Hamburger Notations-System

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HamNoSys
Schrifttyp Piktogramme
Sprachen Gebärdensprache
Erfinder Siegmund Prillwitz
Verwendungszeit ab 1985
Abstammung synthetische Schrift
HamNoSys
Verwandte -
Unicodeblock -
ISO 15924 -

Das Hamburger Notations-System, kurz HamNoSys, ist eine Gebärdenschrift. Es wurde an der Universität Hamburg in Tradition der Stokoe Notation entwickelt und ist im Unterschied zum SignWriting eher wissenschaftlich orientiert.[1]

Obwohl HamNoSys seine Wurzeln in der Stokoe-Notation hat, identifiziert es sich nicht mit einem bestimmten nationalen diversifizierten Fingerbuchstabiersystem und ist als solches für ein breiteres Anwendungsspektrum gedacht als Stokoe, das speziell für ASL entwickelt und erst später an andere Gebärdensprachen angepasst wurde.

Anders als SignWriting und das Stokoe-System ist es nicht als praktisches Schriftsystem gedacht und wird hauptsächlich verwendet, um die Nuancen eines einzelnen Zeichens zu beschreiben. In dieser Hinsicht ähnelt es eher dem Internationalen Phonetischen Alphabet. Beide Systeme sind für die Verwendung in der Linguistik gedacht und enthalten Details wie Phoneme, die zu langen, komplexen Segmenten führen.

Das HamNoSys ist nicht in Unicode kodiert. Die Verarbeitung durch den Computer wird durch einen Font ermöglicht, der Private Use Area HamNoSysUnicode.ttf-Zeichen verwendet.

1984 entwarf Siegmund Prillwitz an der Forschungsstelle für die Deutsche Gebärdensprache an der Universität Hamburg das Hamburger Notationssystem, kurz HamNoSys. Er veröffentlichte das HamNoSys aber erst 1987 am Zentrum für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser.[2] Die 1. und 2. Version wurde mit 150 Symbolen für den Apple Macintosh 1987 bzw. 1989 veröffentlicht.[3][4] 1996 wurde eine 3. Version mit 200 Symbolen veröffentlicht.[5] HamNoSys 4.0 folgte 2001 mit 200 Symbolen bzw. mit Version 4.1 2010 mit 650 Symbolen.[6]

HamNoSys kann die meisten Gebärdensprachen darstellen, daher wird das Notationssystem international in Forschungskontexten verwendet. Namhafte Universitäten, die mit dem Schriftsystem forschen, sind große Institutionen in Finnland, Australien, Neuseeland, der Schweiz und Deutschland.[7] HamNoSys war das ursprüngliche Schriftsystem, das in der SiGML (Signing Gesture Mark-up Language) verwendet wurde. SiGML nimmt XML-Darstellungen jedes Symbols und erstellt ein 3D-Rendering oder einen Avatar.[8]

Die aktuelle 4. Version hat mehr als 100 Handformen und insgesamt mehr als 650 Symbole.[9] Dies ist durch Symbolerweiterung in der bestehenden Ordnung entstanden. Hier gibt es 12 Handformklassen und 12 Basishandformen.

Es gibt in dieser Version 12 Basishandformen[10]. Darunter sind die 6, schon aus Version 3 bekannten, offenen Handformen. Zusätzlich gibt es hier 6 Daumenverbindungen (kleine C-Hand, C-Hand, offene F-Hand, kleine O-Hand, Mithand, F-Hand). Des Weiteren wird in die 2 Oberklassen aktive Finger und Daumen-Finger-Oppositionen eingeteilt. Es gibt danach die 12 Klassen „Faust, Ein Finger, Zwei Finger geschlossen, Zwei Finger gespreizt, Flachhand (vier Finger geschlossen), Vier Finger gespreizt, Ein Finger die anderen in Faustposition, Zwei Finger (geschlossen) die anderen in Faustposition, Vier Finger (geschlossen), Vier Finger (gespreizt), Ein Finger die anderen gestreckt (und gespreizt)“. Die Kategorien „Aktive Finger gestreckt, Aktive Finger abgewinkelt, Aktive Finger gebogen, Aktive Finger gekrümmt, Ableitungsbeispiele, Opposition Fingerspitze-Daumenspitze bei gerundeten Fingern, Opposition Fingerspitze-Daumenspitze bei abgewinkelten Fingern, Opposition Fingerspitze-Daumenspitze bei überstreckten Fingerendgelenken, Opposition Fingerspitze-Daumenendgelenk, Opposition Fingerspitze-Daumengrundgelenk, Ableitungsbeispiele“ sind ebenfalls vorhanden. Es gibt außerdem neue Möglichkeiten unregelmäßige Fingerpositionen zu notieren. Im Bereich Lokation und Aktion wurden viele neue Symbole geschaffen und neu klassifiziert.[11]

Die Schrift verwendet tiefgestellte und hochgestellte Zeichen sowie Diakritika. In HamNoSys werden fünf Kategorien von Zeichen verwendet, die zusammen ein Zeichen beschreiben.[12] Eine einzelne Gebärde wird durch eine Reihe von Symbolen ausgedrückt, die verschiedene optionale und erforderliche Parameter in der aufgeführten Reihenfolge enthalten:

