Haüyn

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Haüyn
Haüyn im Muttergestein Bims in ungewöhnlicher Größe von ca. 2 cm
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Hyn[1]

Andere Namen
  • Latialit
  • Hauyn[2]
  • Hauynit
Chemische Formel
  • Na3Ca(Si3Al3)O12(SO4)[3]
  • Na5-6Ca2[(SO4,Cl)2|Al6Si6O24][2]
  • (Na,Ca,K,□)8[(SO4)2|(AlSiO4)6][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Gerüstsilikate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/F.07
VIII/J.11-030

9.FB.10
76.02.03.03
Ähnliche Minerale Sodalith, Nosean, Lasurit
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakistetraedrisch; 43m[5]
Raumgruppe P43n (Nr. 218)Vorlage:Raumgruppe/218[4]
Gitterparameter a = 9,12 Å[4]
Formeleinheiten Z = 1[4]
Zwillingsbildung häufig nach {111}[6]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 5,5 bis 6[6]
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,44 bis 2,50[6]
Spaltbarkeit vollkommen nach {110}, {011} und {101}
Bruch; Tenazität muschelig
Farbe intensiv blau bis himmelblau oder grünlichblau, seltener gelb und rot[7]; auch weiß, braun, grau bis schwarz, grün[6]
Strichfarbe bläulich bis farblos[6]
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend[6]
Glanz Fettglanz, Glasglanz[6]
Kristalloptik
Brechungsindex n = 1,494 bis 1,509[8]
Doppelbrechung keine, da optisch isotrop
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale gelegentlich rötlichorange bis rosaviolette Fluoreszenz unter Langwelligem UV-Licht[6]

Haüyn (Aussprache [ha'ɥi:n]), auch Hauyn oder veraltet Hauynit, ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der Zusammensetzung Na5-6Ca2[(SO4,Cl)2|Al6Si6O24][2] und ist damit chemisch gesehen ein Natrium-Calcium-Alumosilikat mit [SO4]2− und Chlorid als zusätzlichen Anionen.

Haüyn kristallisiert im kubischen Kristallsystem, entwickelt aber meist nur millimetergroße Kristalle von überwiegend blauer Farbe und glasähnlichem Glanz. In seltenen Fällen wurden aber auch weiße, braune, gelbe, graue, grüne, grünblaue und orangerote Haüyne gefunden.

Etymologie und Geschichte

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Haüyn wurde erstmals durch Abbé Gismondi am Nemisee (italienisch Lago di Nemi) in der italienischen Region Latium entdeckt und 1803 in einer ungedruckten mineralogischen Abhandlung als Latialit beschrieben. Er gab seine Abhandlung an den dänischen Gelehrten Tønnes Christian Bruun-Neergaard (1776–1824)[9][10] weiter, der sie am 25. Mai 1807 als Grundlage für eine Vorlesung in der Klasse der Wissenschaften des Nationalinstituts nutzte, um das neue Mineral der Öffentlichkeit vorzustellen. Da es zu dieser Zeit meist abgelehnt wurde, Minerale nach ihrem ersten Fundort zu benennen und das neue Mineral zudem auch schon am Monte Somma gefunden wurde, schlug Bruun-Neergaard vor, das neue Mineral nach dem französischen Mineralogen René-Just Haüy (1743–1822) als Hauyn (heute korrekt: Haüyn) zu bezeichnen.[11]

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Haüyn zur Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate)“, wo er zusammen mit Lasurit, Nosean, Sodalith, Tugtupit die „Sodalith-Nosean-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/F.07 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/J.11-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Gerüstsilikate“, wo Haüyn zusammen mit Bicchulith, Hydrosodalith, Kamaishilith, Lasurit, Nosean, Sodalith, Tsaregorodtsevit, Tugtupit und Vladimirivanovit die „Sodalith-Gruppe“ bildet.[2]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Haüyn in die neu definierte Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) ohne zeolithisches H2O“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Gerüstsilikate (Tektosilikate) mit zusätzlichen Anionen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Bicchulith, Danalith, Genthelvin, Helvin, Kamaishilith, Lasurit, Nosean, Sodalith, Tsaregorodtsevit und Tugtupit die „Sodalith-Danalith-Gruppe“ mit der System-Nr. 9.FB.10 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Haüyn in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter“ ein. Hier ist er zusammen mit Sodalith, Nosean, Lasurit, Bicchulith, Kamaishilith, Tugtupit und Tsaregorodtsevit in der „Sodalithgruppe“ mit der System-Nr. 76.02.03 innerhalb der Unterabteilung „Gerüstsilikate: Al-Si-Gitter, Feldspatvertreter und verwandte Arten“ zu finden.

