Ruderwanzen

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Ruderwanzen

Falléns Wasserzikade (Subsigara falleni)

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Schnabelkerfe (Hemiptera)
Unterordnung: Wanzen (Heteroptera)
Teilordnung: Wasserwanzen (Nepomorpha)
Überfamilie: Corixoidea
Familie: Ruderwanzen
Wissenschaftlicher Name
Corixidae
Leach, 1815

Ruderwanzen (Corixidae) sind eine Familie der Wanzen (Heteroptera) innerhalb der Teilordnung der Wasserwanzen (Nepomorpha). Sie kommen weltweit mit über 500 Arten vor. In Europa sind 81 Arten und Unterarten bekannt, in Mitteleuropa sind es 35. Die Tiere leben in Gewässern und verlassen diese nur, um neue Lebensräume zu besiedeln. Vor der Paarung „singen“ (stridulieren) die Männchen, weshalb die Wanzen auch als Wasserzikaden bezeichnet werden.

Die Wanzen erreichen Körperlängen zwischen 2 und 14 Millimetern. Sie haben eine stromlinienförmige, flachbootähnliche Gestalt und besitzen eine sehr einheitliche, dunkle Grundfärbung, die auf der Vorderbrust und den Flügeldecken gelb unterbrochen ist. Diese Zeichnungen sind sehr variabel. Die meisten Arten haben gut entwickelte Hinterflügel und sind gute Flieger. Die Vorderflügel zeigen den für Wanzen charakteristischen Aufbau so genannter Hemielytren. Diese sind beim Schwimmen flach auf der Oberseite des Hinterleibes (Abdomen) angelegt.

Die Hinterbeine sind zu kräftigen Ruderorganen entwickelt. Schenkel (Femur), Schiene (Tibia) und zweigliedriger Fuß (Tarsus) sind abgeplattet und mit einem dichten Besatz aus langen borstenartigen Schwimmhaaren versehen. Die Coxae der Hinterbeine sind beweglich und eingeklappt. Das mittlere Beinpaar ist ebenfalls behaart und dient hauptsächlich dazu, sich an Pflanzen oder ähnlichem festzuhalten. Die Vorderbeine sind verkürzt und haben je ein schaufelförmiges Tarsenglied, die Pala. Aufgrund ihres geringen spezifischen Gewichtes haben die Tiere einen gewaltigen Auftrieb, so dass sie die Strecke vom Gewässergrund nach oben gewissermaßen durchschießen. Sie sind dadurch imstande, die Oberflächenhaut zu durchstoßen und sofort in den Flug überzugehen.

Ihre Fühler sind sehr kurz. Sie haben keine Punktaugen (Ocelli) und ihr Schildchen (Scutellum) ist klein. Der Rüssel (Rostrum) ist sehr kurz und im Gegensatz zu anderen Wanzenarten ohne Speichelkanal.

Hespercorixa sahlbergi, Habitus, specimen in der Zoologischen Staatssammlung München, Foto: Marianne Müller

Die Tiere leben vor allem in stehenden Gewässern. Sie halten sich bevorzugt am Gewässergrund auf und tauchen nur gelegentlich zur Erneuerung des Luftvorrates zur Wasseroberfläche auf. Die größte Artenvielfalt und Individuendichte an Ruderwanzen tritt in kleinen Gewässern auf, in denen Fische fehlen. Nur in Abwesenheit ihrer Fressfeinde sind sie auch im offenen Wasser größerer Gewässer zu finden. Meist leben sie aber in der dichten Wasservegetation. Die meisten Arten leben im Süßwasser, nur wenige tolerieren auch Brackwasser, sehr wenige Arten können in Salzwasser existieren. Sogenannte Dispersionsflüge, um neue Lebensräume (Habitate) zu besiedeln, treten vor allem im Frühjahr und im Herbst auf, wenn die Populationsdichten hoch sind. Mögliche neue Habitate werden an der glänzenden Wasseroberfläche erkannt.

Bei den Ruderwanzen fällt die Größe des Halsschildes (Pronotum) auf. Darunter befindet sich ein allseits geschlossener Hohlraum. Die drei Paare der Bruststigmen stehen mit diesem Raum in Verbindung. Zur Atmung kommt die Ruderwanze im Gegensatz zu allen anderen Wasserwanzen mit dem Vorderende aus dem Wasser heraus. Sie bewegt dabei den Kopf und die Brust einige Male nach vorne und saugt dabei Luft in den Hohlraum. Dann taucht sie mit dem Kopf voran nach unten. Aufgrund des Auftriebes verteilt sich die Luft bis an das Körperende. auch unter den Flügeldecken befindet sich ein Luftvorrat. Von Zeit zu Zeit streicht die Wanze mit den Hinterbeinen über den Kopf, die Vorderbrust und die Flügel, um die Luftschicht gleichmäßig zu verteilen. Der Luftfilm wird von wasserabweisenden (hydrophoben) Härchen gehalten. Durch Totalreflexion an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser erscheint die Unterseite silbrig glänzend. Dieser Luftvorrat liefert nach dem Prinzip der physikalischen Kieme den lebensnotwendigen Sauerstoff. Jüngere Larven nehmen den im Wasser gelösten Sauerstoff direkt über die Körperoberfläche auf. Ab dem dritten Larvenstadium führen sie eine erneuerbare Luftblase im Brust- und Hinterleibsbereich mit sich.

