Diskussion:Demokratieverdrossenheit
Baustelle
[Quelltext bearbeiten]Der Artikel hat zwar das Stub-Stadium hinter sich gelassen, ist aber zugegebenermaßen immer noch eine Baustelle.
Es mangelt noch an Belegen und an Nachweisen, dass es tatsächlich Traditionslinien heutigen Denkens gibt, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Insbesondere reichen bei der Symptombeschreibung die zitierten Quellen bei Weitem nicht aus.
Am meisten Probleme bereitet es mir, dass Meinungen sich in einem atemberaubenden Tempo verändern. Der Hinweis auf das Jahr 1932 legt den Finger durchaus in die Wunde: Eigentlich gibt es keine Grundlage für den Vorwurf an die Adresse von Wählern und Stimmbürgern, sie hätten sich „falsch“ entschieden, da im „Bereich des Abstimmbaren“ alle Entscheidungen zulässig sind und jede Mehrheitsentscheidung, die diesen Bereich nicht verlässt, als legitim gilt. Trotzdem ist auch bei Anhängern der Konkurrenztheorie die Sehnsucht nach „richtigen“ Entscheidungen verstärkt spürbar (vgl. vor allem die allenfalls zähneknirschende Hinnahme des Brexit-Votums und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten). --CorradoX (Diskussion) 09:03, 12. Apr. 2018 (CEST)
- "Es mangelt noch an Belegen und an Nachweisen, dass es tatsächlich Traditionslinien heutigen Denkens gibt, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen." Ich versteh Dich nicht. Was hat das mit "Demokratieverdrossenheit" zu tun? Im 18. Jahrhundert gab es keine Demokratie, wie man sie sich heute vorstellt. Es gab allerdings (revolutionär-)demokratische Bewegungen und es gab konservative Ideologien, die solches für Teufelszeug hielten. Eine "Verdrossenheit" an Demokratie konnte sich noch gar nicht einstellen. Was willst Du denn eigentlich beweisen? --Mautpreller (Diskussion) 15:12, 12. Apr. 2018 (CEST)
- Fiescos These: „Demokratie ist die Herrschaft der Feigen und Dummen.“ trifft ziemlich genau den (falschen – siehe z.B. die Wirkungen der "Blood-Sweat-And-Tears-Rede" Winstons Churchills –) Standpunkt von „Geistesaristokraten“, die die „Geistlosigkeit“, die „Mittelmäßigkeit“ und den „mangelnden Idealismus“ (in Form „mangelnder Bereitschaft, fürs Vaterland zu töten und zu sterben“) demokratischer Gesellschaften und Kulturen kritisieren. Eine Analyse derartiger Haltungen (die in Uwe Tellkamps Roman „Der Eisvogel“ in Hülle und Fülle vorgeführt werden) benötigt allerdings tatsächlich keine langen Schiller-Zitate und -Paraphrasen.
- Allerdings habe ich im Zusammenhang mit der Diskussion über Uwe Tellkamps Dresdener Äußerungen nie geglaubt, dass Tellkamp heute noch allzu viel daran liegt, als Anhänger einer „Geistesaristokratie“ eingestuft zu werden. Die entsprechenden Gesellschaftskreise dürften wohl im Zusammenhang mit diesem Lemma vernachlässigbar sein, trotz des Zusammenhangs mit der Demokratieverdrossenheit, den Emanuel Richter (aktueller Einzelnachweis 11) sieht. → Reduzierung entsprechender Hinweise zu einer Randnotiz am Schluss der endgültigen Fassung dieses Artikels.
