Ethylendiamintetraessigsäure

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Strukturformel
Strukturformel von Ethylendiamintetraessigsäure
Allgemeines
Freiname Edetinsäure
Andere Namen
  • Ethylendinitrilotetraessigsäure
  • Ethylendiamintetraethansäure
  • Titriplex® II
  • Trilon® B
  • Idranal® II
  • Chelaplex II
  • EDTA
  • EDTA (INCI)[1]
  • EDTAH4
Summenformel C10H16N2O8
Kurzbeschreibung

farbloser Feststoff[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 60-00-4
EG-Nummer 200-449-4
ECHA-InfoCard 100.000.409
PubChem 6049
ChemSpider 5826
DrugBank DB00974
Wikidata Q408032
Arzneistoffangaben
ATC-Code

V03AB03

Eigenschaften
Molare Masse 292,24 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,46 g·cm−3 (20 °C)[3]

Schmelzpunkt

245 °C (Zersetzung)[4][3]

pKS-Wert
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[6] ggf. erweitert[3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 319​‐​332​‐​373
P: 280​‐​304+340​‐​312​‐​305+351+338​‐​337+313[3]
Toxikologische Daten

4500 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Ethylendiamintetraessigsäure bzw. Ethylendiamintetraacetat, das Tetraanion der Ethylendiamintetraessigsäure, ist ein sechszähniger Komplexbildner und bildet besonders stabile 1:1-Chelatkomplexe mit Kationen mit einer Ladungszahl von mindestens +2. Die Abkürzung EDTA steht sowohl für die deutsche Bezeichnung Ethylendiamintetraacetat als auch für die englische Bezeichnung Ethylenediaminetetraacetic acid. Pionierarbeit zu EDTA leistete Gerold Schwarzenbach in den 1940er-Jahren an der Universität Zürich. Die Erstsynthese von EDTA gelang 1935 Ferdinand Münz bei der IG Farben[7], der ein Verfahren hierzu auch patentieren ließ.[8]

EDTA-Metallion-Chelatkomplex

Das Ethylendiamintetraessigsäure-Anion kann neben den beiden freien Elektronenpaaren der Stickstoffatome auch vier Carboxygruppen für eine Komplexverbindung zur Verfügung stellen, es kann sich also 6-fach an ein Kation binden. Auf diese Weise vermag es, sehr stabile Komplexe auch mit solchen Kationen zu bilden, die, wie beispielsweise Calcium, eine äußerst geringe Tendenz zur Bildung von Komplexen haben. Komplexe dieser Art bezeichnet man auch als Chelatkomplexe, von lateinisch Chela bzw. griechisch Chele, Krebsschere. EDTA bildet besonders stabile Komplexe mit Cu2+, Ni2+, Fe3+ und Co2+. In saurem pH-Wert liegt EDTA in verschiedenen Säureformen vor, die weniger dissoziiert sind. Die Säure löst sich daher langsam, vor allem bei niedrigem pH-Wert, die Salze sind dagegen sehr schnell in Wasser löslich. In Fetten ist EDTA nicht löslich. Die pKS-Werte sind je nach Quelle 0,26, 0,96, 2,60 und 2,76 (für die Deprotonierung der vier Carboxygruppen)[5] beziehungsweise 0, 1,5, 2 und 2,66 (für die Deprotonierung der vier Carboxygruppen) sowie 6,16 und 10,24 (für die Protonierung der zwei Aminogruppen).[9]

Durch die Strecker-Synthese von Formaldehyd und Blausäure mit Ethylendiamin über das Tetranitril und anschließender alkalischer Hydrolyse.[10]

EDTA ist einer der am häufigsten verwendeten Komplexbildner. 1999 wurden in Europa rund 35.000 Tonnen, in den USA 50.000 Tonnen verbraucht.

Neben der freien Säure werden vielfach auch deren Salze verwendet:

  • Dinatrium-ethylendiamin-tetraacetat (Na2H2EDTA, Natriumedetat, INS 386)
  • Tetranatrium-ethylendiamin-tetraacetat (Na4EDTA)
  • Calcium-dinatrium-ethylendiamin-tetraacetat (CaNa2EDTA, E 385)

Die wichtigsten Anwendungen von EDTA und deren Salzen sind

  • Detergenzien: EDTA ist in vielen Wasch- und Reinigungsmitteln zur Bindung von Ca2+- und Mg2+-Ionen (Enthärtung) enthalten (es sollte aber nicht mit dem auch dort eingesetzten TAED verwechselt werden).
  • Industrielle Reinigung: Komplexierung zweiwertiger Kationen wie Ca2+ und Mg2+ sowie einiger Schwermetallionen
  • Photoindustrie: FeIII-EDTA ist ein wichtiger Bestandteil (Oxidationsmittel für das metallische Silber) in der Farbentwicklung.
  • Papierindustrie: Zur Komplexierung von Fe3+- und Mn2+-Ionen, die bei der chlorfreien Bleiche das Wasserstoffperoxid zersetzen
  • Agrochemikalien: FeIII-, CuII- und ZnII-EDTA werden als Dünger verwendet, vor allem auf kalkhaltigen Böden (siehe dazu auch Hydrokulturdünger#Komplexbildner)
  • Konservierungsmittel: EDTA komplexiert zweiwertige Metallkationen, die für die Funktion vieler Enzyme essenziell sind. Die Vermehrung von Bakterien wird so unter anderem in Kontaktlinsen-Pflegemitteln verhindert.

