Seldschuken

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Reiche der Groß-, Rum- und Kerman-Seldschuken. Die hellere Färbung zeigt das Reich der Karachaniden. Die Jahreszahlen zeigen die Schlachten von Dandanqan (1040) und Manzikert (1071)

Die Seldschuken, auch seldschukische Türken,[1] Seldschuk-Türken oder Seldschuqen (türkisch Selçuklular, persisch سلجوقيان Saldschughiyan, DMG Salǧūqiyān, arabisch سلجوق Saldschuq, DMG Salǧūq, pl. السلاجقة as-Saladschiqa, DMG as-Salāǧiqa) waren eine von 1040 bis 1194 herrschende Fürstendynastie oghusischen Ursprungs[2][3], die das turko-persische[4][5][6][7][8] Reich der Großseldschuken[2] begründete, das sich über Mittelasien, Iran, den Irak, Syrien, Anatolien und Teile der Arabischen Halbinsel erstreckte[9] und seine Blütezeit etwa zwischen 1047 und 1157 hatte.

Einige Seldschuken-Fürsten beherrschten das gesamte Großseldschukenreich, andere Teilgebiete wie Kerman und Syrien (bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts) oder Anatolien (Sultanat von Rum bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts).[10]

Seldschukischer Doppeladler als Emblem der Dynastie

Die Seldschuken waren sunnitische Muslime[2] und leiteten mit ihrem Sieg in der Schlacht von Manzikert im Jahr 1071 die Landnahme Anatoliens durch Turkvölker ein.[11][12]

Die Seldschuken waren ein Zweig des im 8. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten türkischen Stammesverbands der Oghusen[1], jener Nomaden, die noch im 10. Jahrhundert größtenteils in der heutigen Kasachensteppe umherzogen. Namensgeber der Dynastie war Seldschuk (um 1000), Khan des oghusischen Stammes der Kınık.[2][13] Gegen Ende des 10. Jahrhunderts trat Seldschuk mit seinen Leuten zum Islam über.[2] Er hatte vier Söhne, Mîkâ'îl, Isrâ'îl (oder Arslan[14]), Mûsâ, und Yûnus. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Karachaniden und den persischen Samaniden spielten die Oghusen eine bedeutende Rolle, was zu politischen Spannungen unter den oghusischen Stämmen führte. Die zu Seldschuk gehörenden Nomaden und seine Krieger lösten sich aus dem Stammesverband der Oghusen und wanderten weiter. 1025 nahm Mahmud von Ghazni Seldschuks Sohn Arslan gefangen und nahm ihn als Geisel; dieser überlebte die Gefangenschaft nicht.

Unter den Söhnen Mîka'îls, Tughrul Beg (der Falke) und Tschaghri Beg brachten die Seldschuken 1034 Chorâsân unter ihre Herrschaft und verdrängten 1040 mit der siegreichen Schlacht von Dandanqan die Ghaznawiden.[15] 1055 zog Tughrul in Bagdad ein und beendete die über hundertjährige Schutzherrschaft der Bujiden. Damit wurden die Seldschuken die neue Schutzmacht über das Abbasiden-Kalifat in Bagdad. Unter Tughrul Beg unterwarfen die Seldschuken große Teile Persiens und 1055 den Irak. Vom Kalifen in Bagdad erhielt er den Titel eines Sultans verliehen.[1] Tughrul verlegte die Hauptstadt des seldschukischen Reiches nach Rey in der Nähe des heutigen Teheran.