- Im Übrigen ist es extrem schwer, verworrene Diskussionen auf nicht verwirrende Weise darzustellen. Man kann z.B. einen Mangel an Demokratie dann nicht mit Anspruch auf Glaubwürdigkeit beklagen, wenn man gar keine demokratischen Verhältnisse anstrebt. Genau das tun aber viele „Rechte“. --CorradoX (Diskussion) 16:36, 12. Apr. 2018 (CEST)
- Ich fürchte, was Du mit diesem Artikel offenbar anstrebst, wird unter diesem Lemma nicht möglich sein. Die "Demokratieverdrossenheit" hat im Kontext des Worts des Jahres "Politikverdrossenheit" eine recht kurze Konjunktur erlebt und wird jetzt wieder ein bisschen reaktiviert, in Zeiten von Trump, Gauland und Orbán. Ich glaube nicht, dass Du mit diesem (m.E. schlecht gewählten) Begriff etwas dazu sagen kannst, warum heute Leute wieder die ewig-alten Parolen von der befreienden Tat im Gegensatz zur "Schwatzbude" des Parlaments anbringen. Dieses Muster ist in der Tat nicht neu, aber unter "Demokratieverdrossenheit" passt es nicht gut.--Mautpreller (Diskussion) 17:40, 12. Apr. 2018 (CEST)
Prägung des Begriffs
[Quelltext bearbeiten]Hilfreich wäre der Nachweis, wer diesen Begriff in welchem Zusammenhang prägte. Er scheint doch neueren Datums als "Politikverdrossenheit". Gibt es noch andere Wortbildungen dieses Typs (etwa: "Monarchieverdrossenheit")?--Ktiv (Diskussion) 09:18, 12. Apr. 2018 (CEST)
Der Artikel sollte dringend mit dem überarbeitungsbedürftigen Artikel zur Politikverdrossenheit abgestimmt und von diesem abgegrenzt werden; dieser benennt das Phänomen bereits in seiner Einleitung als Teilaspekt: * Politik- oder Staatsverdrossenheit als generelle Unzufriedenheit mit dem politischen System und den demokratischen Institutionen andererseits. --Dk0704 (Diskussion) 10:42, 12. Apr. 2018 (CEST)
Fürs erste
[Quelltext bearbeiten]- Jürgen Maier: Politikverdrossenheit in der Bundesrepublik Deutschland: Dimensionen - Determinanten - Konsequenzen. Leske & Budrich, Opladen 2000. Hier u.a. die Diskussion, wie sich das Konzept der politischen Unterstützung (z.B. der Demokratie) zum Konzept der Verdrossenheit verhält. S. 34ff. ausführliche Diskussion der "Unterstütuung" bzgl. Demokratie, mit sehr viel Literatur. S. 38 Aufstellung von Indikatoren, die für die Erfassung von "Demokratieverdrossenheit" verwendet wurden.
- Kai Arzheimer: Politikverdrossenheit. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002. Mit einem hervorragenden Literaturüberblick zu den diversen Verdrossenheitsbegriffen, u.a. auch Demokratieverdrossenheit.
- Dieter Fuchs: Politikverdrossenheit. In: Greiffenhagen/Greiffenhagen: Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. 2. Aufl., Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002. Kurzer, aber sehr informativer Überblick über die diversen "Verdrossenheiten", darunter auch Demokratieverdrossenheit.
Bitte das mal lesen und auswerten. Dann könnte u.U. ein brauchbarer Artikel entstehen. Bislang ist das, sorry, garnix.--Mautpreller (Diskussion) 12:01, 12. Apr. 2018 (CEST)
- Keine Quelle ist jünger als 16 Jahre. Dass ein hochgeehrter, intelligenter Autor der „Höhenkamm-Literatur“ unter dem Beifall von Hunderten Anwesenden Flüchtlinge pauschal als „Kostgänger Deutschlands“ würde verunglimpfen können, war 2002 noch nicht vorstellbar. 2002 war es auch noch nicht vorstellbar, dass eine Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister vor laufenden Kameras die Bürger bitten würden, ihre Bank nicht zu stürmen, weil sie andernfalls dem Zusammenbruch des Finanzsystems hilflos zusehen müssten, ohne etwas tun zu können. Das alles hat eine neue Qualität. --CorradoX (Diskussion) 16:46, 12. Apr. 2018 (CEST)
Weimarer Republik
[Quelltext bearbeiten]@Mautpreller: In der Diskussion über den (nicht von mir stammenden) Vorschlag, den Artikel auf der Hauptseite zu präsentieren ([1]), argumentierst du:
Ist es nicht eher so, dass die Rechte in Weimar nie etwas von der Demokratie gehalten hat und deswegen auch gar keine "Verdrossenheit" entwickelte, sondern von vornherein schlicht dagegen war? Ist es nicht eher so, dass die KPD noch nie etwas von bürgerlicher Demokratie gehalten hat?
