Nackt und zerfleischt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Cannibal Holocaust)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Film
Titel Nackt und zerfleischt
Originaltitel Cannibal Holocaust
Produktionsland Italien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1980
Länge 96 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Ruggero Deodato
Drehbuch Gianfranco Clerici
Produktion Franco Di Nunzio,
Franco Palaggi
Musik Riz Ortolani
Kamera Sergio D’Offizi
Schnitt Vincenzo Tomassi
Besetzung
Synchronisation
Chronologie

Nackt und zerfleischt (Originaltitel: Cannibal Holocaust) ist ein dem Exploitation-Genre nahestehender Kannibalenfilm von Ruggero Deodato aus dem Jahr 1980.

Der Anthropologe Harold Monroe von der New York University reist an den Amazonas, um eine vermisste Gruppe von Dokumentarfilmern wiederzufinden: Alan Yates, Tina „Faye“ Daniels, Jack und Mark wollten dort eine Dokumentation über Kannibalen filmen. Monroe entdeckt bei den Yanomami die Kamera des Filmteams und gleich daneben die Überreste und Knochen der Leute. Wieder zuhause in New York sichtet er den Film und entdeckt dabei die grausame Wahrheit. Um besonders spannende und authentische Szenen zu bekommen, scheute das Filmteam nicht davor zurück, ein komplettes Dorf niederzubrennen und dabei den Tod vieler Eingeborener in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus filmte das Team die Vergewaltigung einer Eingeborenen durch die drei Männer der Crew. Ihr Leichnam wird später gepfählt aufgefunden – laut dem Filmteam hätten die Eingeborenen sie wegen ihrer verlorenen Jungfräulichkeit getötet. Trotz des Protests von Seiten Monroes will der produzierende Fernsehsender die Aufnahmen in einer Dokumentation verwenden, wovon erst abgesehen wird, nachdem die Verantwortlichen selber die grausamen Schlussszenen vorgeführt bekommen, in denen die Mitglieder der Filmcrew von den aufgebrachten Eingeborenen gefangen und regelrecht zerfleischt werden. Hierbei ist es dem Regisseur Alan sogar egal, dass sie seine Frau vergewaltigen und dann ausweiden. Er hält mit seiner Kamera auf dieses Ereignis. Am Ende sind alle vier tot und der Filmvorführer erhält den Auftrag, das komplette Material zu vernichten. Mit den Worten: „I wonder who the real cannibals are?“, („Ich frage mich, wer die echten Kannibalen sind.“) verlässt der Professor das Gebäude, um dann im Großstadtdschungel unterzutauchen.

Synchronisation

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rolle Darsteller Synchronsprecher[1]
Professor Harold Monroe Robert Kerman Erich Ebert
Alan Yates Carl Gabriel Yorke Ivar Combrinck
Mark Tomaso Luca Barbareschi Michael Ande
Faye Daniels Francesca Ciardi Christina Hoeltel
Jack Anders Perry Pirkanen Manfred Seipold

Nackt und zerfleischt wird oft als Höhepunkt des Kannibalen- oder Mondo-Films betrachtet. Deodato inszenierte sein Werk teilweise in einem realistisch anmutenden Dokumentationsstil, und es besitzt, im Vergleich zu anderen Filmen des Genres, sogar eine schlüssige Handlung. Zudem thematisiert Deodato ein – wenn auch paradoxes – politisches Anliegen: Trotz seiner eigenen reißerischen Blutrünstigkeit schwingt sich der Film zur moralischen Kritik an der Sensationslust der Massenmedien auf. Des Weiteren sollen die vom Filmteam verübten Gräueltaten ein Verweis darauf sein, wie leicht der Damm aus Kultur und Zivilisation bricht. Gerade die Schlussbemerkung des Professors ist somit für die Selbstrechtfertigung des Films ungemein wichtig, da der darin enthaltene Hinweis auf die Verrohtheit des modernen, zivilisierten Menschen dem Film einen, wenn auch oberflächlichen, sozialkritischen Anstrich verpassen soll.

Die italienische Berichterstattung über die Roten Brigaden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deodato zog Parallelen zwischen der Berichterstattung über die Roten Brigaden durch die italienischen Medien, die seiner Meinung nach journalistische Integrität und Ethik vermissen ließen, und dem Gebaren des Kamerateams in seinem Film; insbesondere seien gewisse Szenen in den Nachrichten gestellt gewesen.[2]

Jacopetti und Prosperi – Mondo

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Deodato wurde als Anspielung auf das Schaffen des Mondo-Regisseurs Gualtiero Jacopetti der fiktive Film „The Last Road to Hell“, welcher Videomaterial von echten Hinrichtungen beinhaltet, als eine vermeintliche Vorgängerdokumentation des Filmteams aus Cannibal Holocaust eingefügt.[2] Nach Riz Ortolani, der die Musik für Cannibal Holocaust komponierte und von Deodato wegen seiner Arbeit für Jacopettis Mondo Cane engagiert wurde, stellt der Film in gewisser Weise eine Hommage an die Filme des Regieduos Jacopetti und Prosperi dar.[3]

In vielen Ländern trafen den stellenweise außerordentlich brutalen Film Zensurmaßnahmen, Indizierungen oder Beschlagnahmungen, unter anderem auch in Deutschland. Selbst innerhalb der Horrorfilm-Fangemeinde kam Kritik an den im Kannibalengenre verbreiteten realen Tiertötungen auf. Deodatos Aussage zufolge wurden diese anschließend vom Filmteam oder den Eingeborenen gegessen.

