Eiserne Division
Eiserne Division nannte sich ein aus deutschen Freiwilligen bestehender militärischer Verband, der 1919 im Baltikum am lettischen Unabhängigkeitskrieg teilnahm. Es war die bekannteste Formation der Freikorps im Baltikum. Der Verband wurde gegen die Armee Rätelettlands eingesetzt und kämpfte später nach einem Übertritt unter russisch-monarchistischem Kommando gegen die Armee der Republik Lettland. Die zeitweise bis zu 16.000 Mann zählende Division wurde Anfang 1920 wegen Meuterei aufgelöst.
Eiserne Brigade
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zogen sich die kriegsmüden Truppen der deutschen 8. Armee vor der Roten Armee aus dem östlichen Baltikum zurück. Um den Abtransport von Truppen und Material zu schützen, wurde ab dem 29. November aus Soldaten der Armee die sogenannte Eiserne Brigade angeworben. Dies war auf einer gemeinsamen Sitzung des Reichsbevollmächtigten August Winnig, des Armeebefehlshabers Hugo von Kathen und des Zentralsoldatenrats beschlossen worden.[1] Es meldeten sich etwa 600 Freiwillige, die jedoch später teilweise den Frontdienst verweigerten.
Eine Verteidigung Rigas durch die Baltische Landeswehr, eine größtenteils aus Deutschbalten bestehende freiwillige Truppe, und die Eiserne Brigade scheiterte. Am 3. Januar zog eine Räteregierung in Riga ein (siehe Lettische Sozialistische Sowjetrepublik (1918–1920)). Die bolschewistischen Armeen, welche hauptsächlich aus Roten Lettischen Schützenregimentern bestanden, eroberten bis Mitte Januar 1919 fast das ganze Staatsgebiet Lettlands, und man befürchtete, dass sie einen Vormarsch auf Ostpreußen planten, um in Deutschland eine Revolution auszulösen. Um dies zu verhindern, erlaubte der Rat der Volksbeauftragten die Werbung von Freiwilligen und Freikorps im Reich. Vorerst fanden sich die schwachen Fronttruppen jedoch auf einem kleinen Gebiet um Libau (lett. Liepāja) zusammengedrängt und hatten Nachschubsorgen, weil rückwärtige rote Soldatenräte den Grenzschutztruppen die Eisenbahn blockierten.
Eiserne Division
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 16. Januar wechselte das Kommando der Eisernen Brigade von Oberst Friedrich Kumme auf Major Josef Bischoff über. Dieser verbot den weiteren Rückmarsch, schickte unzuverlässige Truppenteile nach Hause und taufte die restlichen 300 Mann in „Eiserne Division“ um. Durch eintreffende Verstärkungen und neue Kampftaktiken konnte die Front an der Windau (lett. Venta) dann auch tatsächlich gehalten werden. Dazu trugen auch Probleme der Bolschewisten an anderen Fronten bei.
Anfang Februar 1919 übernahm das VI. Reserve-Korps die Befehlsführung in Kurland. Dem Kommandierenden General, Generalmajor Rüdiger von der Goltz, unterstanden das Gouvernement Libau, die Baltische Landeswehr, die Eiserne Division, die eintreffende 1. Garde-Reserve-Division und verschiedene kleinere Freikorps. Die Eiserne Division nahm Anfang März an der Offensive auf Mitau (lett. Jelgava) teil und besetzte die alte Weltkriegsstellung bei Olai (lett. Olaine). Am 22. Mai wurde gemeinsam mit der Baltischen Landeswehr Riga zurückerobert, wobei sich die Eiserne Division durch ihre Brutalität auszeichnete. In der Folge gaben die Roten Armeen zunächst den Kampf um Lettland auf.
