Gerda Taro

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Gerda Taro im Juli 1937

Gerda Taro (bürgerlich Gerta Pohorylle; * 1. August 1910 in Stuttgart; † 26. Juli 1937 in El Escorial, Spanien) war eine deutsche Fotografin. Sie dokumentierte zusammen mit ihrem Partner Robert Capa die Gräuel des Spanischen Bürgerkrieges und war damit die erste Frau, die an einer Kriegsfront fotografierte.

Gerta Pohorylle war die älteste Tochter des aus Ostgalizien eingewanderten jüdischen Kaufmanns Heinrich Pohorylle und seiner Frau Gisela Boral. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend vor allem in Stuttgart. 1929 zog die Familie nach Leipzig, wo Gerta Pohorylle die reformpädagogisch orientierte Gaudigschule besuchte und sich sozialistischen Gruppierungen anschloss.

Gerda Taro: Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg, 1937

Sie beteiligte sich an Flugblattaktionen gegen die Nationalsozialisten und wurde im März 1933 von einem Rollkommando der SA (Sturmabteilung) verhaftet. Nach knapp drei Wochen kam sie aus dem Leipziger Frauengefängnis frei und emigrierte kurz darauf nach Paris.[1] Im Spätherbst 1933 erreichte sie Paris. Dort lernte sie im September 1934 den ungarischen Fotografen Robert Capa kennen und wurde bald darauf seine Schülerin und Lebensgefährtin.[2]

Um ihre Chance auf Einkünfte aus ihrer künstlerischen Arbeit zu erhöhen und bessere Aufträge zu erhalten, schlug Gerta Pohorylle vor, unter Pseudonym zu arbeiten: Ihr Lebensgefährte änderte seinen Geburtsnamen Endre Ernö Friedmann in Robert Capa, für sich selbst wählte sie den Namen Gerda Taro (nach Tarō Okamoto und Greta Garbo).[3] Der erste Presseausweis von Gerda Taro wurde von einer Amsterdamer Fotoagentur ausgestellt und ist auf den 4. Februar 1936 datiert.

Als der Militärputsch in Spanien am 18. Juli 1936 die Welt in Atem hielt, entschlossen sich – wie viele andere Intellektuelle – auch Gerda Taro und Robert Capa, nach Spanien zu gehen, um den Bürgerkrieg zu dokumentieren. Am 5. August 1936 waren sie in Barcelona. In den folgenden Monaten fotografierten Taro und Capa die Gräuel des Spanischen Bürgerkrieges von der republikanischen Seite für verschiedene internationale Zeitungen.

Grab von Gerda Taro auf dem Friedhof Père-Lachaise (Paris)

Am 25. Juli 1937 wurde Gerda Taro während eines Angriffs der deutschen Legion Condor bei Villanueva de la Cañada an der Brunete-Front von einem republikanischen Panzer überrollt, nachdem sie von einem Trittbrett eines Lkw abgerutscht war, mit dem sie aus der Kampfregion flüchten wollte. Einen Tag später erlag sie im englischen Lazarett in El Escorial, wo sie noch operiert wurde, ihren Verletzungen.

Als sie am 1. August 1937, ihrem 27. Geburtstag, auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris beigesetzt wurde, folgten Tausende ihrem Sarg. Der Trauerzug, angeführt von ihrem Vater sowie Pablo Neruda, Paul Nizan und Louis Aragon, wurde zu einer Demonstration gegen den Faschismus. Henri Cartier-Bresson, Tristan Tzara und die deutschen Emigranten Anna Seghers und Egon Erwin Kisch waren gekommen.[4] Das von Alberto Giacometti geschaffene Grabmal für Taro ist nur noch in stark veränderter Form erhalten.[5]

Kurz nach Taros Tod erschienen Fotos, die sie an der Brunete-Front gemacht hatte, im US-Magazin Life unter dem Titel The Spanish War Kills Its First Woman Photographer.[6]

Seit Beginn der 1990er-Jahre macht die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Irme Schaber das Leben und Werk Gerda Taros der Öffentlichkeit wieder bekannt.[7]