Kristallstruktur

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Haüyn kristallisiert im kubischen Kristallsystem in der Raumgruppe P43n (Raumgruppen-Nr. 218)Vorlage:Raumgruppe/218 mit dem Gitterparameter a = 9,12 Å sowie einer Formeleinheit pro Elementarzelle.[4]

Im Allgemeinen findet man Haüyn als sehr kleine (ca. 1 bis 2 mm), eingebettete und abgerundete Körner. Vollkommen ausgebildete Kristalle über 5 mm sind nur sehr selten zu finden.

Chemische und physikalische Eigenschaften

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Haüyn gehört als Mitglied der Sodalithgruppe zu den Foiden. Das Mineral ist transparent bis durchscheinend, hat eine Mohshärte von 5,5 bis 6 und eine Dichte von 2,4 g/cm³. Die chemische Zusammensetzung von Haüyn ist schwer zu ermitteln, da es sich zumeist um komplexe Mischkristalle zwischen verschiedenen Gliedern der Sodalithgruppe (hauptsächlich Sodalith, Nosean und Lasurit) handelt. Daher werden in der Literatur unterschiedliche chemische Formeln genannt, neuere Quellen geben sie idealisiert als Na3Ca(Si3Al3)O12(SO4) an.[3]

Gelegentlich zeigt sich unter langwelligem UV-Licht rötlichorange oder rosaviolette Fluoreszenz.[6]

Im Dünnschliff ist Haüyn meist farblos und oft idiomorph; nur in den seltenen haüynhaltigen Tiefengesteinen sind xenomorphe Bildungen häufiger. Auffällig sind bei Haüyn (aber auch bei dem verwandten Nosean) Ausscheidungen sehr feinkörniger Eisenoxide, die sich besonders im Kern des Kristalls und/oder an den Außenzonen („Trauerränder“) finden. Der Brechungsindex ist etwas niedriger als der von Kanadabalsam. Unter gekreuzten Polarisatoren bleibt das isotrope Mineral dunkel.[13]

Bildung und Fundorte

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Haüyn aus Mendig in der Eifel, Rheinland-Pfalz (Kristallgröße: 1 mm)

Haüyn bildet sich in SiO2-untersättigten (siliciumarmen, alkalischen) Vulkaniten während der Spätphase der magmatischen Differentiationsfolge. Bei explosiven vulkanischen Eruptionen wird es aus der Tiefe der Erdkruste herausgeschleudert. Der Fallout enthält vulkanische Aschen, Bims, Tuff und Schlacke. Als Begleitminerale treten unter anderem titanhaltiger Andradit, Apatit, Augit, Biotit, Leucit, Melilith, Nephelin, Phlogopit und Sanidin auf.[6]

„Edle“, das heißt für die Schmuckindustrie verwertbare und facettierbare Haüyne werden vor allem in den Aschen und Bimsschichten gefunden, die das Umfeld des Laacher Sees nahe Mendig und Nickenich in der Vulkaneifel bedecken. Auch der größte bislang bekannte Haüynkristall mit etwa 3,2 Zentimetern Durchmesser wurde Anfang Oktober 2012 von einem Hobbysammler in der Eifel gefunden und ist seit Anfang 2013 im Besitz der TU Bergakademie Freiberg. Zurzeit ist der Kristall im Krüger-Haus in der Ausstellung „Deutsche Minerale“ der Stiftung „Mineralogische Sammlung Deutschland“ zu besichtigen.[14]

Weitere bekannte Fundorte in Deutschland sind neben der Eifel unter anderem noch Hochkopf und Hirzberg im Schwarzwald sowie mehrere Fundpunkte am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg, der Steinbruch „Roßberg“ bei Roßdorf im hessischen Odenwald.