  1. Der Symmetrieoperator (optional) wird normalerweise mit zwei Punkten dargestellt, um anzuzeigen, dass beide Hände zum Ausführen des Zeichens verwendet werden, oder um anzugeben, ob die nicht dominante Hand verwendet wird.
  2. Der Non-Manual Marker (NMM), für nonmanuelle Parameter, ist ein optionaler Parameter zur Symbolisierung jeglicher Gesichts- oder Stimmaktionen, die bei der Verwendung des Zeichens auftreten, z. B. das Schmollen der Lippen oder das Hochziehen der Augenbrauen.
  3. Verschiedene Symbole für Handformen mit geschlossenen Fäusten und ausgestreckten Fingern
    Die Handform beschreibt die Form der Hand, zum Beispiel wie viele Finger ausgestreckt werden sollen, in welchem Ausmaß sie gebeugt werden sollen und wo sich der Daumen befindet. Die am häufigsten in dieser Kategorie verwendeten Symbole enthalten ein Oval mit Linien, um ausgestreckte Finger zu symbolisieren, gekrümmte Linien, um zu beschreiben, wie die Finger gebeugt werden sollen (mit den entsprechenden Zahlen 1–5, um anzuzeigen, welcher Finger), und Markierungen oder Unterbrechungen innerhalb des Ovals können den Abstand zwischen den Fingern und der Handfläche symbolisieren.
  4. Die Handausrichtung ist ebenfalls Teil desselben Abschnitts wie die Handform. Diese zeigen beispielsweise die Handflächenausrichtung oder die Richtung, in die die ausgestreckten Finger zeigen. Bei der Diskussion der Handflächenausrichtung umfassen die Symbole schmale Ovale mit einer dicken Seite, die in verschiedene Richtungen zeigt, in Kombination mit kleinen Karotten, die bestimmte oder fortgeschrittenere Winkel signalisieren und auf etwas anderes zeigen.
  5. Die Handposition beschreibt, wo sich die Hand beim Gebärden im Verhältnis zum Körper befindet. Manche Gebärden befinden sich vor dem Brustbein oder den Schultern, andere am Kinn oder an der Schläfe. Mithilfe von Symbolen, die oft wie die beschriebenen Körperteile aussehen, werden die Positionen durch ein schwarzes Quadrat markiert, das in der Ausrichtung des Merkmals platziert ist.
  6. Die Bewegung (optional) bezeichnet jede Bewegung in den Symbolen, wie z. B. einen Finger, der nach oben und dann nach unten zeigt, oder ein Zeichen, das sich vom Brustbein von links nach rechts bewegt. Diese sind oft komplex und verwenden Symbole, die denen in der Handausrichtung mit Pfeilen ähneln, mit Linien, die gerade, wellenförmige oder kreisförmige Bewegungen symbolisieren können. Es gibt auch Zeichen wie Klammern, um aufeinanderfolgende oder einheitliche Bewegungen zu trennen.

Unterschied zu SignWriting

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SignWriting und HamNoSys[13] sind sich in ihrem Grundkonzept zur Verschriftlichung mit Symbolen sehr ähnlich. Für beide Gebärdenschriften haben sich aber für die einzelnen Parameter unterschiedliche Symbole herausgebildet. Das HamNoSys wird zu dem eher diakritisch hintereinander von links nach rechts geschrieben. Es ist also nicht so kompakt holistisch wie SignWriting. Ursprünglich ist das HamNoSys für die internationale Linguistik gedacht gewesen. SignWriting war dagegen schon immer für die internationale Allgemeinheit gedacht.

Die Glossentranskription ist hier außen vor und kann man eher als gebärdensprachliche Übersetzung in lateinischen Buchstaben sehen.

Einzelnachweise

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  1. Uni Hamburg, HamNoSys, abgerufen am 10. Juli 2017
  2. Thomas Hanke: HamNoSys - Representing Sign Language Data in Language Resources and Language Processing Contexts. Hrsg.: University of Hamburg. 2004.
  3. Signum Verlag: HamNoSys Version 2 Englisch. Abgerufen am 21. Juli 2021.
  4. Institut der deutschen Wirtschaft Köln REHADAT: Suche | REHADAT. Abgerufen am 21. Juli 2021.
  5. 1 HamNoSys im Ueberblick. Abgerufen am 21. Juli 2021.
  6. HamNoSys - DGS-Korpus. Abgerufen am 21. Juli 2021.
  7. Bentele, Susanne: HamNoSys, URL https://www.signwriting.org/forums/linguistics/ling007.html, Abruf: 2023-10-18
  8. Khushdeep Kaur, Parteek Kumar: HamNoSys to SiGML Conversion System for Sign Language Automation. In: Procedia Computer Science. 89. Jahrgang, 2016, S. 794–803, doi:10.1016/j.procs.2016.06.063 (englisch, elsevier.com).
  9. Screenshots von Angaben aus dem Web-Archiv des IDGS zu Version 4
  10. Thomas Hanke: HamNoSys 4 Handshapes Chart. Hrsg.: University of Hamburg. Hamburg 10. Juni 2010.
  11. PDF Englisch: HamNoSys - Hamburg Notation System for Sign Languages von Thomas Hanke (2018)
  12. Ferlin, Maria; Majchrowska, Sylwia; Plantykow, Marta; Kwaśniwska, Alicja; Mikołajczyk-Bareła, Agnieszka; Olech, Milena; Nalepa, Jakub: On the Importance of Sign Labeling: The Hamburg Sign Language Notation System Case Study, 2023-01-19, Arxiv: 2302.10768
  13. Writing the Same Signs in Different Transkription Systems (Nr.15). Abgerufen am 23. Juni 2021 (englisch).