Eidgenössische Volksinitiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)»

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Fair-Food-Initiative)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die eidgenössische Volksinitiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)» war eine von der Grünen Partei der Schweiz initiierte Volksinitiative, die eine Einfügung eines Artikels 104a (Lebensmittel) in die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft anstrebte. Die Initiative erreichte bei der Abstimmung am 23. September 2018 keine Mehrheit.

Logo

Mit dem Zusatz zum Artikel 104 (Landwirtschaft) sollte der Bund verpflichtet werden, «das Angebot an Lebensmitteln, die von guter Qualität und sicher sind und die umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden», zu stärken.

Hierzu sollte er unter anderem

  • Anforderungen an die Produktion und die Verarbeitung festlegen,
  • sicherstellen, dass importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die als Lebensmittel verwendet werden, diesen Anforderungen genügen und dabei Erzeugnisse aus fairem Handel und bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben begünstigen,
  • dafür sorgen, dass negative Auswirkungen des Transports und der Lagerung von Lebens- und Futtermitteln auf Umwelt und Klima reduziert werden,
  • Zielvereinbarungen mit der Lebensmittelwirtschaft treffen,
  • die Verarbeitung und die Vermarktung regional und saisonal produzierter Lebensmittel fördern und
  • Massnahmen zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung treffen.

Die Fair-Food-Initiative wurde von Organisationen aus der Landwirtschaft, dem Konsumentenschutz, der Entwicklungszusammenarbeit und dem Tierschutz unterstützt. Sie war die dritte eingereichte Volksinitiative zum Thema Ernährung in einem Zeitraum von zwei Jahren.

Wortlaut der Initiative

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Art. 104a Lebensmittel

1 Der Bund stärkt das Angebot an Lebensmitteln, die von guter Qualität und sicher sind und die umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Er legt die Anforderungen an die Produktion und die Verarbeitung fest.

2 Er stellt sicher, dass eingeführte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die als Lebensmittel verwendet werden, grundsätzlich mindestens den Anforderungen nach Absatz 1 genügen; für stärker verarbeitete und zusammengesetzte Lebensmittel sowie für Futtermittel strebt er dieses Ziel an. Er begünstigt eingeführte Erzeugnisse aus fairem Handel und bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben.

3 Er sorgt dafür, dass die negativen Auswirkungen des Transports und der Lagerung von Lebens- und Futtermitteln auf Umwelt und Klima reduziert werden.

4 Er hat insbesondere folgende Befugnisse und Aufgaben:

a. Er erlässt Vorschriften zur Zulassung von Lebens- und Futtermitteln und zur Deklaration von deren Produktions- und Verarbeitungsweise.
b. Er kann die Vergabe von Zollkontingenten regeln und Einfuhrzölle abstufen.
c. Er kann verbindliche Zielvereinbarungen mit der Lebensmittelbranche, insbesondere mit Importeuren und dem Detailhandel, abschliessen.
d. Er fördert die Verarbeitung und die Vermarktung regional und saisonal produzierter Lebensmittel.
e. Er trifft Massnahmen zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung.

5 Der Bundesrat legt mittel- und langfristige Ziele fest und erstattet regelmässig Bericht über den Stand der Zielerreichung. Werden diese Ziele nicht erreicht, so trifft er zusätzliche Massnahmen oder verstärkt die bestehenden.

Art. 197 Ziff. 12

12. Übergangsbestimmung zu Artikel 104a (Lebensmittel) Tritt innert drei Jahren nach Annahme von Artikel 104a durch Volk und Stände kein Ausführungsgesetz in Kraft, so erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg.[1]

Nach einer Vorprüfung wurden ab 27. Mai 2014 Unterschriften gesammelt und die Initiative am 26. November 2015 eingereicht, worauf am 8. Dezember 2015 das Zustandekommen festgestellt wurde.[2]

Einige Forderungen aus der Fair-Food-Initiative wurden in den vom Volk angenommenen Gegenvorschlag zur zurückgezogenen Initiative des Bauernverbandes zur Ernährungssicherheit aufgenommen, weshalb dieser die Fair-Food-Initiative nun als unnötig betrachtete.

Der Bundesrat empfahl im Oktober 2016 ohne Gegenvorschlag, die Initiative abzulehnen. Ihr Anliegen wurde zwar grundsätzlich begrüsst. Sie sei aber unvereinbar mit internationalen Verpflichtungen und erfordere ein aufwändiges, in der Praxis nicht umsetzbares Kontrollsystem.[3] Der Argumentation schloss sich im Mai 2017 die Empfehlung der vorberatenden Nationalratskommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N)[4] an. Dieser folgend entschied Ende September 2017 auch der Nationalrat, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.[5] Dem schloss sich auch der Ständerat im Februar 2018 an. Am 16. März 2018 beendete das Parlament mit den Schlussabstimmungen seine Beratungen der Volksinitiative.

Der Bundesrat legte den 23. September 2018 als Termin fest, an dem die Initiative zur Abstimmung vor Volk und Stände kommt.[6][7][8]

Positionen der politischen Parteien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ja-Parole hatten die SP, die Grünen, die EVP und die PdA beschlossen. Die Initiative wurde abgelehnt von FDP, CVP, SVP und BDP. Grünliberale und CSP Obwalden entschlossen sich zur Stimmfreigabe.

Meinungsumfragen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Institut Auftraggeber Datum Ja Eher Ja Unentschieden
Keine Antwort
Eher Nein Nein
LeeWas GmbH Tamedia 7. September 2018 37 6 1 5 51
GfS Bern SRG SSR 2. September 2018 30 23 2 17 28
LeeWas GmbH Tamedia 24. August 2018 40 15 3 9 33
LeeWas GmbH Tamedia 7. August 2018 41 23 3 13 20
GfS Bern SRG SSR 5. August 2018 44 34 2 13 7

Bemerkungen: Angaben in Prozent. Das Datum bezeichnet den mittleren Zeitpunkt der Umfrage, nicht den Zeitpunkt der Publikation der Umfrage.

Abstimmungsergebnis

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Abstimmungsergebnisse nach Kantonen

Die Volksinitiative erreichte mit 38,8 Prozent der abgegebenen Stimmen keine Mehrheit.[9]

  • Ja (4 0/2 Stände)
  • Nein (16 6/2 Stände)
  • Fair-Food-Initiative – vorläufige amtliche Endergebnisse[10]
    Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%)
    Kanton Aargau Aargau 28,8 71,2 35,6
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 32,6 67,4 39,8
    Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 23,3 76,7 31,3
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 33,5 66,5 35,6
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 42,8 57,2 42,9
    Kanton Bern Bern 36,9 63,1 34,7
    Kanton Freiburg Freiburg 48,7 51,3 33,8
    Kanton Genf Genf 63,9 36,1 39,7
    Kanton Glarus Glarus 32,9 67,1 28,6
    Kanton Graubünden Graubünden 29,6 70,4 37,6
    Kanton Jura Jura 58,9 41,1 30,6
    Kanton Luzern Luzern 28,9 71,1 38,2
    Kanton Neuenburg Neuenburg 57,1 42,9 33,7
    Kanton Nidwalden Nidwalden 22,5 77,5 40,2
    Kanton Obwalden Obwalden 20,4 79,6 42,0
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen 34,4 65,6 59,6
    Kanton Schwyz Schwyz 22,6 77,4 38,8
    Kanton Solothurn Solothurn 31,2 68,8 35,3
    Kanton St. Gallen St. Gallen 29,8 70,2 37,3
    Kanton Tessin Tessin 42,7 57,3 40,7
    Kanton Thurgau Thurgau 28,9 71,1 35,9
    Kanton Uri Uri 25,8 74,2 27,7
    Kanton Waadt Waadt 63,8 36,2 38,1
    Kanton Wallis Wallis 38,5 61,5 35,8
    Kanton Zug Zug 27,4 72,6 44,7
    Kanton Zürich Zürich 35,3 64,7 39,8
    Eidgenössisches Wappen ÜÜÜSchweizerische Eidgenossenschaft 38,7 61,3 37,0

    Nachbefragung der Stimmenden

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Eine Befragung nach der Abstimmung (VOTO-Studie) ergab, dass eine deutliche Mehrheit der Stimmenden die Kernanliegen der Vorlage unterstützte. Abgelehnt wurde die Initiative aber wegen der Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Zweifeln an ihrer Praktikabilität.[11]

    Einzelnachweise

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    1. Eidgenössische Volksinitiative 'Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)'. Bundeskanzlei, abgerufen am 5. Februar 2022.
    2. Schweizerische Bundeskanzlei: Eidgenössische Volksinitiative 'Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)'
    3. Bundesrat lehnt Fair-Food-Initiative ab. (Memento des Originals vom 1. Oktober 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/mobile2.tagesanzeiger.ch Tages-Anzeiger, 26. Oktober 2016.
    4. Nein zur Fair-Food-Initiative. Website des Schweizer Parlaments.
    5. Geschäft 16.073 Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative). Volksinitiative. In: parlament.ch. Abgerufen am 1. Oktober 2017.
    6. Bundeskanzlei BK: Abstimmungsvorlagen für den 23. September 2018. Abgerufen am 13. Mai 2018.
    7. Ja zur Fair-Food-Initiative! auf fair-food.ch (Memento des Originals vom 13. Mai 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/fair-food.ch, 16. März 2018.
    8. Bundeskanzlei: Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für gesunde sowie umweltfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)», 16. März 2018.
    9. SwissInfo:Schweizer Stimmvolk goutiert Fair-Food-Initiative nicht
    10. Volksinitiative vom 26.11.2015 «Für gesunde sowie umweltfreundliche und fair hergestellte Lebensmittel (Fair-Food-Initiative)». Schweizerische Bundeskanzlei, abgerufen am 30. September 2018.
    11. Publikationen und Daten – Voto. Abgerufen am 18. November 2018 (deutsch).