Passhandel
Als Passhandel (englisch Citizenship by investment CBI), auch Goldener Pass[1] oder ius pecuniae, wird der missbräuchliche Erwerb einer Staatsbürgerschaft gegen eine vorab festgelegte Zahlung oder Investition in dem betreffenden Land bezeichnet, ohne dass bei der Einbürgerung ein echter Bezug zu dem einbürgernden Land besteht, z. B. durch einen vorherigen langfristigen Aufenthalt.[2][3][4]
Davon zu unterscheiden ist das sog. Goldene Visum (englisch Golden Visa[5] oder Residence by Investment RBI), das Drittstaatsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung gewährt, um in dem betreffenden Land einen Wohnsitz nehmen zu können.[2]
Beide Varianten dienen vor allem zur Umgehung der steuerlichen Meldepflichten nach dem Common Reporting Standard (CRS) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und zur Reduzierung der persönlichen Steuerlast durch Steuerflucht.[6][7]
Passhandel in der Europäischen Union
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut Transparency International wurden zwischen 2009 und 2018 mindestens 6.000 Pässe an wohlhabende Interessenten verkauft.[8] Zwölf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) betrieben bis Oktober 2020 ein sogenanntes „Citizenship-by-Investment“-Programm.[9] Im Fokus standen dabei die Staaten Zypern und Malta, worüber die maltesische Journalistin Daphne Galizia berichtet hatte, bevor sie 2017 mit einer Autobombe ermordet wurde.[10] Auch in Portugal und Österreich gab es ähnliche Regelungen.[3][8]
Zypern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Allein der Kleinstaat Zypern verdiente mit dieser Art der Einbürgerung in sieben Jahren zwischen 7[11] und 8 Milliarden Euro.[1] Über die Hälfte der 4000 auf diesem Wege Eingebürgerten waren wohlhabende russische Staatsbürger.[12] Nach einer Serie von Enthüllungen zum Passhandel auf der Insel durch den Sender Al Jazeera legte der zypriotische Parlamentspräsident Demetris Syllouris sein Amt im Oktober 2020 wegen seiner Verwicklung in die Vorgänge nieder.[13] Im November 2020 stoppte Zypern den Verkauf von zyprischen Staatsbürgerschaften.[11] Die nationale Rechnungsprüfungsbehörde trug entscheidend zu diesem Stopp bei.[14]
Malta
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Malta ist das einzige EU-Land, das eine solche Regelung noch anwendet. Anfang 2014 hatten Vertreter der Regierung Maltas und der EU-Kommission eine gemeinsame Erklärung abgegeben, nach der die Staatsangehörigkeit Maltas nur erwerben könne, wer seit mindestens einem Jahr in Malta zu wohnhaft sei. Medien berichteten aber 2021, dass das Kriterium, dort wohnhaft zu sein, von Malta sehr lax gehandhabt werde.[15][16] Bis einschließlich 2020 nahm Malta mehr als 1,4 Milliarden Euro durch den Handel mit maltesischen Staatsbürgerschaften ein.[11]
Am 20. Oktober 2020 beschloss die Europäische Kommission, gegen Malta ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) einzuleiten. Die Gewährung der Unionsbürgerschaft als Gegenleistung für vorab festgelegte Zahlungen oder Investitionen ohne wirklichen Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat sei nicht mit dem in Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (AEUV) verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und dem Konzept der Unionsbürgerschaft gemäß Art. 20 AEUV vereinbar.[17] Seit März 2023 ist eine Klage der EU-Kommission gegen Malta vor dem EuGH anhängig.[18][19]
Portugal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das 2012 eingeführte „Goldene Visum“ brachte bis 2022 Einnahmen von ca. 6,5 Milliarden Euro z. B. durch Käufe von Immobilien oder Staatsanleihen.[20]