Natürlich treffen die Aussagen deiner rhetorischen Fragen zu. Aber darum geht es gar nicht. Die Frage war damals und ist es heute noch, warum so viele Menschen den beiden Parteien durch ihre Stimmabgabe ihr Vertrauen aussprachen. Natürlich ist der Mangel an Stimmen für die demokratischen Parteien nur der Anlass für den akuten Niedergang des Systems. Die „Bauphase“ der Analyse der Ursachen des Mangels an Vertrauen (damals vs. heute) steht noch bevor.
Methodisch wäre der richtige Aufhänger, vor weiteren Texterweiterungen der Frage nachzugehen, was genau in den relativ aktuellen Analysen der zitierten Autoren durcheinandergeht. Dabei muss selbstverständlich das Kategoriengerüst der von dir empfohlenen Autoren angewandt werden. --CorradoX (Diskussion) 17:20, 12. Apr. 2018 (CEST)
PS: Wenn demokratisch gewählte Politiker eine Politik betreiben, die man ablehnt, und man (vorübergehend) dagegen nichts unternehmen kann, dann erzeugt das sehr wohl Verdruss an der konkreten Politik (und an den Verhältnissen im eigenen Land).
Im Übrigen: Setzt „Verdrossenheit“ voraus, dass man jetzt gegen etwas ist, das man früher befürwortet oder zumindest hingenommen hat? Oder sind nicht auch die „verdrossen“, die immer schon (prinzipiell) „dagegen“ waren? --CorradoX (Diskussion) 17:26, 12. Apr. 2018 (CEST)
- Ja, genau solche Fragen müsste man beantworten. Und nicht aus dem hohlen Bauch. Mir persönlich scheint "Verdrossenheit" schon vom alltäglichen Wortsinn her etwas anderes nahezulegen als "Gegnerschaft", tatsächlich nämlich eher, dass man ein politisches System früher als halbwegs funktionsfähig sah (mindestens in dem Sinn, dass für einen selbst schon das Richtige rauskommen werde, selbst wenn man sich für das System selbst nicht besonders interessierte) und diese Ansicht nunmehr geändert hat. Man würde zum Beispiel einen radikalen Revolutionär kaum als "verdrossen" bezeichnen. Aber die reine Alltagssprache reicht mir hier nicht aus. Man müsste hier schon nachvollziehen, wie die Politikforscher (und Politiker!) diesen Begriff konstruiert haben. Deshalb die Literaturhinweise. Sie sind natürlich nicht neu, die empirische Situation dürfte sich geändert haben. Aber auch die Konzepte und Konstrukte der Politikwissenschaftler, mit denen sie versucht haben, eine solche Stimmung zu erfassen? Die sind sehr wichtig für dieses Lemma.--Mautpreller (Diskussion) 10:13, 13. Apr. 2018 (CEST)
- Versuchen wir es einmal mit der Sprachstatistik: Im „Digital-Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS)“ der „Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften“ wird eine starke Konnotation der Begriffe „Verdrossenheit“ in Richtung der Begriffe „Apathie“ und „Resignation“ nachgewiesen (in dem Sinne, dass diese Begriffe in Texten besonders häufig im selben Kontext gemeinsam vorkommen; [2]). Zumindest „Resignation“ verweist darauf, dass die betreffende Person die Situation früher positiver beurteilt hat. Zugleich zeigen die beiden assoziierten (verschiedenen!) Begriffe, dass man diejenigen, die „nie gebrannt haben“ (die Apathischen) von denen, deren „Feuer erloschen ist“ (den Resignierten), unterscheiden muss. --CorradoX (Diskussion) 17:09, 13. Apr. 2018 (CEST)
