Larnit

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Larnit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Lrn[1]

Andere Namen
  • Dicalciumsilikat
  • Belit
Chemische Formel β-Ca2[SiO4][2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Inselsilikate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/A.05
VIII/A.07-030

9.AD.05
51.05.01.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe P21/n (Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2[2]
Gitterparameter a = 5,50 Å; b = 6,74 Å; c = 9,30 Å
β = 94,6°[2]
Formeleinheiten Z = 4[2]
Zwillingsbildung polysynthetisch nach {100}[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 6[4]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,28 bis 3,33; berechnet: 3,326[5]
Spaltbarkeit unvollkommen nach {010}, gut nach {100}[5]
Farbe weiß bis grau, farblos in dünnen Schichten[5]
Strichfarbe weiß[4]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[5]
Glanz Glasglanz[5]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,707[6]
nβ = 1,715[6]
nγ = 1,730[6]
Doppelbrechung δ = 0,023[6]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 74° (berechnet)[6]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten wasserlöslich, in verdünnten Säuren gelatinierend

Larnit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung β-Ca2[SiO4] und damit chemisch gesehen ein Calcium-Silikat, genauer Dicalciumsilikat.

Larnit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem, findet sich jedoch meist nur in Form von eingewachsenen, unregelmäßigen Körnern sowie körnigen bis massigen Mineral-Aggregaten. Selten entwickelt Larnit auch tafelige Kristalle.[7] In reiner Form sowie in dünnen Schichten sind Larnitkristalle farblos und durchsichtig mit einem glasähnlichen Glanz auf den Oberflächen. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine graue Farbe annehmen.

Als Kunstprodukt mit hydraulischen Eigenschaften ist Larnit (auch Belit) in der Zementindustrie bekannt.[8]

Etymologie und Geschichte

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Typlokalität Scawt Hill mit der freiliegende Kontaktzone zwischen Kalkstein und dem darüber liegenden Basalt

Erstmals entdeckt wurde Larnit am Scawt Hill nahe der Stadt Larne im nordirischen County Antrim. Die Erstbeschreibung erfolgte 1929 durch Cecil Edgar Tilley, der das Mineral nach dessen Typlokalität benannte.

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Larnit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“, wo er zusammen mit Bredigit und Calcio-Olivin die „Ca2SiO4-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/A.05 bildete.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/A.07-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Inselsilikate mit [SiO4]-Gruppen“, wo Larnit zusammen mit Bredigit, Calcio-Olivin, Flamit und Merwinit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[4]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Larnit ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Inselsilikate ohne zusätzliche Anionen; Kationen in oktaedrischer [6]er- und gewöhnlich größerer Koordination“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 9.AD.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Larnit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikatminerale“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 51.05.01 innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen nur mit Kationen in >[6]-Koordination“ zu finden.

Die idealisierte, theoretische Zusammensetzung von Larnit Ca2[SiO4] besteht aus 46,54 % Calcium (Ca), 16,31 % Silicium (Si) und 37,16 % Sauerstoff (O).[10]

Die chemische Analyse von Mineralproben aus der Typlokalität Scawt Hill ergab zusätzlich geringe Anteile von Aluminium (1,12 % Al2O3), Eisen (0,64 % FeO) und Magnesium (0,69 % MgO) und Kohlenstoff (0,82 % CO2), was auf eine geringe Verunreinigung der Proben mit dem Mineral Spurrit (Ca5[CO3|(SiO4)2][11]) und Spinell zurückgeführt wird.[12]

Kristallstruktur

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Larnit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/n (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2 mit den Gitterparametern a = 5,50 Å, b = 6,74 Å, c = 9,30 Å und β = 94,6° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Die Kristallstruktur von Larnit besteht aus Ca[8]-Polyedern, die über gemeinsame Flächen miteinander verbunden sind und Ketten parallel [010] und [101] bilden. Diese Ketten werden über gemeinsam genutzte Kanten mit isolierten SiO4-Tetraedern verknüpft.

Kristallstruktur von Larnit
Farbtabelle: _ Ca 0 _ Si 0 _ O

In Wasser löst sich Larnit langsam unter Bildung von Calciumhydroxid (Ca(OH)2). Die entstehende Lösung ist basisch und färbt entsprechend rotes Lackmuspapier blau. Von verdünnter Salzsäure (HCl) wird das Mineral ohne Schaumbildung leicht zersetzt, wobei es sich nicht auflöst, sondern gelatiniert.[13]

Von der Verbindung Ca2[SiO4] sind bisher vier temperaturabhängige Modifikationen bekannt,[7] von denen zwei als Minerale anerkannt sind:

Modifikation Kristallsystem Stabilitätsbereich Mineralname
α-Ca2[SiO4] orthorhombisch-dipyramidal stabil bis 725 °C
β-Ca2[SiO4] monoklin stabil von 725 bis 1450 °C Larnit
δ-Ca2[SiO4] orthorhombisch-dipyramidal metastabil oberhalb von 750 °C
γ-Ca2[SiO4] ditrigonal-skalenoedrisch stabil oberhalb von 1450 °C Calcio-Olivin[14]

Der Polymorphismus der Verbindung Ca2[SiO4] wurde erstmals 1882 von Henry Le Chatelier in Portlandzement-Klinkern untersucht.[14]

Bildung und Fundorte

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An seiner Typlokalität am Scawt Hill in Nordirland bildete Larnit sich im Kontaktbereich zwischen Kalk- oder Dolomitgestein und intrudierendem Diabas.[15][16] Die Gesteine dieser Kontaktzone wurden bereits 1907 von G. C. Gough beschrieben, allerdings war dessen Darstellung Tilley zufolge größtenteils fehlerhaft. Die im Aufsatz von Gough beigefügten Zahlen waren allerdings für eine Neuinterpretation geeignet. Es gibt demnach eine beträchtliche Bandbreite an Gesteinsarten und Mineralen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Spurrit, Larnit, Melilith (Gehlenit), Merwinit und Spinell.[13] Als weitere Begleitminerale dieser Fundstelle werden von anderen Quellen unter anderem noch Perowskit und Wollastonit genannt.

In den ebenfalls kontaktmetamorphen Mineralisationen von Tokatoka im Kaipara District der Nordinsel Neuseelands traten Hydrogrossular, Kilchoanit, Rankinit und Scawtit als weitere Begleiter hinzu.[5]

In der als „Hatrurim-Formation“ oder auch „Hatrurim-Becken“ bekannten Gesteinsformation im israelischen Teil der Wüste Negev, die dem Portlandzement, vermischt ist mit bituminösem Kalk, Marmor und unreinem Kalkstein, ähnelt,[17] wurden neben Larnit, Spurrit und Melilith unter anderem noch Brownmillerit, Grossit und Minerale der Mayenit-Obergruppe entdeckt.[5][18]

Als seltene Mineralbildung konnte Larnit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher rund 50 Fundorte dokumentiert sind (Stand 2019).[19] Neben seiner Typlokalität Scawt Hill fand sich das Mineral in Nordirland in den kontaktmetamorphen Gesteinen der ebenfalls nahe Larne gelegenen Siedlung Ballycraigy sowie in den Basalten (Olivin-Dolerit) bei Carneal nahe Glenoe im County Antrim. Des Weiteren kennt man Larnit im Vereinigten Königreich bisher nur noch aus den Schottischen Highlands (Ardnamurchan, Isle of Muck) und dem Council Argyll and Bute (Isle of Mull).[20]

In Deutschland wurde Larnit bisher nur am Ettringer Bellerberg und im Mayener Grubenfeld (Seekante) im Landkreis Mayen-Koblenz sowie am Emmelberg bei Üdersdorf in der Vulkaneifel entdeckt.