Die Gründung des Reiches der Großseldschuken und die türkische Dominanz in der islamischen Welt markieren einen Wendepunkt in der Geschichte der islamischen Zivilisation und der muslimischen Völker. Zu einem Zeitpunkt, als die Welt des Islams an inneren und äußeren Krisen litt, stellten die Seldschuken die politische Einheit der islamischen Welt wieder her.[16]

Charaghan-Türme, Grabstätten seldschukischer Prinzen, Iran, errichtet 1053

Alp Arslan (1063–1072) führte das Reich der Großseldschuken zum Höhepunkt seiner Macht. 1071 besiegte er in der Schlacht von Manzikert das Byzantinische Reich und leitete damit die türkische Besiedlung Anatoliens ein.[12][17] Zwischen 1071 (Schlacht von Manzikert) und 1243 (Schlacht vom Köse Dağ) wanderten wellenweise verschiedene Turkvölker nach Anatolien ein. Ihre Zahl lässt sich nicht genau bestimmen.[18] Es wird von einigen Hunderttausend ausgegangen.[19] Sie bildeten nicht die ethnische Mehrheit in Anatolien, waren aber die einzige Gruppe, die sich über das gesamte Gebiet verteilt hatte.[20][21] Die Landnahme Anatoliens durch die Seldschuken ab dem 11. Jahrhundert bildete den Gipfel der massiven Wanderungen der türkischen Völker, die ab dem 8. Jahrhundert erfolgten.[22] Anatolien wurde in europäischen Quellen (erstmals in lateinischen) ab dem 12. Jahrhundert zur „Türkei“ (bzw. „Turchia“).[23] Unter Alp Arslan, seinem Nachfolger Malik Şâh (1072–1092) und dem persischen Wesir Nezâm al-Molk erreichte das Sultanat seinen politischen und kulturellen Höhepunkt.

Seldschukische Büste, 12./13. Jahrhundert, Fundort Iran, New York Metropolitan Museum of Art[24]

Mit der Ermordung des Wesirs Nezâm al-Molk durch die Assassinen und dem Tod von Sultan Malik-Schah (1092) brachen bald Thronkämpfe innerhalb der Seldschuken aus. Diese führten 1118 zur Teilung des Reiches in Khorasan/Transoxanien und die beiden Irak (auf dem Gebiet des westlichen Iran und des Irak gelegen). Im 11. Jahrhundert entstand in Anatolien – mit der Hauptstadt Konya – das Sultanat der anatolischen Seldschuken.[25]

Unter dem in Khorasan regierenden Sultan Sandschar (1118–1157), Sohn Malik-Schahs II., hatte die Seldschukenherrschaft eine letzte Blüte. Allerdings erlitt er 1141 bei Samarkand eine Niederlage gegen die Kara Kitai, wurde wenig später gestürzt und versuchte bis zu seinem Tod vergeblich, das Seldschukenreich wieder aufzurichten. Die Choresm-Schahs traten mit Söldnern der Kyptschaken und Oghusen sein Erbe an, eroberten bis Ende des 12. Jahrhunderts Mittelasien und den Iran. 1194 beseitigten sie den letzten Seldschukenherrscher von Rey. In Anatolien gerieten die Rum-Seldschuken nach 1243 unter die Herrschaft der Ilchane; ihr Sultanat von Konya löste sich bis 1307 auf. Die aufstrebenden Osmanen traten zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Erbe der Seldschuken in Anatolien an.

Abstufung der Macht:

  • Sultān (selbständige Herrscher unter der Autorität des Kalifen)
  • Wazīr
  • Amīr (Heerführer)
  • einheimische Adelige

Die seldschukischen Türken, die aus Zentralasien kamen, wussten das Beste aus den bereits existierenden Verwaltungsstrukturen zu machen. Die Etablierung des Seldschukenreichs brachte unter anderem die Entthronung der arabischen Sprache als alleinige Lingua franca im Nahen Osten mit sich, da die Seldschuken, die kein eigenes hochentwickeltes türkisches Kultur- oder Literaturerbe mitbrachten,[26] das Kultur- und Literaturerbe Persiens übernahmen, so dass die persische Sprache zu ihrer Verwaltungs- und Kultursprache wurde. Dadurch trugen sie erheblich zur Verbreitung der persischen Sprache und Kultur in der Region bei. Die persische Kultur der Rum-Seldschuken in Anatolien gilt als besonders prächtig.

