde nach dem relativen Mehrheitswahl-System in 661 einzelnen Wahlkreisen. Neun weitere Abgeordnete wurden durch Universitäten gewählt. 460 Wahlkreise lagen in England, 30 in Wales, 70 in Schottland und 101 in Irland. Damit war insbesondere Irland deutlich überrepräsentiert und England unterrepräsentiert, und zwar sowohl bezogen auf die Gesamtbevölkerung, als auch auf die männlichen Wähler und die männlichen Wahlberechtigten. Eine streng proportionale Wahlkreiszuteilung hätte für Irland nur zwischen 59 und 67 und für England zwischen 498 und 505 Wahlkreise erbracht. Die Zahl der Wähler und Wahlberechtigten je Wahlkreis war sehr unterschiedlich. Die 12 Wahlkreise mit der geringsten Zahl der Wahlberechtigten hatten zwischen 3050 und 3986 Wahlberechtigte (am geringsten: Whitehaven in Nordwestengland), und die 12 Wahlkreise mit der größten Zahl an Wahlberechtigten hatten zwischen 25.667 und 52.984 (am meisten: Romford, heute Teil Londons).[7] Personen, die auf öffentliche Armenunterstützung angewiesen waren (paupers, im Jahr 1907 4,8 % der Bevölkerung, etwa 472.000) waren nicht wahlberechtigt, ebenso wenig Bedienstete (male domestic servants, ca. 250.320 Personen).[7]

Insgesamt traten 1.315 Kandidaten an, davon 75 ohne Gegenkandidat (6 in England, 63 in Irland und 6 in Universitätswahlkreisen).[7] Die meisten davon, 55, gehörten der Irish Parliamentary Party an, 19 den Konservativen und je einer den Liberal Unionists und den Liberalen.[1] Die verbliebenen 1.240 Kandidaten verteilten sich auf 571 Wahlkreise, in denen 595 Abgeordnete gewählt wurden. Davon waren 24 Zwei-Personen-Wahlkreise und 547 Ein-Personen-Wahlkreise.

Im Wahlregister vom 1. Januar 1910 waren 7.695.717 männliche Personen, die das Alter von 21 Jahren erreicht hatten, enthalten (bei einer Gesamtbevölkerung des Vereinigten Königreichs von damals 45.240.000). Ein erheblicher Teil der erwachsenen männlichen Bevölkerung war jedoch nicht in den Wahlregistern aufgenommen. Dies waren in England und Wales etwa 34,1 %, in Schottland etwa 37,8 % und in Irland etwa 43,1 %. Eine Besonderheit des Wahlrechts war außerdem, dass die in den Wahlregistern aufgenommenen „Personen“ nicht identisch waren mit den tatsächlichen Wählern. Geschätzt etwa 708.486 Personen konnten zumindest prinzipiell in mehr als einem Wahlkreis wählen, weil sie beispielsweise Land in verschiedenen Wahlkreisen besaßen (608.270 Landeigentümer, 52.062 sogenannte Freemen, Freeholders etc.) oder ein zusätzliches Wahlrecht in einem Universitätswahlkreis innehatten (48.154 Universitätsangehörige). Die tatsächliche Zahl der Mehrfachwähler wurde deutlich niedriger geschätzt (auf ca. 450.000), da beispielsweise Freemen etc. nur dann das Wahlrecht einfordern konnten, wenn sie ihren Wohnsitz innerhalb von sieben Meilen vom Ort der Registratur hatten. Unter Abzug der Doppeltwähler konnten damit etwa 4.665.000 männliche Erwachsene, die prinzipiell wahlberechtigt gewesen wären, nicht an der Wahl teilnehmen, weil sie nicht registriert waren.[7]

Wahlkreisgewinner bei der Wahl. Die meisten Wahlkreise waren Ein-Personenwahlkreise, in einigen wurden jedoch zwei Kandidaten gewählt. Dies ist durch hellere/dunklere Farben bzw. Schraffuren (bei Kandidaten von zwei unterschiedlichen Parteien) deutlich gemacht:
 Liberale: 274
 Konservative: 240[A 1]
 Irish Parliamentary Party: 71
Liberale Unionisten: 32[A 1]
Unabhängige Unionisten: 1
All-for-Ireland League: 8
Unabhängige (irische) Nationalisten: 3
Labour: 40
Unabhängiger Liberaler: 1
Isle of Man (keine Wahl)

  1. a b Die Liberalen Unionisten schlossen sich im Unterhaus der konservativen Fraktion an. Ihre Zahl wird in verschiedenen Quellen unterschiedlich angegeben.

Die Wahlbeteiligung betrug 86,8 % und lag damit höher als die aller vorangegangenen Wahlen.

