Formgedächtnispolymer
Formgedächtnispolymere (FGP, englisch shape-memory polymers, SMP) sind Kunststoffe, die einen Formgedächtniseffekt (shape-memory effect) – ähnlich wie Formgedächtnislegierungen (FGL, englisch shape-memory alloy, SMA) – aufweisen, sich also an ihre frühere äußere Form trotz einer zwischenzeitlichen starken Umformung scheinbar „erinnern“ können. Die ersten Formgedächtnispolymere bestanden aus zwei Komponenten: Die erste war ein elastisches Polymer, eine Art „Federelement“, die zweite ein aushärtendes Wachs, das das Federelement in jeder gewünschten Form arretieren kann. Zur „Programmierung“ kann das FGP im erwärmten Zustand umgeformt und anschließend abgekühlt werden. Erwärmt man das Formgedächtnispolymer erneut, so wird das Wachs weich und kann der Kraft des Federelements nicht mehr entgegenwirken. Das Formgedächtnispolymer nimmt wieder seine ursprüngliche Form an. Dieses Verhalten wird analog zur Terminologie der Formgedächtnislegierungen Einweg-Memory-Effekt genannt. Ein Beispiel ist Memory Foam.
Formgedächtnispolymere zeigen gegenüber den Formgedächtnislegierungen hinsichtlich ihrer Herstellbarkeit und Verarbeitbarkeit entscheidende Vorteile. Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit von Polymeren weisen sie eine deutlich geringere Schaltzeit auf, diese spielt jedoch bei einer Vielzahl von potentiellen Anwendungsgebieten, insbesondere im medizinischen Bereich, eine untergeordnete Rolle. Formgedächtnispolymere schalten jeweils im weichen Zustand, während Formgedächtnislegierungen in der Hochtemperaturphase (Austenit) einen erhöhten E-Modul aufweisen. Formgedächtnispolymere können daher prinzipbedingt nicht über eine kontinuierlich wirkende Kraft von einem Rückstell-Element programmiert werden. Das stellt für viele Anwendungen einen entscheidenden Nachteil dar. Während Formgedächtnislegierungen beispielsweise mittels einer zusätzlichen Rückstellfeder zyklisch arbeiten können, müssen FGP für jeden Zyklus neu programmiert werden. Einige Polymere weisen, wie auch Formgedächtnislegierungen, auch einen Zweiweg-Memory-Effekt[1] auf, dieser lässt sich jedoch nicht praktisch zur Verrichtung von Arbeit nutzen. Formgedächtnispolymere sind daher von besonderem Interesse für Anwendungen, bei denen ein einmaliges Umschalten zur programmierten Form erforderlich ist.
Es handelt sich bei Formgedächtnispolymeren um Funktionspolymere.
Stimuli
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im obigen Beispiel wird die Temperatur als Stimulus zum Auslösen des Formgedächtniseffekts genutzt. Stimuli, die eine Rückstellung induzieren können:
- Der zumeist verwendete Stimulus ist eine Erwärmung des FGPs über eine bestimmte Schalttemperatur. Diese kann die Glasübergangstemperatur oder die Schmelztemperatur des Polymers sein.
- Auf optischem Weg können etwa Butylacrylate, die an ihren Seitenketten über Zimtsäure-Gruppen unter UV-Licht einer bestimmten Wellenlänge vernetzen, eine Form fixieren. Wird die Bindung durch Bestrahlung mit einer anderen Wellenlänge gelöst, kommt es zur Rückstellung und damit zum Formgedächtniseffekt.
- Mittlerweile gibt es auch Formgedächtnispolymere, die sich über magnetische Stimuli zurückstellen lassen.
Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Formgedächtnispolymere sind Gegenstand intensiver Forschung. Ihr kommerzieller Einsatz wird wahrscheinlich zuerst in der Medizintechnik erfolgen, wo metallische Formgedächtniswerkstoffe auch schon heute eine Rolle spielen, aber auch biologische Nebenwirkungen zeigen können. Es gibt bereits erste Firmen, die solche Werkstoffe anbieten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sie als Etikettentechnologie Bedeutung erlangen. In Form von Schaumstoff (engl. memory foam) wird die Technik unter anderem für Matratzen und Kopfhörer verwendet, die sich dadurch besonders gut an die Form des menschlichen Körpers anpassen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andreas Lendlein, Hongyan Jiang, Oliver Jünger, Robert Langer: Light-induced shape-memory polymers. In: Nature. Band 434, Nr. 7035, 14. April 2005, S. 879–882, doi:10.1038/nature03496.
- Thorsten Pretsch, Melanie Ecker, Markus Schildhauer, Michael Maskos: Switchable information carriers based on shape memory polymer. In: Journal of Materials Chemistry. Band 22, Nr. 16, 10. Februar 2012, S. 7757–7766, doi:10.1039/C2JM16204K.
- Nikolaus Fritzsche, Thorsten Pretsch: Programming of Temperature-Memory Onsets in a Semicrystalline Polyurethane Elastomer. In: Macromolecules. Band 47, Nr. 17, 15. Juli 2014, S. 5952–5959, doi:10.1021/ma501171p.
- Thomas J. Reitinger: Formgedächtnis-Polymere (Shape-Memory Polymers, SMP) als Materialien der Zukunft. (PDF) In: Erfinderaktivitäten 2005/2006. Deutsches Patent- und Markenamt, 18. August 2006, S. 75–84, abgerufen am 9. April 2015.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ecker, Melanie: Development, Characterization and Durability of Switchable Information Carriers based on Shape Memory Polymers. (PDF) Freie Universität Berlin, 1. September 2014, abgerufen am 12. Februar 2018.