Erst seit dem Zerfall der seldschukischen Zentralmacht im 14. Jahrhundert entwickelte sich die türkische Sprache schrittweise als parallele Sprache in Regierungskreisen und in der Literatur.[27] Die persische Prägung der osmanischen Zivilisation sollte noch bis ins 19. Jahrhundert stark bleiben.[28]

Die Politik der Seldschuken wurde maßgeblich durch zwei Faktoren bestimmt:

  1. die Wünsche und Bedürfnisse des Sultāns und die seiner Berater und Administratoren auf der einen Seite,
  2. die Bedürfnisse der turkmenischen Nomaden, die weiterhin einen wichtigen Teil der seldschukischen Streitmacht stellten, auf der anderen Seite.

Die mühevolle Balance zwischen persisch-islamischen und türkisch-nomadischen Elementen konnte Konflikte nicht verhindern. Vor allem im Osten der persischen Welt, und ganz besonders in Transoxanien, gab es nach dem Zusammenbruch der Samaniden und Ghaznawiden, zumindest anfänglich, eine deutliche Dezentralisation der Macht und einen Rückfall in Richtung feudaler Strukturen.[29] Die Seldschuken herrschten über ein Reich ohne feste Grenzen, und so konnte es auch vorkommen, dass bestimmte Gebiete in bestimmten Zeiten an die einheimischen Stämme zurückgegeben oder verkauft wurden. In der Regel durften in den Peripherien des Reiches die lokalen Fürsten und Prinzen als feudale Herren weiterherrschen. Sie waren dem seldschukischen Sultan aber tributpflichtig.

Die Seldschuken pflegten vor allem in der Frühzeit die nomadischen Traditionen ihrer oghusischen Vorfahren, die sie aber nach der Bekehrung zum Islam größtenteils aufgaben.[30] Obwohl sich die türkischen Seldschuken als aufstrebende Großmacht im Laufe der Zeit aufgrund der Etabliertheit der persischen Schriftsprache in der islamischen Welt zunehmend iranisierten, konnten sich dennoch, insbesondere unter der nomadisch lebenden Bevölkerung außerhalb der Städte,[27] türkische Traditionen und Mundarten aufgrund ihrer oghusischen (türkischen) Vergangenheit lange erhalten.[31] Hofsprache der Seldschuken war nach Dynastiegründung das Persische, das sie schon zu Beginn angenommen hatten.[32]

Die persische Literatur und Dichtkunst wurde von den Herrschern der Seldschuken großzügig gefördert.[32]

Die Seldschuken übernahmen kulturelle Normen und höfische Etikette aus dem turko-persischen Reich der Ghaznavidensultane, sie wurden aber auch von historischen und sozialen Faktoren beeinflusst, insbesondere vom Ismailismus und Sufismus sowie dem Wachstum vieler städtischer Zentren. Politischen Entscheidungen, einschließlich der Dezentralisierung der Macht, führten zu einer erheblichen Diversifizierung der literarischen Werke dieser Periode.

Die Literatur aus der Zeit der seldschukischen Blüte, also dem 11. und 12. Jahrhundert, offenbart zwar einige gemeinsame Merkmale, unter anderem aufgrund des häufigen Wanderns von Dichtern von einer Provinz in die Nächste, auf der Suche nach neuen Gönnern. Sie wurde jedoch durch sehr vielfältige Erfahrungen (der Schriftsteller) bereichert, die für die Entwicklung des Stils sowohl in der Prosa als auch in der Poesie entscheidend waren. Ein aristokratisches Umfeld wie das des 11. und 12. Jahrhunderts implizierte aber eine Art von Literatur, die durch feste Genres und einen Code von Formen und Themen gekennzeichnet ist. Trotzdem war die Seldschukenzeit durch erheblicher Bereicherung des Repertoires an Inhalten, insbesondere in der Poesie geprägt, und es gab eine klare Entwicklung in den literarischen Gattungen und kanonischen Formen des Schreibens.[33]

