Der kleine Häwelmann

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Ausgabe des Diogenes-Verlags

Der kleine Häwelmann ist ein Märchen von Theodor Storm, das er im Jahr 1849 für seinen Sohn Hans schrieb. Literaturwissenschaftlich gehört es zur Gruppe der Kunstmärchen. Der Erstdruck des Textes erschien 1850.[1]

Lesung des Märchens, LibriVox, 2006
Funkelfenster Limbach-Oberfrohna, Der Kleine Häwelmann (2023)

Der kleine Häwelmann kann nicht einschlafen. Seine Mutter im großen Bett daneben rollt ihn noch in seinem Rollenbettchen ein wenig im Halbschlaf hin und her, aber dann schläft sie fest ein. Der kleine Häwelmann ist aber immer noch munter. Der Mond schaut durch das Fenster und sieht, wie er sich aus seinem Nachthemd ein Segel gebaut hat und mit seinem Rollenbett im Zimmer umherrollt.

Als er drei Mal die Reise gemacht hatte, guckte der Mond ihm plötzlich ins Gesicht. „Junge“, sagte er, „hast du noch nicht genug?“
„Nein“, schrie Häwelmann, „mehr, mehr! Mach mir die Tür auf! Ich will durch die Stadt fahren; alle Menschen sollen mich fahren sehen.“

„Das kann ich nicht“, sagte der gute Mond; aber er ließ einen langen Strahl durch das Schlüsselloch fallen; und darauf fuhr der kleine Häwelmann zum Hause hinaus.

In der Stadt schlafen aber alle und das ist ihm zu langweilig. Darum will er in den Wald zu den Tieren. Im Wald schlafen aber die Tiere auch, außer Hinze, einem kleinen Kater, der von Ast zu Ast springt und „illuminiert“, das heißt mit seinen funkelnden Augen die Sterne imitiert. Doch Häwelmann ist es auch hier langweilig, und er ruft wieder „mehr, mehr!“

Der kleine Häwelmann fährt schließlich bis zum Ende der Welt und mitten in die Sterne am Himmel hinein, so dass etliche vom Himmel fallen; dem Mond rollt er frech über die Nase. Das ärgert den Mond so sehr, dass er sein Licht auslöscht und nun auch die Sterne schlafen gehen. Häwelmann fährt weiter umher, bis schließlich die Sonne aufgeht und ihn ins Meer wirft.

Jetzt darf das Kind, dem das Märchen erzählt wurde, fragen:

Und dann?

Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!

Vorangestelltes Gedicht

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In der Ausgabe von 1926 wird das folgende Gedicht vorangestellt, das Theodor Storm an seine Söhne Hans (Strophen 1 und 2) und Ernst (Strophe 3) gerichtet hat.[2]:

Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann;
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.

Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
Will nirgend anders sein;
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.

Mein Häwelmann, mein Bursche klein,
Du bist des Hauses Sonnenschein,
Die Vögel singen, die Kinder lachen.
Wenn deine strahlenden Augen wachen.

Rezeption (Bücher, Hörbücher)

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Bekannt wurde das Märchen durch die Veröffentlichung als Bilderbuch mit Illustrationen von Else Wenz-Viëtor, in der sich auch das vorangestellte Gedicht befindet.[3] Von dieser Version erschienen im gleichen Verlag zahlreiche weitere Auflagen (u. a. 1949, 1981, 2004). Sie wurde in gekürzter Form auch als Pixibuch veröffentlicht.[4] Die Beliebtheit der Geschichte zeigt sich in den vielen weiteren Ausgaben mit unterschiedlichen Illustrationen in bekannten Verlagen, oft mit weiteren Auflagen.[5][6][7][8][9][10][11]

1988 erschien eine Übersetzung des Märchens ins Friesische.[12] Eine französische Übersetzung unter dem Titel Jean-le-Mignot erschien 1995.[13] 2013 erschien eine deutsch-englische Ausgabe mit der Übersetzung von Susan R. Gruber als Kindle-Book[14] Oft findet sich das Märchen auch in Sammelbänden mit Märchen für kleinere Kinder.

Daneben wurden zahlreiche Fassungen als Hörbücher mit bekannten Sprechern veröffentlicht, wie z. B. mit Hannelore Hoger[15] oder Eduard Marks.[16]

1956 lief der vom DEFA-Studio in der DDR produzierte Film „Der kleine Häwelmann“ an. Er wurde unter der Regie von Herbert K. Schulz und Rolf Cichon, die auch das Drehbuch geschrieben hatten, als animierter Puppentrickfilm gedreht. Die Musik schrieb Hans-Hendrik Wehding. Der in gedeckten Farben gedrehte Film gibt im Wesentlichen die Geschichte Storms wieder, wenn auch mit kleinen textlichen Veränderungen und einem dahingehend pädagogisierendem Schluss, dass der kleine Häwelmann nun sicherlich nicht wieder so unfolgsam sein werde und mehr und mehr habe wolle, damit ihn alle wieder lieb haben könnten.[17][18]

Über den plötzlichen Schluss bemerkte Emil Müller–Samswegen in einer Rezension zu Storms Novellenband In der Sommer-Mondnacht (1860):

„Das Kindermärchen „Der kleine Häwelmann“ endlich dürfte vollständig genügen, wenn der Schluß nur irgendeine Pointe böte. Den Helden indeß ins Wasser fallen zu lassen und sich dann an die Leser wenden und sagen: „Wären ich und du nicht gekommen und hätten den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen, so hätte er doch leicht ertrinken können“: – das mag für Kinder ausreichen, scheint uns aber eine Methode, bei der man gar leicht zum Schreiben ins Blaue hinein gelangen kann.[19]

Rufina Wieners schrieb 2005 zum Buch aus der Sicht einer Kaufempfehlung als Kinderbuch[20], das Buch sei ein nostalgisches Buch, welches bei der Großelterngeneration beim Vorlesen Kindheitserinnerungen auslöse. Es habe einen großen Spannungsbogen:

„Die Auflösung kommt erst ganz zum Schluß: Gott sei Dank, es war alles nur ein (böser?) Traum und der kleine Häwelmann erwacht ganz strubbelig in seinem Rollenbett. Im Hinblick auf die Freiräume der Erziehung von heute kann man aufatmend sagen, dass unseren Kindern solche »Alpträume«; erspart bleiben. Diese Hintergründe bleiben dem kleinen Zuhörer auch wohl erspart und sind wohl auch schwer verständlich.“

Heute sei man bemüht, die Kinder realitätsnah zu erziehen, deshalb müsse man sich klarmachen, dass das Buch ein Märchen sei. Märchen entwickelten Fantasie und sollten gleichzeitig lehren, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Dies sei die Botschaft dieses Märchens.

Monika Osberghaus konstatierte 2006, dass das Buch, obwohl es seit 150 Jahren durchgängig viel gelesen werde und ein Longseller sei, zu den Stiefkindern der Literaturwissenschaft gehöre, weil es durch alle literaturwissenschaftlichen Raster falle. Sie bezeichnet als das Elementare an dieser Geschichte, welches durch die Illustrationen von Wenz-Vietor hervorgehoben werde

„die Dunkelheit des großen Verlassenheitsgefühls. die naiv-strahlende Großartigkeit des kleinen Herrschers und Eroberers, die Milde des Mondes, der Reinfall am Schluss, und, sehr wichtig, das Aufgefangenwerden durch das überraschende Erzähl-Ende.“[21]

Einzelnachweise

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  1. Erstmals veröffentlicht wurde Der kleine Hävelmann im »Volksbuch für das Jahr 1850 für Schleswig, Holstein und Lauenburg«. Hrsg. von Karl Leonhard Biernatzki, Altona 1850.
  2. Die drei Strophen wurden erstmals 1852 in der ersten Ausgabe von Storms Gedichten unter dem Titel „Die Kinder“ veröffentlicht.
  3. Theodor Storm, Else Wenz-Vietor (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Stalling, Lappan, Oldenburg 1926.
  4. Theodor Storm, Else Wenz-Vietor (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Gekürzte Neuausgabe nach der Originalausgabe von 1926. Carlsen, Hamburg 2010, 2016.
  5. Theodor Storm, Anne Heseler (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Insel Verlag, Frankfurt 1988, ISBN 3-458-14643-1.
  6. Theodor Storm, Wolfram Hänel, Beate Mizdalski (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Nord-Süd Verlag, 2002, ISBN 3-314-00880-5.
  7. Theodor Storm, Regine Altegoer (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Leuchtbilderbuch. 2. Auflage. Loewe, Bindlach 2008, ISBN 978-3-7855-6471-4.
  8. Theodor Storm, Ingeborg Meyer-Rey (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. 3. Nachdruck. Beltz/Der Kinderbuch-Verlag, 2008, ISBN 978-3-358-03009-7.
  9. Theodor Storm, Ulrike Möltgen (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. 2. Auflage. Insel, Berlin 2017, ISBN 978-3-458-19441-5.
  10. Theodor Storm, Felicitas Kuhn (Illustrationen): Der kleine Häwelmann. Schwager & Steinlein, Köln 2018, ISBN 978-3-8499-1674-9.
  11. Theodor Storm, Tatjana Hauptmann: Der kleine Häwelmann. Diogenes Verlag, Zürich 2011, ISBN 978-3-257-01152-4.
  12. Theodor Storm, Jens Quedens, Jochen Seitz (Illustrationen): Der kleine Häwelmann / A letj Heewelmann. Ein Kindermärchen. In Hochdeutsch und übersetzt ins Amrumer Friesisch von Jens Quedens. / en stak för jongen, faan Theodor Storm, ouersaat tu`t öömrang faan Jens Quedens. Aquarelle: Jochen Seitz. 1988, ISBN 3-924422-05-2.
  13. Theodor Storm, Wolfram Hänel, Beate Mizdalski: Jean-le-Mignot. Übersetzerin: Géraldine Elschner. Éditions Nord-Sud, Saint-Germain-en-Laye 1995, ISBN 3-314-20912-6.
  14. Theodor Storm, Susan R. Gruber (Übersetzung): Der kleine Häwelmann/Little Haverman. Kindle-Ausgabe.
  15. Hörbuch mit Hannelore Hoger bei Audible.
  16. Der kleine Häwelmann und weitere Geschichten mit Eduard Marks. Audion CD, Audioverlag 2019.
  17. Informationen der DEFA-Stiftung. Abgerufen am 3. Januar 2020. Seit Frühjahr 2022 ist die Aufführung im Planetarium Hamburg regelmäßig auf dem Spielplan.
  18. Der Kleine Häwelmann auf YouTube. Abgerufen am 3. Januar 2020.
  19. Emil Müller–Samswegen in: Blätter für literarische Unterhaltung. Nr. 41. 1860, S. 760. Rezension zu: Theodor Storm: In der Sommer-Mondnacht. Schindler, Berlin 1860. (books.google.at)
  20. Literatur-Couch Medien GmbH & Co. KG: Kritik zum Buch, abgerufen am 12. Dezember 2019
  21. Monika Osberghaus: Schau mal! 50 beste Bilderbücher. dtv, München 2006, S. 181 f.
Commons: Der kleine Häwelmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Der kleine Häwelmann – Quellen und Volltexte