Eisensteinreihe

Eisensteinreihen (nach dem deutschen Mathematiker Gotthold Eisenstein) sind verschiedene Reihen aus der Theorie der Modulformen bzw. automorphen Formen.

Holomorphe Eisensteinreihen

Eisensteinreihen auf dem Raum der Gitter

Seien $\omega _{1},\omega _{2}\in \mathbb {C} \setminus \{0\}$ zwei komplexe Zahlen mit ${\frac {\omega _{1}}{\omega _{2}}}\not \in \mathbb {R}$. Das von $\omega _{1}$ und $\omega _{2}$ erzeugte Gitter $\Omega \subset \mathbb {C}$ ist

$\Omega :=\left\{\omega =a\omega _{1}+b\omega _{2}:a,b\in \mathbb {Z} \right\}$.

Die Eisensteinreihe vom Gewicht $k$ zum Gitter $\Omega$ in $\mathbb {C}$ ist die unendliche Reihe der Form

$G_{k}(\Omega ):=\sum _{0\not =\omega \in \Omega }\omega ^{-k}$.

Diese Reihen sind absolut konvergent für $k\geq 3$; für ungerades $k$ ist $G_{k}(\Omega )=0$.

Eisensteinreihen auf der oberen Halbebene

$G_{4}$

$G_{6}$

$G_{8}$

$G_{10}$

$G_{12}$

$G_{14}$

Die Untersuchung der Eisensteinreihen lässt sich oBdA auf Gitter der Form $\mathbb {Z} +\mathbb {Z} \tau$ mit $\tau \in \mathbb {H} =\{z\in \mathbb {C} \mid \operatorname {Im} z>0\}$ beschränken, denn für ein Gitter $\Omega$ mit Basis $(\omega _{1},\omega _{2})$ gilt stets:

$G_{k}(\Omega )=G_{k}(\omega _{1},\omega _{2})=\omega _{2}^{-k}G_{k}\left({\frac {\omega _{1}}{\omega _{2}}},1\right)$,

und da die Basis so gewählt werden kann, dass ${\frac {\omega _{1}}{\omega _{2}}}\in \mathbb {H}$ gilt, kann man die Eisensteinreihen jedes Gitters berechnen, sobald man sie für diejenigen mit Basis $(\tau ,1),\ \tau \in \mathbb {H}$ kennt. Für letztere schreibt man auch abkürzend:

$G_{k}(\tau ):=G_{k}(\tau ,1)=\sum _{(0,0)\not =(m,n)\in \mathbb {Z} \times \mathbb {Z} }{\frac {1}{(m\tau +n)^{k}}}$.

Man kann die Eisensteinreihe $G_{k}$ also als eine Funktion auf der oberen Halbebene auffassen.

Eisenstein-Reihen sind holomorph in der oberen Halbebene und in der Spitze ($Im\,z\to \infty$).

Die Eisensteinreihe $G_{k}$ ist eine Modulform vom Gewicht $k$ zur Gruppe ${\text{SL}}_{2}(\mathbb {Z} )$, das heißt für $a,b,c,d\in \mathbb {Z}$ mit $ad-bc=1$ gilt

$G_{k}\!\left({\frac {a\tau +b}{c\tau +d}}\right)=(c\tau +d)^{k}G_{k}(\tau ).$

Für $k\geq 8$ sind die $G_{k}$ Polynome mit rationalen Koeffizienten in $G_{4}$ und $G_{6}$, d. h. $G_{k}\in \mathbb {Q} [G_{4},G_{6}]$, es gilt die Rekursionsformel:

$(n-3)(2n+1)(2n-1)G_{2n}=3\sum _{p=2}^{n-2}(2p-1)(2n-2p-1)G_{2p}G_{2n-2p}$

Speziell für $n=4$ ergibt sich hieraus $7G_{8}=3G_{4}^{2}$ und durch einen Koeffizientenvergleich der Fourierentwicklungen (siehe unten) die bemerkenswerte zahlentheoretische Hurwitz-Identität (nach Adolf Hurwitz):

$\sigma _{7}(m)=\sigma _{3}(m)+120\sum _{r,s\in \mathbb {N} ,r+s=m}\sigma _{3}(r)\sigma _{3}(s)$,

dabei ist die Teilerfunktion

$\,\sigma _{k}(n)=\sum _{d|n}d^{k}$

die Summe der $k$-ten Potenzen der Teiler von $n$. Diese Formel lässt sich aber auch elementar (das heißt nicht funktionentheoretisch) beweisen.

Da in der Spitze für alle $n\geq 2$ gilt, dass $\lim _{Im(\tau )\to \infty }G_{2n}(\tau )=2\zeta (2n)$, folgt aus der Rekursionsformel, dass für alle $n\geq 4$ gilt:

$(n-3)(2n+1)(2n-1)\zeta (2n)=6\sum _{p=2}^{n-2}(2p-1)(2n-2p-1)\zeta (2p)\zeta (2n-2p)$

Fourierentwicklung

Die Eisensteinreihen lassen sich in eine Fourierreihe entwickeln:

$G_{k}(\tau )=2\zeta (k)+2{\frac {(2\pi i)^{k}}{(k-1)!}}\sum _{m=1}^{\infty }\sigma _{k-1}(m)e^{2\pi im\tau }$,

dabei ist $\zeta (s)=\sum _{n=1}^{\infty }n^{-s}$ die Riemannsche Zetafunktion. Eine weitere übliche Darstellung ist die der normierten Eisensteinreihe

$G_{k}^{*}(\tau )={\frac {1}{2\zeta (k)}}G_{k}(\tau )=1-{\frac {2k}{B_{k}}}\sum _{m=1}^{\infty }\sigma _{k-1}(m)e^{2\pi im\tau }.$

Dabei sind die $B_{k}$ die Bernoulli-Zahlen. Diese Fourierreihe hat ausschließlich rationale Fourierkoeffizienten.

Bezug zu elliptischen Funktionen

Es sei $g_{2}=60G_{4}$ und $g_{3}=140G_{6}$. Dann erfüllt die Weierstraßsche ℘-Funktion zum Gitter $\Omega$ die Differentialgleichung

$(\wp '(z))^{2}=4\wp (z)^{3}-g_{2}(\Omega )\wp (z)-g_{3}(\Omega ).$

Umgekehrt gibt es zu jeder elliptischen Kurve über $\mathbb {C}$

$y^{2}=x^{3}+ax+b$

ein Gitter $\Omega$ mit $a=15G_{4}(\Omega )$ und $b=35G_{6}(\Omega )$. Die elliptische Kurve wird dann parametrisiert durch

$(x,y)=(\wp (z),{\frac {1}{2}}\wp '(z))$

mit $z\in \mathbb {C} /\Omega$. Insbesondere ist jede elliptische Kurve über $\mathbb {C}$ homöomorph zu einem Torus $\mathbb {C} /\Omega$.

Literatur

• Eberhard Freitag & Rolf Busam: Funktionentheorie 1, 4. Aufl., Springer, Berlin (2006), ISBN 3-540-31764-3
• Max Koecher & Aloys Krieg: Elliptische Funktionen und Modulformen, 2. Aufl., Springer, Berlin (2007) ISBN 978-3-540-49324-2