Die Ernährungsweise der Ruderwanzen wird in der Literatur noch diskutiert. Neben der Beobachtung von räuberischen Verhaltensweisen sprechen die Analysen von Darminhalten für eine Aufnahme von pflanzlichen und tierischen Überresten (Detritus) sowie Algen. Möglicherweise sind die meisten Arten Allesfresser (Omnivore) oder es liegen im Laufe der Entwicklung oder zwischen den Geschlechtern unterschiedliche Ernährungsweisen vor. Der kurze Rüssel (Rostrum) der Ruderwanzen ist gegenüber jenem der übrigen Wanzenarten stark abgewandelt. Die Stechborsten bilden keinen Speichelkanal. Sie sind stark verkürzt und dienen dem Zerkleinern der Nahrung. Offenbar können auch größere Nahrungspartikel in den Darm aufgenommen werden. Bei den meisten Arten sind die einzigen Fußglieder der Vorderbeine (Pala) auf besondere Weise gestaltet: Sie gleichen einer mehr oder weniger breiten Schaufel, mit deren Hilfe die am Boden befindlichen Abfallstoffe dem Mund zugeführt werden können.

In der Paarungszeit erzeugen die Männchen etlicher Arten der Ruderwanzen auch außerhalb des Wassers vom Menschen wahrnehmbare artspezifische Geräusche (Stridulation). Es handelt sich dabei um Werbe-, Rivalen- oder Spontangesänge. An der Innenseite der Vorderschenkel befindet sich bei den meisten Arten ein ausgedehntes Schrillfeld mit charakteristisch geformten Borsten, die über die scharfen Seitenkanten des Kopfes gestrichen wird. Die Schwingungen werden auf eine der Brust (Thorax) anhaftende Luftblase übertragen, die dann in ihrer Eigenfrequenz schwingt. Der Gesang einer einzelnen Wanze regt meist weitere Männchen zum Stridulieren an. Nach einer gewissen Einspielzeit zirpen alle Männchen im gleichen Rhythmus in Intervallen von etwa drei Sekunden. Bei manchen Arten sind auch die Weibchen zur Lauterzeugung befähigt. Gehörorgane (Tympanalorgane) befinden sich bei beiden Geschlechtern an der Mittelbrust (Mesothorax).

Fortpflanzung und Entwicklung

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Die Paarungszeit beginnt im Frühjahr. Das Männchen packt das Weibchen von hinten und hält es mit den besonders gestalteten Vorderbeinen fest. Der eingliedrige Fuß, die Pala, ist bei den Männchen mit einer Reihe starker Dornen versehen, um ein Abgleiten vom Weibchen während der Paarung zu verhindern.

Nach der Kopulation beginnt die Eiablageperiode, die etwa einen Monat dauert. Die Weibchen kleben ihre Eier meist an Wasserpflanzen oder auf Steinen fest. Ruderwanzen sind wie alle Wanzen hemimetabol. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven durchleben fünf durch Häutungen getrennte Larvenstadien. Je nach klimatischer Situation werden eine oder zwei Generationen pro Jahr ausgebildet. Fast alle Arten überwintern als ausgewachsenes Tier, nur selten überwintern sie im Larven- oder Eierstadium.

Arten und Unterarten in Europa

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In Europa sind derzeit 81 Arten nachgewiesen. Hinzu kommt eine weitere aus Nordamerika stammende und in Spanien eingebürgerte Art Tichocorixa verticalis verticalis (Fieber 1851)[1]

  1. H. Günther (2004): Trichocorixa verticalis verticalis (Fieber), eine nearktische Ruderwanze in Europa (Heteroptera: Corixidae). - 29(1/2):45-49.
  2. Corixidae. Fauna Europaea, abgerufen am 1. Dezember 2006.
  • K.H.C. Jordan: Wasserwanzen. Die Neue Brehm-Bücherei, Leipzig 1950.
  • Ekkehard Wachmann: Wanzen beobachten - kennenlernen. J. Neumann - Neudamm, Melsungen 1989, ISBN 3-7888-0554-4
  • E. Wachmann, A. Melber & J. Deckert: Wanzen. Band 1: Neubearbeitung der Wanzen Deutschlands, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz, Goecke & Evers, Keltern 2006, S. 22–46, ISBN 3-931374-49-1
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