Graßmann-Algebra

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Die Graßmann-Algebra oder äußere Algebra eines Vektorraums ist eine assoziative, schiefsymmetrisch-graduierte Algebra mit Einselement. Sie ist – je nach Definition – Unteralgebra oder eine Faktoralgebra einer antisymmetrisierten Tensoralgebra von und wird durch dargestellt. Die Multiplikation wird als äußeres Produkt, Keilprodukt, Dachprodukt oder Wedgeprodukt bezeichnet. Ein Spezialfall dieses Produkts ist mit dem Kreuzprodukt verwandt. Anwendung findet dieser Kalkül nicht nur in der elementaren linearen Algebra (zum Beispiel in der Theorie der Determinanten), sondern vor allem in der algebraischen Geometrie und der Differentialgeometrie als Algebra der Differentialformen. In dieser Form geht die Theorie der alternierenden Differentialformen auf Élie Cartan zurück, der damit die bestehenden Begriffe der Flächentheorie vereinheitlichte. Antikommutative Produkte von Vektoren wie auch abstrakte Vektorräume überhaupt wurden erstmals 1844 von Hermann Graßmann[1] betrachtet.

Äußere Potenz

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Es sei ein Vektorraum über einem Körper . Weiter sei

(mit den Konventionen und ). Der Untervektorraum sei erzeugt durch Elementartensoren, bei denen zwei Faktoren gleich sind:

Die -te äußere Potenz ist dann definiert als der Quotientenraum

.

Äußere Algebra

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Die direkte Summe

ist ein zweiseitiges, homogenes Ideal in der Tensoralgebra

Die äußere Algebra ist die Faktoralgebra

Als Vektorraum aufgefasst ist dies isomorph zu

Für ist .

Das Produkt in der äußeren Algebra wird traditionell als geschrieben.

Analog kann man die äußere Algebra von Moduln über kommutativen Ringen definieren.

Alternierende Tensoren

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Neben der oben angeführten Definition der äußeren Algebra gibt es noch weitere äquivalente Möglichkeiten die äußere Algebra zu definieren. Beispielsweise kann man die Elemente der äußeren Algebra als alternierende Tensoren auffassen. Im Folgenden sei die Charakteristik des Körpers gleich 0.

Auf den homogenen Bestandteilen operiert jeweils die symmetrische Gruppe . Ein Tensor heißt alternierend, wenn

für alle Permutationen gilt ( ist das Signum der Permutation). Der Vektorraum der alternierenden Tensoren der Stufe sei .

Man kann jedem Tensor mit Hilfe der Antisymmetrisierungsabbildung (auch „Alternator“) auf kanonische Weise einen alternierenden Tensor zuordnen. Sie ist definiert durch

Sie ist eine Projektion auf . Dabei sorgt der Faktor dafür, dass sie die Identitätsabbildung auf ist, also alternierende Tensoren auf sich abbildet.

Mit dem Produkt

für und bilinearer Fortsetzung entsteht insgesamt im Raum der alternierenden Tensoren eine assoziative, antikommutativ-graduierte Algebra. Die kanonische Abbildung ist ein Algebrenisomorphismus.

In diesem Abschnitt wird auf die wesentlichen Eigenschaften der äußeren Algebra wie ihre Graduierung und die universelle Eigenschaft und auf ihr Produkt eingegangen. Vorausgesetzt wird dafür immer, dass ein -dimensionaler Vektorraum ist.

Äußeres Produkt

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Das Produkt der äußeren Algebra ist assoziativ. Außerdem ist es kommutativ-graduiert, das heißt, es gilt

für und . Insbesondere ist für alle , aber im Allgemeinen ist für mit gerade.

In der Terminologie der Supergeometrie verwendet man statt kommutativ-graduiert den äquivalenten Begriff superkommutativ und mit Hilfe des Superkommutators lässt sich die Bedingung der Superkommutativität ausdrücken als

für und .

Ist eine -Form und eine -Form, so lautet die explizite Formel für das äußere Produkt von und für beliebige endlichdimensionale Vektorräume (und für unendlichdimensionale Banachräume):

,

wobei die symmetrische Gruppe der Ordnung und das Vorzeichen der Permutation darstellen sollen.

Graduierung, Basis und Dimension

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Die äußere Algebra

ist eine graduierte Algebra. Das heißt, sie kann als direkte Summe von Untervektorräumen, welche durch eine abelsche Gruppe indiziert werden, dargestellt werden, sodass das Algebraprodukt mit dieser Zerlegung verträglich ist. Für die äußere Algebra folgt dies direkt aus deren Definition: für die Untervektorräume der äußeren Potenzen gilt .

Sei nun eine Basis des -dimensionalen Vektorraums . Dann ist

eine Basis von . Die Dimension ist . Insbesondere ist , falls .

Die Basis der äußeren Algebra erhält man dann durch Vereinigung der Basen aller Grade. Für die Dimension von gilt dann

wobei den Binomialkoeffizienten bezeichnet. Es folgt, dass sich jedes Element der Graßmann-Algebra darstellen lässt als

wobei die Koeffizienten das Element bezüglich einer Basis charakterisieren und mit ist.

Als Beispiel kann man den Vektorraum mit der kanonischen Basis wählen. Der 3. Grad der äußeren Algebra wird aufgespannt durch:

Durch Abzählen sieht man, dass ist.

Universelle Eigenschaft

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Ist ein Vektorraum (bzw. Modul) und eine assoziative Algebra, so gibt es eine Bijektion zwischen

  • den Homomorphismen von Vektorräumen (bzw. Moduln) , so dass für alle gilt

und

  • den Algebrenhomomorphismen .

Hat der Vektorraum ein Skalarprodukt, so kann auch die äußere Algebra mit einem solchen ausgestattet werden. Dabei werden Unterräume verschiedenen Grades als orthogonal definiert. Innerhalb eines Unterraums genügt es, das Skalarprodukt auf reinen Produkten zu definieren. Seien und reine Produkte in . Ihnen kann die Gramsche Matrix der Skalarprodukte zugeordnet werden. Dann kann das Skalarprodukt als Determinante der Gramschen Matrix definiert werden:

Ist der -dimensionale Spaltenvektorraum, so kann zu die Matrix definiert werden. Von dieser kann man die maximalen quadratischen Untermatrizen betrachten. Dabei ist ein Multiindex aus

und besteht aus genau diesen Zeilen von .

Es gilt folgende Identität nach dem Satz von Binet-Cauchy, im Falle und auch „Flächenpythagoras“ genannt:

Differentialformen

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Das Hauptanwendungsgebiet der äußeren Algebra liegt in der Differentialgeometrie. Sei eine -dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit. So wählt man den Kotangentialraum dieser Mannigfaltigkeit als zugrundeliegenden Vektorraum und bildet die äußere Algebra. Eine Differentialform ist ein Schnitt im Bündel dieser Vektorräume, also eine Abbildung, die jedem Punkt der Mannigfaltigkeit ein Element der äußeren Algebra über dem Kotangentialraum an diesem Punkt zuordnet. Diese Formen haben den großen Vorteil, dass man mit ihrer Hilfe kartenunabhängig auf einer Mannigfaltigkeit integrieren kann.

Sei (wie oben) ein Vektorraum und die äußere Algebra von . Weiterhin sei orientiert und mit einem Skalarprodukt versehen. Der Hodge-Operator oder Hodge-Stern-Operator ist ein natürlicher Isomorphismus . Der Hodge-Operator ordnet also jedem auf eindeutige Weise ein zu, das sog. „duale Element“ zu . Ist eine orientierte Basis von , so ist eindeutig durch die Formel

festgelegt. Zum Beispiel gilt, falls zusätzlich eine Orthonormalbasis ist,

für (wobei das leere Produkt, für oder , als 1 zu interpretieren ist). Der Hodge-Operator kann also als algebraische Verallgemeinerung des geometrischen Begriffs des orthogonalen Komplements von Unterräumen von aufgefasst werden.

Beziehung zum Kreuzprodukt und Spatprodukt (Hodge-Dualität von Vektoren) und Begriffen der Physik

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Sei die kanonische Basis des und seien zwei Elemente aus der äußeren Algebra (bzw. äußeren Potenz) des reellen Vektorraumes. Mit wird der Hodge-Operator bezüglich des Standard- (euklidischen) Skalarprodukts und der Standardorientierung bezeichnet. Für das äußere Produkt von und gilt mithilfe des Distributivgesetzes

Der Hodge-Operator ordnet im dreidimensionalen Raum dem Produkt der Basisvektoren den Vektor zu. Durch zyklisches Vertauschen der Indizes ergeben sich die Zuordnungen der anderen Basisvektoren. Damit ergibt sich das Kreuzprodukt im dreidimensionalen reellen Raum. Also kann man auf der äußeren Algebra als Verallgemeinerung des Kreuzproduktes verstehen. Mit Hilfe dieser Verallgemeinerung lässt sich ebenfalls der aus der Vektoranalysis bekannte Differentialoperator Rotation auf den -dimensionalen Fall verallgemeinern.

Das Spatprodukt dreier Vektoren im lässt sich entsprechend als Element der dritten äußeren Potenz auffassen. Man beachte, dass der Hodge-Stern-Operator nur bezüglich eines Skalarprodukts und einer Orientierung definiert ist. Das äußere Produkt dagegen lässt sich unabhängig von einer solchen Wahl definieren.

Der klassischen Physik entstammende Größen, die in der Physik Pseudovektoren genannt werden, wie zum Beispiel eine magnetische Feldstärke oder ein Drehimpuls, lassen sich als Elemente von auffassen. Mit einem Pseudoskalar ist in vielen Fällen eine Größe gemeint, die sich als Element von verstehen lässt.

Beziehung zur Determinanten-Theorie; Ausdehnungsmaß von m-Vektoren

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Noch einfacher ist der mit dem Hodge-Operator einhergehende Begriff der Dualität bei Skalaren: Diese sind dual zur Determinante einer -Matrix.[2] Im Einzelnen:

Es sollen die gleichen Voraussetzungen wie im vorigen Abschnitt gelten; nur sei jetzt zugelassen, und es sei Wenn nunmehr, für ein -Bein der Form gegeben ist (also eine Summe von elementaren -Beinen[3]), dann ergibt wie oben das antisymmetrisierte[4] Produkt , bis auf ein alternierendes Vorzeichen, das von der jeweiligen Orientierung abhängt („Rechtshändigkeit“ versus „Linkshändigkeit“), das Hyperflächenmaß des -Beins dual zur jeweiligen „Basisrichtung“, also dessen -dimensionales „Volumen“ im bzw. Zugleich stellt dieser Ausdruck eine Unterdeterminante einer Matrix mit Spalten und Zeilen dar. Man erhält so auf elementare Weise, nämlich wegen der Multilinearität und Multi-Assoziativität des angegebenen Ausdrucks, die bekannten Determinanten-Entwicklungsätze. Insbesondere ist das so erzeugte Volumenmaß (=Grundflächenmaß mal Höhe) des jeweiligen Parallel-Epipeds invariant gegen Verschiebungen parallel zur Grundfläche[5], weil Determinanten von linear abhängigen Vektoren verschwinden.[6]

Beziehung zur Clifford-Algebra

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Sei eine symmetrische Bilinearform auf .

Nun sei die zweistellige, bilineare Verknüpfung

definiert durch

für . Die Hüte über den Faktoren bedeuten hier deren Auslassung im Produkt. Durch Einführen dieser neuen Verknüpfung als Multiplikation erhält man die Clifford-Algebra . Insbesondere erhält man mit der Nullbilinearform wieder die Graßmann-Algebra: , da der Zusatzterm in der obigen Gleichung wegfällt und somit gilt.

Für einfache meint obige Definition die elementare Beziehung

,

wonach das „geometrische“[7] Produkt zweier Vektoren in einen antisymmetrischen Keilprodukt- und einen symmetrischen Skalarproduktanteil zerlegt werden kann. Die Summe ist hier in der Graßmannalgebra definiert, wobei das Vorzeichen eine Frage der Konvention ist.

Einzelnachweise

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  1. Hermann Grassmann: Die lineale Ausdehnungslehre. Otto Wiegand, Leipzig 1878 (archive.org).
  2. In der Physik wird in diesem Zusammenhang von pseudoskalaren Größen gesprochen.
  3. und ergeben also duale -Beine.
  4. In der Antisymmetrisierung der angegebenen Produkte liegt keine Beschränkung der Allgemeinheit, weil Zusatzterme sich automatisch zu Null aufsummieren würden.
  5. Das sind sog. „Scherungen“, z. B. Transformationen mit
  6. Präzise gilt für das Ausdehnungsmaß des -Beins  : . Das ist erneut ein „verallgemeinerter Satz von Pythagoras.“
  7. D. Hestenes: A Unified Language for Mathematics and Physics. In: J.S.R. Chisholm/A.K. Common (eds.): Clifford Algebras and their Applications in Mathematical Physics (Reidel: Dordrecht/Boston, 1986), S. 1–23.