Faktorei
Eine Faktorei (französisch factorerie oder factorie, englisch factory, spanisch factoría, portugiesisch feitoria, italienisch fattoria, niederländisch factorij) war im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit die Niederlassung eines Handelshauses oder einer Handelskompanie in anderen Handelszentren (der Begriff hat also keine Überschneidung mit „Faktur“ oder „Fakturierung“).
Aufgaben des Faktoristen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Leiter einer Faktorei, Faktor oder Faktorist genannt, war als Vertreter seines Prinzipals (Geschäftsherrn) oder der jeweiligen Handelskompanie Ansprechpartner in allen Angelegenheiten, gab Berichte und Informationen an den Hauptsitz weiter und war für die Warenlogistik (fachgerechte Lagerung und/oder Weitertransport) verantwortlich. Da Informationen aus dem Stammhaus erst Tage oder Wochen nach der Ware ankamen, war dies in mittelalterlichen Handelshäusern wie denen der Fugger und Welser eine absolute Vertrauensstellung.
Bedeutung der Faktoreien und ihre Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Faktoreien wurden besonders in Asien, Afrika und Amerika gegründet und sorgten für den Warenaustausch zwischen europäischen Handelsgesellschaften und der einheimischen Bevölkerung. Dazu verfügten sie meist über große Lager für ein- und auszuführende Waren. Ähnliche Niederlassungen besaß schon im 13. und 15. Jahrhundert die Hanse in den Ost- und Nordseeländern; der Ausdruck Faktorei wurde aber erst im 16. Jahrhundert gebräuchlich. Die Hanse unterhielt Faktoreien unter anderem in England (Boston, King’s Lynn), Norwegen (Tønsberg) und Finnland (Åbo).
Im 19. Jahrhundert kamen Faktoreien nur noch in Afrika, im südlichen Teil Asiens, in Ostindien, in Kanton (China, bis 1842), in Nagasaki (Japan, von 1609 bis 1858 durch die niederländische Faktorei) und im Norden Amerikas (zum Beispiel die Faktoreien der Hudson’s Bay Company mit militärischer Ausrüstung und Forts) vor. Aus solchen von mächtigen Handelsgesellschaften angelegten Faktoreien, die sich allmählich über größere Gebiete ausdehnten, sind mehrfach Kolonien entstanden.
Im Bereich des Bergbaus gab es auch Bergfaktoreien.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Primärliteratur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Faktoreien. In: Brockhaus Konversations-Lexikon. 14. Auflage. Band 6: Elektrodynamik – Forum. Brockhaus, Leipzig 1894, S. 533 (retrobibliothek.de).
- Faktoreien. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 6, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 3.
- Meyers Konversationslexikon. 5. Auflage. 1894
- Bernhard Sommerlad: Die Faktorei der Fugger in Leipzig. In: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs. Band 22. 1938, S. 39–67.
- Max Spindler, Andreas Kraus: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Edition 3. Geschichte Schwabens. ISBN 3-406-39452-3, abgefragt am 10. Mai 2009.
- Katharina von Ciriacy-Wantrup: Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance. ISBN 3-8258-0357-0, S. 122. abgefragt am 10. Mai 2009
Sekundärliteratur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Götz Pölnitz: Jakob Fugger. ISBN 3-16-814572-6
- Johannes Burkhardt, Christine Werkstetter, Thomas Nieding: Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. ISBN 3-05-002653-7.
- Hermann Kellenbenz, Rolf Walter, Archivo de Protocolos de Sevilla, Archivo Histórico Provincial de Cádiz: Oberdeutsche Kaufleute in Sevilla und Cádiz (1525–1560). ISBN 3-515-07740-5.
- Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Zehnter Band. Berlin 1861, S. 397, abgefragt am 10. Mai 2009