Weitere Verwendungen von EDTA sind:

  • Textilindustrie: Stabilisierung von Bleichbädern
  • Kosmetika: als Konservierungsstoff und um Verfärbungen durch Metalle in klaren Produkten zu vermeiden.
  • Medizin: Behandlung von Metallvergiftungen, siehe Chelat-Therapie. Umstritten ist alternativmedizinische Chelat-Therapie, bei der EDTA injiziert wird, um den Körper zu „reinigen“. In der diagnostischen Medizin wird EDTA als Calciumchelator eingesetzt und dient der Antikoagulation von Blutproben.
  • In der Zahnmedizin verwendet man EDTA-Lösungen bei Wurzelkanalbehandlungen, um die bei der Aufbereitung des Wurzelkanales entstehende Schmierschicht zu entfernen und die Dentinkanälcheneingänge freizulegen.

Seine Calcium-Natriumsalze werden ebenfalls eingesetzt:

In der Chemie oder Biologie wird EDTA vielfach verwendet.

Strukturmodell von EDTA, das ein Cu2+-Ion komplexiert.
  • In der Analytischen Chemie (quantitative Analyse) wird EDTA als Komplexon / Titriplex II-Maßlösung dazu benutzt, in der Chelatometrie die Wasserhärte oder einzelne Metallionen wie Cu, Pb, Hg, Ca oder Mg quantitativ zu bestimmen. Auch das in Wasser besser lösliche Dinatriumsalz (Komplexon/Titriplex III) kann verwendet werden.
  • EDTA ist einer der Bestandteile der TAE- und TBE-Puffer, die unter anderem bei der Gelelektrophorese, etwa zur Trennung von DNA-Fragmenten, Verwendung finden.
  • Enzymlösungen werden oft mit EDTA versetzt, um der durch Schwermetallionen verursachten Hemmung der Enzymaktivität vorzubeugen.
  • Pflanzennährlösungen wird EDTA zugefügt, um eine Fällung des benötigten Eisens mit dem ebenfalls benötigten Phosphat als Eisenphosphat zu verhindern.
  • Bei der Abtötung gramnegativer Bakterien mit Lysozym wird EDTA zur Permeabilisierung der Außenmembran (plastische Schichte) hinzugegeben, teilweise auch bei einem Zellaufschluss.
  • Auch lassen sich Metalloproteasen durch Chelatbildner wie EDTA inhibieren. Durch die Chelatisierung der Metallionen aus dem Aktivzentrum von Metalloproteasen verlieren diese ihre katalytische Aktivität.

Biologische Abbaubarkeit, Toxikologie und Allergien

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EDTA und seine Metallkomplexe sind in der Abwasserreinigung nicht oder nur schlecht biologisch abbaubar. Durch Erhöhen des pH-Wertes und Verlängerung des Schlammalters kann jedoch eine weitgehende biologische Eliminierung von EDTA erreicht werden. Aus Klärschlamm, Sedimenten und Böden wurde eine Vielzahl von Mikroorganismen isoliert, die mit EDTA als alleiniger C- und N-Quelle wachsen können. Die Metallkomplexe von EDTA sind nicht oder nur sehr wenig toxisch für Organismen. EDTA vermag jedoch auch schwerlösliche Schwermetallsalze aus den Sedimenten zu lösen. Wenn das EDTA dann zerfällt, werden diese an der Oberfläche wieder frei.

Auch die Toxizität von EDTA für den Menschen ist sehr gering, sodass EDTA als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen ist. In sehr hohen Konzentrationen kann vor allem freies EDTA durch Bindung lebenswichtiger Metalle zu Störungen führen. Die in der Umwelt gemessenen Konzentrationen von EDTA sind für den Menschen unbedenklich. Gleichwohl kann es zu Stoffwechselbeeinträchtigungen oder (haut-)allergischen Reaktionen kommen.[12][13][14]

Es wurden bereits Bakterien zum Einsatz von biotechnologischen Verfahren zum Abbau von EDTA untersucht. Arten wie ''Chelativorans multitrophicus und Chelativorans oligotrophicus können EDTA-Verbindungen im Stoffwechsel nutzen und könnten für den Abbau von EDTA eingesetzt werden.[15]