Die alt-arabische Qasida wurde, trotz der kritischen Haltung der Autoren gegenüber dieser Form des poetischen Ausdrucks, weit verbreitet. Infolgedessen befreite sich die Qasida teilweise von ihrer starren Fest- und Lobgedichtsform, der Panegyrikstruktur, und passte sich verschiedenen Themen an. Sie wurde zu einem Instrument der Bitte und Predigt mit moralisierenden Inhalten, scharfen Angriffen und philosophischen Reflexionen. Das 12. Jahrhundert sah also ein weiteres Aufblühen der Panegyrik, auch wenn es zugleich den Beginn ihres Niedergangs einläutete. Diese Lobgedichte behandeln nun auch neue Themen und verwenden ein immer reichhaltigeres und vielfältigeres Vokabular, das auf Erkenntnissen aus Bereichen der Wissenschaften basierte, die zuvor kaum etwas mit Poesie zu tun hatten (Medizin oder Astronomie). Besonders herausragende Poeten wie Chaqani und Anvari († 1187) leiteten dieses Novum der Verbindung zwischen poetischer Erfahrung und wissenschaftlichen Gelehrsamkeiten ein.[34] Anvari wurde besonders durch Sultan Sandschar gefördert.

Eine weitere Besonderheit der Poesie aus der Seldschukenzeit war die Veränderung der Struktur des Diwans. Immer mehr Ghaselen (aus Arabien stammende Gedichtform, bei der die geraden Zeilen den Reim des ersten Verspaars aufnehmen, während die ungeraden Zeilen reimlos bleiben)[35] mit amouröser und mystischer Inspiration begannen in den Divans nahezu aller Dichter zu erscheinen. Tatsächlich datiert die endgültige Form der Ghasele aus dieser Zeit. Sie begann, sich als die geeignetste poetische Form zur Interpretation und Ausdruck der Lyrik und mystischen Aspirationen der Zeit zu etablieren.[36]

Die Wichtigste Rolle hatte der Sufismus inne, dessen endgültige Form sich im Verlauf dieser zwei seldschukischen Jahrhunderte der Blütezeit herausbildeten und den größten und längsten Einfluss auf die persischen Dichtkunst hatten. Indem sie der logischen Strenge der Darlegung entkam, bot sich die mystische Inspiration perfekt für die Poesie an: Ein System von Symbolen und Metaphern war bereits in den Vierzeilern von Abū Saʿīd-i Abū l-Chair († 1049) vorhanden und würde von den Mystikern der Seldschukenperiode weiterverwendet und bereichert. Beispiellos in der Sufi-Poesie ist das Moḵtār-nāma von Fariduddin Attar, eine Sammlung von über zweitausend Vierzeilern, unterteilt in fünfzig Kapiteln, der die mystische Sprache der Lyrik endgültig kodifizierte und ein Repertoire von Metaphern, Symbolen und Anekdoten formulierte, welches zum Bezugspunkt für Dichter in den folgenden Jahrhunderten wurde.[36][37]

Neben den Werken der Poesie und der Lyrik erschien das erste Wörterbuch der persischen Sprache während der frühen Seldschukenzeit. Das Loḡat-e Fors von Asadi Tursi soll maßgeblich für die Verbreitung persischer Begriffe und Wörter in den peripheren Provinzen der Reiches verantwortlich sein.[38][39]

Goldenes Schmuckstück, 11. Jahrhundert, Iran[40]

Die Bedeutung der seldschukischen Kunst im größeren Kontext der islamischen Kunst liegt vor allem darin, dass sie die dominierende Rolle Persiens etablierte, die vergleichbar ist mit der Rolle Italiens in der europäischen Kunst, und damit auch die Entwicklung der persischen Kunst späterer Jahrhunderte prägte.[41]

Darstellungen von weltlichen, mythologischen oder hybriden Tieren auf Objekten war besonders beliebt. Die Seldschukisch-Persische Kunst dieser Zeit machte oft von Tierkampfmotiven gebrauch. Harpyien (geflügelte Geschöpfe mit dem Gesicht eines Menschen) und Sphinxe (Kreatur mit dem Körper eines Löwen, dem Gesicht eines Menschen und Flügeln) erscheinen häufig. Aus diesem Kontext wurde etwa der doppelköpfige Adler zum Sinnbild für Seldschukische Staaten. Des Weiteren fanden höfische Szenen und astronomische Konstellationen eine weite Verwendung.[42][43] Dekorationen auf Holz, Metallen oder etwa Marmor gehen dem Versuch ein, so viel Fläche wie möglich einzunehmen, meist im arabesken Stil. Auch ineinander verkeilte Sternenmotive und Inschriften sind nicht unüblich. Beispiele der seldschukischen Holzkunst sind kaum erhalten. Metallkunst aus der Sedlschukenzeit ist vor allem in den östlichen Provinzen vertreten, während Einlegearbeiten auf Silber und Gold im 12. Jahrhundert populär wurden und sich über Persien nach Syrien verbreiteten.[44]

Mina´i-Schale, thronende Figur, 12./13. Jahrhundert, Iran

Besonders berühmt ist die Fliesen-,Keramik- und Schalenproduktion. Die Keramik aus der Seldschukenzeit zeichnet sich durch die damaligen Fortschritte in Technik, Entwürfen und Gestaltung aus. Bis zum frühen 12. Jahrhundert dominieren jedoch einfache Tongefäße, gelegentlich mit Glasurdekoration. Später gab es bedeutende Veränderungen der Formen sowie der Glasur und der bemalten Dekoration. Fliesen wurden nun häufig als Wanddekoration verwendet. Ab dem späten 12. Jahrhundert wurde Kāšān ein bekanntes Produktionszentrum und gab somit den glasierten Fliesen (kāši) ihren Stilnamen.[44]

Noch luxuriöser als diese erwähnten Lüsterwaren, ist die sogenannte Mināʾi-Keramik, mit mehrfarbigen bemalten oder vergoldeten Verzierungen auf cremeweißem, hellblauem oder grün glasiertem Untergrund. Figürliche Darstellungen dominieren. Die Figuren sind normalerweise klein gehalten, sodass narrative Inhalte (aus historischen oder epischen Erzählungen wie dem Schahname) dargestellt werden können.[45]

Szenen aus Bijan und Manijeh,Schahnameh von Ferdausi, im Freer Gallery, Washington D.C.

Die Anfänge der Miniaturmalerei im frühen 13. Jahrhundert lässt sich durch das berühmte Exemplar Warqa und Gulschah erkennen.[46] Szenen mit mehreren Figuren sind häufig in einem horizontalen Streifen und einer flachen Ebene angeordnet. Was den figürlichen Stil und die räumliche Organisation angeht, so zeigen die Illustrationen einige Ähnlichkeiten zu den Illustrationen auf die Mināʾi-Keramik. Ein Beispiel wäre der in der Freer Gallery ausgestellte Glockenbecher (s.Bild).

Nach dem Niedergang des Abbasidenreichs im frühen zehnten Jahrhundert erlebte der Iran eine Renaissance präislamischer, sassanidischer und sogar sogdischer Abbildungen des Königtums. Dieser Styl sollte ein wohlwollendes Licht auf die neue Dynastien iranischen und eben auch turkomanischen Ursprungs werfen, die als Wiederbeleber vergangener ruhmreicher Zeiten inszeniert wurden.[47] Die seldschukischen Herrscher sind jedoch nicht dafür bekannt, zu ihrer Zeit in irgendeinem Medium dargestellt worden zu sein. Ihre Herrschaft wurde hauptsächlich über ihre Namen und Titel ausgedrückt und gepriesen, die auf Münzen geprägt oder in den von ihnen oder ihren Vassalen in Auftrag gegebenen Gebäuden eingraviert waren. Um die Autorität der Herrscher zu symbolisieren, wurden im elften Jahrhundert Darstellungen der Ehrengarden mit Waffen und im folgenden Jahrhundert ihrer Emire oder Wesire verwendet. Darüber hinaus stellten Darstellungen von Hofbeamten, einschließlich Musiker und Tänzer, den Luxus am Hof des Herrschers hervor.[48] Solche Darstellungen sind typisch für Stuck-Figuren, die in den kaum erhaltenden Palästen der Seldschuken aufgestellt worden sind.

