Heiligenblut (Spalt)
Heiligenblut Stadt Spalt
| |
---|---|
Koordinaten: | 49° 9′ N, 10° 56′ O |
Höhe: | 425 m ü. NHN |
Einwohner: | 2 (31. Dez. 2023)[1] |
Postleitzahl: | 91174 |
Vorwahl: | 09175 |
Neue Wallfahrtskapelle Heiligenblut
|
Heiligenblut (fränkisch: Wolfrad[2]) ist ein Gemeindeteil der Stadt Spalt im Landkreis Roth (Mittelfranken, Bayern).[3] Heiligenblut liegt in der Gemarkung Enderndorf am See.[4]
Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Einöde liegt im Spalter Hügelland und im Fränkischen Seenland, etwa 600 Meter vom Nordufer des Brombachsees entfernt und ist vom benachbarten Ottmannsberg aus zu erreichen.[5]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ort wurde 1567 im Zusammenhang mit einer Wallfahrt erstmals urkundlich erwähnt.[6] Die Wallfahrt, die einzige ihrer Art im Bistum Eichstätt, beruhte ursprünglich auf einer mittelalterlichen Legende um einen angeblichen Hostienfrevel. Der katholischen Legende nach soll ein armer Taglöhner während einer Hungersnot eine geweihte Hostie in der Kirche von Stirn gestohlen haben. Anno 1444 soll sich in Heiligenblut folgendes abgespielt haben: Ein reicher Jude befiehlt einem armen Holzhacker mit vielen hungrigen Kindern, Hostien aus der Kirche des Örtchens Stirn zu stehlen. Der Jude sticht auf die Hostien ein, die prompt anfangen zu bluten. Die Sache fliegt auf, der arme christliche Holzhacker wird enthauptet, der Jude aber konvertiert zum Christentum. Sekunden, bevor er getauft werden soll, fährt der Blitz in die Spalter Kirche und erschlägt den Juden.[7] Diese katholische Legende steht im Zusammenhang mit der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem nahe gelegenen Ort Eichstätt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte die Wallfahrt Zulauf aus der ganzen Region. Die Pilgerwege aus Ellingen und Stopfenheim trafen in Ramsberg zusammen und führten dann gemeinsam durch das Brombachtal.
Ab 1703 übernahmen Franziskanerbrüder (Rekollekten) die Betreuung der Wallfahrt. Das Kloster wurde durch Pater Pius Schreiber aus dem Franziskanerkloster Schillingsfürst und die Thüringische Franziskanerprovinz (Thuringia) gegründet. Zuerst ein Missionsposten (Hospiz), ab 1742 Konvent, wurde es 1808 im Zuge der Säkularisation wieder aufgelöst. Die Klosterkirche und die weiteren Gebäude wurden 1817/1818 abgetragen.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Heiligenblut neben dem Kloster und der Kirche ein Mesnerhaus und ein Wirtshaus. Das Hochgericht übte das brandenburg-ansbachische Oberamt Gunzenhausen aus.[8] Von 1797 bis 1808 unterstand der Ort dem Justiz- und Kammeramt Gunzenhausen.[9]
Im Rahmen des Gemeindeedikts wurde Heiligenblut dem 1808 gebildeten Steuerdistrikt Absberg und der 1811 gegründeten Ruralgemeinde Enderndorf zugewiesen.[9] Im Rahmen der Gebietsreform in Bayern wurde diese am 1. Juli 1972 aufgelöst und Heiligenblut nach Spalt eingegliedert.
1953 hatte der Pfarrer Ludwig Waldmüller eine neu Kapelle errichten lassen. Heute besteht der neuerliche Wallfahrtsort Heiligenblut aus einem Bauernhof und einer Kapelle, die von der Kolpingsfamilie aus Spalt betreut wird. Seit 1980 wird auch wieder gewallt – zunächst auf Initiative und in Eigenregie der Spalter Kolpingsfamilie.[7]
Im Jahr 2005 wurde vom Arbeitskreis Tourismuspastoral der Diözese Eichstätt erstmals wieder eine Wallfahrt in Form einer Seewallfahrt durchgeführt, da der alte Fußweg durch den Großen Brombachsee überflutet worden war. Die kontrovers wiederaufgenommene Wallfahrt hatte ein aufklärendes Medienecho: Auf der Webseite des Bistums Eichstätt wird von Domvikar Reinhard Kürzinger und dem Arbeitskreis Tourismuspastoral zu einer Wallfahrt der besonderen Art eingeladen. Eine Schiffswallfahrt soll am 7. Oktober (2005) von Ramsberg über den Brombachsee nach Heiligenblut führen, um an die Zeiten anzuknüpfen, wo die Gläubigen trockenen Fußes herüberpilgerten. Die Entstehungsgeschichte Heiligenbluts ist dort jedoch schamgesichtig ihres antijudaistischen Hintergrunds beraubt worden. So hat dort während einer Hungersnot nur ein armer Tagelöhner Hostien entwendet; es bleibt also lediglich christlicher Mundraub übrig. Tatsächlich ist die judenfeindliche Geschichte Heiligenbluts jedoch allgemein bekannt, zumindest in der Spalter Region. Denn eine Tafel des Tourismusverbandes informiert sachlich vor Ort über dessen Historie. Und auch in den gängigen Heimatbüchern über Ramsberg oder dem 2002 erschienenen Band Das Land am Brombach wird auf den jüdischen Hostienfrevel in Heiligenblut hingewiesen.[10]
Baudenkmäler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ehemaliges Franziskanerkloster
Einwohnerentwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jahr | 1818 | 1840 | 1861 | 1871 | 1885 | 1900 | 1925 | 1950 | 1961 | 1970 | 1987 | 2011 | 2018 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Einwohner | 8 | 23 | 26 | 14 | 29 | 13 | 5 | 3 | 7 | 7 | 3 | 1 | 2 |
Häuser[11] | 2 | 2 | 4 | 3 | 1 | 1 | 1 | 1 | |||||
Quelle | [12] | [13] | [14] | [15] | [16] | [17] | [18] | [19] | [20] | [21] | [22] | [1] |
Religion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ort ist römisch-katholisch geprägt und ist nach St. Emmeram (Spalt) gepfarrt.[8][23] Die Einwohner evangelisch-lutherischer Konfession sind in die Christuskirche (Absberg) gepfarrt.[20]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann Kaspar Bundschuh: Heiligenblut. In: Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken. Band 2: El–H. Verlag der Stettinischen Buchhandlung, Ulm 1800, DNB 790364298, OCLC 833753081, Sp. 547–548 (Digitalisat).
- Karl Gröber, Felix Mader: Bezirksamt Gunzenhausen (= Die Kunstdenkmäler von Bayern. Mittelfranken 6). R. Oldenburg, München 1937, DNB 366496220, S. 165.
- Hanns Hubert Hofmann: Gunzenhausen-Weißenburg. In: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. Reihe I, Heft 8. Komm. für Bayerische Landesgeschichte, München 1960, DNB 452071089 (Digitalisat).
- Georg Paul Hönn: Heiligblut. In: Lexicon Topographicum des Fränkischen Craises. Johann Georg Lochner, Frankfurt und Leipzig 1747, OCLC 257558613, S. 205 (Digitalisat).
- Robert Schuh: Gunzenhausen (= Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken. Band 5). Michael Laßleben, Kallmünz 1979, ISBN 3-7696-9922-X, S. 132–133.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Heiligenblut in der Ortsdatenbank des bavarikon, abgerufen am 21. November 2021.
- Heiligenblut in der Topographia Franconiae der Uni Würzburg, abgerufen am 22. September 2019.
- Heiligenblut im Geschichtlichen Ortsverzeichnis des Vereins für Computergenealogie, abgerufen am 22. September 2019.
- Nach vielen Jahren nimmt das Bistum Eichstätt eine antijudaistische Wallfahrt wieder auf und distanziert sich zugleich von ihr.
- Die altbewährte Mär vom „Gottesmord“: Hostienfrevel – Vortrag von Gerhard Langer (Univ. Salzburg) zum Wiener Judenplatz, gehalten 1998 in Wien.
Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Einwohnerzahlen. Abgerufen am 26. September 2024.
- ↑ R. Schuh: Gunzenhausen, S. 132. Dort nach den Regeln des HONB folgendermaßen transkribiert: wǫlfrɒdʰ. Die mundartliche Form leitet sich von Wallfahrt ab.
- ↑ Gemeinde Spalt, Liste der amtlichen Gemeindeteile/Ortsteile im BayernPortal des Bayerischen Staatsministerium für Digitales, abgerufen am 18. Juli 2023.
- ↑ Webkarte. ALKIS®-Verwaltungsgrenzen – Gemarkungen. In: BayernAtlas. LDBV, abgerufen am 10. Oktober 2024.
- ↑ Ortskarte 1:10.000. Darstellung mit Schummerung. In: BayernAtlas. LDBV, abgerufen am 18. Juli 2023 (Entfernungsangaben entsprechen Luftlinie).
- ↑ R. Schuh: Gunzenhausen, S. 132f.
- ↑ a b Hanns Hubert Hofmann: Gunzenhausen-Weißenburg. In: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. Reihe I, Heft 8. Komm. für Bayerische Landesgeschichte, München 1960, DNB 452071089, S. 128 (Digitalisat).
- ↑ a b Hanns Hubert Hofmann: Gunzenhausen-Weißenburg. In: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. Reihe I, Heft 8. Komm. für Bayerische Landesgeschichte, München 1960, DNB 452071089, S. 232 (Digitalisat).
- ↑ Wallfahrt nach Heiligenblut; von Elisa Makowski und Peter Zinke
- ↑ Es sind nur bewohnte Häuser angegeben. Im Jahr 1818 wurden diese als Feuerstellen bezeichnet, 1840 als Häuser, 1871 bis 1987 als Wohngebäude.
- ↑ Alphabetisches Verzeichniß aller im Rezatkreise nach seiner durch die neueste Organisation erfolgten Constituirung enthaltenen Ortschaften: mit Angabe a. der Steuer-Distrikte, b. Gerichts-Bezirke, c. Rentämter, in welchen sie liegen, dann mehrerer anderer statistischen Notizen. Ansbach 1818, OCLC 1071656043, S. 49 (Digitalisat). Dort als Klosterheiligenblut aufgelistet.
- ↑ Eduard Vetter (Hrsg.): Statistisches Hand- und Adreßbuch von Mittelfranken im Königreich Bayern. Selbstverlag, Ansbach 1846, OCLC 635011891, S. 129 (Digitalisat).
- ↑ Joseph Heyberger, Chr. Schmitt, v. Wachter: Topographisch-statistisches Handbuch des Königreichs Bayern nebst alphabetischem Ortslexikon. In: K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern. Band 5. Literarisch-artistische Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, München 1867, OCLC 457951812, Sp. 1034, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10374496-4 (Digitalisat).
- ↑ Kgl. Statistisches Bureau (Hrsg.): Vollständiges Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Kreisen, Verwaltungsdistrikten, Gerichts-Sprengeln und Gemeinden unter Beifügung der Pfarrei-, Schul- und Postzugehörigkeit … mit einem alphabetischen General-Ortsregister enthaltend die Bevölkerung nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1875. Adolf Ackermann, München 1877, OCLC 183234026, 2. Abschnitt (Einwohnerzahlen vom 1. Dezember 1871, Viehzahlen von 1873), Sp. 1199, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00052489-4 (Digitalisat).
- ↑ K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Regierungsbezirken, Verwaltungsdistrikten, … sodann mit einem alphabetischen Ortsregister unter Beifügung der Eigenschaft und des zuständigen Verwaltungsdistriktes für jede Ortschaft. LIV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1888, OCLC 1367926131, Abschnitt III, Sp. 1129 (Digitalisat).
- ↑ K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs Bayern, mit alphabetischem Ortsregister. LXV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1904, DNB 361988931, OCLC 556534974, Abschnitt II, Sp. 1198 (Digitalisat).
- ↑ Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis für den Freistaat Bayern nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und dem Gebietsstand vom 1. Januar 1928. Heft 109 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1928, DNB 361988923, OCLC 215857246, Abschnitt II, Sp. 1235 (Digitalisat).
- ↑ Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern – Bearbeitet auf Grund der Volkszählung vom 13. September 1950. Heft 169 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1952, DNB 453660975, OCLC 183218794, Abschnitt II, Sp. 1067 (Digitalisat).
- ↑ a b Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand am 1. Oktober 1964 mit statistischen Angaben aus der Volkszählung 1961. Heft 260 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1964, DNB 453660959, OCLC 230947413, Abschnitt II, Sp. 784 (Digitalisat).
- ↑ Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern. Heft 335 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1973, DNB 740801384, OCLC 220710116, S. 180 (Digitalisat).
- ↑ Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand: 25. Mai 1987. Heft 450 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München November 1991, DNB 94240937X, OCLC 231287364, S. 349 (Digitalisat).
- ↑ Pfarrverband Großweingarten-Abenberg-Spalt-Theilenberg. In: bistum-eichstaett.de. Abgerufen am 31. Mai 2023.
- Ort im Landkreis Roth
- Kloster im Landkreis Roth
- Kloster (18. Jahrhundert)
- Ehemaliges Franziskanerkloster in Bayern
- Kirchengebäude im Landkreis Roth
- Katholischer Wallfahrtsort in Mittelfranken
- Ortsteil von Spalt
- Wallfahrtskirche des Bistums Eichstätt
- Gegründet 1703
- Einzelsiedlung
- Thüringische Franziskanerprovinz
- Kirchengebäude in Europa
- Ehemaliges Kloster in Mittelfranken