Umweltverhalten

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EDTA gelangt fast ausschließlich über das Abwasser in die Umwelt. Da EDTA unter normalen Bedingungen nur sehr langsam abgebaut wird,[16] kann es in praktisch allen Wasserproben in niedrigen Konzentrationen nachgewiesen werden.[17] EDTA-Konzentrationen in Flüssen liegen zwischen 10 und 100 µg/l, in Seen zwischen 1 und 10 µg/l. Im Grundwasser und Uferfiltrat kann EDTA in Konzentrationen zwischen 1 und 100 µg/l gefunden werden. Bei neutralen pH-Werten ist die Adsorption von EDTA an Mineraloberflächen gering, was zu einer hohen Mobilität im Grundwasser führt. Lediglich der FeIII-EDTA-Komplex wird sehr schnell durch Sonnenlicht abgebaut. Dies ist der wichtigste Eliminationsprozess für EDTA in der Umwelt. EDTA wird während der Ozonisierung oder Chlorung von Trinkwasser nur unvollständig entfernt. Negative Umweltauswirkungen von EDTA haben wenig mit dessen spezifischer Toxizität zu tun, sondern vielmehr mit den komplexierenden Eigenschaften, die in Wechselwirkung mit anderen Stoffen (insbesondere Schwermetalle, Härtebildner und Mikronährstoffe), auftreten, diese beispielsweise aus dem Sediment lösen und so bioverfügbar machen können.[17]

Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt: „Im Sinne einer vorsorgenden Stoffpolitik sollten EDTA und auch andere schwer abbaubare Komplexbildner wie Diethylentriaminpentaessigsäure (DTPA) oder Propylendiamintetraessigsäure (PDTA) durch Stoffe ersetzt werden, die möglichst leicht abbaubar sind und somit in Kläranlagen entfernt werden können.“ Mögliche Ersatzstoffe sind Nitrilotriessigsäure (NTA) und ihre Natriumsalze, Citrate, Gluconate, β-Alanindiessigsäure-Natriumsalz (ADA), Methylglycindiessigsäure (MGDA), u. a.m.[18] In der Schweiz ist das Inverkehrbringen von Wasch- bzw. Reinigungs- und Desodorierungsmitteln mit einem Massengehalt von mehr als 0,5 % bzw. 1 % EDTA bzw. seiner Salze verboten.[19]

Wiktionary: Ethylendiamintetraessigsäure – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu EDTA in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 6. August 2020.
  2. a b c Eintrag zu Ethylendiamintetraessigsäure. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 29. September 2014.
  3. a b c d e Eintrag zu Ethylendiamintetraessigsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2020. (JavaScript erforderlich)
  4. Eintrag zu Edetic acid in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 11. Januar 2019. (Seite nicht mehr abrufbar)
  5. a b c d e Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und ihre Alkalisalze [MAK Value Documentation in German language, 2009]. In: MAK, 46. Lieferung, 2009, DOI:10.1002/3527600418.mb6000d0046. S. 1.
  6. Eintrag zu Edetic acid im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  7. Paolieri Matteo: Ferdinand Münz: EDTA and 40 years of inventions In: ACS Bulletin for the History of Chemistry. 42(2), 2017, S. 133–140.
  8. Patent US2130505A: Polyamino carboxylic acids and process of making same. Angemeldet am 3. April 1937, veröffentlicht am 20. September 1938, Anmelder: General Aniline Works Inc, Erfinder: Ferdinand Munz.
  9. Hans Peter Latscha: Analytische Chemie. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-18493-2, S. 303.
  10. Beyer/Walter: Lehrbuch der organischen Chemie, 19. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1981.
  11. Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 in der konsolidierten Fassung vom 31. Oktober 2022
  12. Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und ihre Alkalisalze MAK Value Documentation in German language, 2009
  13. Calcium-Dinatrium-EDTA auf codecheck.de
  14. EDTA-Allergie: Symptome Ursachen und Tipps.
  15. Nina V. Doronina, Elena N. Kaparullina, Yuri A. Trotsenko, Bernd Nörtemann, Margarete Bucheli-Witschel, Hans-Ueli Weilenmann und Thomas Egli: Chelativorans multitrophicus gen. nov., sp. nov. and Chelativorans oligotrophicus sp. nov., aerobic EDTA-degrading bacteria In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology (2010), Band 60, S. 1044–1051 doi:10.1099/ijs.0.003152-0
  16. Trinkwasserbericht Nordrhein-Westfalen 2008 des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen abgerufen am 27. Oktober 2019.
  17. a b Auswertungsbericht Komplexbildner der Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) 2012 abgerufen am 27. Oktober 2019.
  18. Umweltbundesamt: Chemikalienpolitik und Schadstoffe, REACH, Wasch- und Reinigungsmittel, Informationen für Verbraucher, Stand 10. August 2010, angegebene Quelle: Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e. V. (IKW), Februar 2000.
  19. Anhänge 2.1 und 2.2 Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, abgerufen am 15. Januar 2018.