Auch wurde Deodato bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung vorgeworfen, es handle sich um einen Snuff-Film, für dessen Umsetzung angeblich Menschen zu Tode gekommen seien, bzw. echte Menschenleichen verwendet wurden. Insbesondere die Szene, in der eine Frau angeblich gepfählt wurde, brachte ihm eine Mordanklage einschließlich Gerichtsverhandlung ein und machte den Film zu einem der umstrittensten Werke der damaligen Zeit.[4] Tatsächlich wurde die Pfählungsszene mittels eines Baumstammes umgesetzt, an dessen Ende sich ein Fahrradsattel befand. Der Darstellerin wurde dann symmetrisch zum „Unterstamm“ ein Ast aus „Weichholz“ in den Mund gesteckt.

In über 40 Ländern wurde der Film verboten. In England ist er seit 2001 als DVD für private Nutzung erhältlich.[4]

In Deutschland sind bis heute alle Versionen des Films aufgrund § 131 StGB durch richterliche Beschlüsse entweder beschlagnahmt oder indiziert.[5][6]

Nackt und zerfleischt ist nicht Ruggero Deodatos erster Ausflug in die Welt der Kannibalenfilme. 1977 drehte er den Nachfolger zu Umberto Lenzis Mondo Cannibale von 1972, den Film Mondo Cannibale, 2. Teil – Der Vogelmensch. Laut Deodato boten ihm mehrere Produzenten eine Menge Geld für einen zweiten Teil von Cannibal Holocaust, den er aber nie drehte.

Fortsetzungen und Remakes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • 1985 erschien ein Kannibalenfilm von Mario Gariazzo, welcher unter anderem auch unter dem Namen Cannibal Holocaust 2 erschienen ist, jedoch nichts mit dem Original zu tun hat und als eigenständiger Kannibalenfilm agiert, was viele Horrorfans als Markenschwindel sehen.
  • 1988 erschien mit Green Inferno (im Original: Natura contro) unter der Regie von Antonio Climati ein weiterer Vertreter des Genres. Für die DVD-Auswertung wurde der Film in Cannibal Holocaust II umbenannt.
  • Die Firma Relevant Entertainment kaufte die Rechte am Film und gab bekannt, dass eine Neuverfilmung des im Jahre 1980 gedrehten Originals geplant sei. Die Dreharbeiten sollten im Sommer 2007 beginnen. Mit Cannibals – Welcome to the Jungle von Jonathan Hensleigh erschien schließlich ein Film, der mehr eine Hommage an den 1980er Kannibalenfilm als ein echtes Remake war.

Die Handlung des Films wurde 2017 von der deutschen Dark-Metal-Gruppe Eisregen auf deren Album Fleischfilm im Lied Die letzte Reise des Alan Yates (Metamorphose 2) verarbeitet.

  • Estein, Axel 1991: Kannibalen. Fleisch ist Fleisch. In: Splatting Image, Nr. 8, S. 5–14
  • Jauregui, Carolina Gabriela 2004: „Eat it alive and swallow it whole!“ Resavoring Cannibal Holocaust as a Mockumentary. In: Invisible Culture 7, S. 1–11 Volltext (PDF; 96 kB)
  • Petley, Julian: Cannibal Holocaust and the Pornography of Death. In: King, Geoff (Hg.) 2005: Spectacle of the real. From Hollywood to reality TV and beyond. S. 173–186, Portland: Intellect Books, ISBN 1-84150-120-4

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Nackt und zerfleischt. In: Deutsche Synchronkartei. Abgerufen am 3. Januar 2023.
  2. a b Ruggero Deodato: Interview mit Sage Stallone; Bob Murawski. Cult-Con 2000. Cannibal Holocaust DVD Commentary. Tarrytown, New York. 12. November 2000.
  3. Ortolani, Riz (interviewee). (2003). In the Jungle: The Making of Cannibal Holocaust (Documentary). Italy: Alan Young Pictures.
  4. a b Cannibal Holocaust: ‘Keep filming! Kill more people!‘ The Guardian, aufgerufen am 2. Februar 2022
  5. schnittberichte.com mit Hinweis auf den Beschlagnahmebeschluss des AG Karlsruhe vom 17. Oktober 2002. Abgerufen am 3. Januar 2013
  6. schnittberichte.com Abgerufen am 3. Januar 2013