Nadar

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Selbstporträt von Nadar, etwa 1860

Nadar (* 6. April 1820 in Paris; † 21. März 1910 ebenda; eigentlich Gaspard-Félix Tournachon) war ein französischer Fotograf, Karikaturist, Schriftsteller und Luftschiffer. Berühmt sind seine Fotografien der Katakomben von Paris, Porträts von prominenten Personen seiner Zeit sowie die Luftbildaufnahmen, die er mit dem Heißluftballon Le Géant realisierte, worin er ein eingebautes Fotolabor für das nasse Kollodiumverfahren nutzen konnte. Er gilt als Pionier der Luftbildfotografie.

Atelier Nadar (2. u. 3. Etage), Boulevard des Capucines 35, um 1861
Nadar, die Photographie auf die Höhe der Kunst erhebend, franz.: NADAR élevant la Photographie à la Hauteur de l’Art
Karikatur von Honoré Daumier, 1862
Katakomben von Paris, 1861/62

Nadar studierte in Lyon Medizin, gab das Studium aber bald wieder auf, um sich journalistisch zu betätigen. Zunächst tat er dies am Ort, später in Paris, wohin er 1839 zurückkehrte. In der Folge betrieb er nebenbei das Zeichnen, war beim Theater und selbst in der Industrie tätig, gründete 1849 die Revue comique. 1854 heiratete er Ernestine, eine Achtzehnjährige aus der Normandie. Trotz seiner Eskapaden blieb die Beziehung allem Anschein nach liebevoll und dauerhaft.

1854 eröffnete Nadar ein Atelier für fotografische Porträts in Paris. Anders als andere Auftragsfotografen ließ er bald Accessoires und gemalten Hintergrund wegfallen und verzichtete auf die Retusche. Seine Porträts inszenieren die Modelle mittels Beleuchtung, Silhouette, Konzentration auf Blick und Hände. Ziel war ihm eine gleichsam psychologische Erfassung der Person. Zu seinen Kunden zählten zahlreiche Schriftsteller und Künstler (siehe unten). Er finanzierte sein mondänes Studio unter anderem dadurch, dass er Kopien seiner Porträts von Prominenten verkaufte.[1]

1859 machte Nadar bei der Schlacht von Solferino die ersten Luftaufnahmen aus einem Ballon heraus. In großem Vertrauen auf die Luftschifffahrt konstruierte er selbst ein Schraubenluftschiff und inspirierte damit Jules Verne zu seinem Roman Fünf Wochen im Ballon. Nadar stieg 1863 wiederholt mit dem Riesenballon namens Le Géant auf, der ihn bei der zweiten Fahrt unter großen Schwierigkeiten von Paris nach Hannover trug, wo der Ballon auf einem Feld bei Neustadt am Rübenberge zu Boden ging. Der Korb wurde durch den Wind in niedrigster Höhe etwa bis Rethem mitgeschleift, während der Ballon driftete.[2] Nadar und seine Frau trugen schwere Verletzungen davon und mussten im Krankenhaus in Hannover behandelt werden. Auf dieser Reise machte er Luftaufnahmen, die er in Nouveau système de photographie aérostatique methodisch erklärte. Seine Fahrten beschrieb er in Mémoires du Géant, à terre et en l’air (1864) und in Le droit au vol (1865).

Familiengrab Nadar, Cimetière du Père-Lachaise, Paris

Die Grabstätte von Nadar befindet sich auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris.

Hermaphrodite, die Genitalien einer intersexuellen Person, Foto: Nadar, 1860

1860 fotografierte Nadar eine Serie von Fotografien einer jungen intersexuellen Person, die einen männlichen Körperbau und eine männliche Statur hatte und möglicherweise als weiblich eingestuft wurde oder sich selbst als weiblich identifizierte. Die neun Fotografien, die möglicherweise von dem französischen Internisten Armand Trousseau (1801-1867) in Auftrag gegeben worden waren, wurden als wahrscheinlich die ersten medizinischen Foto-Illustrationen eines Patienten mit intersexuellen Genitalien beschrieben und waren ursprünglich für wissenschaftliche Zwecke bestimmt, weshalb Nadar sie nicht veröffentlichte.[3]

1863 wurde die Société d’encouragement pour la locomotion aérienne au moyen d’appareils plus lourds que l’air gegründet, mit Nadar als Präsidenten und Jules Verne als Sekretär. Das Ziel dieser Gesellschaft bestand darin, die Konstruktion von Flugmaschinen zu fördern, die schwerer als Ballons waren, dafür aber gesteuert werden konnten.[4]

Berühmt geworden sind auch Nadars Langzeitbelichtungen in den Pariser Katakomben und Abwasserkanälen.

Um seine Malerfreunde zu unterstützen, organisierte er 1874 in seinem Atelier die erste Ausstellung impressionistischer Malerei, unter anderem mit Gemälden von Claude Monet, Edgar Degas, Camille Pissarro, Paul Cézanne.

In den Jahren von 1895 bis 1909 befand sich Nadars Studio in Marseille, danach wieder in Paris. 1900 veröffentlichte Nadar seine Erinnerungen: Quand j'étais photographe. 1909 starb Ernestine nach 55 Ehejahren. Er selbst starb 1910 wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag. Nadar ist auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise (Avenue des Acacias, Division 36) begraben.

