Distigmin

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Strukturformel
Strukturformel des Distigmin
Distigmin-Bromid
Allgemeines
Name Distigmin
Andere Namen
  • (1-Methylpyridin-1-ium-3-yl)-N-methyl-N-{6-[methyl-(1-methylpyridin-1-ium-3-yl)oxycarbonylamino]hexyl} carbamat-dibromid[1][2]
  • Distigminum, Distigmini Bromidum (Latein)
  • Hexamarium Bromid[3]
Summenformel C22H32Br2N4O4 (Dibromid)
Kurzbeschreibung

Weißes kristallines Pulver (Dibromid)[4]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 240-013-0
ECHA-InfoCard 100.036.360
PubChem 27522
Wikidata Q3277473
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N07AA03 (Dibromid)

Wirkstoffklasse

Parasympathomimetikum

Wirkmechanismus

Acetylcholinesterase-Inhibitor

Eigenschaften
Molare Masse 576,33 g·mol−1 (Dibromid)
Aggregatzustand

fest (Dibromid)[4]

Schmelzpunkt

~150 °C (Dibromid, Zersetzung)[4][1]

pKS-Wert

5,0–5,5 (Dibromid, wässrige Lösung)[4]

Löslichkeit

28,82 mg·ml−1 (in 0,1 mol·l−1 HClO4)[4]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[5]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300​‐​412
EUH: 070
P: ?
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Distigmin (auch: Hexamarium Bromid, Distigmin-Bromid) ist der Freiname für ein indirektes Parasympathomimetikum mit langer Wirkdauer. Es weist ein ähnliches Wirkungsprofil wie Neostigmin und Pyridostigmin auf und findet bei neurogener Blasenentleerungsstörung mit Erschlaffung des Blasenmuskels, hypotoner chronischer Verstopfung, der Hirschsprung-Krankheit, peripheren Lähmungen der quergestreiften Muskulatur oder Myasthenia gravis Verwendung als Arzneimittel.[7]

Der verwendete Wirkstoff ist Distigmin-Bromid; er wurde 1957 von den Österreichischen Stickstoffwerken patentiert und kam 1959 in den Handel.[8][9]

In der Literatur wird die Synthese ausgehend von N,N,N′,N′-Tetramethylhexamethylendiamin mit Phosgen und 3-Hydroxypyridin beschrieben. Distigmin-Bromid entsteht durch Alkylierung mit Methylbromid.[3]

Synthese von Distigmin-Bromid nach US2789981
Synthese von Distigmin-Bromid nach US2789981

Der Name Distigmin bezeichnet in der medizinischen Anwendung das Dibromidsalz. Synonym wird es manchmal Distigmin-Bromid genannt.[1]

Pharmakodynamik

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Distigmin-Bromid reagiert unter Bildung eines Carbaminsäureesters mit dem esteratischen Zentrum des Enzyms Acetylcholinesterase und macht dieses funktionsunfähig. Die erhöhte Acetylcholin-Konzentration an der motorischen Endplatte hat die Kontraktion von Harnleiter, Gallenblase, Blasenmuskel und der bronchialen Muskulatur zur Folge. Am Auge kommt es zu Kontraktion des Ziliarkörpers, Engstellung der Pupillen, Abnahme des intraokulären Drucks, und zu Störungen der Akkommodation. Weiters wurden eine Abnahme der Herzfrequenz, erhöhte Schweißsekretion und eine Anregung der Peristaltik und Sekretion im Verdauungstrakt beobachtet. Gering dosiert treten Faszikulationen der Skelettmuskulatur auf, hoch dosiert sind Lähmungserscheinungen durch Depolarisation möglich.[10]

Pharmakokinetik

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Distigmin ist wie Neostigmin eine quartäre Ammoniumverbindung mit starker Acetylcholinesterase-Bindung, die nach Hydrolyse verzögert renal ausgeschieden wird. Es ist kaum fettlöslich, durchdringt die Blut-Hirn-Schranke nicht und beeinflusst auch die ganglionäre Übertragung im autonomen Nervensystem nicht wesentlich. Die durchschnittliche Absorptionszeit beträgt 10 Stunden, die Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe 4,65 %. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei 65 Stunden, die Acetylcholinesterase wird für etwa 38 bis 40 Stunden reversibel gehemmt.[11][12] Wiederholte Einnahme zeigt keine Kumulation der Wirkung auf die Acetylcholinesterase-Hemmung.

