Freya von Moltke
Freya Gräfin von Moltke (* 29. März 1911 in Köln als Freya Maria Helene Ada Deichmann; † 1. Januar 2010 in Norwich, Vermont) war eine deutsche Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Schriftstellerin und Juristin. Sie wurde einer breiten Öffentlichkeit vor allem als Witwe des Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke bekannt.
Leben und Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindheit und Ausbildung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Freya von Moltke wurde am 29. März 1911 in Köln als Tochter des Bankiers Carl Theodor Deichmann (Enkel von Wilhelm Ludwig Deichmann) und seiner Frau Ada, geb. von Schnitzler, geboren. Ein Bruder von ihr war Hans Deichmann. Getauft wurde sie am 13. Mai 1911 in der Antoniterkirche vom liberalen evangelischen Pfarrer Carl Jatho.[1] Nach der Mittleren Reife an der Liebfrauenschule besuchte sie nach einer Auszeit 1928 ein Jahr lang die Wirtschaftliche Frauenschule Schloss Löbichau in der Nähe von Gera. Dort bekam sie Freude am Lernen. Hauslehrer bereiteten sie auf das Abitur vor. Nach dem Abitur im Oktober 1930 an der Kaiserin-Augusta-Schule in ihrer Heimatstadt[2] studierte sie Rechtswissenschaft zuerst an der Universität zu Köln[3] und wurde dann 1935 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin mit der Arbeit über Beglaubigung und öffentlicher Glaube. Zur Auslegung des § 1155 BGB zum Dr. iur. promoviert.
Politische Betätigung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sie begründete 1940 mit ihrem Ehemann sowie Peter und Marion Yorck von Wartenburg eine Gruppe, die sich über eine demokratische Gesellschaft nach dem Ende der nationalsozialistischen Tyrannei Gedanken machte. Aus dieser Gruppe entwickelte sich noch im gleichen Jahr der Kreisauer Kreis, benannt nach dem Gut der Familie von Moltke in dem schlesischen Dorf Kreisau. Sie organisierte mit den Gleichgesinnten im Mai 1942, Oktober 1942 und Juni 1943 drei Zusammenkünfte mit dem Ziel, Gesellschaftsentwürfe für eine Nachkriegszeit zu erstellen.
Mit ihrer Unterstützung wurde das Gut der Moltkes in Kreisau nach 1990 zu einer Begegnungsstätte umgewandelt, die der deutsch-polnischen und europäischen Verständigung dient. 2004 wurde in Berlin eine Bürgerstiftung mit dem Ziel gegründet, die Kreisauer Begegnungsstätte langfristig abzusichern und die dort geleistete Arbeit zu fördern: die Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau.[4] Freya von Moltke unterstützte dieses Anliegen aktiv. Sie war darüber hinaus Ehrenvorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung (Trägerin der Kreisauer Begegnungsstätte) sowie des Kuratoriums des Institutes für kulturelle Infrastruktur Sachsen in Görlitz.
Persönliches
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1931 heiratete sie Helmuth James von Moltke und bekam 1937 mit ihm ihren ersten Sohn, Helmuth Caspar (* 1937). 1941 bekamen die Eheleute den zweiten Sohn, Konrad (1941–2005).[5] Im Januar 1944 wurde ihr Ehemann von der Gestapo verhaftet und am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet. Gegen Ende des Krieges verließ Freya von Moltke Kreisau und flüchtete mit den zwei Söhnen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte sie von 1947 bis 1956 zunächst in Südafrika, der Heimat ihrer verstorbenen Schwiegermutter, wo ihre beiden Söhne aufwuchsen. Sie lernte den protestantischen Kulturphilosophen Eugen Rosenstock-Huessy kennen und siedelte 1960 zu ihm nach Norwich (Vermont) in den USA um, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ehrungen zu Lebzeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1989: Geschwister-Scholl-Preis
- 1999: Internationaler Brückepreis
- 2009: Adam-Mickiewicz-Preis[6]
Postume Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zu ihrem 100. Geburtstag (März 2011) wurde an sie mit einem Veranstaltungsprogramm erinnert. „Ein Leben im Dienst der Menschlichkeit“ lautete der Titel des Programms. Es begann am 24. Februar. Daran beteiligt waren u. a. die Melanchthon-Akademie Köln und Freya von Moltkes Taufkirche, die Kölner Antoniterkirche.
In der Kölner Trinitatiskirche wurde an ihrem 100. Geburtstag ein ökumenischer Gedenkgottesdienst gefeiert, an dem der damalige Bundespräsident Christian Wulff teilnahm. Margot Käßmann, Kuratoriumsmitglied der „Freya-von-Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau“, predigte.[7]
An ihrem 101. Geburtstag wurde nach zweijähriger Planung auf Initiative der Stiftung, der Stadt Köln und evangelischer und katholischer Stellen vor Freya von Moltkes Geburtshaus in Anwesenheit ihres Sohnes eine vom Mönchengladbacher Künstler Christian Bauer gestaltete Glasstele aufgestellt.[8][9]
2018 wurde in Köln-Deutz die Freya-von-Moltke-Straße nach ihr benannt.[10]
Publikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- (Hgn.): Briefe an Freya 1933–1945. (Briefe ihres Mannes). C. H. Beck, München ³2005, ISBN 3-406-35279-0.
- Erinnerungen an Kreisau 1930–1945. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-51064-7.
- (mit Annedore Leber): Für und wider. Entscheidungen in Deutschland 1918–1945. Mosaik-Verlag, Berlin/Frankfurt am Main 1961.