Sein Atelier wurde nach seinem Tod im Jahr 1911 von seinem Sohn Paul Nadar (* 1856 in Paris; † 1939 in Paris) weitergeführt. Nadars Negative werden heute in der Caisse nationale des monuments historiques in Paris aufbewahrt. Seine Abzüge und sein Archiv befinden sich in der französischen Nationalbibliothek.

Einzelporträts

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Nadar fotografierte viele bekannte Zeitgenossen, darunter die nachfolgend genannten. Einige von ihnen nahm er im Lauf ihres Lebens mehrmals auf.

Ein Sternchen (*) hinter dem Namen bedeutet: In dem verlinkten Artikel ist als oberstes Bild ein Porträt von Nadar zu sehen (Stand Oktober 2022).

Selbstporträts

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Selbstporträt-Serie tournant („rotierend“), um 1865
Animation „drehender“ Nadar aus Selbstporträts erstellt

Gruppenporträts

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Balzac-Karikatur, 1850

Drei Karikaturen Nadars von französischen Schriftstellern für die Schriftenreihe Les Binettes contemporaines (deutsch etwa: „Die Visagen der Gegenwart“) von Jean-Louis-Auguste Commerson (1854–1855):

  • Quand j’étais étudiant (1856)
  • Le Miroir aux alouettes (1858)
  • La Robe de Déjanire (1862)
  • Histoire buissonnière (1877)
  • Sous lincendie (1882)
  • Le Monde ou l’on patauge (1883)
  • Quand j'étais Photographe. Mit einem Vorwort von Léon Daudet. Flammarion, Paris o. J. [1899] (online bei Internet Archive). – Gekürzte Fassung ins Deutsche übertragen von Trude Fein: Nadar. Als ich Photograph war. Huber, Frauenfeld 1978, ISBN 3-7193-0595-3.

Der bekannte französische Buchpreis Prix Nadar wurde nach ihm benannt. Zudem trägt der Tournachon Peak in der Antarktis seit 1960 seinen bürgerlichen Namen.

  • Sylvie Aubenas, Anne Lacoste: Les Nadar – Une légende photographique, BnF Éditions, 2018, ISBN 978-2-7177-2782-1, BnF (Katalog einer Ausstellung, die vom 16. Oktober 2018 bis zum 3. Februar 2019 in der Bibliothèque Nationale de France in Paris stattfand.)
  • Nadar (Gaspard-Félix, Tournachon) (1820–1910). French photographer, writer, and caricaturist. In: John Hannavy (Hrsg.), Encyclopedia of Nineteenth-Century Photography, Taylor and Francis Group, New York 2008, ISBN 0-415-97235-3, passim; großteils online über Google-Bücher.
  • Maria Morris Hambourg: Nadar. Katalog anlässlich der Ausstellung Nadar im Musée d’Orsay, Paris (7. Juni bis 11. September 1994) und in The Metropolitan Museum of Art, New York (14. April bis 9. Juli 1995). [Die Ausstellung wurde organisiert von The Metropolitan Museum of Art und der Réunion des Musées Nationaux / Musée d’Orsay in Zusammenarbeit mit der Bibliothèque nationale de France.] Schirmer/Mosel, München u. a. 1995, ISBN 3-88814-727-1.
  • Rudolph S. Joseph (Nachlass­geber): Konvolut von Unterlagen zur Nadar-Ausstellung im Münchner Filmmuseum. Vorwort zum Ausstellungskatalog, vier Blatt maschinengeschrieben sowie diverse Texte zu von Nadar fotografierten Personen in der bis nach 1967 entstandenen Sammlung, (Signatur-Notation EB 96/111-D.03.0014).
  • Exposé de divers systèmes de navigation aérienne et réfutation de l’hélicoptère Nadar, Ponton d’Amécourt et de La Landelle, par Duchesne jeune. É. Dentu, Paris 1864 (Digitalisat).
  • Nadar – Ein Fotograf verändert die Welt. (OT: Nadar, le premier des photographes.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2018, 52:13 Min., Buch und Regie: Michèle Dominici, Produktion: Doc en stock, arte France, Bibliothèque nationale de France, Erstsendung: 11. März 2018 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
Commons: Gaspard-Félix Tournachon – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Fotos

Einzelnachweise

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  1. Ernster Ausdruck, in: Der Spiegel, 29. August 1977. Rezension zu Nigel Gosling: Nadar – Photograph berühmter Zeitgenossen, Verlag Schirmer/Mosel, München 1977.
  2. Lennart Ege: Ballons und Luftschiffe 1783–1973. Orell Füssli Verlag, Zürich 1973, ISBN 3-280-00647-3, S. 117f.
  3. Schultheiss, Dirk; Hermann, Thomas W. R. und Jonas, Udo. Early Photo-Illustration of a Hermaphrodite by the French Photographer and Artist Nadar in 1860. In: The Journal of Sexual Medicine. 2006; 3(2):355-360.
  4. Jules Vernes Technikträume: Wegweiser in die Welt des 20. Jahrhunderts. pro-physik.de – das Physikportal, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. Oktober 2009.@1@2Vorlage:Toter Link/www.pro-physik.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)