Im Juni 1919 wurde die Division im Konflikt zwischen der lettischen Niedra-Marionettenregierung einerseits und der Republik Estland sowie der lettischen Ulmanis-Regierung eingesetzt. Da deutsche Truppen auf Befehl der Reichsregierung und der Ententemächte keine weiteren Offensivbewegungen durchführen sollten, traten fünf Bataillone und drei Batterien 14 Tage lang in Niedra-lettische Dienste. Bei der Schlacht um Wenden (lett. Cēsis) wurden sie jedoch entscheidend besiegt. Teilweise verweigerten die Truppen den Dienst, weil sie nur zum Kampf gegen die Bolschewisten geworben worden waren. Nach der folgenden Räumung Rigas und dem Waffenstillstand von Strasdenhof fand sich die Division wieder im Olai-Abschnitt.
Zusammensetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch Übernahme geschlossener Freikorps und einzelner Freiwilliger erreichte die Division bis zum Sommer 1919 eine Verpflegungsstärke von etwa 14.000 Mann. Es existierten drei Infanterie-Regimenter und ein Artillerie-Regiment sowie Kavallerie und Nachschubtruppen. Die Freiwilligen unterschrieben einen Vertrag auf jeweils einen Monat, erhielten eine Baltikumzulage zum Sold und hatten Aussicht auf die lettische Staatsbürgerschaft; auch wurde ihnen, allerdings ohne Berechtigung, Siedlungsland versprochen. Neben den Siedlungswilligen meldeten sich Idealisten, Berufssoldaten, die nicht in der Reichswehr unterkamen, Abenteurer, Arbeitslose, aber auch allerlei zweifelhafte Elemente bis zu Kriminellen, die sich so der einsetzenden Strafjustiz im Reich entziehen wollten. Etwa die Hälfte des eintreffenden Ersatzes wurde zurückgeschickt, weil er „sittlich“ ungeeignet erschien. Des Öfteren mussten Truppenteile wegen Unzuverlässigkeit aufgelöst werden. Auch politisch missliebige Offiziere und Mannschaften wurden abgeschoben. Die Division wurde so zu einem Sammelbecken für reaktionäre, monarchistische und nationalistische Kräfte.
Die Kämpfe wurden von beiden Seiten erbarmungslos und auf Kosten der Zivilbevölkerung geführt. Gefangene wurden befehlswidrig erschossen und ausgeraubt. Das Marodeurwesen im Hinterland konnte niemals abgestellt werden. Nach der Eroberung Rigas erregten die Ausschreitungen im Bereich der Eisernen Division internationales Aufsehen. Wegen der vielen Übergriffe und Überbelastung der Feldgendarmerie mussten besondere Kompaniegerichte eingerichtet werden.
Obwohl ab Juli offiziell die Räumung des Baltikums begann, verstärkte sich die Division weiter und unterhielt zu diesem Zweck illegale Werbestellen in Deutschland.
Ziel der Kreise um Bischoff war, entgegen der offiziellen deutschen Politik, gemeinsam mit den russischen Weißen Armeen die Bolschewiken zu entmachten und Einfluss auf ein künftiges Russland zu gewinnen. Zumindest sollte die Division solange wie möglich erhalten bleiben, um gegebenenfalls bei einem reaktionären Umsturz in Deutschland mitzuwirken.