Toghrul-Turm: Im Andenken und als Grabstätte Toghrul Begs, dem Begründer des Reiches, im 12. Jahrhundert südlich des heutigen Teheran errichtet

Die noch bestehenden Gebäude aus der Seldschukenzeit werden von Moscheen, Minaretten und Mausoleen dominiert. Säkulare Architektur wird hauptsächlich durch Karawansereien und seltener auch durch Paläste repräsentiert. In großen Zentren wie Bagdad, Ray, Merw und Nischapur wurden viele Strukturen in den späten Seldschuk- und frühen Mongolenzeiten weitgehend zerstört. Verschiedene Gebäudeklassen unterlagen tiefgreifenden Veränderungen, und neue Klassen entstanden. Die Moschee erhielt ihre „kanonische“ Form, die für mehrere Jahrhunderte in Gebrauch blieb. Minarette und Mausoleen wurden vermehrt als Zeichen religiöser Hingabe erbaut. Die angewendeten Techniken und Gestaltungsprinzipien blieben größtenteils im Rahmen regionaler Traditionen und Materialien. Gebrannter Ziegel wurde meist für herausragende und strukturell wichtige Teile der Gebäude verwendet, während Lehmziegel auf einfache Wände beschränkt blieben. Stein wurde nur an wenigen Orten verwendet.

Die persische Vorstellung eines Gebäudes als Zusammensetzung einer Masse, und nicht von verschiedenen strukturellen Elementen, ist in seldschukischer Architektur zu erkennen. Dennoch ist diese „Masse“ einigermaßen skulpturel gestaltet, wie beispielsweise an der Fassade des Gonbad-e ʿAlaviyān in Hamadan. Insgesamt blieb die Silhouette der Gebäude eher kompakt.[49]

