Dollfuß Museum

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Außenansicht des Geburtshauses von Engelbert Dollfuß als Museum (2009)

Das Dollfuß Museum, nach eigener Schreibweise Dr. Engelbert Dollfuß Museum, befand sich im Geburtshaus von Engelbert Dollfuß im Gemeindegebiet von Texingtal im Mostviertel in Niederösterreich. Das Museum war nur eine von mehreren Dollfuß-Erinnerungsstätten und sollte kontinuierlich bis zum Ende der Pacht im Jahr 2028 aufgelassen werden.

Das seit Anfang 2022 geschlossene Museum befindet sich im original erhaltenen Geburtshaus von Engelbert Dollfuß, der jedoch schon kurz nach seiner Geburt aus familiären Gründen nach Kirnberg an der Mank kam. Eine Tafel am Eingang bezeichnet das Gebäude als „Geburtshaus des großen Bundeskanzlers und Erneuerers Österreichs Dr. Engelbert Dollfuß“.[1] Eng verbunden mit dem Museum sind Familienmitglieder aus der Linie Dollfuß und der Stieffamilie Schmutz. Diese sind nicht nur Eigentümer des bis 2028 verpachteten Hauses, sondern auch Leihgeber vieler Ausstellungsgegenstände.[2]

Das Museum wurde unter der Leitung von Karl Franc aufgebaut und am 14. Juni 1998 eröffnet; letzter Museumsdirektor ist Konrad Hackner. Rechtsträger ist die Gemeinde Texingtal, die das Museum aus Mitteln der Gemeinde erhält. Zuletzt befanden sich im Haus rund 110 Exponate und 220 erläuterte Fotos in fünf Räumen. In der Stube ist noch ein Durchzugsbaum von 1779 erhalten.

Ausstellungsstücke

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Historische Wohnstube (2009)

Ausgestellt waren neben zahlreichen zeitgenössischen Dokumenten, Zeitungsberichten und Fotos auch persönliche Artikel von Dollfuß in der Zeit als Schüler, Agrarfachmann, Landwirtschaftsminister und Bundeskanzler, wie etwa seine Aktentasche, persönliche Briefe und Postkarten sowie Familienfotos.

Zudem befanden sich Gedenkartikel (z. B. Tassen, Karten, Partezettel), Briefmarken und Straßenschilder mit seinem Namen oder Porträts in der Sammlung. Auch Information über Dollfuß-Gedenkstätten sind vorhanden.

Einige Ausstellungsstücke wurden auch in anderen Museen gezeigt. Im Katalog einer Ausstellung zum Thema Heilige in Europa: Kult und Politik im Volkskundemuseum Wien im Jahr 2010 finden sich auch Exponate aus dem Dollfuß-Museum. Im Abschnitt Das Heilige in der Politik wird zur Totenmaske von Dollfuß erläutert: „Politisch-ideologische Manifestation und religiöser Traditionsbestand gingen bei dem nach der Ermordung des austrofaschistischen Bundeskanzlers durch nationalsozialistische Putschisten am 25. Juli 1934 einsetzenden Dollfuß-Kult Hand in Hand. Der autoritär-klerikale Ständestaat, der sich als legitimer Erbe des altösterreichischen katholischen Reiches sah, konnte auf internalisierte religiöse Verhaltensnormen zurückgreifen und so eine geradezu apotheotische Mythisierung des Kanzlers vorantreiben. So wurde offiziellerseits das Gedenken an den ermordeten ‚Märtyrerkanzler‘ in den Symbolhaushalt der katholischen Kirche eingebunden – durch die Errichtung von Dollfuß-Gedächtniskirchen und -kapellen, Dollfuß-Kreuzen oder Standbildern seines Namenspatrons, des Hl. Engelbert.“

Kritik und Museumsauflösung

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Den Museumsbetreibern wird vorgeworfen, sich nicht kritisch genug mit Dollfuß zu befassen. Die Historikerin Lucile Dreidemy kritisiert etwa: „Es ist als museale Gedenkstätte über den Umweg eines Museums gedacht gewesen. Bei der Gründung führte der damalige Bürgermeister an, es gehe um die Überwindung des bisher mangelnden Mutes, sich zu Dollfuß zu bekennen.“[3]

Angesichts der Angelobung von Gerhard Karner als Innenminister, damals der Bürgermeister von Texingtal, fand im Dezember 2021 eine mediale Auseinandersetzung mit dem Museum statt,[3] worauf ein Sprecher Karners ankündigte, dass das Museum 2022 umgestaltet werden sollte.[4] Der in Melk ansässige Verein MERKwürdig wurde mit der Neukonzeption des Museums beauftragt, ein Kuratorenteam (Remigio Gazzari, Christian Rabl und Johanna Zechner) engagiert und ein wissenschaftlicher Beirat aus Geschichts- und Museumsfachleuten (Ernst Bruckmüller, Lucile Dreidemy, Ernst Langthaler, Eva Meran, Carlo Moos, Verena Pawlowsky und Christian Rapp) eingesetzt. Das 2023 präsentierte Konzept „Raum schaffen“ sah die sogenannt konstruktive Auflösung des Museums mit einer Reihe von partizipativen Begleitaktivitäten in der Region bis 2028 vor.[2][5] Die Umsetzung des Konzepts scheiterte jedoch auf Betreiben einiger Leihgeber, insbesondere der Dollfuß-Erben und des NÖ Bauernbundes, an der zu Jahresbeginn 2024 fast vollständigen treuhändischen Übergabe der Museumsexponate durch die Gemeinde Texingtal an die NÖ Landessammlungen.[5][6] Dass dadurch letztlich auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Dollfuß verhindert wird, hat ebenfalls zu Kritik geführt.[7]

