Johann Steinwert von Soest

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Johann Steinwert von Soest – eigentlich Johann Grumelkut – (* 1448 in Unna; † 2. Mai 1506 in Frankfurt am Main) war Sänger, Dichter und Arzt.

Widmungsbild des Werks Die Kinder von Limburg an den pfälzischen Kurfürsten Philipp I.[1]

Johann von Soest wurde 1448 in Unna (Westfalen) geboren. Der Vater Rotscher (Roger) Grumelkut war Steinmetz aus Unna, die Mutter Wendel Husselin stammte aus Werl. Johann hatte zwei jüngere Brüder. Der Vater starb, als Johann drei Jahre alt war. 1457 wurde er Singschüler am Patroklusstift in Soest. Bereits 1460 stieg er aufgrund seiner besonderen Begabung in Solmisation und Polyfonie zum Sänger in der Hofkapelle Herzog Johanns I. von Kleve-Mark auf. Von dort ging er für kurze Zeit nach Brügge; dann wurde er Capellon im Stift Hardenberg (Overijssel). Danach wurde er in Maastricht an der Kollegiats- bzw. Kapitelkirche „Unserer lieben Frau“ als Succentor angestellt. Dort lebte er ausschweifend.

Als er sich zu einer Romreise entschloss, wurde er in Köln von Hermann, dem Propst von St. Gereon, einem Sohn des Landgrafen von Hessen (ab 1480 Erzbischof von Köln) abgefangen und an Ludwig II. von Hessen an den Kasseler Hof weiterempfohlen. Dort wirkte er als Sangesmeister. Nach dem Tod Ludwigs (1471) zog Johann Steinwert weiter nach Heidelberg, wo er die Leitung der Kantorei am Hof von Kurfürst Friedrich I. übernahm.[2] Clara Tott, die musikalisch engagierte Frau des Herrschers, hatte sich für seine Anstellung eingesetzt.[3]

1476 begann Steinwert ein Medizinstudium, welches er 1490 abschloss. Danach wirkte er in Worms und Frankfurt am Main, wo er sich 1500 niederließ, als Stadtarzt. Im Jahr 1480 schloss der Sänger und Dichter die Übersetzung des Limburg-Romans aus dem Flämischen ab. Er widmete sie dem Kurfürsten Philipp.[4] In der Literaturwissenschaft fand Johann von Soest als Übersetzer niederländischer Vorlagen (so des um 1470 übersetzten Haimonskinder-Gedichtes Die Kinder von Limburg, ursprünglich von Hein van Aken) besonderes Augenmerk. Regional beliebt und bekannt war von Soest durch sein „Spruchgedicht“ zu Ehren der Stadt Frankfurt, das er 1501 veröffentlichte: Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt.[5] Rosenfeld und Koller schreiben ihm die Übersetzung der danse macabre von 1485 zu, die später von Knoblochtzer gedruckt wurde und deren handschriftliche Fassung (Kassel)[6] angeblich Pfalzgraf Philipp gewidmet war.[7]

Soest hinterließ eine Autobiografie von 1504 in Gedichtform, die die Grundlage einer psychologischen Biografie des Autors lieferte.[8]

  • Die Kinder von Limburg. Manfred Klett (Hrsg.). Ed. nach Cod. Pal. Germ. 87, Wien 1975 (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie, 1974, 4)
  • Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt von 1501, wiedergegeben in Zülch (s. u.)
  • Dy gemeyn bicht von 1483, ‚ein gereimter Beichtspiegel in fast 1200 deutschen Versen‘ (Die deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock. Erster Teil. Das ausgehende Mittelalter, Humanismus und Renaissance, 1370–1520, von Hans Ruppich. Zweite Auflage neu bearbeitet von Hedwig Heger. Beck, München 1994, S. 63)
  • Wy men wol ein statt regyrn sol, damytt sy lang bestendig blyb von 1495 (vgl. ebd.)
  • Verteidigung der unbefleckten Empfängnis Mariens (1502, vgl. ebd.)
  • Libellus salutis (1493, vgl. ebd.)
  • Autobiographie (um 1505, vgl. ebd.)
  • Rita Schlusemann: Schöne Historien: Niederländische Romane im deutschen Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin / Boston 2016.
  • Klaus Pietschmann, Steven Rozenski: Singing the Self: the Autobiography of the fifteenth-century German singer and composer Johannes von Soest. In: Early Music History, 2010, Band 29, S. 119–159; scholar.harvard.edu (PDF; 728 kB).
  • Rita Schlusemann: Das ir begyr wolt halten reyn. Zur Rezeption des „Limborch“-Romans bei Johann von Soest. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik, 1997, Band 47, S. 175–196.
  • Martina Backes: Das literarische Leben am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gönnerforschung des Spätmittelalters. Tübingen 1992 (= Hermaea, Band 68).
  • Horst Brunner: Johann von Soest, Willibald Pirckheimer – zwei Fallstudien. In: Walter Haug, Burghart Wachinger (Hrsg.): Autorentypen. Tübingen 1991, S. 89–103 (= Fortuna Vitrea, Band 6).
  • Hartmut Beckers: Frühneuhochdeutsche Fassungen niederländischer Erzählliteratur im Umkreis des pfalzgräflichen Hofes zu Heidelberg um 1450/80. In: Elly Cockx-Indestege, Frans Hendrickx (Hrsg.): Miscellanea Neerlandica. Band 2. Löwen 1987, S. 237–249.
  • Helmut Birkhan: Die Entstehung des Limburg-Romanes des Johann von Soest und seine Aktualität. In: Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters, Rudolf Schützeichel (Hrsg.), Bonn 1979, S. 666–686.
  • Gesa Bonath: Johann von Soest. In: Verfasserlexikon. 2. Ausgabe. Teil 4. 1983, Sp. 744–755.
  • Gesa Bonath, Horst Brunner: Zu Johanns von Soest Bearbeitung des Romans „Die Kinder von Limburg“ (1480). In: Wolfgang Harms, L. Peter Johnson (Hrsg.): Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Berlin 1975, S. 129–152.
  • Ralph Frenken: Kindheit und Autobiographie vom 14. bis 17. Jahrhundert: Psychohistorische Rekonstruktionen. Oetker-Voges, Kiel 1999, S. 275–296.
  • Heinz-Dieter Heimann: Wy men wol eyn statt regyrn sol. Didaktische Literatur und berufliche Schreiben des Johann von Soest, gen. Steinwert. Soest 1986 (= Soester Beiträge, Band 48).
  • August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Horae Belgicae. Studio Atque Opera Hoffmanni Fallerslebensis. Band 2. Breslau 1837, S. 102 ff.; Textarchiv – Internet Archive.
  • Rudolf JungSoest, Johann Steinwert v. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 540 f.
  • Rainer Rudolf: Johannes Steinwert von Soest. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 568 (Digitalisat).
  • Jürgen Schläder: Johann von Soest. Sängermeister und Komponist. In: Heinz-Dieter Heimann (Hrsg.): Von Soest – aus Westfalen. Wege und Wirkung abgewanderter Westfalen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Paderborn 1986, S. 25–43.
  • Walther Karl Zülch: Johann Steinwert von Soest. Der Sänger und Arzt (1448–1506). Frankfurt am Main 1920. Darin: Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt.
  • Deutsche Literatur. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 4: China–Deutsch-Krone. Altenburg 1858, S. 885–917 (Digitalisat. zeno.org).

Einzelnachweise

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  1. Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 87, Fol. 6*v; doi:10.11588/diglit.386#0016
  2. Nach: Helmut Birkhan: Die Entstehung des Limburg-Romanes des Johann von Soest und seine Aktualität. In: Rudolf Schützeichel (Hrsg.): Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters. Bouvier-Verlag Grundmann, Bonn 1979, ISBN 3-416-01487-1, S. 671 ff.
  3. Linda Maria Koldau: Frauen – Musik – Kultur. Böhlau Verlag, Köln / Weimar 2005, ISBN 3-412-24505-4, S. 576 (books.google.de).
  4. Digitalisat und wissenschaftliche Beschreibung der Handschrift (Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 87).
  5. Werke nach: Verfasserlexikon. Band 4: Johann Steinwert von Soest.
  6. Hans-Jürgen Kahlfuss, Birgitt Hilberg (Hrsg.): Die Handschriften der Gesamthochschul-Bibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel. Band 2+4. Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1993, ISBN 3-447-03354-1 (google.de [abgerufen am 30. Januar 2019]).
  7. Erwin Koller: Totentanz. Versuch einer Textembeschreibung. Innsbruck 1980, ISBN 3-85124-077-4, S. 432.
  8. Ralph Frenken: Kindheit und Autobiographie vom 14. bis 17. Jahrhundert: Psychohistorische Rekonstruktionen. Oetker-Voges, Kiel 1999, ISBN 3-9804322-5-4, S. 275–296.