Fahne und Wahlspruch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie viele andere Freikorps der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg führte die Eiserne Division schwarz als Grundfarbe ihrer Fahne. Auf dieser war ein weißer Totenkopf abgebildet, unter dem der Spruch „und doch“ stand.[2] Dieser Wahlspruch stellt eine Reaktion auf das Verhalten der deutschen Regierung während des sogenannten Baltenputsches vom 16. April 1919 dar, infolge dessen die Eiserne Division aufgefordert wurde, sich zurückzuziehen. Vonseiten der Eisernen Division wurde dieses Verhalten als Verrat an den Baltikumern gewertet. Hieraus entwickelte sich die Geschichte vom unbeugsamen Trotz und eisernen Willen der Baltikumer, die die „letzten Deutschen überhaupt“ gewesen seien und in dem Wahlspruch „und doch“ symbolischen Ausdruck fand.[3]
Übertritt zur Westrussischen Befreiungsarmee
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als am 23. August 1919 bereits die ersten Transporte der Division zur Verladung nach Deutschland bereitstanden, entschloss sich Bischoff auf eigene Verantwortung zur Befehlsverweigerung und stoppte den weiteren Abtransport. Ende September trat die Division dann gemeinsam mit den Freikorps der Deutschen Legion zur Westrussischen Befreiungsarmee des Abenteurers Pawel Michailowitsch Bermondt-Awaloff über. Bei deren Vormarsch erreichte die Division die westlichen Vorstädte Rigas, ohne die Stadt erobern zu können. Als die Ententemächte zugunsten Lettlands eingriffen und außerdem die deutsche Grenze für den Nachschub gesperrt wurde, brach die zu 80 % aus deutschen Freikorps bestehende Bermondt-Armee zusammen. Die Division musste den Rückzug antreten. Mitte Dezember überquerten die letzten Truppenteile die deutsche Grenze bei Memel.
Auflösung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die verbliebenen Freikorpsleute fühlten sich von der eigenen Regierung verraten. Zu dem erwarteten Marsch auf Berlin kam es wegen mangelnder politischer Führung jedoch nicht. Die Freiwilligen erhielten Straffreiheit, hatten aber keine Möglichkeit, in die Reichswehr aufgenommen zu werden oder Arbeitsstellen in der Industrie zu finden. Nach der Demobilisierung blieben viele Divisionsangehörige als Landarbeitergemeinschaften auf Gütern in Pommern zusammen.
Beim Kapp-Putsch war die Division zwar bereits zum Großteil aufgelöst, viele ehemalige Mitglieder waren jedoch am Putsch beteiligt. Ehemalige Divisionsangehörige waren später auch an den Freikorpskämpfen im Ruhrgebiet (Ruhraufstand) und Oberschlesien (Aufstände in Oberschlesien) beteiligt.
Die Ideologie des Ritts nach Osten und der Antibolschewismus der Freikorps war eine der Wurzeln des Nationalsozialismus. Die ehemaligen Baltikumer waren während der Weimarer Republik ein Destabilisationsfaktor und traten zu einem großen Teil der Hitlerbewegung bei.
Bekannte Divisionsangehörige
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heinz Guderian (April bis August als Zweiter Generalstabsoffizier), Rudolf Berthold, Waldemar Hartmann, Bruno Loerzer, Kurt Andersen, Paul Hofmann, Kurt Kaul, Bernhard Ruberg, Richard Manderbach, Günther Pancke.
Divisionsgliederung 1919
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Folgende Gliederung lag vor:
- Kommandeur: Major Josef Bischoff
- Erster Generalstabsoffizier: Hauptmann Biese
Anfang März 1919[4]
- Bataillon Doin
- Kompanie Mitau
- Kompanie Lüneburg
- MG-Kompanie
- Jagdkommando Drachenfels (von der Baltischen Landeswehr)
- Jagdkommando Nolde (von der Baltischen Landeswehr)
- Jagdkommando von Besser