- PS (metakommunikative Anmerkung): Hier wende ich eigentlich Grüters Ansatz an. Die Leitfrage müsste lauten: Warum hat es früher mehr Demokratiebegeisterte gegeben, und wo ist (vor allem in den USA!) die Demokratiebegeisterung geblieben (die Soldaten der Westalliierten motivierte, im Zweiten Weltkrieg ihr Leben im Kampf gegen die Nazis zu riskieren, – vgl. [3] – und die junge Nachkriegsdeutsche „ansteckte“)? --CorradoX (Diskussion) 17:23, 13. Apr. 2018 (CEST)
- Die Aufgabe aller Artikel, die auf „-verdrossenheit“ enden, besteht darin zu erklären, warum bestimmte Menschen auf bestimmte politische (als „demokratisch“ bezeichnete) Verhältnisse mit „Verdrossenheit“ (= dasselbe wie „Verdruss“ oder „Verdrieslichkeit“?) reagieren und wann ihr apathisches bzw. abwartendes Verhalten in Aktivität umschlägt. Das zu erklären ist die Aufgabe von Psychologen mit gehobenen politologischen, soziologischen und ökonomischen Kenntnissen.
- Die letzte Änderung in dem Artikel Nichtwähler, durch die die These präsentiert wird, wonach Nichtaktivität von Wahlberechtigten ein rationales, ein deshalb eigentlich nicht erklärungsbedürftiges Verhalten sei, stiftet zusätzlich Verwirrung. Denn fast alle, die über „-verdrossenheit“ schreiben, gehen vom Gegenteil aus. --91.96.181.128 08:29, 13. Apr. 2018 (CEST)
- Das ist aber doch ganz originell. Der dreht die Blickrichtung um und hälte es eher für ungeklärt, warum sie doch zur Wahl gehen.--Mautpreller (Diskussion) 10:04, 13. Apr. 2018 (CEST)
- Selbst bei der traditionellen Suche nach den Gründen des Nichtwählens ist Grüters Sichtweise erkennbar: Nach dieser von der Hanns-Seidel-Stiftung am 7. Februar 2017 herausgegebenen Studie geben 15 Prozent der befragten Nichtwähler in Bayern als Grund für die Nichtwahl „Fehlender Nutzen, Einfluss“ an (→ „Warum sollte ich eigentlich zur Wahl gehen?“).
- Abgesehen davon verzichten die Interviewer erfreulicherweise auf die Verwirrung stiftende Kategorie „-verdrossenheit“ und geben stattdessen die Alternative „Parteien- und Politikerverdruss“ an (42 Prozent), von denen, ebenso erfreulich, deutlich die „politische Apathie“ (35 Prozent) abgegrenzt wird. --85.16.187.102 12:14, 14. Apr. 2018 (CEST)
Genaue Bestimmung des Artikelthemas
[Quelltext bearbeiten]Wenn man das Analyseergebnis des Digital-Wörterbuchs ernst nimmt, dann muss man sich auf den engen Zusammenhang der Begriffe „Verdrossenheit“ und „Resignation“ konzentrieren (in allen WP-Artikeln, deren Lemma auf „-verdrossenheit“ endet). Schwerpunktmäßig müsste also untersucht werden, warum Menschen, die einmal demokratiebegeistert waren, sich aber zumindest positiv über die Demokratie geäußert haben, heute „verdrossen“ (also noch nicht wütend oder gar zur „Revolution“ bereit) sind.
Die Gemütszustände der uninteressierten Gleichgültigkeit ohne Empfindung von Ärger („Apathie“ ≠ „Verdruss“) gerieten bei dieser Schwerpunktsetzung ebenso an den Rand der Analyse wie der „Überdruss“ derer, die zwar (trotzdem noch) aktiv sind, aber nachhaltig nicht aus einer Minderheitenposition herauskommen, sowie die Entschlossenheit zum Ungehorsam, zur Rebellion oder gar „Revolution“, wobei der bloß passive Verdruss in Aktion umschlägt.
Zugleich muss klar werden, dass nicht alle, die die Wortgruppe „-verdrossenheit“ benutzen, diese Abgrenzungen vornehmen. --CorradoX (Diskussion) 10:25, 14. Apr. 2018 (CEST)
- Alle Artikel, deren Lemma auf „-verdrossenheit“ (warum eigentlich nicht „-verdruss“?) endet, haben dieselbe Schwäche: Sie basieren auf der Prämisse: „Jeder müsste ein Anhänger der Demokratie, wenn nicht sogar demokratiebegeistert, und bereit zum Engagement sein, und sei es nur in der Minimalform der Stimmabgabe bei Wahlen.“ Nur bei Annahme dieser Prämisse erscheinen viele Einstellungen und Verhaltensweisen als „Problem“. --CorradoX (Diskussion) 10:07, 15. Apr. 2018 (CEST)
Demokratieverdrossenheit und Demokratieverachtung
[Quelltext bearbeiten]Vom 25. bis zum 27. Januar 2018 fand an der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Veranstaltung zum Thema „Demokratieverachtung“ statt (mit dem Zusatz: „Autoritäre Dynamiken in der Zwischenkriegszeit und in der Gegenwart“).
Für diesen Artikel hat die Tagung zwei fruchtbare Impulse mit sich gebracht:
- die Konzentration auf Parallelen zwischen der Weimarer und der Berliner Republik;
- der Hinweis darauf, dass Demokratieverdrossenheit in der Bevölkerung bis hin zur Demokratieverachtung großenteils eine Reaktion auf die Demokratieverachtung der wirtschaftlichen und politischen Eliten sind (und zwar nicht nur der Populisten unter ihnen).
@Mautpreller: Durch den Begriff „Demokratieverachtung“ wird auch deutlich, dass dein „Bauchgefühl“, dass revolutionäre „Überzeugungstäter“ nicht „verdrossen“ seien, richtig ist: Verachtung ist etwas anderes als Verdrossenheit. --CorradoX (Diskussion) 08:33, 3. Mai 2018 (CEST)
Mythos richtige Politik
[Quelltext bearbeiten]Das ist nicht einfach ein Mythos (das ist zu wertend). Das Gedankenexperiment des Schleier_des_Nichtwissens sorgt sogar für Einstimmigkeit. Außerdem sind auch in realen Bürgerinnenversammlungen große Mehrheiten (80%) zu so ziemlich jeder Sachfrage zu schaffen. Die Frage ist hier ob man Theoretiker ist (der kann die Existenz einer optimalen Lösung beweisen) oder Praktiker (der kann die Lösung nicht finden). --Bay Siana (Diskussion) 00:55, 15. Mär. 2020 (CET)
- 1. Der „Schleier des Nichtwissens“: Es geht um Staaten und Gesellschaften, die es hier und heute gibt. In denen sind die verschiedenen gesellschaftlichen Rollen verteilt und damit auch die für pluralistische Gesellschaften typischen Interessenlagen. Es stellt sich in der Praxis vor allem die Frage, wie man Minderheiten vor der Willkür und der Entrechtung durch Mehrheiten schützt. Hier ist der Rechtsstaat gefragt, nicht die Demokratie.
- 2. Das „Nichtwissen“ macht sich auf ganz andere Weise bemerkbar. Vielen Menschen fehlt einfach die Phantasie, sich vorzustellen, was exponentielles Wachstum bedeutet. Ein Beispiel macht das deutlich: Einigen kann man es mit noch so viel Geduld erklären: Sie glauben es einfach nicht, dass bei einer Verdoppelung des Seerosenbestands eines Teichs auf dem bereits halb mit Seerosen bedeckten Gewässer am nächsten Tag kein Wasser mehr zu sehen sein wird. Solche Menschen haben aber ebenso genau eine Stimme bei Wahlen und Abstimmungen wie ein Professor, der sich genau auskennt. In lebensbedrohlichen Krisen wie der aktuellen Corona-Pandemie sind die o.g. Ignoranten (bei aller Meinungsfreiheit) schlichtweg irrelevant. Insofern würde ich den Begriff „Mythos“ stark einschränken wollen (nur selten sind aber Argumente von Wissenschaftlern so „überwältigend“ wie in Fragen von Pandemien oder auch des Klimawandels).
- 3. Die Mehrheit in Bürgerversammlungen: Wenn alle Bürger damit rechnen müssen, dass vor ihrem Haus eine Windkraftanlage errichtet wird und wenn sie genau das nicht wollen, dann ist es klar, dass 80 Prozent der Bürger gegen Windkraftanlagen im Dorf sind. Auf das Sankt-Florian-Prinzip ist bei den meisten Menschen Verlass. --CorradoX (Diskussion) 10:38, 15. Mär. 2020 (CET)
„Inkompetenzunterstellung“
[Quelltext bearbeiten]Fast vier Jahre nach dem letzten neuen Eintrag auf dieser Diskussionsseite und zweieinhalb Jahre nach der letzten substanziellen Änderung des zugehörigen Artikeltexts wirken beide Seiten „wie aus der Zeit gefallen“.
Am deutlichsten wird dies durch eine Äußerung des Soziologen Armin Nassehi in der Talkshow „Caren Miosga“ am 21. Januar 2024 (Thema: „Merz richtet die CDU neu aus - Wird Deutschland konservativ?“). Nassehi benutzte den Begriff „Inkompetenzunterstellung“ zur Beschreibung der Stimmung im Jahr 2024 in einem Großteil der Bevölkerung den politischen Eliten insgesamt gegenüber ([4], Minute 41]). Dabei handele es sich um ein Umkippen der normalerweise bei der Bevölkerungsmehrheit zu findenden „Kompetenzerwartung“ (auch in der Schrumpfform der Einstellung: „Von der Politik der Partei x erwarte ich weniger Nachteile für mich als von der Politiker anderer Parteien.“)
Wie Kompetenzerwartungen (nicht nur in der Politik) aufgebaut und (zumindest eine Zeitlang) aufrechterhalten werden, beschreibt der Text „Kompetenzerwartungen - Wenn der Schein trügt“ des Psychologen Frank Hagenow aus dem Jahr 2019. Demnach sei es nicht möglich, dass alle Kompetenzerwartungen durch eine Person erfüllt werden könnten, so dass notwendigerweise jede „führungsstarke Persönlichkeit“ Schwächen habe, über die sie hinwegzutäuschen versuche (hinwegzutäuschen versuchen müsse?).
Eine „ketzerische“ Schlussfolgerung (Vorsicht, TF!) hieraus wäre: Jede denkbare Politik, auch in der Demokratie, ist ein Stück weit „verlogen“. --CorradoX (Diskussion) 18:41, 28. Jan. 2024 (CET)
- Das folgende, von der Konrad-Adenauer-Stiftung bereits im April 2000 (!) veröffentlichte Zitat bezieht sich direkter auf das Thema: „Parteipolitiker als insgesamt inkompetent Wahrgenommene“:
Da ist die zunehmende Inkompetenz der Parteien. Diesen Eindruck verursachte die CDU 1997, als sie Reformen propagierte – aber weder Renten-, Gesundheits-, Steuer-, noch eine akzeptabele Haushaltsreform hinbekam. Wer Probleme anprangert, sich als Retter in Szene setzt, dann aber nirgendwo eine Lösung schafft, der gilt fortan als inkompetent. Und zieht die anderen Parteien mit in den Strudel: Noch 1996 zweifelten nur etwa 25% an der Lösungsfähigkeit unserer Parteien bei den wichtigsten politischen Aufgaben. Inzwischen ist es jeder zweite. Die Parteien verlieren ihre Legitimation, für uns zu sprechen. Warum also wählen – und erst recht: Wen überhaupt? Nächster Grund: Weil keiner den Parteien mehr vertraut, nimmt das politische Interesse deutlich ab. Noch 1983, unmittelbar nach Helmut Kohls Regierungsantritt, interessierten sich 50% für die politischen Neuigkeiten des Tages. Heute ist es nur noch jeder Vierte. Wenn Politik kein Interesse mehr hervorruft, nimmt natürlich die Informiertheit über politische Zusammenhänge ab. Anstelle des Wettstreits um Argumente werden Wahlen zum Plebiszit über ein individuelles Nebenthema, oder dienen gar zur Abstrafung der da oben. Also fragen sich immer mehr Wähler: Wofür eigentlich taugen noch die Parteien? ([5])
Überarbeitung des Komplexes „Individualismus“
[Quelltext bearbeiten]Der Abschnitt beschränkt sich weitgehend auf die Legitimation des Nichtwählens und unterstellt, dass Einstellungen und Verhaltensweisen Einzelner, die der Demokratie (und auch dem Rechtsstaat) schaden, auf einer Ablehnung der Demokratie durch die betreffenden Personen beruhten. Tatsächlich ist vielen nicht bewusst, dass Einstellungen wie die, dass die Migration gedrosselt werden müsse, da das Land keine zusätzlichen Arbeitskräfte benötige, die das Lohnniveau gering qualifizierter Einheimischer senkten, und die auch „robuste“ Methoden zur Erreichung dieses Ziels befürworten, mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Vielen von denen, denen das bewusst ist, ist es gleichgültig.
An dieser Stelle wird ein genereller Mangel dieses Artikels deutlich: Er unterstellt, dass eigentlich jeder die verfasste Demokratie und ihre Errungenschaften wertschätzen müsse. Wenn sich aber „Inkompetenzerwartungen“ gegenüber Politikern demokratischer Parteien verfestigt haben, ist der Kipppunkt von der Demokratieverdrossenheit zur Demokratieverachtung erreicht. --2A02:8206:88C5:5D00:690B:BD62:A8A9:DEEC 11:03, 11. Nov. 2024 (CET)
- Es geht in deinem Vorschlag darum, was in einem neuen Unterabschnitt an aktuellen Analysen ergänzt werden müsse.
- Ein guter Einstieg scheint mir das Interview von krautreporter.de mit Veit Selk (Lehrbeauftragter am Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt) zu sein ([6]). Die Überschrift lautet: „Erleben wir gerade das Ende der Demokratie? Sie scheitert an ihren eigenen Ansprüchen, sagt Politikwissenschaftler Veith Selk.“ Grundlage für das Interview bildet Selks 2023 erschienenes Buch: Demokratiedämmerung, in dem Selk zu dem Schluss kommt, dass die liberale Demokratie gerade ihr langsames Ende erlebe.
- Selk fasst den Befund anlässlich der Präsidentschaftwahl in den USA im November 2024 mit den Worten zusammen:
„[Es] werden nicht alle demokratischen Regime untergehen. Meine These ist, dass unsere Konzepte von Demokratie an Plausibilität verlieren, sei es das Konzept der Volksherrschaft, sei es das Konzept der Wahldemokratie. Das liegt auch daran, dass die Rahmenbedingungen für die Demokratie ungünstig sind. Dazu zählt unter anderem auch die Subjektivität der Menschen, die heutzutage eben anders ist als vor 50 Jahren, Stichwort „Individualisierung“. Da kann man nicht erwarten, dass die Demokratie alter Tage zurückkehrt.“