Partei Kandidaten Stimmen Sitze
Gesamt ohne
Gegen-
kandidat
Anzahl % +/− Anzahl +/−
  Conservative Party und liberale Unionisten 594 19 3.104.407 46,8 +3,4 272 +116
  Liberal Party 511 1 2.866.157 43,5 −5,9 274 −125
  Labour Party 78 0 505.657 7,0 +2,2 40 +11
  Irische Nationalisten 105 55 126.647 1,9 +1,2 82 ±0
  Sonstige 27 0 64.532 0,8 −0,9 2 −2
Gesamt 1315 75 6.667.400 100,0 670

Unter den 272 gewählten Konservativen befanden sich etwa 32 liberale Unionisten und unter den 82 gewählten irischen Nationalisten 11 unabhängige irische Nationalisten bzw. Angehörige der All-for-Ireland League. Unter den 27 angetretenen unabhängigen Kandidaten waren drei Angehörige der Social Democratic Federation, und ein Kandidat der Scottish Prohibition Party. Die beiden gewählten Unabhängigen waren Archibald C. Corbett (Glasgow, unabh. Liberaler) und Samuel Storey (Sunderland, unabh. Kons.).[8]

Landesteile und Universitäten

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Partei Kandidaten Stimmen Sitze
Gesamt ohne
Gegen-
kandidat
Anzahl % +/− Anzahl +/−
England
  Conservative Party und liberale Unionisten 453 5 2.645.914 49,3 +5,0 233 +111
  Liberal Party 405 1 2.291.062 43,0 −6,0 188 −118
  Labour Party 62 0 403.358 6,9 +1,6 33 +7
  Irische Nationalisten 1 1 2.943 0,1 ±0,0 1 ±0
  Sonstige 19 0 44.768 0,7 −0,6 1 ±0
Gesamt 940 6 5.388.045 100,0 456
Wales
  Conservative Party und liberale Unionisten 33 0 116.769 31,9 −1,9 2 +2
  Liberal Party 29 0 195.288 52,3 −7,9 27 −5
  Labour Party 5 0 60.496 14,9 +11,4 5 +4
  Sonstige 2 0 5.090 0,9 −1,6 0 −1
Gesamt 69 0 377.643 100,0 34
Schottland
  Conservative Party und liberale Unionisten 70 0 260.033 39,6 +1,4 9 −1
  Liberal Party 68 0 354.847 54,2 −2,2 58 ±0
  Labour Party 10 0 37.852 5,1 +2,8 2 ±0
  Sonstige 4 0 7.710 1,1 −2,0 1 +1
Gesamt 152 0 660.442 100,0 70
Irland
  Conservative Party und liberale Unionisten 29 8 68.982 32,7 −14,3 19 +4
  Liberal Party 7 0 20.339 9,6 −10,1 1 −2
  Labour Party 1 0 3.951 1,9 +0,4 0 ±0
  Irische Nationalisten 104 55 123.704 54,1 +30,2 81 ±0
  Sonstige 1 0 3.553 1,7 −4,3 0 −2
Gesamt 142 63 220.529 100,0 101
Universitäten
  Conservative Party und liberale Unionisten 9 6 12.709 61,3 +0,7 9 ±0
  Liberal Party 2 0 4.621 22,3 +2,9 0 ±0
  Sonstige 1 0 3.411 16,4 −3,6 0 ±0
Gesamt 12 6 20.741 100,0 9

Bewertung des Wahlergebnisses und die Folgen

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Die Wahl führte zu einem hung parliament mit einem Patt zwischen der Konservativen Partei und der Liberalen Partei. Asquith bildete daraufhin mit Unterstützung der Irish Parliamentary Party eine Regierung. Die Blockade des Haushalts durch das Oberhaus konnte nicht überwunden werden und so bat Asquith König Georg V. im November 1910 um Auflösung des Unterhauses und Neuwahlen im Dezember.

Einzelnachweise

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  1. a b General Election Results 1885-1979 (Memento des Originals vom 30. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.election.demon.co.uk United Kingdom Election Results (englisch)
  2. Isobel White, Mary Durkin: General Election Dates 1832-2005. (pdf) House of Commons Library, 16. September 2007, abgerufen am 24. Juni 2023 (englisch).
  3. Coal Mines Regulation Act 1908. In: legislation.gov.uk. 1908, abgerufen am 16. Oktober 2021 (englisch).
  4. Old Age Pensions Act 1908. In: House of Commons Library. 1908, abgerufen am 16. Oktober 2021 (englisch).
  5. Kurt Kluxen: Geschichte Englands. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 2. Aufl. 1976, ISBN 3-520-37402-1, S. 675–683 (Kapitel „Die Vorweltkriegszeit: 1. Der Übergang zur Sozialen Demokratie 1902–1911“).
  6. HOUSE OF LORDS (REFUSAL TO PASS FINANCE BILL). In: Hansard. 2. Dezember 1909, abgerufen am 16. Oktober 2021 (englisch).
  7. a b c d S. Rosenbaum: The General Election of January, 1910, and the Bearing of the Results on Some Problems of Representation. In: Royal Statistical Society (Hrsg.): Journal of the Royal Statistical Society. Band 73, Nr. 5, Mai 1910, S. 473–528, doi:10.2307/2340171, JSTOR:2340171 (englisch).
  8. Colin Rallings, Michael Thrasher: British Electoral Facts 1832-2006. Taylor & Francis, 2007, ISBN 978-0-7546-2712-8, S. 18 (englisch).