Das Sowjet-Paradies
Das Sowjet-Paradies hieß eine von der Reichspropagandaleitung der NSDAP vom 8. Mai 1942 bis 21. Juni 1942 im Berliner Lustgarten gezeigte Propagandaausstellung, die nach offiziellen Angaben von 1,3 Millionen Menschen besucht wurde.
Auf neuntausend Quadratmetern waren zeltartige Pavillons mit Fotos, Grafiken, Gemälden, erbeuteten Gegenständen und Waffen aufgebaut. Herzstück waren der angeblich originalgetreue, in Wahrheit jedoch verfälschende Nachbau eines Stadtteils der belarussischen Hauptstadt Minsk und eines Sowjetdorfes, in dem die Menschen in Erdlöchern hausten. Einige Fotos wurden mit Gefangenen aus dem KZ Sachsenhausen gestellt.
Die Schau wurde wochenlang vorbereitet und sollte laut Katalog „Armut, Elend, Verkommenheit und Not“ in der Sowjetunion zeigen, auf diese Art den Krieg gegen die Sowjetunion rechtfertigen und den Durchhaltewillen der deutschen Bevölkerung stärken.
Die jüdisch-kommunistische Herbert-Baum-Gruppe um Herbert und Marianne Baum unternahm am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag auf diese Ausstellung. Obwohl bei dieser Aktion nur ein geringer Sachschaden entstanden war, wurden mindestens 33 Untergrundkämpfer hingerichtet. Am Tag zuvor hatte eine Gruppe um Harro Schulze-Boysen und Fritz Thiel an die tausend Zettel mit der ironischen Aufschrift „Ständige Ausstellung / Das NAZI-PARADIES / Krieg Hunger Lüge Gestapo / Wie lange noch?“ in ganz Berlin verklebt. Etliche Angehörige dieser Gruppe bezahlten für diese Aktion mit ihrem Leben.
Als Reaktion auf den Brandanschlag wurden am 27. Mai 500 Berliner Juden, unter ihnen Berthold Cahn und Leo Fichtmann, als „Geiseln“ verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht.[2] Am 28. und 29. Mai 1942 ließ der „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler dort als Rache für den Anschlag 250 Juden ermorden, darunter 154 von den in Berlin Festgenommenen und 96 bereits in Sachsenhausen inhaftierte Häftlinge. Als Ort für den Massenmord wurde die gerade fertiggestellte Station Z ausgewählt. In diesem als Einheit von Krematorium und Vernichtungsort geplanten Gebäude befand sich eine Erschießungsanlage, deren Funktionsfähigkeit die SS an den jüdischen Opfern, wie der im Krematorium arbeitende KZ-Häftling Paul Sakowski berichtet, erstmals testete.[3]
Vor der Berlin-Ausstellung wurde Das Sowjet-Paradies schon in Wien und Prag gezeigt.[4][5]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Regina Griebel, Marlies Coburger, Heinrich Scheel: Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. Audioscop, Halle 1992, ISBN 3-88384-044-0.
- Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe. Aufbau-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-351-02581-5.
- Oliver Lorenz: Die Ausstellung „Das Sowjetparadies“: nationalsozialistische Propaganda und kolonialer Diskurs. In: Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande, 48-1 | 2016, 121–139.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Randall Bytwerk: „The Soviet Paradise“, Übersetzung der Broschüre zur Ausstellung ins Englische
- ‘Soviet Paradise’ Exhibition. In: das Original der Broschüre zur Ausstellung. 2. Oktober 2016, abgerufen am 28. Januar 2019 (englisch).
- Eintrag zum begleitenden Propaganda-Kurzfilm „Das Sowjet-Paradies“ in der Cinematographie des Holocaust ( vom 15. Mai 2005 im Internet Archive) des Fritz Bauer Instituts
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hella Kemper: Worte als Widerstand: Klebezettel gegen die NS-Propaganda. In: ZEIT ONLINE. 7. Februar 2012, abgerufen am 15. November 2019.
- ↑ Gustav Landauer Denkmalinitiative (Berlin): Berthold Cahn, ein Leben für den Anarchismus, S. 38.
- ↑ Rede: Die Ermordung der jüdischen Geiseln im Mai 1942 im KZ Sachsenhausen, 27. Januar 2012
- ↑ Rosemarie Burgstaller: "Bilder nicht nur im Kopf". In: Die Presse.com. 20. Dezember 2013, abgerufen am 16. August 2016.
- ↑ "WIEHLOVA BRÁNA NA VÝSTAVIŠTĚ POTŘETÍ". In: Czumalova nástěnka. 11. November 2013, abgerufen am 16. August 2016.