Dār al-Islām
Der islamische Rechtsbegriff dār al-Islām (arabisch دار الإسلام, DMG dār al-islām ‚Haus des Islams, Gebiet des Islams‘) bezeichnet einer verbreiteten Ansicht zufolge alle Gebiete unter muslimischer Herrschaft. Gegenbegriff ist dār al-Harb („Haus des Krieges, Gebiet des Krieges“). Gebiete, die nicht von der Umma kontrolliert werden, gelten dieser Meinung zufolge als Dār al-Ḥarb. Einer anderen, ebenfalls bereits im theologischen Diskurs des Mittelalters beispielsweise von An-Nawawi und al-Māwardī vertretenen[1] Ansicht zufolge gilt eine Gegend jedoch bereits dann als dār al-Islām, wenn Muslimen in ihr die freie Ausübung ihrer Religion möglich ist.[2] Im Gegensatz zum Begriff Umma gehen die Begriffe dār al-Islām und dār al-harb nicht direkt auf den Koran oder die Sunna zurück; sie entstammen vielmehr dem Diskurs der Rechtsgelehrten.
Aus politischen und ideologischen Gründen wird der Dār al-Islām auch als Dār as-Salām („Haus des Friedens“) bezeichnet. Die Bewohner des Dār al-Islāms sind dann, wenn der Meinung gefolgt wird, der Dār al-Islām umfasse nur Gebiete unter muslimischer Herrschaft, entweder Muslime oder Dhimmis, Schutzbefohlene minderen Rechts. Nichtmuslime aus dem Dār al-Ḥarb müssen einen zeitweiligen Schutzvertrag (Aman) abschließen, wenn sie den Dār al-Islām betreten wollen, da sie sonst als so genannte Ḥarbīs keine Rechte hätten, nicht einmal das Recht auf Leben.[3] Der anderen oben skizzierten Ansicht zufolge, die auf die Möglichkeit der Religionsausübung als ausschlaggebendes Kriterium abstellt, kann ein Gebiet für seine muslimischen Bewohner auch dann als Dār al-Islām gelten, wenn die Bevölkerung mehrheitlich nichtmuslimisch ist und das Gebiet nicht unter muslimischer Herrschaft steht.[4] Diese Ansicht liegt, wie der Islamwissenschaftler Johannes Bork betont, vor allem neueren Interpretationen zugrunde. Doch lassen sich auch im vormodernen Diskurs (An-Nawawi u. a., siehe oben) bereits Gelehrte finden, die sich auf das Kriterium konzentrieren, die Religion praktizieren zu können, was beispielsweise auch viele westliche Länder zu Gebieten des Dār al-Islām machen würde.[5]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter Heine: Terror in Allahs Namen. Extremistische Kräfte im Islam. Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-05240-7, S. 17–30 (Dschihâd), hier: S. 23–26.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ vgl. z. B. die Kommentierung des schafiitischen Gelehrten An-Nawawi in dessen Buch der 40 Hadithe zu dem dortigen Hadith Nr. 1 in: Yahya Ibn Sharif Al-Nawawi, Das Buch der Vierzig Hadithe. Kitab al-Arbai’in, aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Marco Schöller, Frankfurt am Main und Leipzig 2007, S. 24 sowie die dazugehörigen Anmerkungen Marco Schöllers auf S. 405 u. S. 408.
- ↑ Adel Theodor Khoury, Heiliger Krieg, in: Lexikon des Islam. Geschichte - Ideen - Gestalten, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann und Peter Heine. Drei Bände, Freiburg u. a.: 1991. Band 2, S. 349–359, S. 351.
- ↑ Christian Szyska: Dâr al-islâm/Dâr al-harb. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 26. Juli 2018.
- ↑ vgl. Adel Theodor Khoury, Heiliger Krieg, in: Lexikon des Islam. Geschichte - Ideen - Gestalten, hrsg. von Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann und Peter Heine. Drei Bände, Freiburg u. a.: 1991. Band 2, S. 349–359, S. 352.
- ↑ vgl. Johannes Bork, Zum Konstrukt von dār al-islām und dār al-ḥarb: Die zeitgenössische Rezeption eines Konzepts des klassischen islamischen Rechts, Berlin/Boston 2020, S. 669 mit weiteren Nachweisen.