Im Jahr 2007 sorgte ein Fotofund für Aufmerksamkeit. In Mexiko tauchte ein Koffer mit rund 800 Bildnegativen auf, die in den Wirren des Spanischen Bürgerkriegs verschwunden waren und bis dato als verschollen galten. Der unter dem Etikett The Mexican Suitcase Schlagzeilen machende Fund enthielt neben – teils bereits publizierten – Originalen, die Capa zugeschrieben worden waren, weitere zahlreiche Bilder von Gerda Taro sowie David Seymour, einem polnischen Fotojournalisten, der in Spanien eng mit Taro und Capa zusammengearbeitet hatte. Fachleute für Geschichte, Fotografie und Fotojournalismus bewerteten die wieder aufgetauchten Aufnahmen als wichtiges Dokument der engen Zusammenarbeit von Taro und Capa. Das wiederentdeckte Gesamtwerk wurde in zahlreichen Ausstellungen präsentiert (unter anderem in Bilbao, Yokohama und Paris) und auszugsweise auch in gedruckter Form publiziert.[8]

Gerda-Taro-Platz in Stuttgart
Tafel der Rue Gerda Taro in Paris
Gerda-Taro-Platz in Stuttgart-Mitte, Skulptur von Erich Hauser (1972)
7. Internationales Fotografiefestival F/STOP, Leipzig, mit Fotos von Taro
  • In Leipzig trägt seit 1970 eine Straße in der südöstlichen Vorstadt den Namen Tarostraße zu Ehren von Gerda Taro.
  • Im Oktober 2008 benannte man in Stuttgart die Grünfläche zwischen Hohenheimer/Dannecker- und Alexanderstraße in den Gerda-Taro-Platz um.[9] Dieser wurde im Jahr 2014 nach langen Kontroversen aufwändig umgestaltet und schließlich im November desselben Jahres neu eröffnet.[10]
  • Gerda Taro wurde von der britischen Band alt-J der Song Taro auf dem Album An Awesome Wave (2012) gewidmet, der ihre und die Geschichte Robert Capas erzählt.[11]
  • Am 28. Juni 2018 erhielt in Leipzig das neu errichtete Gymnasium an der Telemannstraße den Namen Gerda-Taro-Schule.[12]
  • Die Stadt Paris benannte im 13. Pariser Arrondissement 2019 eine Straße Rue Gerda Taro.[13]

Antisemitische Angriffe

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In der Nacht zum 4. August 2016 übermalten Unbekannte mit schwarzer Teerfarbe die auf Tafeln öffentlich ausgestellten Kriegsfotografien in der Straße des 18. Oktober in Leipzig.[14] Anderthalb Monate nach dem Anschlag konnten die Tafeln dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne erneuert werden.[15]

Am Abend des 4. April 2021 kam es am Stuttgarter Gedenkort für Gerda Taro zu einem antisemitischen Anschlag. Mehrere der Informationstafeln wurden mit Hakenkreuzen beschmiert.[16] Als Reaktion auf diesen Anschlag wurde am 29. April eine Protest- und Gedenkveranstaltung Gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Gewalt! von verschiedenen Gruppen organisiert.[17][18]

Da viele ihrer Aufnahmen Robert Capa zugeschrieben worden waren, wurde Gerda Taros Œuvre erst 70 Jahre nach ihrem Tod die erste eigens konzipierte Ausstellung gewidmet.

  • Gerda Taro. International Center of Photography, New York, 26. September 2007 bis 6. Januar 2008.[19]
  • Gerda Taro. Krieg im Fokus. Kunstmuseum Stuttgart, Stuttgart, 30. Januar 2010 bis 16. Mai 2010.[20]
  • 7. Internationales Festival für Fotografie Leipzig, 25. Juni 2016 bis 3. Juli 2016, Beteiligung.
    Das 7. Internationale Fotografiefestival F/STOP 2016 in Leipzig präsentierte erstmals auch im öffentlichen Raum die Ausstellungsexponate als Fototafeln. Dabei wurden auch Fotos von Gerda Taro und Capa in der Straße des 18. Oktober in einer Installation gezeigt. Am 19. September 2016 wurden die nach einem Farbanschlag restaurierten Fototafeln erneut am selben Ort ausgestellt.[15]
  • Fotografinnen an der Front. Von Lee Miller bis Anja Niedringhaus. Kunstpalast Düsseldorf, 8. März 2019 bis 6. Juni 2019.[21]
Titelseite von Death in the Making
  • Robert Capa: Death in the Making. (Fotos von Robert Capa und Gerda Taro, Layout von André Kertész). Covici-Friede, New York 1938.
  • Kati Horna: Fotografías de la Guerra Civil espanola (1937–1938). Ministerio de Cultura, Salamanca 1992, ISBN 84-7483-854-1, Fotoband (spanisch).
  • Juan L. Fusi Aizpúrua u. a. (Hrsg.): Capa, cara a cara. Fotografías de Robert Capa sobre la Guerra Civil espanola de la Colección del Ministerio de Asuntos Exteriores. Museo Nacional, Madrid 1999, ISBN 0-89381-831-3, (spanisch, kommentierter Fotoband).
  • Marie-Loup Sougez, Albert-Louis Deschamps (Hrsg.): Fotógrafo en la Guerra Civil Espanola. Junta de Castilla y Léon, Salamanca 2003, ISBN 84-9718-169-7, (spanisch, kommentierter Fotoband).
  • Alex Kershaw: Robert Capa, der Fotograf des Krieges. (OT: Blood and champagne.) Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-550-07607-X.
  • Bernd Serger, Karin Anne Böttcher: Es gab Juden in Reutlingen. Ein historisches Lesebuch. Stadtarchiv Reutlingen, Reutlingen 2005, ISBN 3-933820-67-7, S. 142–150.
  • François Maspero: L'Ombre d’une photographe. Gerda Taro. Seuil, Paris 2006, ISBN 2-02-085817-7, (französisch).
  • Irme Schaber, Richard Whelan, Kristen Lubben (Hrsg.): Gerda Taro. Steidl, Göttingen 2007, ISBN 3-86521-532-7.
  • Cynthia Young (Hrsg.): The Legendary Spanish Civil War Negatives of Robert Capa, Gerda Taro, and David Seymour. Steidl, Göttingen 2010, ISBN 978-3-86930-141-9, (englisch).
  • Irme Schaber: Gerta Taro. Fotoreporterin im spanischen Bürgerkrieg. Eine Biografie. Jonas Verlag, Marburg 1994, ISBN 3-89445-175-0; Neuausgabe: Gerda Taro – Fotoreporterin. Mit Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. Die Biografie. Jonas Verlag, Marburg 2013, ISBN 978-3-89445-466-1.
  • Irme Schaber: Taro, Gerda. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 790 f. (Digitalisat).
  • Rita Kohlmaier: Gerta Taro. In: Kriegsreporterinnen. Im Einsatz für Wahrheit und Frieden. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2022, ISBN 978-3-949582-10-3, S. 124–131.
  • Irme Schaber: Freiheit im Fokus. Gerda Taro und Robert Capa in Leipzig. Hentrich & Hentrich, Leipzig 2024, ISBN 978-3-95565-648-5.

Belletristische Darstellungen

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  • Liebe am Werk – Gerda Taro & Robert Capa. (OT: L'amour à l'œuvre – Gerda Taro et Robert Capa.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2019, 26:22 Min., Buch und Regie: Stéphanie Colaux und Delphine Deloget, Bonne Compagnie, arte, Reihe: Liebe am Werk (OT: L'amour à l'œuvre. Couples mythiques d’artistes), Erstsendung: 14. April 2019 bei arte, Inhaltsangabe von ARD
  • Sur les traces de Gerda Taro. Dokumentarfilm, 57 Min., Buch und Regie: Camille Ménager, Lou Rotzinger, Céline Sallette, Brotherfilms, 2021 (französisch).[22]
  • La Photographe. Kurzfilm von Alexander Graeff (2023, 21 min.), Anna Maria Sturm als Gerta Pohorylle
Commons: Gerda Taro – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Biographien