- Pionier-Kompanie Volkmar
- Feldartillerie-Zug Gädicke
- Abteilung Heiberg
- MG-Abteilung von Petersdorff
- Jäger-Bataillon Oberleutnant Büchner
- Kompanie Schleswig-Holstein
- Kompanie Schönfeldt (vom Bataillon Graf Kanitz)
- Feldartillerie-Zug Kischke
- Bataillon Erich Balla
- Kompanie Belitz
- Kompanie Clodius (vom Bataillon Graf Kanitz)
- Feldartillerie-Zug Trapp
- Bataillon von Borcke
- 1. Zug
- 2. Zug
- MG-Zug
- Abteilung Liebermann
- 1. Zug
- MG-Kompanie
- Pionier-Abteilung
- Feldartillerie-Zug Schilling
- Bataillon Graf Kanitz (Freiwilliger-Bataillon 7)
- Feldartillerie-Zug
- Kavallerie-Abteilung Preetzmann
- Flieger-Abteilung 427 (ohne Staffel Fick)
- Weitere Divisionseinheiten
Ende Mai 1919[5]
- 1. Infanterie-Regiment (Major von Lossow)
- I. Bataillon
- II. Bataillon (Groeben)
- III. Bataillon (Heiberg)
- 2. Infanterie-Regiment (Major von Kleist)[6]
- I. Bataillon (Liebermann)
- II. Bataillon (Balla)
- III. Bataillon (Henke)
- 3. kurländisches Infanterie-Regiment (Hauptmann Poensgen)
- I. Bataillon
- II. Bataillon
- III. Bataillon (Rieckhoff)
- MG-Abteilung von Petersdorff
- Jäger-Bataillon
- Kavallerie-Regiment (Major Graf von Kanitz)
- Artillerie-Abteilung (Major Sixt von Arnim)
- I. Batterie (Hauptmann Auerbach)
- II. Batterie (Hauptmann Zimmermann)
- III. Batterie
- Freiwilligen-Fußartillerie-Batterie des I. Armeekorps (zugeteilt)
- Flieger-Abteilung 427
- Panzerwagenabteilung des Gov. Libau (zugeteilt)
- Weitere Divisionseinheiten
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erich Balla: Landsknechte wurden wir... Tradition, Berlin 1932.
- Josef Bischoff: Die letzte Front 1919. Geschichte der Eisernen Division im Baltikum 1919. Buch und Tiefdruck Gesellschaft, Berlin 1935.
- Rüdiger von der Goltz: Meine Sendung in Finnland und im Baltikum. Koehler, Leipzig 1920, (Deutsche Denkwürdigkeiten).(online)
- Gustav Noske: Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution. Verlag für Politik und Wirtschaft, Berlin 1920.
- M. Peniķis: Latvijas atbrīvošanas kaŗa vēsture. 4 Bände. Austrālijas latviešu balva Jaunsargiem, Riga 2006, ISBN 9984-19-951-7.
- Bernhard Sauer: Mythos eines ewigen Soldatentums, Der Feldzug deutscher Freikorps im Baltikum im Jahre 1919 (pdf, 7,4 Mbyte) In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG), 43. Jahrgang 1995, Heft 10, 1995, Heft 10, S. 869–902
- Hagen Schulze: Freikorps und Republik. 1918–1920. Boldt, Boppard 1969, (Wehrwissenschaftliche Forschungen – Abteilung Militärgeschichtliche Studien 8, ZDB-ID 1173304-4).
- Jobst Knigge: Kontinuität deutscher Kriegsziele im Baltikum. Deutsche Baltikum-Politik 1918/19 und das Kontinuitätsproblem, Verlag Dr. Kovac Hamburg 2003, ISBN 3-8300-1036-2.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Claus Grimm: Vor den Toren Europas. Hamburg 1963, Seite 44.
- ↑ Matthias Sprenger: Landsknechte auf dem Weg ins Dritte Reich? zu Genese und Wandel des Freikorpsmythos. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76518-5, S. 48–49.
- ↑ Matthias Sprenger: Landsknechte auf dem Weg ins Dritte Reich? zu Genese und Wandel des Freikorpsmythos. Paderborn 2008, ISBN 978-3-506-76518-5, S. 209.
- ↑ Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt: Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen deutscher Truppen und Freikorps. E. S. Mittler, 1937, S. 144+145.
- ↑ Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt: Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen deutscher Truppen und Freikorps. F. S. Mittler, 1937, S. 155+156.
- ↑ Wilhelm v. Kleist Familiengeschichte v. Kleist, S. 124