Rumelien
Mit Rumelien (osmanisch روم ايلى İA Rūm-ili, Rūm-ėli, türkisch Rumeli etwa „Land der Rhomäer“ oder „Rhomäerland“[1]) bezeichneten die Türken seit dem 15. Jahrhundert den europäischen, auf der Balkanhalbinsel gelegenen Teil des Osmanischen Reiches.
Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die geographische Bezeichnung Rumelien (Rūm-ėli) setzt sich zusammen aus Rūm, der türkischen Bezeichnung für Grieche – diese Bezeichnung geht auf das ehemalige Selbstverständnis der Griechen als Ρωμαίοι also Bürger des Römischen Reiches[2] (bis 1453) zurück – und dem alttürkischen il (= Land). Der Begriff entspricht dem lateinischen Romania, einer Bezeichnung des Imperium Romanum seit Caracalla (2. Jahrhundert). Rumelien bezeichnet damit entweder das gesamte römische Reich oder lediglich den von Griechen besiedelten Teil. Der Begriff steht im Gegensatz zu Ανατολία („Ostland“) den Gebieten also östlich des küstennahen griechischen Siedlungsraums in Kleinasien (ανατολή, „(Sonnen-)Aufgang“, Osten).
Dagegen bezieht sich Rūm ohne den Zusatz -ėli auf das anatolische Territorium, das um 1071 von den Rum-Seldschuken erobert worden war.[3] So bemerkte der ägyptische Reiseschriftsteller Rifāʿa at-Tahtāwī (1801–1873), dass einige osmanische Übersetzer zu seiner Zeit Rūm sowohl auf Europa, als auch auf einige unter osmanischer Herrschaft stehende Landschaften in Asien anwendeten.[4]
Auch die Provinz von Sivas wurde in osmanischer Zeit als Eyâlet-i Rum, als Eyâlet Rum, bezeichnet.[5] Der Name Rum ist auch als Bestandteil im Namen der Stadt Erzurum (aus einem früheren Arzan-i Rūm bzw. Arzan ar-Rūm oder Arz-i Rūm) enthalten.[6]
Da seit etwa 1350 die Griechen die Herrschaft über Anatolien größtenteils verloren hatten, bot es sich an, den europäischen Rest des oströmischen Reiches, die spätere osmanische Provinz als „Land der Griechen“ zu bezeichnen. In den europäischen Sprachen wurde dieses Wort zu Rumelien verschliffen. Von der türkischen Verwaltung wurde der Begriff bis 1864 für den gesamten europäischen Reichsteil mit Ausnahme von Bosnien, Ungarn und Morea verwendet. 1864–1878 wurden das serbische Niš, das nördliche Bulgarien (von Widin bis Warna) und die rumänische Dobrudscha zum Vilâyet Tuna umgebildet. 1878 wurde auch Ostrumelien, das südliche Bulgarien, autonom und vereinigte sich nach einem Offiziersputsch 1885 mit Bulgarien.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- David Urquhart: Der Geist des Orients erläutert in einem Tagebuche über Reisen durch Rumili während einer ereignisreichen Zeit. Übersetzt durch Friedrich Georg Buek. In: Eduard Widenmann, Hermann Hauff (Hrsg.): Reisen und Länderbeschreibungen der älteren und neuesten Zeit, eine Sammlung der interessantesten Werke über Länder- und Staaten-Kunde, Geographie und Statistik. 17. Lieferung. J. G. Cotta’schen Verlagsbuchhandlung, Stuttgart / Tübingen 1839, archive.org.
- Patrick Leigh Fermor: Roumeli. Travels in Northern Greece. John Murry, London 2004.
- Halil İnalcık: Rumeli. In: Encyclopaedia of Islam.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rumelia. In: Encyclopædia Britannica. (englisch).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Richard Franz Kreutel: Leben und Taten der türkischen Kaiser, 1971, S. 268. Karl Teply: Türkische Sagen und Legenden um die Kaiserstadt Wien, 1980, S. 59; Halil İnalcık: Artikel Rumeli. In: Encyclopaedia of Islam: „the territory of the Rūm [q.v.], the geographical name given to the Balkan peninsula by the Ottomans“.
- ↑ In der neueren Geschichtsschreibung wird das Römische Reich ab der Spätantike als Byzantinisches Reich bezeichnet
- ↑ Halil İnalcık: Rumeli. In: Encyclopaedia of Islam: „Ottoman Turks borrowed the name Rūm-ėli from the Greek Rhomania and began to use it, in contradistinction to Anadolu, to refer to the lands they conquered from the Byzantines beyond the sea. The name Rūm by itself, retained its original meaning and remained as a geographical name designating the area under Saldjuk rule in Asia Minor.“
- ↑ Rifa'a at-Tahtawi: Ein Muslim entdeckt Europa. Die Reise eines Ägypters im 19. Jahrhundert nach Paris. Hrsg. und übersetzt von Karl Stowasser. Gustav Kiepenheuer, Leipzig / Weimar 1988 (Orientalische Bibliothek), ISBN 3-378-00253-0, S. 22. Spätere Auflage als: Ein Muslim entdeckt Europa. Bericht über seinen Aufenthalt in Paris 1826-1831. C. H. Beck, München 1989, ISBN 3-406-32796-6.
- ↑ Suraiya Faroqhi, Artikel Sīwās in der Encyclopaedia of Islam
- ↑ Halil İnalcık: Erzurum. In: Encyclopaedia of Islam