Porträts

Fotos

Einzelnachweise

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  1. Irme Schaber: Hoffnung und Zeugenschaft. Die biografische Konstruktion der Fotografen Gerda Taro und Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg. In: Claus-Dieter Krohn: Autobiografie und Wissenschaftliche Biografik. Band 23 der Reihe Exilforschung, De Gruyter 2005, ISBN 978-3-11-242293-9, S. 209.
  2. Amrai Coen: „Denn Du bist nur eine Frau.“ (3): Das Auge der Freiheit. In: Die Zeit, 1. Februar 2014.
  3. Exhibition: Gerda Taro. International Center of Photography, archiviert vom Original am 16. November 2007; abgerufen am 9. Mai 2008.
  4. Michael Sontheimer: Kriegsfotografin Gerda Taro. Mit der Kamera in den Kampf, Spiegel Kultur, 23. August 2013.
  5. Irme Schaber: Gerda Taro. Fotoreporterin. Jonas Verlag, Marburg 2013, S. 229 ff. Für die Urheberschaft Alberto Giacomettis beruft sich Schaber auf Casimiro Di Crescenzo: La tomba di Gerta Taro: un lavoro inedito di Alberto Giacometti. In: Riga, Monza 1991, 1. Jg., Heft 1, S. 257–261.
  6. Mark Zuehlke: The Gallant Cause. Canadians in the Spanish Civil War 1936–1939, ISBN 978-0-470-83926-3, S. 163–166 (englisch).
  7. Gabriele Katz: Stuttgarts starke Frauen. Theiss, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-8062-3157-1, S. 195.
  8. Andreas Holzer: Capa, Taro, Chim: Fotoreporter im Spanischen Bürgerkrieg. In: Fotogeschichte, 2011, Ausgabe 121.
  9. Jürgen Lessat: Hohenheimer Straße: Mehr Aufmerksamkeit für Gerda Taro. In: Stuttgarter Nachrichten, 18. August 2012.
  10. Nina Eyerle: Eröffnung: OB Kuhn fordert mehr Gedenkstätten. In: Stuttgarter Zeitung, 21. November 2014.
  11. Anne Waak: Unterwegs mit Alt-J: Die Band, die niemand liebte. In: Spex, 11. August 2013.
  12. Leipziger Gymnasium trägt den Namen von Gerda Taro. In: Leipziger Volkszeitung (LVZ), 28. Juni 2018.
  13. 2019 DU 119 Dénomination rue Gerda Taro (13e). In: paris.fr. Ville de Paris, 2019, abgerufen am 27. Juli 2022 (französisch).
  14. Jan Russezki: Aufstand gegen die Schwarzmaler. In: faz.net. 19. August 2016, abgerufen am 27. Juli 2022.
  15. a b René Loch: Nach dem Farbanschlag: Ausstellung zur Kriegsfotografin Gerda Taro ist wieder sichtbar. In: l-iz.de. 19. September 2016, abgerufen am 27. Juli 2022.
  16. Martin Haar: Hakenkreuze an Gedenktafeln: Antisemitischer Akt am Taro-Platz. In: Stuttgarter Nachrichten. 14. April 2021, abgerufen am 26. Juli 2022.
  17. 29. April 2021: Erinnerung an Gerda Taro. In: hotel-silber.de. 14. April 2021, abgerufen am 27. Juli 2022.
  18. Martin Haar: Taro-Platz in Stuttgart: Stadtgesellschaft stemmt sich gegen Faschismus. In: Stuttgarter Zeitung. 1. Mai 2021, abgerufen am 27. Juli 2022.
  19. Ausstellung: Gerda Taro. In: International Center of Photography, 2007/08.
  20. Ausstellung: Gerda Taro. Krieg im Fokus. In: Kunstmuseum Stuttgart, 2010.
  21. Alexander Menden: Kriegsfotografie: "Man gewöhnt sich nie an den Horror". Abgerufen am 7. April 2021.
  22. Cinéma - Recherche. In: bibliotheques.paris.fr. Abgerufen am 27. Juli 2022 (französisch).