Nach intravenöser Gabe fanden sich 4 % der Substanz im Kot wieder, 85 % wurden renal ausgeschieden.[7]

Bei Morbus Parkinson, Myotonie, Thyreotoxikose, Uveitis, Bronchialasthma, Herzrhythmusstörungen, Verengungen und Krampfzuständen des Darms, der Gallen- oder Harnwege sowie bei Kreislaufschwäche darf es nicht angewandt werden. Auch bei mechanischer Blockierung des Darms oder der ableitenden Harnwege ist Distigmin kontraindiziert.[4][10]

Wechselwirkungen

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Antiarrhythmika, Glucocorticoide und Dipyridamol vermindern die Wirkung. Anticholinergika, trizyklische- oder tetrazyklische Antidepressiva, Neuroleptika, Lithium und Antihistaminika antagonisieren die muskarinische Wirkung, die nikotinische wird selten beeinflusst. Depolarisierende Muskelrelaxantia können verlängert wirken. Bei gleichzeitiger Anwendung mit anderen direkten oder indirekten Parasympathomimetika ist eine myasthenische Krise möglich. Distigmin-Bromid antagonisiert die Wirkung Curare-artiger Relaxantien. Mit oder kurz nach Betablockern können verstärkte Hypotonie und langanhaltende Bradykardien auftreten.[10]

Häufig deuten Nebenwirkungen auf eine Überdosierung. Muskarin-artige Nebenwirkungen überwiegen gegenüber Auswirkungen auf die Muskulatur und können mit Atropin oder ähnlichen Stoffen ausgeglichen werden. Sehr häufig wird ein verlangsamter Puls beobachtet, der in seltenen Fällen lebensbedrohlich arrhythmisch werden kann. In Einzelfällen kommt es auch zu Vorhofflimmern und zum Herzstillstand. Diese Nebenwirkungen sind besonders in der postoperativen Behandlung zu beachten. Ebenfalls sehr häufig sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche, häufig ist der Speichelfluss erhöht. Darm- und Muskelkrämpfe, Harninkontinenz, unwillkürliche Muskelzuckungen und Schluckbeschwerden treten gelegentlich auf, im Extremfall Lähmungen. Selten kann es zu Benommenheit, Sprachstörungen, unregelmäßiger Menstruation, Hautausschlägen und Krampfanfällen kommen. Durch Verkrampfung der Atemwege tritt selten Atemnot bei erhöhter Schleimbildung auf. Distigmin kann durch Pupillenverengung, Akkommodationsstörungen und erhöhten Tränenfluss die Sehkraft beeinträchtigen.[10]

Monopräparate
Ubretid (D, A, CH, NL, UK)

Einzelnachweise

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  1. a b c Eintrag zu Distigmin-Bromid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. März 2016.
  2. Eintrag zu Distigmin-Bromid auf Seite 117 (PDF). In: Römpp Lexikon Chemie, 10. Auflage, Georg Thieme Verlag, abgerufen am 2. März 2016.
  3. a b c d e Kleemann, Engel, Kutscher, Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2000, ISBN 978-1-58890-031-9. Seite 685
  4. a b c d e f The Japanese Pharmacopoeia, Edition 14/I: Official Monographs (Memento vom 16. März 2016 im Internet Archive), Yakuji Nippo. Ltd., Tokyo (2001), ISBN 978-4-8408-0672-5, Seite 599 (PDF; 4,7 MB).
  5. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von distigmine bromide im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 8. März 2016.
  6. Eintrag zu Distigmine bromide in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 2. März 2016. (Seite nicht mehr abrufbar)
  7. a b Fachinformation zu Ubretid@1@2Vorlage:Toter Link/compendium.ch (Seite dauerhaft nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven) im Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. Abgerufen am 2. März 2016.
  8. Patentanmeldung US2789981: Bis-carbamic acid ester compounds, and a process of making same. Angemeldet am 19. September 1955, veröffentlicht am 23. April 1957, Anmelder: Österr. Stickstoffwerke, Erfinder: Otto Schmid.
  9. Arzneispezialitätenregister der AGES, abgerufen am 2. März 2016.
  10. a b c d Patienteninformation zu Ubretid im Arzneispezialitätenregister der AGES. Abgerufen am 1. März 2016.
  11. Vree TB, Waitzinger J, Hammermaier A, Radhofer-Welte S.: Absolute bioavailability, pharmacokinetics, renal and biliary clearance of distigmine after a single oral dose in comparison to i.v. administration of 14C-distigmine-bromide in healthy volunteers. In: Int J Clin Pharmacol Ther. 37. Jahrgang, 1. August 1999, S. 393–403, PMID 3485122.
  12. Derek G. Waller, Andrew G. Renwick, Keith Hillier: Medical Pharmacology and Therapeutics, Saunders Ltd.; 3. Edition (2009), ISBN 978-0-7020-2991-2.