Dorottya Rédai

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Dorottya Rédai ist eine ungarische Wissenschaftlerin und LGBT-Aktivistin.

Beruflicher Werdegang

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Dorottya Rédai erwarb an der Eötvös-Loránd-Universität einen Master in Englischer Sprache und Literatur und an der Central European University in Budapest einen Master in Gender Studies.[1] Sie promovierte 2015 an der Central European University in Comparative Gender Studies über das Thema Exploring Sexuality in Schools: The Intersectional Reproduction of Inequality.[2]

Im selben Jahr wurde sie dort Lehrbeauftragte und lehrt und forscht seitdem an der Central European University und der Eötvös-Loránd-Universität sowie im Auftrag der Anthropolisz Association.[2] Ihr Forschungsinteresse konzentriert sich auf Gender und Sexualität in der Erziehung, die Reproduktion sozialer Ungleichheit in der Erziehung, Sexualerziehung und nicht-normative Sexualitäten.

Außerdem arbeitet sie als LGBT-Aktivistin unter anderem für die Lesbenorganisation Labrisz. In ihrem Auftrag hält sie in Schulen Vorträge über Homophobie und Mobbing und führt Programme zum besseren Kennenlernen von LGBT-Menschen durch.[3][4] Immer wieder wird sie von der internationalen Presse zitiert, wenn es um Statements im Zusammenhang der gesellschaftlichen Situation von LGBT-Community geht.[5][6][7]

Märchenland für alle

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2019 koordinierte Dorottya Rédai das vom ungarischen Lesbenverband Labrisz herausgegebene Kinderbuch Märchenland für alle (Meseország mindenkié). Es enthält 17 Märchen, die von zeitgenössischen Autoren, zum Beispiel Judit B. Tóth, Zoltán Csehy, Petra Finy und Dóra Gemesi, durch Veränderung bekannter Märchen verfasst wurden.[7][8] Das Buch will gesellschaftliche Randgruppen und Minderheiten abbilden. So kommen darin zum Beispiel ein schwarzes Schneewittchen, ein schwuler Prinz und ein lesbisches Aschenputtel vor.[9] Das Buch soll Eltern und Lehrern von Kindern zwischen 6 und 12 Jahren beim Sprechen über Geschlechterstereotype unterstützen.[7]

Als das Buch im September 2019 erschien, sorgte es für politisches Aufsehen: Die stellvertretende Vorsitzende der rechtsextremen Partei Unsere Heimat (Mi Hazánk Mozgalom), einer Absplitterung der Jobbik, Dóra Dúró schredderte ein Exemplar vor laufenden Kameras.[10] Sie und Kanzleramtsminister Gergely Gulyás sprachen von „homosexueller Propaganda“;[11][9] Gulyás drohte rechtliche Schritte gegen Bildungseinrichtungen an, die mit dem Buch arbeiten würden.[9] Auch Premierminister Viktor Orbán griff in die Debatte ein. Im Januar 2020 erklärte das Regierungsbüro der Hauptstadt Budapest, die Käufer würden getäuscht, da das Buch als Kinderbuch aufgemacht sei und keinen Hinweis auf die Abweichung von den traditionellen Geschlechterrollen enthalte. Die Regierungsbehörde verpflichtete den Herausgeber, jedes Exemplar mit einem solchen Warnhinweis auszustatten. Labrisz nannte diesen Erlass „verfassungswidrig“ und „diskriminierend“ und kündigte eine gerichtliche Anfechtung der Anweisung an.[9]

Die große politische und mediale Aufmerksamkeit bewirkte, dass das Buch in Ungarn zum Bestseller wurde. Die Startauflage von 1500 Exemplaren war innerhalb von zwei Wochen ausverkauft, bis Ende Januar 2021 wurden etwa 30 000 Bücher verkauft.[9] Dorottya Rédai sieht in dem großen Interesse für das Märchenbuch ein Zeichen des Protestes gegen die Regierung und gegen Sexismus, Homophobie und Ausgrenzung in Ungarn.[9]

Auf der Basis eines im Juni 2021 verabschiedeten Gesetzes und weiteren im August veröffentlichten Regelungen darf das Märchenbuch nur in undurchsichtiger Verpackung und nicht in geringerer Entfernung als 200 Meter von einer Schule oder Kirche verkauft werden. Im September 2021 ließ ein Bürgermeister einer kleinen Stadt bei Budapest das Buch unter Berufung auf die umstrittenen Regelungen aus der öffentlichen Bibliothek entfernen.[12] Auch im Ausland fand die Angelegenheit in den Medien Beachtung.[6] Im Frühjahr 2022 war das Buch bereits in zehn Sprachen übersetzt.[13]