  • Claude Cahen: La Campagne de Mantzikert d'apres les sources musulmanes. In: Byzantion 9, 1934, ISSN 0378-2506, S. 613–642.
  • Claude Cahen: Le Malik-Nameh et l'histoire des origines Seldjukides. In: Oriens 2, 1949, ISSN 0078-6527, S. 31–65.
  • Claude Cahen: Pre-Ottoman Turkey. Übersetzt von J. Jones-Williams. Taplinger, New York NY 1968.
  • Claude Cahen: The Turkish Invasion: The Selchükids. In: Kenneth M. Setton (Hrsg.): A History of the Crusades. Band 1. University of Wisconsin Press u. a., Madison WI 1969, S. 135–176 (online).
  • Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. Oxford University Press, Oxford 2005, ISBN 0-19-517726-6, Kapitel 2 „Islam and Empire from the Seljuks through the Mongols“, S. 56–92.
  • Gillies E. Tetley: The Ghaznavid and Seljuk Turks. Poetry as a Source for Iranian History. Routledge, New York 2009, ISBN 978-0-415-43119-4.
  • Osman Turan: Anatolia in the Period of the Seljuks and the Beyliks. In: Peter Malcolm Holt, Ann Katharine Swynford Lambton, Bernard Lewis: The Cambridge History of Islam. Band 1, A: The central Islamic lands from pre-Islamic times to the first World War. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1977, ISBN 0-521-29135-6, S. 231–262.
  • Martin Strohmeier: Seldschukische Geschichte und türkische Geschichtswissenschaft. Die Seldschuken im Urteil moderner türkischer Historiker. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 1984, ISBN 3-922968-97-X.
Commons: Seldschuken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Seldschuke – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b c Tamara Talbot Rice: Die Seldschuken. Köln 1963, S. 10
  2. a b c d e Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1985, S. 14
  3. Joo-Yup Lee: The Turkic Peoples in World History. Taylor & Francis, 2023, ISBN 978-1-00-090421-5 (google.com [abgerufen am 16. April 2024]).
  4. M.A. al-Bakhit, L. Bazin, S.M. Cissoko; co-edited by M.S. Asimov: History of Humanity: From the Seventh to the Sixteenth Century. Band 4, 1994, ISBN 978-92-3102813-7, S. 734–735.
  5. Michael Mandelbaum: Central Asia and the World: Kazakhstan, Uzbekistan, Tajikistan, Kyrgyzstan, and Turkmenistan. Council on Foreign Relations, 1994, ISBN 978-0-87609-167-8 (google.fr [abgerufen am 16. April 2024]).
  6. Mohammad Ali Amir-Moezzi: ŠAHRBĀNU. In: Encyclopædia Iranica. 20. Juli 2005, abgerufen am 16. April 2024 (englisch): „(..) non-Persian dynasties such as the Ghaznavids, Saljuqs and Ilkhanids were rapidly to adopt the Persian language and have their origins traced back to the ancient kings of Persia rather than to Turkish heroes or Muslim saints (Levy, pp. 66 ff.; Spuler, pp. 176-77).“
  7. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „The Persian language also began to take root as a vehicle for literature.“
  8. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „The Saljuqs (...) adopted Persian as the official language of the administration and of much of the court correspondence. The most important and immediate effect of these decisions was the very widespread diffusion of Persian as a literary language alongside Arabic. The Saljuqs, who had nocomparable cultural and literary heritage of their own in Turkish to counter Persian,accepted and cultivated the prestigious literary tradition provided by Persian language and culture. By so doing, they played a significant role in the diffusion of the Persian literary language (...)“
  9. Tamara Talbot Rice: Die Seldschuken. Köln 1963, S. 22
  10. Encyclopaedia of Islam, digitale Edition, Artikel Saldjukids – Einleitung
  11. Steinbach (1996), S. 22
  12. a b Matuz (1985), S. 16
  13. Gronke (2003), S. 41
  14. Johann August Vullers: Mirchond's Geschichte der Seldschuken. Heyer, 1837, S. 6 f.
  15. Tamara Talbot Rice: Die Seldschuken. Köln 1963, S. 12
  16. Peter Malcolm Holt, Ann Katharine Swynford Lambton, Bernard Lewis: The Cambridge History of Islam. Vol 1A, 1977, S. 231 [1]
  17. Peter Malcolm Holt, Ann Katharine Swynford Lambton, Bernard Lewis: The Cambridge History of Islam. Vol 1A, 1977, Turkish Migration and First Raids on Anatolia und The Settlement of the Turks in Anatolia, S. 231f. [2]
  18. Alexander Beihammer: Patterns of Turkish Migration and Expansion in Byzantine Asia Minor in the 11th and 12th Centuries. In: Johannes Preiser-Kapeller, Lucian Reinfandt, Yannis Stouraitis (Hrsg.): Migration Histories of the Medieval Afroeurasian Transition Zone: Aspects of mobility between Africa, Asia and Europe, 300-1500 C.E. BRILL, 2020, ISBN 978-90-04-38249-7, S. 166–192, doi:10.1163/9789004425613_007 (brill.com [abgerufen am 16. April 2024]): „Reliable Information regarding the size of these groups is extremely scarce.“
  19. Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann: : Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart, S. 52.
  20. Carter V. Findley: Dünya Tarihinde Türkler. türk. Übersetzung von The Turks in World History, 2006, S. 91
  21. Peter B. Golden: An Introduction to the History of the Turkic Peoples. Ethnogenesis and State-Formation in Medieval and Early Modern Eurasia and the Middle East. 1992, S. 224–225
  22. Harald Haarmann: Weltgeschichte der Sprachen. München 2006, S. 271
  23. Carter V. Findley: Dünya Tarihinde Türkler. türk. Übersetzung von The Turks in World History, S. 72
  24. Head from a Figure with a Beaded Headdress. Abgerufen am 16. April 2024 (englisch).
  25. Kreiser (2003), S. 44.
  26. So war die türkische Sprache damals noch nicht verschriftlicht. – Vgl. Thorsten Roelcke: Variationstypologie. Ein sprachtypologisches Handbuch der europäischen Sprachen in Geschichte und Gegenwart. Walter de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-016083-8, S. 919
  27. a b Thorsten Roelcke: Variationstypologie. Ein sprachtypologisches Handbuch der europäischen Sprachen in Geschichte und Gegenwart. Walter de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-016083-8, S. 919
  28. Encyclopaedia of Islam, digitale Edition, Artikel Saldjukids, Abschnitt The historical significance of the Saldjuks
  29. C.E. Bosworth: Barbarian Incursions. The Coming of the Turks into the Islamic World. In: D.S. Richards: Islamic Civilization. Oxford 1973, S. 10 ff.
  30. Tamara Talbot Rice: Die Seldschuken. Köln 1963, S. 92
  31. Cahen (1968), S. 292
  32. a b Gronke (2003), S. 46
  33. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „An aristocratic feudal environment such as that of the 11th and 12th centuries implies a type of literature characterized by fixed genres and by a code of forms and themes; despite this the Saljuqid period was one of considerable enrichment of the repertory of contents and images, especially in poetry, and there was a clear evolution in the literary genres and canonical forms of writing.“
  34. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „(..) these panegyric odes nevertheless also deal with new themes using an increasingly rich and varied lexicon that draws on original images from sectors of learning that had formerly been extraneous to poetry (medicine, astronomy and religious sciences). It would be the recognized qasida masters, Anwari (Šafiʿi Kadkani, 1995) and Ḵāqāni (Beelaert, 2000), who would be the first to abandon the old paths and magisterially combine poetic experience with learning (...)“
  35. Duden | Ghasel | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 16. April 2024.
  36. a b Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  37. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  38. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „This lexicon, composed to define the unfamiliar phrases found in Darī poetry for the people of Arrān and Azerbaijan, is the oldest extant Persian dictionary based on examples from poetry.“
  39. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch): „(...) the first monolingual dictionary of Persian, the Loḡat-e Fors by Asadi Ṭusi, the compilation of which is traditionally justified by the diffusion of Persian literary language (...)“
  40. Roundel. Abgerufen am 17. April 2024 (englisch).
  41. Encyclopaedia of Islam, New Edition; Brill, Leiden; CD-Version; Artikel "Saldjūkids"
  42. Bedeutende Ausstellung im Metropolitan Museum zur Kunst, Wissenschaft und Kultur der einflussreichen, mittelalterlichen islamischen Dynastie der Seldschuken - The Metropolitan Museum of Art. Abgerufen am 17. April 2024.
  43. Encyclopaedia Iranica: SALJUQS vi. ART AND ARCHITECTURE. Abgerufen am 17. April 2024 (amerikanisches Englisch): „Courtly scenes, astrological figures, animals, and fabulous beasts dominate.“
  44. a b Encyclopaedia Iranica Foundation: SALJUQS VI. Art and Architecture. Abgerufen am 17. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  45. Dana Norris and Oliver Watson: Illuminating the Imperceptible, Researching Mina’i Ceramics with Digital Imaging Techniques. Abgerufen am 17. April 2024.
  46. Mélikian-Chirvani, Le Roman de Varqe et Golsah, 1970 Volume 22 des Arts asiatiques; aussi: Volume 2 des Matériaux pour servir à l'histoire de la peinture iranienne
  47. Stefan Heidemann: Standing Figure with Feathered Headdress. In: THE LARGE AUDIENCE: LIFE-SIZED STUCCO FIGURES OF ROYAL PRINCES FROM THE SELJUQ PERIOD. Abgerufen am 18. April 2024 (englisch, Gesamtwerk abrufbar unter : https://www.jstor.org/stable/44657297 Im Buch: S. 35–71): „After the decline of the Abbasid Empire in the early tenth century, Iran saw a revival of pre-Islamic, Sasanian, and even Soghdian forms and images of royalty. These images were intended to shed a favorable light on new dynasties of Iranian and Turkish origin as revivers of past glory. Images of winged crowns, such as the one seen on this figure, are markers for this revival style.“
  48. Martina Rugiadi: Court and cosmos: the great age of the Seljuqs [exhibition, Metropolitan Museum of Art, New York, April 27-July 24, 2016]. Metropolitan Museum of Art, New York 2016, ISBN 978-1-58839-589-4: „These sovereigns are not known to have been portrayed in their time, in any medium (though they appear in later paintings illustrating their history)“
  49. Encyclopaedia Iranica Foundation: Welcome to Encyclopaedia Iranica. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch).