Carnet anthropométrique

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Das Carnet anthropométrique (Anthropometrisches Identitätsbuch) war ein obligatorisches französisches Verwaltungsdokument, mit dem die Bewegung von Nichtsesshaften[A 1] auf französischem Hoheitsgebiet identifiziert und überwacht werden konnte. Seine Einführung 1912 in der Abgeordnetenkammer wurde in erster Linie mit der Gruppe der Roma begründet.[1] 1969 wurde es durch das Livret de circulation[A 2] ersetzt.[2]

Dieses Identitätsbuch wurde durch das Gesetz vom 16. Juli 1912 über die Ausübung ambulanter Berufe und die Freizügigkeit der Nichtsesshaften eingeführt.[3][4] Es war für alle Nichtsesshaften über 13 Jahre obligatorisch und sollte alle Bewegungen dokumentieren, um eine genaue Überwachung dieser Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Die individuellen Carnets mussten täglich an jedem Haltepunkt der Nichtsesshaften von den örtlichen Beamten (Bürgermeister, Beigeordnete, seltener Lehrer und Feldhüter) unterschrieben werden.[5][6] Parallel dazu besaßen die Nichtsesshaftengruppen kollektive Carnets mit den Namen aller Personen, einschließlich der Kinder, die zu klein waren, um ein individuelles Carnet mit sich zu führen.

Es enthielt verschiedene anthropometrische Daten, Fingerabdrücke und Passfotos im Profil und in der Frontalansicht. Dieser Prozess der Erfassung entsprach der Logik der Entwicklung von Überwachungstechniken im Zuge der Entwicklung der Bertillonage.[4][7]

Am 3. Januar 1969 wurde das Gesetz aufgehoben, die Nichtsesshaften wurden als Fahrende bezeichnet und das Carnet wurde durch das Livret de circulation ersetzt. Dessen Abschaffung wurde 2015 von der Nationalversammlung beschlossen.[8]

  • Christophe Delclitte: « La catégorie juridique «nomade» dans la loi de 1912 », Hommes & Migrations, vol. 1188–1189. 1995 (memoires-tsiganes1939-1946.fr [PDF; 2,7 MB]).
  • Emmanuel Filhol: « La loi de 1912 sur la circulation des « nomades » (Tsiganes) en France ». In: Revue européenne des migrations internationales. Vol. 23, Nr. 2, 2007, ISSN 0765-0752, S. 135–158 (openedition.org).
  • Emmanuel Filhol: Le contrôle des Tsiganes en France (1912–1969). Karthala, 2013, ISBN 978-2-8111-0930-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Marie-Christine Hubert: Une mémoire française l’internement des nomades en France 1940–1946. dihal – Délégation interministérielle à l’hébergement et à l’accès au logement, 2016, S. 7.
  • François Jourda de Vaux de Foletier: Les Bohémiens en France au 19ème siècle. J. C. Lattès, 1989, S. 182–189.
  • Pierre Piazza: Le carnet anthropométrique des „nomades“ (1912). criminocorpus.org, 2014 (wikiwix.com).
  1. Der französische Artikel (siehe Sprachversionen) spricht von nomads, was sowohl mit Nomaden als auch mit Nichtsesshafte übersetzt werden kann. Der wahrscheinlich treffendste Ausdruck wäre Zigeuner.
  2. Siehe hierzu weiterführend fr:Livret de circulation (France) in der französischsprachigen Wikipédia.

Einzelnachweise

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  1. Darstellung der Parlamentsdebatte nach Delclitte. In: Persée. Abgerufen am 12. November 2023 (französisch).
  2. Loi n° 69-3 du 3 janvier 1969 relative à l'exercice des activités ambulantes et au régime applicable aux personnes circulant en France sans domicile ni résidence fixe. In: Légifrance. Abgerufen am 12. November 2023 (französisch).
  3. Ministère de l’Intérieur. Loi du 16 juillet 1912 et décret du 16 février 1913, sur l’exercice des professions ambulantes et la circulation des nomades auf Gallica
  4. a b Hubert 2016
  5. Filhol 2007
  6. Jourda de Vaux 1989
  7. Piazza 2014
  8. L’Assemblée vote la suppression du livret de circulation pour les gens du voyage. In: Le Monde. 10. Juni 2015, abgerufen am 12. November 2023 (französisch).