Der Stern hat die exklusiven Rechte für Deutschland, Österreich und die Schweiz erworben. Die deutsche Fassung erschien im Frühjahr 2022.[13][14][15]

Das Buch wurde in die Liste der White Ravens aufgenommen.[16]

Mitgliedschaften und Ämter

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Dorottya Rédai ist Vorstandsmitglied der ungarischen Lesbenorganisation Labrisz.[17]

Dorottya Rédai wurde vom Time Magazine als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2021 ausgewählt und auf die Liste Time 100 gesetzt.[18]

2020 erhielt Rédai den Emma Goldman Snowball Award der Flax-Stiftung für ihre Arbeit als feministische Aktivistin und Wissenschaftlerin, 2021 wurde bei der Eröffnung des Gay-Pride-Tages in Budapest (Meleg Büszkeség Napja, Gay-Pride-Tag) ihre Arbeit für die LGBT+- Community mit dem Background Award honoriert.[7]

Veröffentlichungen (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. Dorottya Rédai | CEU People. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. November 2021; abgerufen am 13. Dezember 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/people.ceu.edu
  2. a b Emma Goldman Snowball Awardees. Abgerufen am 13. Dezember 2021 (niederländisch).
  3. Ungarn: EU-Parlament verurteilt LGBTQ-Gesetz »auf das Schärfste«. In: Der Spiegel. 8. Juli 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 13. Dezember 2021]).
  4. ORF at/Agenturen red: Proteste in Ungarn gegen Anti-LGBTQ-Gesetz. 8. Juli 2021, abgerufen am 13. Dezember 2021.
  5. EU-Parlament verurteilt Ungarns LGBTQ-Gesetz "auf das Schärfste". In Ungarn sind Informationen über Homo- und Transsexualität künftig verboten, das Gesetz ist in Kraft. In Straßburg forderten die Parlamentarier rechtliche Schritte. In: Zeit Online. 8. Juli 2021, abgerufen am 13. Dezember 2021.
  6. a b The Jakarta Post: Hungarian government calls new children's book 'homosexual propaganda', causing stir. Abgerufen am 13. Dezember 2021 (englisch).
  7. a b c d admin: Time named Dorottya Rédai one of the 100 Most Influential People in the World for the storytelling book Fairy Tale for Everyone. Abgerufen am 13. Dezember 2021 (amerikanisches Englisch).
  8. Der stern holt Ungarns umstrittenes Kinderbuch "Ein Märchenland für alle" nach Deutschland. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
  9. a b c d e f Deutsche Welle (www.dw.com): Ungarn: Regierung warnt vor LGBTQ-Kinderbuch | DW | 25.01.2021. Abgerufen am 12. Dezember 2021 (deutsch).
  10. Kristina Kocyba: Zwischen Schredder und Bestsellerliste. In Ungarn wird über ein queeres Märchenbuch gestritten. Der Bücherkauf ist die neue Form des politischen Protests. 3. März 2021, abgerufen am 13. Dezember 2021.
  11. Judith Langowski: Was genau im umstrittenen ungarischen LGBTI-Gesetz steht. In: Der Tagesspiegel Online. 23. Juni 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 13. Dezember 2021]).
  12. Republic World: Hungary activist on Time's most influential list. Abgerufen am 13. Dezember 2021 (englisch).
  13. a b Märchenland für alle: Es war einmal … ein schwuler Prinz(stern+). Abgerufen am 19. Juni 2022.
  14. „Märchenland für alle“ erscheint auf Deutsch. In: Der Tagesspiegel Online. 17. März 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 26. Juni 2022]).
  15. Märchen anders erzählt - Wie eine Transgender-Prinzessin Ungarns Politik irritierte. 23. März 2022, abgerufen am 26. Juni 2022.
  16. Queeres Märchenbuch aus Ungarn erscheint bei STERN. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
  17. DOROTTYA RÉDAI NAMED TO TIME'S ANNUAL TIME100 LIST OF THE 100 MOST INFLUENTIAL PEOPLE IN THE WORLD. Abgerufen am 13. Dezember 2021 (englisch).
  18. Dorottya Redai: The 100 Most Influential People of 2021. Abgerufen am 12. Dezember 2021 (englisch).