Kriminalität und Korruption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Häufig nutzen mutmaßliche Kriminelle dieses Verfahren, welches ein Einfallstor für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption ist.[21] Kritisiert wird insbesondere, dass Unionsbürger in der gesamten EU Freizügigkeit genießen und dass die Investitionen in Immobilien nicht nachhaltig sind. Auch in der Schweiz wird dieses Vorgehen kritisiert, weil es dadurch für Drittstaatler einfach möglich wird, sich in der Schweiz niederzulassen und diese von der Pauschalsteuer für EU-Bürger profitieren.[3]
- Kritik durch EU-Parlament
In den Jahren 2011 bis 2019 wurden rund 130.000 goldene Pässe für Investitionen von 21,8 Milliarden Euro verkauft. Bulgarien, Malta und Zypern verkaufen solche Pässe direkt, in zwölf weiteren Ländern bekommt man ihn für Investitionen. Im März 2022 forderte das EU-Parlament ein Ende dieses Vorgehens und will ein Gesetz beschließen, um einheitliche Regeln durchzusetzen, denn „nicht selten stehen diese abstrusen Geschäfte in Verbindung mit Korruption, Geldwäsche und Steuerflucht.“ Sie seien „ein Einfallstor für organisierte Kriminalität“ und man müsse „verhindern, dass die Inhaber … Geldwäsche betreiben und Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.“ Viele EU-Parlamentarier kritisieren, dass Sanktionen gegen russische Oligarchen damit umgangen werden können.[14]
2023
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf den griechischen Kykladeninseln führen zur Zeit Immobilieninvestments zu Gentrifizierung: „Stark im Zunehmen ist aber auch die Zahl jener Menschen aus dem EU-Ausland, die sich beim Erwerb einer griechischen Immobilie das ‚goldene Visum‘ gleich mit erhalten. In diese Gruppe fallen vor allem Investoren aus China und Indien, aber auch Menschen aus Großbritannien und den USA.“[22]
Dominica in der Karibik verkauft seine Staatsbürgerschaft für etwa 100.000 US-Dollar, ein Aufenthalt im Land war dazu bislang nicht nötig. Zwischen 2009 und 2021 seien etwa 7700 Staatsbürgerschaften verkauft worden. Die Individuen können mit den Pässen visafrei in die Europäische Union und etwa 110 Staaten reisen. Warum die Europäische Union überhaupt eine Visumfreiheit für Dominica erlassen hatte, konnten Presserecherchen von 2023 nicht klären.[23]
2024
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Griechenland erhöhte im August 2024 den Preis von „Goldenen Visa“ abhängig von der Region von 250.000 Euro auf bis zu 800.000 Euro, also um mehr als das Dreifache.[24][25]
Weitere Länder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Passhandel ist auch aus der Türkei,[26][27] der Republik Moldau,[28] St. Kitts und Nevis[29] und Vanuatu[30] bekannt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kristin Surak: The Golden Passport: Global Mobility for Millionaires. Harvard University Press, Cambridge 2023, ISBN 978-0-674-24864-9.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Waldemar Hummer: Ist der Erwerb „Goldener Pässe“ und „Goldener Visa“ EU-konform? Die Europäische Kommission ist anderer Meinung. eu-infothek.com, 4. Dezember 2020.
- OECD: Residence/Citizenship by investment schemes (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Markus Zydra: Goldener Pass. In: Süddeutsche Zeitung. 29. September 2020 .
- ↑ a b Verkauf von Staatsbürgerschaften: Kommission verklagt Malta wegen „goldener Pässe“. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 29. September 2022.
- ↑ a b c Sven Millischer: Pauschalsteuer-Trick mit gekauftem EU-Pass. In: Handelszeitung. 15. November 2018 .
- ↑ Johannes Edelhoff, Christian Salewski: EU-Passhandel: Staatsbürgerschaft für Superreiche. In: tagesschau.de. 23. November 2017 .
- ↑ Ulrich Ladurner: Eintritt in die EU? Macht 250.000 Euro! In: Zeit Online. 14. März 2018 .
- ↑ vgl. Standard für den automatischen Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen. Praktisches Handbuch. Paris, 2020, S. 62.
- ↑ OECD: Residence/Citizenship by investment schemes. Abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
- ↑ a b Karin Bensch: Transparency International prangert Passhandel an. In: tagesschau.de. 10. Oktober 2018 .
- ↑ Johannes Edelhoff: Europäische Union: Passhandel nicht nur in Zypern. In: tagesschau.de. 15. Oktober 2020 .
- ↑ Johannes Edelhoff, Christian Salewski: Der Passhandel und der Mord von Malta. In: Panorama. 19. April 2018 .
- ↑ a b c Frank Hornig: Das Milliardengeschäft mit den „goldenen Pässen“. In: Der Spiegel. Nr. 52, 2020 (online).
- ↑ Verdacht auf Steueroptimierung: Ex-Google-Chef kauft sich zyprische Staatsangehörigkeit. Spiegel Online, 10. November 2020, geladen am 10. November 2020
- ↑ Cypriot parliament speaker quits after passport scheme scandal. In: Al Jazeera. 15. Oktober 2020 (englisch).
- ↑ a b Katrin Pribyl: Mit Goldenen Pässen soll Schluss sein. In: Nürnberger Nachrichten. 11. März 2022, S. 6.
- ↑ David Pegg, Luke Harding, Simon Goodley: Revealed: residency loophole in Malta’s cash-for-passports scheme. In: theguardian.com. 22. April 2020, abgerufen am 22. April 2021 (englisch).
- ↑ Isabell Röder: Gekaufte Staatsbürgerschaften: Einmal einen EU-Pass, bitte! Deutschlandfunk Kultur, 8. Februar 2021.
- ↑ Verkauf von Staatsbürgerschaften: Kommission verklagt Malta wegen „goldener Pässe“. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 29. September 2022.
- ↑ Rechtssache C-181/23 ABl. C 173/27 vom 15. Mai 2023.
- ↑ EU-Kommission verklagt Malta wegen „goldener Pässe“ vor EuGH. beck-aktuell, 30. September 2022.
- ↑ aloh: Wirtschaftsleistung: Länder, die der Krise trotzen. In: ORF.at. 27. September 2022, abgerufen am 30. Oktober 2022.
- ↑ Karin Bensch: Transparency International kritisiert Handel mit EU-Pässen. In: tagesschau.de. 10. Oktober 2018 .
- ↑ Sophia Felbermair, ORF.at: Ruf nach Beschränkungen: Kykladen erleben beispiellosen Bauboom. 12. August 2023, abgerufen am 13. August 2023.
- ↑ Carina Huppertz, Ruben Schaar und Bastian Obermayer: "Fluch der Karibik: Wie ein Inselstaat freien Zugang zur EU verkauft" Der Standard vom 11. Oktober 2023
- ↑ Passhandel: Griechenlands "Goldene Visa" werden teurer. Abgerufen am 2. September 2024.
- ↑ Athen erhöht die Kosten für „Goldene Visa“ drastisch. ORF.at, 1. September 2024, abgerufen am 2. September 2024.
- ↑ Staatsbürgerschaft für 250.000 Dollar: Der Handel mit Reisepässen ist zum Milliardengeschäft geworden. Tagesspiegel, 18. August 2023.
- ↑ Astrid Prange de Oliveira: Wie hält es Europa mit dem Doppelpass? Deutsche Welle, 29. November 2022.
- ↑ Citizenship by Investment Program in Moldova – embracing great opportunities or risks? 13. Dezember 2018.
- ↑ Zeitungsannonce in Pakistan: Karibikstaat lockt Investoren mit Reisepässen Der Spiegel vom 25. Februar 2012.
- ↑ Citizenship for sale: fugitives, politicians and disgraced businesspeople buying Vanuatu passports