Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund
Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DVSTB) war nach zeitgenössischer staatlicher Einschätzung „der größte, tätigste und einflußreichste antisemitische Verband in Deutschland“[1] nach dem Ersten Weltkrieg und einer der größten und wichtigsten Vertreter der völkischen Vereinigungen in der Weimarer Republik, deren demokratisch-parlamentarisches System er radikal ablehnte.
Geschichte und Struktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund geht zurück auf den Deutschen Schutz- und Trutzbund, der im Februar 1919 vom Alldeutschen Verband auf dessen Bamberger Sitzung gegründet wurde; seine Aufgabe sollte die Bekämpfung des Judentums sein. Hauptgeschäftsführer war Alfred Roth, geheimer Vorsitzender ab 1. Oktober 1919 Konstantin von Gebsattel (eingesetzt durch Ernst von Hertzberg-Lottin). Zum Beirat gehörten u. a. Ernst Anton Franz von Bodelschwingh, August Gebhard, Paul Lucius, Ferdinand Werner, Julius Friedrich Lehmann, Georg von Stössel. Die Geschäftsstelle lag zunächst in Duisburg-Ruhrort bei Roths Wohnsitz, wurde aber später nach Hamburg verlegt, als es zum Zusammenschluss vieler völkischer Organisationen unter dem Dachverband Gemeinschaft deutschvölkischer Bünde kam. Nach der Fusion mit dem Reichshammerbund schloss sich der Deutsche Schutz- und Trutzbund, etwa einen Monat später, mit dem Deutschvölkischen Bund (die Nachfolgeorganisation des Reichsverbands der aufgelösten Deutschvölkischen Partei) am 1. Oktober 1919 zum Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund zusammen.[2]
Als Manifest wählte der Schutz- und Trutzbund die Schrift Wenn ich der Kaiser wär von Heinrich Claß, in der er seine rassistische, nationalistische Gedankenwelt ausgedrückt sah. Seine Losung lautete: „Deutschland den Deutschen“.[3] Einen wichtigen Förderer fand er in dem Münchener Verleger Julius Friedrich Lehmann, der 1918 im Oktober noch einen Staatsstreich gefordert hatte.[3] Der Trutzbund agitierte gegen die Weimarer Demokratie, gegen alle linken Bewegungen und gegen die Juden; zu seiner Hochzeit hatte er rund 180.000 Mitglieder (1922).[4]
Nach dem Fememord an Außenminister Rathenau wurde 1922 der Schutz- und Trutzbund wegen seiner Verwicklung in die Affäre auf der Grundlage des Republikschutzgesetzes in den meisten Ländern des Deutschen Reichs verboten (mit Ausnahme von Bayern, Württemberg, Anhalt und Mecklenburg-Strelitz). Auch die Attentate auf Matthias Erzberger und Philipp Scheidemann unterstützte der Trutzbund (siehe Organisation Consul). Zahlreiche Mitglieder, Hintermänner und Förderer wanderten in die NSDAP ab. Erst 1924 versandeten die letzten Aktivitäten.
Der Schutz- und Trutzbund war hauptsächlicher Ausrichter der Deutschen Tage, die als jährliche Großveranstaltungen von 1920 bis 1922 stattfanden.
Prominente Mitglieder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Führende Nationalsozialisten wie:
waren Mitglied im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund.[5] Der Bund kann als Bindeglied zwischen dem Alldeutschen Verband und der NSDAP gelten.
Eine Sammlung von Unterlagen befindet sich im Archiv der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.
Audio
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 100 Jahre politischer Mord (10): Der Deutsch-völkische Schutz- und Trutzbund, 4.28 Minuten Audio-Version, von Elke Kimmel, Deutschlandfunk Kultur, Sendung Zeitfragen, 20. Oktober 2021
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-21354-2.
- Walter Jung: Ideologische Voraussetzungen, Inhalte und Ziele außenpolitischer Programmatik und Propaganda in der deutschvölkischen Bewegung der Anfangsjahre der Weimarer Republik: das Beispiel Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund. Universität Göttingen, 2001, urn:nbn:de:gbv:7-webdoc-457-3.
- Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes 1919–1923 (= Hamburger Beiträge zur Zeitgeschichte, Band 6), Leibniz, Hamburg 1970, ISBN 3-87473-000-X (Dissertation, Universität Hamburg 1969).
- Uwe Lohalm, Martin Ulmer: Alfred Roth und der Deutschvölkische Schutz- und Trutz-Bund »Schrittmacher für das Dritte Reich«. In: Daniel Schmidt, Michael Sturm, Massimiliano Livi (Hrsg.): Wegbereiter des Nationalsozialismus. Personen, Organisationen und Netzwerke der extremen Rechten zwischen 1918 und 1933 (= Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte, Band 19). Klartext, Essen 2015, ISBN 978-3-8375-1303-5, S. 21 ff.
- Bernhard Sauer: Freikorps und Antisemitismus in der Frühzeit der Weimarer Republik. (PDF; 119 kB) In: ZfG, 56. Jahrgang 2008, Heft 1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johannes Leicht: Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund auf LeMO
- Walter Jung: Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund (DVSTB), 1919–1924/35. In: Historisches Lexikon Bayerns
- Martin Ulmer: „Der Feind ist im Land: Der Jude“. Klebemarken des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. In: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22. September 2016, doi:10.23691/jgo:article-112.de.v1.
- Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus - Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes 1919-1923 PDF
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Beurteilung des Reichskommissars für Überwachung der öffentlichen Ordnung in einem Schreiben an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik vom 20. November 1922, zitiert nach Lohalm 1970, S. 11.
- ↑ Werner Jochmann: Nationalsozialismus und Revolution: Ursprung und Geschichte der NSDAP in Hamburg 1922–1933. Dokumente. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1963, S. 25f.
- ↑ a b Ulrich Sieg: Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus. München 2007, S. 327.
- ↑ Walter Jung: Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund (DVSTB), 1919–1924/35. In: Historisches Lexikon Bayerns. 21. Januar 2011, abgerufen am 25. Februar 2015.
- ↑ Jung 2001, S. 21.