Der bisher einzige bekannte Fundort in Österreich ist ein Basalt-Steinbruch bei Klöch in der Steiermark.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Dänemark, Frankreich, Grönland, Italien, Jordanien, Kanada, Kasachstan, Palästina, Rumänien, Russland, Spanien, Südossetien, Tansania, Türkei, Ukraine, den Vereinigten Staaten und Zentralafrika.[20]

  • C. E. Tilley: On Larnite (calcium orthosilicate, a new mineral) and its associated minerals from the limestone contact-zone of Scawt Hill, Co. Antrim. In: Mineralogical Magazine. Band 22, Nr. 125, 1929, S. 77–86, doi:10.1180/minmag.1929.022.125.01 (englisch, rruff.info [PDF; 540 kB; abgerufen am 31. Oktober 2019]).
  • J. F. Schairer: New mineral names. In: The American Mineralogist. Band 14, 1929, S. 338–340 (englisch, rruff.info [PDF; 229 kB; abgerufen am 31. Oktober 2019]).
  • K. Mori, R. Kiyanagi, M. Yonemura, K. Iwase, T. Sato, K. Itoh, M. Sugiyama, T. Kamiyama, T. Fukunaga: Charge states of Ca atoms in beta-dicalcium silicate. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 179, Nr. 11, 2006, S. 3286–3294, doi:10.1016/j.jssc.2006.06.018.

Einzelnachweise

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  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 539 (englisch).
  3. Richard V. Gaines, H. Catherine W. Skinner, Eugene E. Foord, Brian Mason, Abraham Rosenzweig: Dana’s New Mineralogy. 8. Auflage. John Wiley & Sons, New York u. a. 1997, ISBN 0-471-19310-0, S. 1053.
  4. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  5. a b c d e f g Larnite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 69 kB; abgerufen am 31. Oktober 2019]).
  6. a b c d e Larnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 1. November 2019 (englisch).
  7. a b Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 664–665.
  8. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 459.
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  10. David Barthelmy: Larnite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 1. November 2019 (englisch).
  11. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 559 (englisch).
  12. J. F. Schairer: New mineral names. In: The American Mineralogist. Band 14, 1929, S. 338–340 (englisch, rruff.info [PDF; 229 kB; abgerufen am 1. November 2019]).
  13. a b C. E. Tilley: On Larnite (calcium orthosilicate, a new mineral) and its associated minerals from the limestone contact-zone of Scawt Hill, Co. Antrim. In: Mineralogical Magazine. Band 22, Nr. 125, 1929, S. 77–86, doi:10.1180/minmag.1929.022.125.01 (englisch, rruff.info [PDF; 540 kB; abgerufen am 31. Oktober 2019]).
  14. a b A. E. Zadov, V. M. Gazeev, N. N. Pertsev, A. G. Gurbanov, E. R. Gobechiya, N. A. Yamnova, N. V. Chukanov: Discovery and investigation of a natural analog of calcio-olivine (ϒ-Ca2SiO4). In: Doklady Earth Sciences. 423A, Nr. 9, 2008, S. 1431–1434, doi:10.1134/S1028334X08090237 (englisch, rruff.info [PDF; 144 kB; abgerufen am 1. November 2019]).
  15. William Alexander Deer, R. A Howie, J. Zussman: Larnite. In: Disilicates and ring silicates. 1986, ISBN 978-1-897799-89-5, S. 248–249.
  16. Typlokalität Scawt Hill, Larne, Co. Antrim, Ulster, Northern Ireland, UK. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 1. November 2019 (englisch).
  17. Stefan Schorn und andere: Hatrurim-Formation. In: mineralienatlas.de. Mineralienatlas, abgerufen am 1. November 2019.
  18. S. Gross: The Mineralogy of the Hatrurim Formation, Israel. In: Geological Survey of Israel, Bulletin. Band 70, 1977, S. 11 (englisch, rruff.info [PDF; 5,7 MB; abgerufen am 6. Januar 2024]).
  19. Localities for Larnite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 1. November 2019 (englisch).
  20. a b Fundortliste für Larnit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 1. November 2019.