  • Lucile Dreidemy: Aus der Geschichte lernen … und gegen die Rotfront kämpfen! Das Dr. Engelbert Dollfuß-Museum in Texingtal, Niederösterreich. In: Dirk Rupnow, Heidemarie Uhl (Hrsg.): Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen – Gedenkstätten – Ausstellungen. Böhlau, Wien 2011, ISBN 978-3-205-78531-6, S. 369ff.
  • Lucile Dreidemy: Der Dollfuß-Mythos. Eine Biographie des Posthumen. Böhlau, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79597-1, S. 303ff.
  • Herbert Nikitsch, Kathrin Pallestrang, Margot Schindler: Heilige in Europa: Kult und Politik. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Österreichischen Museum für Volkskunde, Wien 2010, ISBN 978-3-902381-23-1.
  • Remigio Gazzari, Christian Rabl, Johanna Zechner: Konstruktives Auflösen. Über ein radikales Museumskonzept für das Dollfuß-Geburtshaus und sein jähes Ende. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 35/2 (2024), S. 211–222, online

Einzelnachweise

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  1. Ludwig Laher: Nachg'schaut im Dollfuß-Museum: Erneuerer Österreichs. In: Der Standard, 7. Dezember 2021, abgerufen am 4. Februar 2024.
  2. a b Dollfuß-Gedenken: Ein Museum auf Rückzug. In: ORF Topos. 20. Oktober 2023, abgerufen am 4. Februar 2024.
  3. a b Lara Hagen: Der designierte Innenminister und das Dollfuß-Museum in seiner Heimat. Gerhard Karner betreibt als Bürgermeister von Texingtal das Dollfuß-Museum, laut einer Forscherin eher eine Gedenkstätte. In: Der Standard. 6. Dezember 2021, abgerufen am 4. Februar 2024.
  4. Nach Kritik an Karner: Dollfuß-Museum soll neu gestaltet werden. In: Puls 24. 6. Dezember 2021, abgerufen am 4. Februar 2024.
  5. a b Dollfuß-Museum wurde überraschend geräumt. In: noe.ORF.at. 19. Januar 2024, abgerufen am 4. Februar 2024.
  6. Dollfuß-Museum: Beirat kritisiert Räumung. In: noe.ORF.at. 3. Februar 2024, abgerufen am 4. Februar 2024.
  7. So etwa die Literaturkritikerin Daniela Strigl (Konstruktive Auflösung), in: Die Furche, 15. Februar 2024, S. 19. Der vollständige Text des Artikels lautet: „Mit dem Begriff Austrofaschismus habe ich kein Problem. Während man etwa im „Haus der Geschichte Österreichs“ heute lieber von der „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“ spricht, steht für mich außer Frage: Unter dem Bundeskanzler und Führer der Vaterländischen Front wurde ein Faschismus mit österreichischem Antlitz nach italienischem Vorbild praktiziert, mit dem Kruckenkreuz als Symbol der Einheitspartei, mit Massenorganisation, ständischer Ordnung und schlampigem, wiewohl unmissverständlichem Antisemitismus, der Ausschaltung des Parlaments und dem Ausschluss sozialdemokratischer und kommunistischer Kräfte. Aber: Ermordet von putschenden Nazis am 25. Juli 1934, war Dollfuß trotz alledem das erste prominente NS-Opfer des Landes. Indem der ÖVP Parlamentsklub 2017 sein Porträt von der Wand nahm, hat er nicht nur den Diktator, sondern auch das Gewaltopfer entsorgt. / Mit der Farce um das Museum in Dollfuß’ Mostviertler Geburtsort Texing ist die Geschichte um eine weitere Facette der berüchtigten „österreichischen Lösung“ reicher geworden: Das Avancement des verantwortlichen Bürgermeisters zum Innenminister hatte den medialen Scheinwerfer auf die Gedenkstätte in der inadäquaten Anmutung von Roseggers Geburtshaus gerichtet; der Verein MERKwürdig wurde mit einer Umgestaltung beauftragt und gebar stattdessen die gloriose Idee der „konstruktiven Auflösung“, das heißt des sukzessiven Ausräumens der gesammelten Devotionalien bis 2028 mit folgender Schließung. Dass die Familie Dollfuß dem traurig-mutlosen Treiben nun ein Ende gesetzt und die Leihgaben ans Land weitergereicht hat, kann man ihr nicht verdenken. Statt einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einem als „Märtyrerkanzler“ verherrlichten Machtpolitiker, dessen einziges historisches Verdienst wohl im Kampf gegen Hitler besteht, hat man das Heil im Zusperren gesucht. Merkwürdig, fürwahr.“

Koordinaten: 48° 2′ 43″ N, 15° 19′ 55,8″ O