In Österreich konnte Haüyn bisher nur am Pauliberg und am Stradner Kogel gefunden werden und in der Schweiz kennt man das Mineral bisher nur aus Beringen SH und Reiat im Kanton Schaffhausen.

Weltweite Fundorte sind unter anderem Badachschan in Afghanistan, Armenien, die Insel Tasmanien vor Australien, Itaju do Colônia im brasilianischen Bundesstaat Bahia, Sumaco und Pan de Azúcar in der ecuadorianischen Provinz Napo, Nunavut und Québec in Kanada, Auvergne-Rhône-Alpes in Frankreich sowie die französische Kolonie Tahiti, Kangerlussuaq in Grönland, Los Archipelago in Guinea, verschiedene Regionen in Italien, die nördlichen Regionen von Russland, Dalarna und Uppland in Schweden, die Kanarischen Inseln sowie Katalonien in Spanien sowie in mehreren Staaten der USA.[15]

Haüyn, mehrere facettierte Steine ca. 1–2 mm groß

Obwohl Haüyn zuerst in Italien gefunden wurde, stammen die besten Haüyne in Schmucksteinqualität und der begehrten neonblauen Farbe vor allem aus der Eifel. Internationale Quellen erwähnen immer wieder auch weiße, graue, gelbe, grüne, violette oder rote Haüyne. Haüyn in Bims ist heller und kleiner (1 bis 2 mm) als in basaltischen Lapilli (< 5 mm).

Nur transparente, fehlerfreie und intensiv gefärbte Haüynkristalle werden geschliffen und zu Schmucksteinen verarbeitet. Aufgrund der in mehreren Achsrichtungen des Kristalls vollkommenen Spaltbarkeit reagiert der Stein allerdings auf alle Arten von Druck (Schleifen, Fassen, Ultraschallreinigen) und Wärmeänderungen (Löten, Punktlichtstrahler) sehr empfindlich.[16] Der Wert eines facettierten Haüyns steigt demnach umso mehr, je größer er ist.

  • T. C. Bruun-Neergard: Ueber den Hauyn (la Hauyne), eine neue mineralische Substanz. In: Journal of Chemical Physics. Band 4, 1807, S. 417–429 (rruff.info [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 23. September 2019]).
  • Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16. überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S. 43, 56, 240.
Commons: Haüyne – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c d Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  3. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  4. a b c d Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 699.
  5. Webmineral – Hauyne (englisch)
  6. a b c d e f g h i j Haüyne. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 76 kB; abgerufen am 23. September 2019]).
  7. Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 610.
  8. Haüyne. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 23. September 2019 (englisch).
  9. Schwedische Wikisource – Sida:Berzelius Bref 8.djvu/88
  10. Detlev Lorenz Lübker, Hans Schröder (Hrsg.): Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 bis 1828. 1. Abteilung A–M. K. Aue, 1829, S. 386 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. T. C. Bruun-Neergard: Ueber den Hauyn (la Hauyne), eine neue mineralische Substanz. In: Journal of Chemical Physics. Band 4, 1807, S. 417–429 (rruff.info [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 23. September 2019]).
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  13. Hans Pichler, Cornelia Schmitt-Riegraf: Gesteinsbildende Minerale im Dünnschliff. 2. Auflage. Enke, Stuttgart 1993, ISBN 3-8274-1260-9, S. 46–48.
  14. Simon Schmitt: Der größte Haüyn-Kristall der Welt zieht in das Freiberger Krügerhaus. In: tu-freiberg.de. Pressestelle der TU Freiberg, 31. Januar 2013, abgerufen am 24. September 2019.
  15. Fundortliste für Haüyn beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 12. Juli 2024.
  16. Edelstein-Knigge – Hauyn. In: beyars.com. Abgerufen am 11. Juli 2024 (Die dortige Schreibweise Hayn ist ein Schreibfehler).beyars.com (Memento vom 17. Mai 2008 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt