Diskussion:Hängekompass
Letzter Kommentar: vor 12 Jahren von Markscheider in Abschnitt Genauigkeit
Genauigkeit
[Quelltext bearbeiten]Mich würde interessieren, ob die Genauigkeit eines Hängekompasses eher durch die Bauweise beschränkt wird, oder ob mit einem Magnetkompass generell nur Meßgenauigkeiten bis etwa 1° möglich sind.--UMyd (Diskussion) 19:29, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Profi-Hängekompasse haben eine große Kompassbüchse, mit beinahe 120 mm Durchmesser. Dadurch ist die Ablesegenauigkeit um Größenordnungen höher als bspw. bei einem Marschkompaß. Durch die 400g-Teilung kann man auch sowieso schon rund 11% genauer ablesen als bei einem gleichgroßen gradgeteilten Kompaß. Außerdem sind das Präzisionsinstrumente, schon die ganze mechanische Ausführung ist eine andere Kategorie als bei Handkompassen. Aber um auf Deine Ausgangsfrage zurückzukommen - die Genauigkeit nimmt mit dem Durchmesser der Büchse zu, weil man dann eine feinere Teilung anbringen kann. Theoretisch könnte man mit einem entsprechen großen Kompaß oder einer Bauweise ähnlich wie beim Theodolit, mit geätztem Glaskreis und Ablesemikroskop, auch Genauigkeiten im Sekundenbereich erzielen. Eine größere Bauweise stößt aber bei der Handhabung auf Grenzen. -- Glückauf! Markscheider Disk 19:49, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Danke für die schnelle Antwort. Die Kernfrage bleibt aber: Ist es überhaupt sinvoll, einen Kompass, der eine Magnetnadel nutzt, auf Sekunden abzulesen oder weisst zum Beispiel das Magnetfeld derart viele kleinsträumige Unregelmäßigkeiten auf, zumal unter Tage, dass eine Richtungsbestimmung im Sinne der "Richtigkeit" (accuracy) genauer als 1 Grad überhaupt nicht möglich ist? Praktisches Beispiel: Man hätte eine 300 m lange Messtrecke und hängt einen auf Sekunden ablesbaren Magnetkompass alle 10 m in die Messschnur: Zeigt der dann immer das gleiche an, oder ist das Magnetfeld vielleicht nicht gleichmäßig genug oder erreicht man die Grenzen dessen, was mit einer Magnetnadel überhaupt messbar ist, schon viel früher, z.B. bei 1° oder 0,1°?--UMyd (Diskussion) 19:59, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Du kriegst schonmal keine 300 m Schur gespannt, 50 m würde ich hier (unter günstigen Bedingungen) als das absolute Maximum ansehen, in der Praxis viel weniger. Damit fängts schon an. Die Magnetfeldabweichungen kann man ein einem so kleinräumigen Gebiet (unter 1000 m Ost-west-Erstreckung) vernachlässigen, die Abweichung an sich wird selbstverständlich kompensiert oder rechnerisch korrigiert. Von daher - ja. In theory, that is. Praktisch hat das wohl nie jemand ausprobiert. Immerhin geht die Theodolitmessung unter Tage bis auf Weisbachs Visiermarkscheidekunst zurück, und damals waren die Gruben noch viel kleiner und die Genauigkeitsanforderungen nicht so hoch. In der Folge ist die von mir angedeutete Weiterentwicklung der Kompasse unterblieben, weil sie durch die Theodolite verdrängt wurden und weil immer mehr Stahl in die Gruben kam. In einem modernen Bergwerk kannst Du eine Kompaßmessung nahezu völlig vergessen, weil es praktisch überall Eisen in Form von Ausbau, Ankern, Rohrleitungen und Schienen (abnehmend) gibt, dazu kommen noch die allgegenwärtigen Stromkabel. Die arme Nadel weiß da gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht vor lauter Magnetfeldern. Und diese Beeinflussungen liegen in Bereichen, die weit oberhalb der Meßgenauigkeit angesiedelt sind, mehrere Gon bis zum rechten Winkel oder darüber. Angesichts dessen ist eine praktische Erhöhung der Meßgenauigkeit durch bessere Kompasse ohne Wert. Schon um 1930-40 herum hat man mit dem Kompaß nur noch die Strebe oder Abbaue abgezogen, alles andere wurde durchgängig mit Theodolit gemessen. Was man auch nicht außer acht lassen darf, wenn man von Magnetfeldabweichungen spricht, sind natürliche lokale Anomalien, zuallererst in Erzbergwerken, aber es gibt auch eisenschüssigen Kalk- oder Sandstein, der mitunter in der Nähe der Steinkohlenflöze auftritt. Da nützt es dann auch nichts, wenn kein Stahl in der Nähe ist. -- Glückauf! Markscheider Disk 20:16, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Vielen Dank für die ausführliche Antwort, damit ist schon mal klar, warum niemand im Bergbau versucht hat, einen genauer ablesbaren Kompass zu bauen. Demzufolge wäre die Genauigkeit eines Hängekompasses bauartbedingt. Trotzdem würde mich interessieren, in welcher Größenordnung die prinzipiellen Genauigkeitsgrenzen eines Magnetkompasses liegen. Ich sehe da mindestens zwei Begrenzungen: 1. Das Magnetfeld ist sicher überall unregelmäßig und "anormal", aber ich habe keine Vorstellung in welcher Größenordnung. Ich meine nicht die "globale" Nadelabweichung, sondern wirklich die kleinsträumigen Unregelmäßigkeiten. 2. Die Magnetnadel. Ich nehme an, dass man bei dieser Art von Konstruktion grundsätzlich nicht an die Genauigkeit eines optischen Winkelmessers (Theodolith) ranreicht. Vielleicht ist das aber eher eine Frage für die Nautikspezialisten. --UMyd (Diskussion) 20:58, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Die Deklination (Geographie) wird in einem solchen Fall vor und nach der Messung bestimmt und berücksichtigt, wo bei man davon ausgeht, daß sie über und unter Tage gleich ist. An der BA Freiberg wurden bspw. Deklinationsbestimmungen für das Freiberger Revier durch den jeweiligen Prof. Markscheidekunde seit 1773 ununterbrochen, seit 1888 "mehrmals täglich", durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den sächsischen Jahrbüchern veröffentlicht. Wenn ich einen Zug niederer Genauigkeit mache, i.e. einen Abbau abziehe, langt es unter Umständen, die durchschnittliche Deklination anzunehmen. Bei Neuanlagen, speziell bei Durchschlagsangaben, wurde die Deklination unmittelbar vor und nach der Messung bestimmt. Auch die "kleinsträumigen Unregelmäßigkeiten" erfaßt man mit dieser Methode, wenn man mal davon ausgeht, daß ein ganzes Bergwerk zu dieser Zeit als ein kleinster Raum gilt. Und selbst das läßt sich noch verbessern, wenn man in einer Hauptstrecke unmittelbar vor dem Abbau und der Messung die Deklination zwischen zwei Hauptpolygonpunkten, die mit Theodlitmessung bestimmt sind, bestimmt. Es gibt ja den schönen Merksatz: "Immer so genau wie nötig, nie so genau wie möglich" im Markscheide- bzw. Vermessungswesen. Was die Nadel angeht sie ist etwa 0,2 mm dick. Das ist schon recht genau, wenn auch nicht so genau wie ein Theo mit Glaskreis. Sie ließe sich aber noch feiner fertigen, nur bringt das bei einem normalen Hängekompaß nicht viel. Wenn der eine größere Büchse mit einem feiner geteilten Kreis hätte, dann schon. Aber siehe oben. Jedenfalls: Hängekompasse, wie sie tatsächlich existieren (und die sind mehr oder weniger alle ähnlich groß und genau) haben bei weiem nicht die Genauigkeit eines Theodoliten. Aus diesem Grund haben die Theodoliten und deren Nachfolger wie Tachymeter und mittlerweile elektronische Totalstationen die Kompasse ja auch nahezu völlig verdrängt. Für die Höhlenforscher ist es meistens noch genau genug und die Bedingungen dafür geeignet. Außerdem gibt es Stellen in Höhlen, wo man einen Theo einfach nicht aufstellen kann. -- Glückauf! Markscheider Disk 22:03, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Nochmals vielen Dank für die ausführlichen Angaben. Besonders der Hinweis auf die Jahrbücher mit den Deklinationsangaben ist äußerst interessant, vor allem wenn man ältere Grubenpläne einnorden will. Mit "kleinsträumigen Abweichungen" meinte ich allerdings solche innerhalb eines Bergwerks, die sich nicht mit einer einzelnen Messung der Deklination eichen lassen, also - wenn man so will - die Genauigkeit des Magnetfelds. Aus Höhlen und Altbergbau sind mir die Vorteile eines Hängekompasses bewusst, und die Genauigkeit reicht meist auch. Die Frage nach der prinzipiell erreichbaren Genauigkeit mit einem Magnetkompass stelle ich mir eher "wissenshalber". --UMyd (Diskussion) 23:45, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Um das nochmal kurz zusammzufassen: man _könnte_ Magnetkompasse bauen, die eine wesentlich höhere Präzision haben _würden_. Da es aber Meßinstrumente gibt (Tachymeter, Kreiselkompaß (Gyromat2000)), die eine wesentlich höhere Genaugikeit aufweisen, _ohne_ die Nachteile eines Magnetkompasses in Kauf nehmen zu müssen, wird kaum jemand einen solchen Kompaß bauen. Von der Handhabbarkeit ganz zu schweigen. Außerdem wäre ein solches Gerät vermutlich teuer ohne Ende, schon das Markscheidergerät (nette Wortschöpfung) der Fa. FPM, die meines Wissens nach der einzige Anbieter ist, kostet knapp 1000€. Wenn Du Befahrer bist, sollten wir uns zumindestens aus einem Forum kennen. Schreib mir eine PN. -- Glückauf! Markscheider Disk 00:07, 24. Aug. 2012 (CEST)
- Nochmals vielen Dank für die ausführlichen Angaben. Besonders der Hinweis auf die Jahrbücher mit den Deklinationsangaben ist äußerst interessant, vor allem wenn man ältere Grubenpläne einnorden will. Mit "kleinsträumigen Abweichungen" meinte ich allerdings solche innerhalb eines Bergwerks, die sich nicht mit einer einzelnen Messung der Deklination eichen lassen, also - wenn man so will - die Genauigkeit des Magnetfelds. Aus Höhlen und Altbergbau sind mir die Vorteile eines Hängekompasses bewusst, und die Genauigkeit reicht meist auch. Die Frage nach der prinzipiell erreichbaren Genauigkeit mit einem Magnetkompass stelle ich mir eher "wissenshalber". --UMyd (Diskussion) 23:45, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Die Deklination (Geographie) wird in einem solchen Fall vor und nach der Messung bestimmt und berücksichtigt, wo bei man davon ausgeht, daß sie über und unter Tage gleich ist. An der BA Freiberg wurden bspw. Deklinationsbestimmungen für das Freiberger Revier durch den jeweiligen Prof. Markscheidekunde seit 1773 ununterbrochen, seit 1888 "mehrmals täglich", durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den sächsischen Jahrbüchern veröffentlicht. Wenn ich einen Zug niederer Genauigkeit mache, i.e. einen Abbau abziehe, langt es unter Umständen, die durchschnittliche Deklination anzunehmen. Bei Neuanlagen, speziell bei Durchschlagsangaben, wurde die Deklination unmittelbar vor und nach der Messung bestimmt. Auch die "kleinsträumigen Unregelmäßigkeiten" erfaßt man mit dieser Methode, wenn man mal davon ausgeht, daß ein ganzes Bergwerk zu dieser Zeit als ein kleinster Raum gilt. Und selbst das läßt sich noch verbessern, wenn man in einer Hauptstrecke unmittelbar vor dem Abbau und der Messung die Deklination zwischen zwei Hauptpolygonpunkten, die mit Theodlitmessung bestimmt sind, bestimmt. Es gibt ja den schönen Merksatz: "Immer so genau wie nötig, nie so genau wie möglich" im Markscheide- bzw. Vermessungswesen. Was die Nadel angeht sie ist etwa 0,2 mm dick. Das ist schon recht genau, wenn auch nicht so genau wie ein Theo mit Glaskreis. Sie ließe sich aber noch feiner fertigen, nur bringt das bei einem normalen Hängekompaß nicht viel. Wenn der eine größere Büchse mit einem feiner geteilten Kreis hätte, dann schon. Aber siehe oben. Jedenfalls: Hängekompasse, wie sie tatsächlich existieren (und die sind mehr oder weniger alle ähnlich groß und genau) haben bei weiem nicht die Genauigkeit eines Theodoliten. Aus diesem Grund haben die Theodoliten und deren Nachfolger wie Tachymeter und mittlerweile elektronische Totalstationen die Kompasse ja auch nahezu völlig verdrängt. Für die Höhlenforscher ist es meistens noch genau genug und die Bedingungen dafür geeignet. Außerdem gibt es Stellen in Höhlen, wo man einen Theo einfach nicht aufstellen kann. -- Glückauf! Markscheider Disk 22:03, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Vielen Dank für die ausführliche Antwort, damit ist schon mal klar, warum niemand im Bergbau versucht hat, einen genauer ablesbaren Kompass zu bauen. Demzufolge wäre die Genauigkeit eines Hängekompasses bauartbedingt. Trotzdem würde mich interessieren, in welcher Größenordnung die prinzipiellen Genauigkeitsgrenzen eines Magnetkompasses liegen. Ich sehe da mindestens zwei Begrenzungen: 1. Das Magnetfeld ist sicher überall unregelmäßig und "anormal", aber ich habe keine Vorstellung in welcher Größenordnung. Ich meine nicht die "globale" Nadelabweichung, sondern wirklich die kleinsträumigen Unregelmäßigkeiten. 2. Die Magnetnadel. Ich nehme an, dass man bei dieser Art von Konstruktion grundsätzlich nicht an die Genauigkeit eines optischen Winkelmessers (Theodolith) ranreicht. Vielleicht ist das aber eher eine Frage für die Nautikspezialisten. --UMyd (Diskussion) 20:58, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Du kriegst schonmal keine 300 m Schur gespannt, 50 m würde ich hier (unter günstigen Bedingungen) als das absolute Maximum ansehen, in der Praxis viel weniger. Damit fängts schon an. Die Magnetfeldabweichungen kann man ein einem so kleinräumigen Gebiet (unter 1000 m Ost-west-Erstreckung) vernachlässigen, die Abweichung an sich wird selbstverständlich kompensiert oder rechnerisch korrigiert. Von daher - ja. In theory, that is. Praktisch hat das wohl nie jemand ausprobiert. Immerhin geht die Theodolitmessung unter Tage bis auf Weisbachs Visiermarkscheidekunst zurück, und damals waren die Gruben noch viel kleiner und die Genauigkeitsanforderungen nicht so hoch. In der Folge ist die von mir angedeutete Weiterentwicklung der Kompasse unterblieben, weil sie durch die Theodolite verdrängt wurden und weil immer mehr Stahl in die Gruben kam. In einem modernen Bergwerk kannst Du eine Kompaßmessung nahezu völlig vergessen, weil es praktisch überall Eisen in Form von Ausbau, Ankern, Rohrleitungen und Schienen (abnehmend) gibt, dazu kommen noch die allgegenwärtigen Stromkabel. Die arme Nadel weiß da gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht vor lauter Magnetfeldern. Und diese Beeinflussungen liegen in Bereichen, die weit oberhalb der Meßgenauigkeit angesiedelt sind, mehrere Gon bis zum rechten Winkel oder darüber. Angesichts dessen ist eine praktische Erhöhung der Meßgenauigkeit durch bessere Kompasse ohne Wert. Schon um 1930-40 herum hat man mit dem Kompaß nur noch die Strebe oder Abbaue abgezogen, alles andere wurde durchgängig mit Theodolit gemessen. Was man auch nicht außer acht lassen darf, wenn man von Magnetfeldabweichungen spricht, sind natürliche lokale Anomalien, zuallererst in Erzbergwerken, aber es gibt auch eisenschüssigen Kalk- oder Sandstein, der mitunter in der Nähe der Steinkohlenflöze auftritt. Da nützt es dann auch nichts, wenn kein Stahl in der Nähe ist. -- Glückauf! Markscheider Disk 20:16, 23. Aug. 2012 (CEST)
- Danke für die schnelle Antwort. Die Kernfrage bleibt aber: Ist es überhaupt sinvoll, einen Kompass, der eine Magnetnadel nutzt, auf Sekunden abzulesen oder weisst zum Beispiel das Magnetfeld derart viele kleinsträumige Unregelmäßigkeiten auf, zumal unter Tage, dass eine Richtungsbestimmung im Sinne der "Richtigkeit" (accuracy) genauer als 1 Grad überhaupt nicht möglich ist? Praktisches Beispiel: Man hätte eine 300 m lange Messtrecke und hängt einen auf Sekunden ablesbaren Magnetkompass alle 10 m in die Messschnur: Zeigt der dann immer das gleiche an, oder ist das Magnetfeld vielleicht nicht gleichmäßig genug oder erreicht man die Grenzen dessen, was mit einer Magnetnadel überhaupt messbar ist, schon viel früher, z.B. bei 1° oder 0,1°?--UMyd (Diskussion) 19:59, 23. Aug. 2012 (CEST)