- Die Verteidigung Europäischer Menschlichkeit. In: Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament vom 28. Juni 2004, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/2004, Bonn 2004.
- Helmuth James und Freya von Moltke: Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel September 1944–Januar 1945. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61375-3.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- „Der liberale Humanismus reichte dafür nicht aus.“ Gespräch zwischen Marion Dönhoff und Freya Moltke. In: Die Zeit vom 20. Januar 1989, S. 12.
- Annemarie Cordes (Red.): Brücken schlagen. Briefe zum 90. Geburtstag an Freya von Moltke. Hrsg. von der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung in Zusammenarbeit mit der Kreisau-Initiative Berlin e. V., C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-51751-X.
- Hiltrud Häntzschel: Es ging doch weiter. Kreisau und das Leben danach – Eine Begegnung mit Freya von Moltke. In: Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 1999, S. 6.
- Ingo Herrmann (Hrsg.): Die Kreisauerin. Freya von Moltke. Gespräch mit Eva Hoffmann in der Reihe „Zeugen des Jahrhunderts“. Lamuv, Göttingen 1992, ISBN 3-88977-303-6.
- Dorothee von Meding: Mit dem Mut des Herzens. Die Frauen des 20. Juli. Siedler, Berlin 1992, ISBN 3-88680-403-8.
- Annette Ramelsberger: Streiterin für die Versöhnung. Wie die Witwe des hingerichteten NS-Widerstandskämpfers Helmuth James von Moltke sein Vermächtnis lebendig hält. In: Süddeutsche Zeitung. 12. März 2007, S. 3.
- Annette Ramelsberger: Wenn der Tod auf ewig bindet. Sie hatte vier Monate Zeit, um Abschied zu nehmen – im fernen Vermont lebt eine 93-Jährige mit der Erinnerung und 1600 Briefen ihres Mannes. (Süddeutsche Zeitung vom 20. Juli 2004, S. 3.).
- Adam Soboczynski: Das ewige Paar. (Die Zeit vom 15. März 2007, S. 67).
- Frédérique Dantonel: Moltke, Freya von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 32, Bautz, Nordhausen 2011, ISBN 978-3-88309-615-5, Sp. 960–966 .
- Olaf Jessen: Die Moltkes. Biographie einer Familie. C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-604997
- Frauke Geyken: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911–2010. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61383-8.
- Sylke Tempel: Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert. Rowohlt, Reinbek 2010, ISBN 3-87134-697-7.
- Dorothée von Meding: Mit dem Mut des Herzens: die Frauen des 20. Juli; Emmi Bonhoeffer… Siedler, Berlin 1995, ISBN 3-88680-403-8.
Filme und Bühnenstücke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hellmut Schlingensiepen im Gespräch mit Freya von Moltke (1911–2010), Dokumentarfilm, Deutschland 2010, 48 Minuten, Regie: Hellmut Sitó Schlingensiepen und Christian Bimm Coers
- Geschichte einer Liebe – Freya, Kinodokumentarfilm, Deutschland 2016, 87 Minuten, Regie: Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn
- Das Moltke-Projekt - Wenn die Welt in Stücke fällt. (PDF) In: Szenische Lesung auf Grundlage der "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel" von Helmuth James und Freya von Moltke (Flyer). Michael Becker (Regie), abgerufen am 2. Dezember 2018.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Freya von Moltke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website der Freya-von-Moltke-Stiftung
- Website der Stiftung Kreisau
- Biografie auf fembio.org
- Elisabeth von Thadden: Freya von Moltke. Als bliebe ich am Leben Die Zeit Nr. 03, 13. Januar 2011
- Otto Langels: Man kann doch zeigen, dass es Widerstand gegeben hat, Kalenderblatt, Deutschlandradio Kultur, 29. März 2011
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eintrag zu Freya von Moltke von ihrer Taufkirche, der Antoniterkirche Köln. Abgerufen am 24. Januar 2015.
- ↑ Jörg Böhnk: Gottesdienst für eine mutige Kölnerin. In: Kölner Stadtanzeiger vom 16. Dez. 2010, S. 35.
- ↑ Präzisierung ihrer Ausbildung nach: Kölner Stadtanzeiger vom 18. März 2011, S. 25.
- ↑ Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau
- ↑ Die Stiftung: Freya von Moltke. Abgerufen im Juni 2018.
- ↑ Komitee zur Förderung der Deutsch-Französisch-Polnischen Zusammenarbeit e. V. weimarer-dreieck.eu, abgerufen am 3. Januar 2010.
- ↑ Evangelische Kirche im Rheinland: Bundespräsident kommt zur Ehrung von Freya von Moltke.
- ↑ Welt online 30. März 2012 ( vom 31. März 2012 im Internet Archive)
- ↑ Stele zu Ehren von Freya Gräfin von Moltke am Deichmannhaus. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. (abgerufen am 7. Juli 2020).
- ↑ Zentrales Namensarchiv. (pdf, 361 kB) In: Amtsblatt der Stadt Köln. 25. Juli 2018, S. 304/308, abgerufen am 28. Juli 2018.
Personendaten | |
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NAME | Moltke, Freya von |
ALTERNATIVNAMEN | Moltke, Freya Gräfin von (vollständiger Name); Deichmann, Freya Maria Helene Ada (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Juristin, Witwe des Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke |
GEBURTSDATUM | 29. März 1911 |
GEBURTSORT | Köln |
STERBEDATUM | 1. Januar 2010 |
STERBEORT | Norwich, Vermont |