Höhlen von Arcy-sur-Cure

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„Salle de la Boucherie“ der Höhlen von Arcy-sur-Cure

Die Höhlen von Arcy-sur-Cure liegen zwischen Auxerre und Avallon, bei Arcy-sur-Cure am Ufer der Cure im Département Yonne in Frankreich.

Zwischen 1947 und 1963 wurden in dem verzweigten Höhlensystem, das aus mehreren gesondert zugänglichen Grotten besteht, Steinwerkzeuge, Artefakte und frühmenschliche Fossilien, aber auch Höhlenmalereien aus der Steinzeit entdeckt.[1]

Lage der Höhlen von Arcy-sur-Cure mit der „Grande Grotte“ und der „Grotte du Renne“

Im Blick der Wissenschaft befindet sich dabei eine der zahlreichen Grotten, die „Grotte du Renne“. Aufgrund von bearbeiteten Objekten und menschlichen Hinterlassenschaften in gleichen Fundlagen gibt es hier Anzeichen für das Zusammentreffen von Neandertalern und modernen Menschen.[2] Durch Menschen benutzt wurden die Höhlen seit etwa 200.000 Jahren (Kulturstufe des Jung-Acheuléen und des Moustérien), zunächst von den Neandertalern, zuletzt seit etwa vor 40.000 Jahren auch von aus dem Osten nach Europa eingewanderten Cro-Magnon-Menschen (vom Typ Homo sapiens). Einblick in die Kultur dieser Menschen gewähren „Wandgemälde“, die – neben den Funden in der Grotte von Chauvet im Departement Ardeche – zur ältesten in Europa jemals entdeckten Höhlenkunst zählen.[3][4]

Die Höhlen werden seit 1992 vom französischen Kulturministerium als monument historique (‚historisches Monument‘) geführt.

Châtelperronien

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Die Besiedelung der Grotten von Arcy-sur-Cure reicht vom Jung-Acheuléen über das Moustérien (der Kulturstufe des „klassischen“ Neandertalers) bis ins Châtelperronien, das etwa ab 40.000 vor heute beginnt und vom Aurignacien (des modernen Menschen) abgelöst wird. Beim Châtelperronien (auch CP-Kultur) handelt es sich um eine „Übergangsstufe“ mit spezieller Werkzeugbearbeitung, die hauptsächlich in Frankreich und Nord-Spanien verbreitet war. Charakteristisch sind Spitzen bzw. Messer mit gebogenem, abgestumpftem Rücken. Die Kulturbezeichnung wurde 1906 von Henri Breuil eingeführt, nach der Fundstelle Grotte des Fées bei Châtelperron. Ob es sich bei gefundenen Objekten und Artefakten des Châtelperroniens, speziell aus der Grotte du Renne (Höhle der Rentiere), noch um Hinterlassenschaften des späten Neandertalers handelt oder ob diese den Cro-Magnon-Menschen (oder beiden) zuzuordnen sind, wird seit Jahren in der Fachwelt diskutiert.[2] Überreste von Hominiden des Châtelperroniens wurden nur in zwei Fundplätzen in gesichertem archäologischem Zusammenhang gefunden: in der „Grotte du Renne“ von Arcy-sur-Cure[5] sowie in Saint-Césaire, im Département Charente-Maritime im Südwesten Frankreichs.[6]

Zeichnung eines Mammuts in den Höhlen von Arcy-sur-Cure

Das Höhlensystem von Arcy-sur-Cure besteht aus einem Gefüge von Höhlen, die der kleine Fluss Cure am Ende des Mesozoikums in ein Riffkalk-Massiv gegraben hat. Die am nördlichen Ufer über eine Strecke von rund zwei Kilometern aneinandergereihten Grotten werden seit etwa 150 Jahren Zug um Zug erforscht.

Umzeichnung von Werkzeug-Spitzen der Châtelperronien-Kulturstufe

Nur die größte der Höhlen, die am Ende einer Zufahrtsstraße beim Besucherzentrum gelegene „Grand Grotte“, ist für den Tourismus erschlossen. Bekannt war sie den Bewohnern an der Cure schon immer, da sich das weite Portal jedem sofort zeigt, der hier vorbeikommt. Besonders bedeutsam ist sie wegen ihrer prähistorischen Wandgemälde. Weil sie so leicht zugänglich ist und der Weg durch die Höhle praktisch keine Schwierigkeiten aufweist, wurde sie immer schon begangen und in früheren Jahren auch geplündert. Bevor die steinzeitlichen Wandgemälde und Fossilien entdeckt wurden, waren die Grotten in erster Linie wegen ihrer bizarren Tropfsteinfiguren und verwundenen Höhlengänge bekannt. Für den Bau der „Grotte du Trianon“ in Paris holte man in Mengen die Tropfsteine aus der Höhle und brachte sie nach Versailles.[7]

Die prähistorischen Wandgemälde der Grand Grotte wurden erst um 1990 entdeckt, als man versuchte mit Chemikalien den Fels vor Verwitterung zu schützen und Kritzeleien zu entfernen. Leider wurden bei dem Reinigungsprozess auch viele der unter der Patina verborgenen Wandgemälde beeinträchtigt oder zerstört.[8] Zahlreiche rote Malereien verteilen sich über getrennte Felder, auf denen man mehr als hundertvierzig Zeicheneinheiten unterscheiden kann, darunter rund sechzig Tierbilder, insbesondere von Mammute. Weitere Zeichnungen zeigen in anderen Höhlen mit Wandmalereien seltener anzutreffende Arten, die man jedoch auch in der Höhle von Chauvet in der Ardèche vorfindet (Bär, Nashorn, Raubkatze, Vogel). Die Darstellungen werden ergänzt durch Negativabdrücke von acht Händen und verschiedenartigen Zeichen (Punkte, Schlangenlinien, Haken, trapezförmiges Zeichen). Die unter dem prähistorischen Boden aufgefundenen anthropogenen Reste, die unter 30 Zentimeter Ablagerungen verborgen waren, hängen mit den malerischen Tätigkeiten (Farbstoffe, Mörser) und der Beleuchtung (Herdfeuer, Lampen) zusammen. Die C14-Datierungen, die man aus Kohlenresten gewonnen hat, liegen zwischen 28.000 und 33.000 Jahren vor heute.[9]

Die Eingänge der meisten Grotten kann man bei einem Spaziergang entlang des Flussufers erreichen, wenngleich sie verschlossen und die Höhlen gesperrt sind: Die Grotte des Fées mit 2380 m Länge, die Grotte de Barbe Bleue, die Grottes de l'Hyène und du Cheval sowie die Grotte du Renne, in der Hinterlassenschaften von Neandertalern und modernen Menschen entdeckt wurden. Von den nachfolgenden ist nur die Grand Grotte für Publikum geöffnet, die anderen sind für wissenschaftliche Untersuchungen zugänglich:

  • Grande Grotte,
  • Abri du Lagopède
  • Grotte du Cheval
  • Grotte de l'Hyène
  • Grotte du Trilobite
  • Grotte des Ours
  • Grotte du Renne
  • Grotte du Bison
  • Grotte du Loup
  • Grotte du Lion
  • Grotte des Fées
  • Grotte des Deux Cours
  • Grotte Le Couloir
  • Grotte des Goulettes

Grotte du Renne

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32 Millimeter großes, von Menschen aus Knochen gefertigtes Ohrgehänge von Arcy-sur-Cure

Die zwischen 1949 und 1963 von André Leroi-Gourhan erstmals untersuchte „Grotte du Renne“ (Rentierhöhle) befindet sich insofern im Fokus der Wissenschaft, als es hier Anzeichen für die Interaktion von Neandertalern und anatomisch modernen Menschen gibt. Archäologische Artefakte und künstlerisch bearbeitete Objekte in dieser Höhle wurden in Lagen entdeckt, in denen sich auch Hinterlassenschaften von Neandertalern befanden; dies wurde insbesondere von Jean-Jacques Hublin als Anzeichen für „modernes Verhalten“ der Neandertaler oder für Begegnungen zwischen den beiden Menschenarten herangezogen.[10][11][12] Diese Interpretation war zunächst umstritten,[13][14][15] sie wurde jedoch 2016 durch erhalten gebliebene Eiweiße aus mehreren Dutzend in der Höhle gefundenen Knochen untermauert.[16]

Die Grotte ist in 15 archäologische Schichten bzw. Level eingeteilt mit einer Stärke von vier Metern, als Schicht I bis XV. Schichten V und VI enthalten Artefakte des Gravettien, Level VII ist Proto-Aurignacien. VIII, IX und X enthalten Chatelperron-Werkzeuge, letzterer Level auch symbolische Ornamente: Eulen, durchlöcherte Tierzähne, Elfenbeinteile, als Ohrgehänge interpretierte Knochenbearbeitung, mit Rillen versehene Zähne sowie hominide Artefakte, insbesondere dentales Fundmaterial von Neandertalern.[17] Die Funde der Fauna enthalten Überreste von Rentieren und Pferden, deren Knochen zum Teil zu Werkzeugen umgearbeitet waren. Auch Mammut-Knochen und Stoßzähne wurden entdeckt, möglicherweise (aber unbestätigt) als Baumaterial für in die Höhle hineingebaute Unterschlupfe.[18]

Analysen im Jahre 2012

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Trotz der Fossilienfunde von Arcy-sur-Cure blieb die Frage, ob Neandertaler fähig waren, derart anspruchsvolle Objekte herzustellen (oder ob sie diese bzw. die Herstellungstechnik ggf. von Homo-Sapiens-Menschen erwarben).[19] Im Jahre 2012 wurden Ergebnisse von Analysen veröffentlicht, die unter der Leitung von Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig durchgeführt worden waren. Das internationale Forscherteam hatte gut identifizierbare fossile Überreste von Neandertalern aus der Grotte du Renne untersucht. In den CP-Schichten der Grotte fand man recht anspruchsvolle Werkzeuge sowie Schmuckstücke aus Knochen. Mit Hilfe eines Beschleuniger-Massenspektrometers wurde das Alter der Objekte bestimmt. Die C14-Daten zeigten, dass Neandertaler die anspruchsvollen Werkzeuge und den Körperschmuck aus der CP-Kultur hergestellt haben könnten. Da dies aber erst möglich gewesen wäre, nachdem vor etwa 40.000 Jahren moderne Menschen in der Region eingetroffen waren, vermuten die Forscher, dass zwischen diesen beiden Menschengruppen ein kultureller Austausch stattgefunden hat.[2]

  • Dazu sagte der Leiter der Studie, Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie: „Dies ist zum Teil der Tatsache geschuldet, dass das Châtelperronien ein breites Spektrum von Verhaltensmerkmalen aufweist, die bereits an nachfolgende Industrien des Jungpaläolithikums erinnern. Diese späteren Industrien wurden von modernen Menschen geschaffen“.[20][2]
Commons: Grottes d'Arcy-sur-Cure – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Gerhard Bosinski - (Herausgeber:Elmar-Björn Krause) – in: Die Neandertaler – Feuer im Eis – 250.000 Jahre / Schmuck, Edition Archaea Gelsenkirchen / Schwelm, 1999, ISBN 3-929439-76-X, Seite 104
  2. a b c d Der moderne Mensch inspirierte den Neandertaler kulturell Webseite der Max-Planck-Gesellschaft, 29. Oktober 2012.
  3. Tim Appenzeller: Die alten Meister. In Spektrum der Wissenschaft „Kompakt“, Ausgabe vom 11. Juni 2013, Seite 20f. - u. a. Übersetzungen aus dem Originalartikel „Old Masters“ im Magazin Nature 497/2013 Seite 302–304
  4. offizielle Webseite des Museums Grottes d'Arcy-sur-Cure. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2015; abgerufen am 6. Juni 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.grottes-arcy.net
  5. A. Leroi-Gourhan: Les fouilles d'Arcy-sur-Cure (Yonne). In: Gallia Préhistoire 4, 1961, S. 3–16
  6. F. Lévêque, B. Vandermeersch: Découverte de restes humains dans le niveau Castelperronien à Saint-Césaire (Charente-Maritime). In: Comptes rendus de l’Académie des sciences 291, 1980, S. 187–189
  7. Webseite Coeurdelyonne Darstellungen Arcy-sur-Cure. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Juni 2015; abgerufen am 6. Juni 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.coeurdelyonne.com
  8. offizielle Webseite des Museums Grottes d'Arcy-sur-Cure. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2015; abgerufen am 6. Juni 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.grottes-arcy.net
  9. Webseite Coeurdelyonne Darstellungen Arcy-sur-Cure. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Juni 2015; abgerufen am 6. Juni 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.coeurdelyonne.com
  10. Chris Stringer, Clive Gamble: In Search of the Neanderthals: Solving the Puzzle of Human Origins Thames and Hudson, London, 1993 ISBN 978-0-500-27807-9
  11. Jean-Jacques Hublin, F. Spoor, M. Braun, F. Zonneveld, S. Condemi: A Late Neanderthal Associated with Upper Palaeolithic Artefacts. In: Nature. Band 381, 1996, S. 224–226 doi:10.1038/381224a0
  12. Jean-Jacques Hublin et al.: Radiocarbon dates from the Grotte du Renne and Saint-Césaire support a Neandertal origin for the Châtelperronian. In: PNAS. Band 109, Nr. 46, 2012, S. 18743–18748, doi:10.1073/pnas.1212924109, Volltext (PDF)
  13. François Caron, d’Errico, F., Del Moral, P., Santos, F., Zilhão, J.: The Reality of Neandertal Symbolic Behavior at the Grotte du Renne, Arcy-sur-Cure, France. In: PLOS One. 6. Jahrgang, Nr. 6, 2011, S. e21545, doi:10.1371/journal.pone.0021545 (plosone.org [abgerufen am 4. April 2014]).
  14. Higham T, Jacobi R, Julien M, David F, Basell L, Wood R, Davies W, Ramsey CB.C (2010). Chronology of the Grotte du Renne (France) and implications for the context of ornaments and human remains within the Chatelperronian. Proc Natl Acad Sci U S A. doi:10.1073/pnas.1007963107 PMID 20956292
  15. Mellars P. (2010). Neanderthal symbolism and ornament manufacture: The bursting of a bubble? Proc Natl Acad Sci U S A. doi:10.1073/pnas.1014588107
  16. Frido Welker, Mateja Hajdinjak, Sahra Talamo, [...] und Jean-Jacques Hublin: Palaeoproteomic evidence identifies archaic hominins associated with the Châtelperronian at the Grotte du Renne. In: PNAS. Band 113, Nr. 40, 2016, S. 11162–11167, doi:10.1073/pnas.1605834113
  17. Ralf W. Schmitz und Jürgen Thissen in: Neandertal – die Geschichte geht weiter / Neandertaler-Schmuck, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002, ISBN 3-8274-1345-1, Seite 166–167
  18. Ralf W. Schmitz und Jürgen Thissen in: Neandertal – die Geschichte geht weiter / kreisförmige Strukturen als Hüttengrundrisse, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002, ISBN 3-8274-1345-1, Seite 132
  19. Katerina Harvati in: GEOkompakt. Nr. 41. Interview: Eigene geistige Fähigkeiten des Neandertalers, 2014, ISBN 978-3-652-00351-3, Seite 69f
  20. Jean-Jacques Hublin et al.: New Radiocarbon Dates from the Grotte du Renne and Saint Césaire support a Neanderthal Origin for the Châtelperronian. In: PNAS, October 29, 2012. Kurzzusammenfassung

Koordinaten: 47° 35′ 29,4″ N, 3° 45′ 59,8″ O